Autor: Ralf Beckmann (Seite 7 von 10)

Kurios – Vorsitzende Richterin der 17. Zivilkammer des Landgerichts Hannover testet selbst den Reitplatz mit ihrem Pferd

Vorbemerkungen

Eigentlich gehört diese Meldung in die Rubrik „Werklohnsachen“. Damit wissen aber sicher die meisten Verbraucher nichts anzufangen. Weil es hier letztendlich und mittelbar auch um Pferde geht, habe  ich mich entschieden, die Sache auch unter „Tierrecht“ zu veröffentlichen.

Denn etwas kurios oder zumindest sehr ungewöhnlich ist die Beweisaufnahme der 17. Zivilkammer in dem hier behandelten Verfahren schon. Die Vorsitzende der Kammer ist selbst geritten. Warum? Weil sie es offenbar kann.


Verfahren vor dem Landgericht

Was beinhaltet nun das Verfahren des Landgerichts Hannover laut seiner Pressemitteilung vom 17.05.2023?

Eigentlich geht es um Werklohnansprüche. Dazu gehören diejenigen Ansprüche, die Unternehmer und Handwerker für ihre handwerklichen und baulichen Leistungen beanspruchen können. Im vorliegenden Fall hatte der/die Auftraggeber/in eingewandt, dass ein von der klagenden Partei zu erstellender Reitplatz mangelhaft sei und deshalb die Zahlung des Werklohnes abgelehnt.

In solchen Fällen, nämlich der Mangeleinrede eines Beklagten, ist praktisch immer die Einholung eines Sachverständigengutachtens die Folge. Der oder die Richter/in müssen schließlich wissen, was an den behaupteten Mängeln dran ist. Mangels eigener Sachkenntnis muss also fast immer eine Sachverständige oder ein Sachverständiger die Mängel untersuchen. So war es auch hier. Da der Sachverständige aber wohl die behauptete Mangelhaftigkeit des Reitplatzes nur bei einem tatsächlichen Beritt beurteilen konnte, griff die Vorsitzende ein. Diese ist wohl langjährige Reiterin und stellte sich und Ihr Reitpferd „für die gute Sache“ zur Verfügung. Nun ist es so, dass Richter (auch wenn Sie das oft tun 😉), einem Sachverständigen und seinem Gutachten nicht blindlings vertrauen dürfen. Vielmehr müssen Sie dies auf Logik und eine widerspruchsfreie Argumentation prüfen, um diesen Ausführungen dann letztlich folgen zu dürfen. Hier war es für die Kammer besonders einfach, denn die Vorsitzende konnte aufgrund eigener Sachkenntnis und konkreter Eindrücke beim Beritt auf dem Reitplatz, den Ausführungen des Sachverständigen umso besser folgen. Da der Eindruck war, der Platz ist in Ordnung, wurde der Klage überwiegend stattgegeben.

Der Fall ist insoweit sehr ungewöhnlich, als Richter ihre eigene „private“ Sachkenntnis ganz offen in ein Verfahren einbringen. Viele Richter und auch Kollegen schätzen nämlich das auch bekannte Beweismittel „richterlicher Augenschein“ und „gerichtsbekannt“ falsch ein. Entweder man ist mit einem „Urteil“ schnell bei der Sache, weil man sich auskennt. Falsch, denn das Auskennen muss Folge von gerichtlichen Verfahren sein und darf sich nicht vorrangig auf private Erkenntnisse und Erfahrungen gründen. Oder man gibt sich völlig ahnungslos, was auch ärgerlich ist, denn die Einholung von Sachverständigengutachten geht selten unter 1.500 Euro aus. 1.500 Euro ist also zumeist der Mindestbetrag, den Richter/innen einem Sachverständigen als Vorschuss für ein Gutachten zubilligen. Dabei wäre vor der Einholung eines solch teuren Gutachtens oftmals hilfreich, der einen oder anderen Partei aufgrund eigener Sachkenntnisse vorläufig zu sagen, wie man die Sache einschätzt. Zumal dann auch mit einem solchen Sachverständigengutachten ein erheblicher Zeitverlust für die klagende Partei einhergeht. Eine Verzögerung um 1 Jahr ist jedenfalls keine Seltenheit und für klagende Unternehmen manchmal sogar existenzbedrohend.

Insoweit hier ein ausdrückliches Lob für die Vorsitzende Richterin, sich so gut in das Verfahren eingebracht zu haben.

Bleiben Sie mir gewogen und vertragen Sie sich 😉

Ihr Ralf Beckmann

P.S. Das Beispielfoto wurde im Rahmen des Verfahrens erstellt und ausdrücklich für die Bearbeitung freigegeben.

Die Beschränkung der Nutzungsdauer von mobilen „Briefmarken“ = Portocode ist unzulässig

Vorbemerkungen
Viele Verbraucher nutzen das Internet. Oftmals ist dies auch bei Dienstleistungen und Käufen eine gute, weil einfache und schnelle Sache. Die Post hat aber die Nutzung von Codes als Ersatz für die analoge Briefmarke übertrieben und nun eine empfindliche Niederlage kassiert.

Urteil des Oberlandesgerichts Köln
Der Bundesverband der Verbraucherzentralen aus Berlin teilt in einer Pressemitteilung vom 14.06.2023 mit, dass das Oberlandesgericht (OLG) Köln im Sinne des klagenden Bundesverbandes gegen die Post entschieden habe.

Die Post hatte in ihren AGB verankert, dass der mittels App anstelle einer analogen Briefmarke erworbene sog. Portocode nach 14 Tagen verfällt.

Das OLG hat jetzt entschieden, dass eine derartige Klausel Verbraucher benachteiligt und deshalb unwirksam sei. Der Bundesverband der Verbraucherzentralen teilt dazu mit:

„Das OLG Köln hat zu Recht die viel zu knappe Gültigkeitsbefristung der mobilen Briefmarken von 14 Tagen kassiert. Es gibt vielfältige Gründe, wieso die Briefmarke nicht innerhalb der zweiwöchigen Frist genutzt wird. Dass Verbraucher:innen dann nicht einmal das gezahlte Geld für die digital erworbene Briefmarke zurückfordern konnten, war nicht tragbar.“

Das OLG Köln teilt dazu ebenfalls in seiner eigenen Pressemitteilung mit:
„Die Unangemessenheit der angegriffenen Klausel folge zudem daraus, dass bei Nichtnutzung der „mobilen Briefmarke“ innerhalb der gesetzten Gültigkeitsdauer der ersatzlose Entzug des Anspruchs auf Beförderung der Briefe/Postkarten folge.“
Denn die spannende Frage war, ob eine Verkürzung der Gültigkeitsdauer auf lediglich 14 Tagen bei vollständigem Verlust der Ansprüche die Verbraucher unangemessen benachteiligt. Dies hatte das OLG in seinem Berufungsurteil bejaht, weil das Leitbild die Verjährungsfrist von 3 Jahren sei. Eine Verkürzung sei denkbar, aber eben nicht auf nur noch 1% der Verjährungsfrist. Hierfür hatte das OLG keine Notwendigkeit gesehen.


Was bedeutet das Urteil und wie geht es weiter?
Jetzt wird sich jeder Kunde, der in letzter Zeit solch einen mobilen Portocode geholt, aber nicht innerhalb der Frist  genutzt hat, einen neuen Code holen können oder gegebenenfalls „Geld zurück“ fordern dürfen. Allerdings dürfte die Post bei einem millionenfach in Anspruch genommenen Verfahren via Internet schwertun, allen Verbrauchern, die sich innerhalb der nächsten Monate melden, zeitnah ihr Geld zu erstatten oder einen neuen Code zur Verfügung zu stellen. Es bleibt also spannend, wie die Post eine derartige Lawine bewältigen will.

Andererseits wird es auch darauf ankommen, wie die Post generell mit Urteil des OLG Köln umgeht. Dieses hat zwar mitgeteilt, dass die Revision nicht zugelassen wurde. Allerdings kann die Post das Urteil dennoch mit einer Nicht-Zulassungsbeschwerde zum Bundesgerichtshof (BGH) die Sache in der Schwebe halten und sich zwischenzeitlich gegenüber Verbrauchern darauf berufen, dass das Urteil noch nicht rechtskräftig ist.

Ich würde dennoch allen betroffenen Verbrauchern anraten, ihre Ansprüche auf Rückzahlung, alternativ auf Zurverfügungstellung eines neuen Portocodes gegenüber der Post beweiskräftig anzumelden, um dann zu verfolgen, wie sich die Sache weiterentwickelt. Vielleicht hat die Post ja aber auch ein Einsehen und erstattet einfach das Geld. Auch so ein kulantes Verhalten soll ja schon vorgekommen sein.

Bleiben Sie mir gewogen und vertragen Sie sich 😉

Ihr Ralf Beckmann

Das Beispiel-Foto wurde mit Dank von Markus Spiske auf Unsplash zur Verfügung gestellt.

Ihr Kind möchte in die Kita – Der Kita-Platz wird Ihnen verweigert? Was kann man tun?

Vorbemerkungen
Viele Eltern kennen das. Alle reden von Kinderförderung, Entlastung der Eltern usw. Wenn es aber ernst wird, kommt oft eine Ausrede: „Wir haben einfach keinen Platz für Sie und Ihr Kind!“ Kann dieser Einwand als Argument durchgehen? Lesen Sie die nachfolgenden Hinweise.

Urteil des Verwaltungsgerichts Münster
Erneut aufmerksam wurde ich wieder auf die Problematik, durch eine nette Nachbarin, die meiner Frau davon erzählte, dass man für den Jüngsten keinen Kita-Platz bekommen habe. Zudem wurde ich dann auf ein Urteil, besser einen Beschluss des Verwaltungsgerichts Münster aufmerksam.

Beschluss des Verwaltungsgerichts Münster – Pressemitteilung

Das Verwaltungsgericht Münster hat in einem Eilverfahren entschieden:

„Stadt Münster muss trotz fehlender Kapazitäten Kita- oder Tagespflegeplatz nachweisen (09.06.2023)“

Das Hauptargument war, dass die Stadt sich gerade nicht auf Unmöglichkeit berufen kann. Also, wir haben einfach keinen Platz, zählt nicht! Es ist nämlich nicht Sache der Eltern einen Platz zu schaffen. Vielmehr hat der Gesetzgeber dem Kind einen vorbehaltlosen Anspruch auf einen Kita-Platz zugebilligt. Dieser Anspruch würde ins Leere laufen, wenn das Argument „wir haben keinen Platz“ zählen würde.

Nebenher hat das Gericht darauf hingewiesen, dass der Platz sich in 30 Minuten Entfernung zum Wohnort der klagenden Eltern befinden müsse.

Ergänzend weise ich darauf hin, dass es sich um ein Eilverfahren vor dem Verwaltungsgericht handelt. Dennoch hat das Gericht der Stadt Münster im Wege der einstweiligen Anordnung aufgegeben,  „einem unter dreijährigen Kind ab dem 1. August 2023 einen Betreuungsplatz zur frühkindlichen Förderung mit dem Umfang von 45 Stunden wöchentlich in einer Kindertageseinrichtung oder Kindertagespflegestelle zur Verfügung zu stellen, der in nicht mehr als 30 Minuten von der Wohnung des Kindes erreichbar ist.“

Der Beschluss des Gerichts ist noch nicht rechtskräftig.


Und was tue ich, wenn mir der Kita-Platz für mein Kind verweigert wird?
Ich kann in Kenntnis des Urteils den Eltern ohne Kita-Platz nur dringend raten, auch Rechtsmittel gegen Ihre Stadt oder Gemeinde in Erwägung zu ziehen, sofern man ihren Kindern den Kita-Platz verweigert. Die Lage ist auch nach diesem Urteil, bzw. Beschluss keineswegs hoffnungslos. Holen Sie sich auf jeden Fall fachkundigen Rat bei einer Rechtsanwältin oder einem Rechtsanwalt. Denn alternativ stehen gegebenenfalls auch die Möglichkeiten einer selbst gesuchten Tagesmutter oder Schadenersatzansprüche gegen die Stadt/Gemeinde im Raum.

Man kann oder muss deshalb sogar sagen, liebe Eltern, Sie haben Rechte!

Einen sehr informativen Artikel zum Thema „Rechtsanspruch auf Kita-Platz“ habe ich auf „Kita.de“ gefunden. Ich verlinke den Artikel ganz unten.

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Ihr Ralf Beckmann

Das Beispiel-Foto wurde mit Dank von Erika Fletcher auf Unsplash zur Verfügung gestellt.

Artikel auf Kita.de zum Rechtsanspruch auf einen Kita-Platz

Anzeige, Strafanzeige, Strafantrag – Anzeigen, aber richtig!

Vorbemerkungen

Wer kennt das nicht? Man zeigt an, man wird angezeigt und wenn es darauf ankommt, ist man doch etwas hilflos.

Ich erläutere Ihnen nachträglich die Begriffe, sage Ihnen, wie Sie alles richtig einordnen und zum Schluss gibt es noch einige wichtige Tipps aus der anwaltlichen Praxis und Erfahrung.

Und aufgepasst, dass jemand seinen Nachbarn beim Hausmeister anzeigt, weil der Nachbar wieder einmal auf dem Balkon grillt, soll hier kein Thema sein. Hier geht es nur um das Strafrecht!

Also, auf geht’s ….


Die Begriffe

Die Anzeige oder Strafanzeige betrifft immer das strafbare Verhalten einer oder mehrerer Personen.
Um etwas anzuzeigen, müssen Sie nicht zwangsläufig einen persönlichen Bezug zu dem Vorgang haben, also beispielsweise das Opfer sein. Stellen Sie sich vor, Sie sehen, wie eine Person auf der gegenüberliegenden Straßenseite einen Stein in die Glastür eines Blumenladens wirft und dann hineingeht. Sie sind nicht betroffen, weil es ist weder ihr Blumenladen, noch gehört Ihnen das Haus, in dem sich der Blumenladen befindet.
Dennoch können Sie diesen durchaus verdächtigen Vorgang anzeigen. Ihnen kann beispielsweise weder die Staatsanwaltschaft noch die Polizei (wenn Sie dort die Anzeige erstatten) einen Vorwurf machen, wenn sich später herausstellt, dass der Ladeninhaber selbst der vermeintliche Täter war, weil er sein Handy und seine Geldbörse im Laden vergessen hatte und er die Schlüssel nicht bei sich hatte. Es ist schließlich nicht verboten, sein eigenes Fenster, seine Ladentür oder das Schloss seiner Eingangstür zur zerstören oder zu beschädigen, um hineinzukommen. Ihnen könnte man nur einen Vorwurf machen, wenn Sie ganz genau wissen und erkannt haben, dass es der Ladeninhaber ist.

Was lernen wir daraus? Anzeigen oder besser eine Strafanzeige erstatten, kann grundsätzlich jeder. Sie müssen auch keine rechtlichen Schlussfolgerungen auf einen bestimmten Straftatbestand, beispielsweise Diebstahl, Körperverletzung oder etwas anders, erkennen. Es sollte sich mit normalem Menschenverstand eben nur um die vernünftige Möglichkeit handeln, dass es sich um eine Straftat handelt. Sie schildern nur Tatsachen, also alle Dinge, die Sie gesehen, gehört oder sonst wie in Erfahrung gebracht haben. Die rechtlichen Schlussfolgerungen überlassen Sie besser der Polizei bzw. der Staatsanwaltschaft.

Sollten Sie gleichzeitig auch Opfer sein, also der oder die Benachteiligte aus einem möglichen, strafbaren Verhalten, haben Sie natürlich umso mehr das Recht den Vorgang anzuzeigen.

Damit kommen wir auch gleich zum zweiten Begriff, dem Strafantrag. Um diesen stellen zu können, müssen Sie im weitesten Sinne das Opfer sein. Warum? Der Gesetzgeber möchte, dass bestimmte, grundsätzlich strafbare Handlungen nur verfolgt werden, wenn das Opfer ein Interesse an der Verfolgung zeigt. § 223 StGB (Strafgesetzbuch) und § 229 StGB regeln die einfache und die fahrlässige Körperverletzung. Nehmen wir an, der Friseur Ihres Vertrauens hat einen schlechten Tag und sticht versehentlich mit der Schere in ihre Kopfhaut. Es blutet leicht und nach 5 Minuten ist zum Glück alles vorbei. Wenn der Friseur diese Verletzung nicht absichtlich herbeigeführt hat, sondern es war ein Missgeschick (= Fahrlässigkeit), handelt es sich um eine fahrlässige Körperverletzung gemäß § 229 StGB. Eine derartige Bagatelle soll nicht dazu führen, dass jeder Polizist oder Staatsanwalt, der zufällig von diesem Delikt erfährt, tätig werden muss. Dies vielleicht, obwohl sie dem Friseur nicht mehr böse sind und er sich anständig entschuldigt und Ihnen den Preis für diesen Besuch erlassen hat. Denn § 230 StGB legt u.a. fest, dass die Taten des § 223 (einfache Körperverletzung) und § 229 (fahrlässige Körperverletzung) in der Regel nur auf Antrag verfolgt werden (§ 230 Abs. 1, Satz 1 StGB).
Wenn Sie ihren unachtsamen Friseur also doch anzeigen möchten, können Sie das tun, müssen dann aber zugleich erklären, dass Sie wegen der geschilderten Tat „Strafantrag“ stellen. Ansonsten kann die Staatsanwaltschaft in der Regel nichts unternehmen.

Polizei und Staatsanwaltschaft haben verschiedene Aufgaben. Diese im Einzelnen zu erläutern, würde zu weit führen. Aber grundsätzlich können Sie jede Straftat bei der Polizei zur Anzeige bringen. Eine bestimmte Form müssen Sie nicht einhalten. Sie können anrufen, es schriftlich oder per E-Mail machen oder dort vorbeigehen und ein Polizeibeamter nimmt Ihre Anzeige auf. Grundsätzlich bin ich bei möglichen Delikten, bei denen nicht besondere Eile geboten ist, für die schriftliche Anzeige bei der Staatsanwaltschaft. Beispiel Friseur und sein Missgeschick. Was soll Nachteiliges passieren, wenn Sie die Sache einen Tag überdenken und sich dann erst entscheiden, die Tat anzuzeigen und dann Strafantrag zu stellen? Richtig, nichts! Sie kennen den Friseur, seinen Namen und seine Adresse. Sie haben hoffentlich ein paar Zeugen, die auch im Salon waren, parat? Dann ist die schriftliche Anzeige, verbunden mit einem Strafantrag wohl die beste Idee. Sie können in Ruhe Ihre Gedanken zu Papier bringen und müssen nicht im Gang einer Polizeiwache lange warten. Wollen Sie dagegen im Beispiel „Stein in die Glastür des Blumenladens“ die mögliche Tat anzeigen, ist ausschließlich der Griff zum Mobiltelefon die richtige Wahl. Sie kennen den vermeintlichen Täter nicht, Ihnen ist nicht zuzumuten, dass Sie sich einmischen und wenn die Polizei erst am nächsten Tag kommt, macht es auch keinen Sinn, oder? Also, anrufen und schildern, was passiert ist. Die Polizei möchte in aller Regel zuerst Ihren Namen und Rufnummer wissen. Dann sollten Sie sagen, wo Sie sich befinden. Dann können Sie schildern, was gerade passiert und was Sie bisher beobachtet haben.

Die Regel lautet demnach, dass bei Eilbedürftigkeit die Polizei hinzugezogen wird. Bei bereits erledigten Sachen, wie der Verwundung am Kopf durch den Friseur, schreiben wir direkt an die Staatsanwaltschaft. Warum? Weil die Staatsanwaltschaft mögliche Straftaten verfolgt. Die Polizei ist nur Helfer und ermittelt als verlängerter Arm der Staatsanwaltschaft. Deshalb am besten bei Vorgängen, die bereits erledigt sind, die Anzeige dort erstatten, wo sie ehedem am Ende bearbeitet wird, nämlich bei der Staatsanwaltschaft.


Praxistipps

Erster Tipp:
Wenn Sie sich entschließen eine Anzeige zu erstatten, egal ob Sie Opfer oder nur Zeuge/Zeugin sind. Schreiben Sie ein Gedächtnisprotokoll! Sie glauben nicht, wie schnell die Erinnerung verblasst und man wichtige Details vergisst oder einfach ausblendet. Das kommt schon automatisch durch Ihre Verhalten nach der beobachteten Tat zustande. Für Sie ist die Beobachtung einer Straftat außergewöhnlich. Man redet also oft zeitnah mit Freunden und Bekannten darüber. Dadurch werden die Hinweise und Kommentare der Freunde ganz automatisch mit Ihren Beobachtungen vermischt. Und schon bekommt man keine objektiv präzise Aussage mehr zustande. Das Prinzip funktioniert eigentlich bei allen Menschen so. Nur der eine braucht weniger Input und der andere mehr, damit seine eigene Erinnerung verwässert wird. Deshalb ist ein Gedächtnisprotokoll, erstellt, bevor Sie mit Gott und der Welt über die Sache reden, die beste Methode, um seine eigene Wahrnehmung zu sichern.
Außerdem, wenn Sie beispielsweise am Folgetag zur Polizei gehen, um Anzeige zu erstatten oder diese bei der Staatsanwaltschaft schriftlich einreichen, fügen Sie einfach eine KOPIE des Gedächtnisprotokolls bei und schon ist fast alles erklärt.

Polizisten haben mit diversen Vorgängen und Straftaten täglich zu tun und vergessen die vielen hundert Vorgänge sehr schnell. Sind sie dann Zeuge in einem Strafprozess, nehmen Sie Ihre Notizen zur Hand. Dann erklären Sie, dass Sie sich nur noch blass oder gar nicht an den Vorgang erinnern. Aber sie haben die Notizen, die sie unmittelbar nach dem Hinzukommen angefertigt haben. Das akzeptieren Gerichte ständig. So können Sie es aber auch machen! Das ist kein exklusives Recht von Polizeibeamten.
Wenn Sie 1 Jahr nach einer Tat vor Gericht als Zeuge erklären, dass Sie sich nicht mehr an alle Details erinnern, aber Ihr Gedächtnisprotokoll vom Tag der Tat dabeihaben und zur Auffrischung Ihres Gedächtnisses dort hineinschauen, wird allenfalls der Rechtsanwalt/Verteidiger des Täters Einwände haben. Das Gericht und die Staatsanwaltschaft werden hocherfreut sein, glauben Sie mir.
Sie müssen in so einem Gedächtnisprotokoll am besten folgende Dinge notieren:
– wann haben Sie das Protokoll angefertigt
– wo war die Tat oder der beobachtete Vorgang
– Uhrzeit
– Anzahl der Beteiligten, am besten mit einer Beschreibung, wenn Sie die Person/en nicht mit Namen und Adresse kennen. Wenn Sie die Beteiligten kennen, Name und Adresse, soweit Ihnen bekannt
– kurze, sachliche Schilderung des Vorgangs ohne diesen zu werten

Und noch ein Tipp:
Wer nicht am PC oder Tablet eintippen will und bei der Beobachtung sein Smartphone zur Hand hat. Einfach eine Sprachaufzeichnung machen! Wenn Sie den Audiorecorder nicht finden, schicken Sie einfach eine Sprachnachricht an Ihren Ehemann/Ehefrau oder Freund/Freundin mittels WhatsApp. Die Audio-Datei können Sie dann der Polizei oder Staatsanwaltschaft auf Anforderung zur Verfügung stellen. Jedenfalls dürfte es die beste und glaubhafteste Methode sein, um das unmittelbar Gesehene irgendwie festzuhalten.
Aber Achtung:
Von Video oder Audioaufzeichnungen des eigentlichen Tatgeschehens rate ich aus mehreren Gründen ab. Erstens ist es verboten, Audioaufzeichnungen ohne Einwilligung der Beteiligten zu machen, wenn diese „nicht öffentlich sprechen“. Sie müssten also im Falle eines Videos ohne Ton filmen, § 201 StGB. Ja, ich weiß, liebe Kollegen, wer in der Öffentlichkeit/Fußgängerzone herumbrüllt, der spricht wohl öffentlich. ABER! Sobald Tatbeteiligte merken, dass sie gefilmt werden, kann sich das Blatt schnell wenden und Sie sind nicht mehr Zeuge, sondern plötzlich auch Opfer! Deshalb sollten Sie gut überlegen, ob Sie frisch und munter Ihr Smartphone hochhalten und filmen.


Letzter Tipp:
Natürlich kommt es vor, dass auch Sie in eine Auseinandersetzung im weitesten Sinne hineingezogen werden können. Wechselseitige Beleidigungen im Straßenverkehr, man hat einen Unfall oder streitet um die Parklücke. Ein Hund beißt den anderen und es geht hoch her.
Viele Menschen haben bei oder nach Auseinandersetzungen und Meinungsverschiedenheiten oftmals eine „Beißhemmung.“ Will sagen, man sagt sich: „Lass denn Id… doch machen, was er will. Ich geh‘ weiter und habe meine Ruhe.“ So mancher Mandant hat sich dann aber gewundert, dass ihm einige Tage später eine Vorladung der Polizei ins Haus flatterte, weil der Gegner einer verbalen Auseinandersetzung seine Ankündigung „Ich zeige Dich an!“ im Gegensatz zu Ihnen in die Tat umgesetzt hat. Dann ist, wie man so schön sagt, Holland in Not. Erster Reflex des angezeigten Mandanten war fast immer, den zeigen wir jetzt auch an. Dann steht es 1:1 und nix passiert. Ja, manchmal. Meine Erfahrung ist, dass der zuerst Anzeigende immer einen kleinen Vorsprung genießt. Meistens wird die Gegenanzeige als Versuch gewertet, von eigenem, strafbarem Verhalten abzulenken und so den Fall zu drehen. Man sollte sich also gut überlegen, ob man nicht besser der Schnellere bei der Anzeige sein sollte! Gerade im Straßenverkehr können einfachste Delikte, wie Beleidigungen, Nötigung usw. schnell zu einer unerbittlichen Staatsanwaltschaft führen. Und dann, wenn sich derartige Delikte auch noch im Zusammenhang mit dem Straßenverkehr abgespielt haben, wackelt womöglich auch noch die Fahrerlaubnis! Ja, im Supermarkt einem an der Kasse drängelnden Menschen kurz mal eine Beleidigung an den Kopf werfen, zieht meist keine großartigen Folgen nach sich. Probieren Sie das gern einmal aus, wenn Sie Fahrrad fahren, also auch etwas tun, was mit dem öffentlichen Verkehr zu tun hat. Ruckzuck kommt nach der Anzeige die Vorladung und selbst als Fahrradfahrer ist bei strafbarem Verhalten der Führerschein ein Thema.

Deshalb sollten Sie immer gut überlegen, ob Sie nicht besser in die Offensive gehen und selbst Anzeige erstatten, bevor es der „Gegner“ tut. Dies rate ich insbesondere bei Auseinandersetzungen im Straßenverkehr immer an. Sonst kann es ein böses Erwachen geben. Im Zweifel sollten Sie hier aber eine erfahrene Rechtsanwältin oder einen Rechtsanwalt aufsuchen und sich professionellen Rat holen. Die Kosten für eine strafrechtliche Verurteilung, möglicherweise inkl. Fahrerlaubnisentzug sind viel höher.

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Ihr Ralf Beckmann Das Beispiel-Foto wurde mit Dank von Bermix Studio auf Unsplash zur Verfügung gestellt.

Radfahrer frei – was heißt das?

Vorbemerkung
Neulich war ich wieder einmal mit dem Rad unterwegs. Da ich nicht gerade langsam fahre, befuhr ich die Straße auf der rechten Straßenseite auf der Fahrbahn der PKW. Auf der linken Straßenseite (in meiner Fahrtrichtung gesehen), befindet sich an der Stelle auch ein kombinierter Fuß-/Radweg, dachte ich!

Dann überholte mich ein Linienbus langsam. Der Fahrer rief durch das offene Seitenfenster, ich solle doch den Radweg benutzen und nicht die Fahrzeuge auf der Fahrbahn behindern. Er machte ein Gesicht, als sei ich zu dumm oder zu faul einen vorgeschriebenen Radweg zu nutzen. Ich war irritiert, da an der betreffenden Stelle sehr häufig Radfahrer mit dem Rennrad oder Mountainbike auf der Fahrbahn unterwegs sind.


Was gilt wirklich?
Die vom Busfahrer gerufene Mitteilung „nutze doch den Radweg“ ist definitiv falsch. Denn der vermeintliche Fuß- und/oder Radweg war mit dem oben ersichtlichen Verkehrszeichen und Zusatzzeichen gekennzeichnet.

Was bedeutet dies aber?

Zunächst bedeutet dies, dass es sich um einen Gehweg handelt. Ende der Geschichte, könnte man dem Busfahrer zurufen. Aber warum? Er meinte durch seinen Zuruf indirekt, dass es quasi eine Pflicht für Radfahrer gäbe, dort und nicht auf der Fahrbahn zu fahren. Falsch, denn es handelt sich eben um einen Gehweg. Natürlich dürfen dort auch Radfahrer fahren, aber sie sind quasi nur Gast auf dem Gehweg! Dies führt zu zwei Dingen. Erstens bleibt der Gehweg auch durch das Zusatzzeichen ein Gehweg. Zweitens dürfen Radfahrer dort, wenn sie den Gehweg nutzen, nur Schrittgeschwindigkeit fahren. Das war eigentlich nicht das, woran ich gedacht hatte. Drittens dürfen sie dort fahren, aber sie müssen nicht! Nur wenn ein echter Radweg vorhanden ist, führt das zur Pflicht diesen zu nutzen. An der betreffenden Stelle gibt es aber keinen Radweg, sondern eben nur einen Gehweg, auf dem Radfahrer in Schrittgeschwindigkeit geduldet sind.

Also, lieber Busfahrer. Das zeigt, dass ein langes Leben als Busfahrer mit wahrscheinlich erfolgreicher Fahrpraxis nicht zwingend dazu führt, dass man noch alle Verkehrsregeln parat hat und sicher beherrscht.

Deshalb mein Rat: ein toleranter und verständnisvoller Umgang aller Verkehrsteilnehmer untereinander hilft enorm. Bevor man belehrend und oberlehrerhaft den Zeigefinger hebt, sollte man sich lieber vergewissern, dass man die Verkehrsregeln wirklich beherrscht. Und viel wichtiger. Was macht es eigentlich auf einer wenig befahrenen Straße aus, wenn ich als PKW-, LKW- oder Busfahrer mal für 10 bis 30 Sekunden hinter einem „langsamen“ Radfahrer herfahre, um dann mit genügend Abstand überholen zu können? Meine Antwort: nichts!

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Ihr Ralf Beckmann

Baustelle, Eltern haften für Ihre Kinder! Stimmt das? Ein Beispiel aus der Rechtsprechung: OLG Oldenburg, Pressemitteilung vom 22.05.2023

Vorbemerkungen
Häufig sieht man auf bzw. am Eingang zu Baustellen Schilder mit sinngemäß folgendem Text: „Achtung Baustelle – Eltern haften für Ihre Kinder“

Als Volljurist und ehemaliger Rechtsanwalt mit langer Prozesserfahrung im Schadenersatzrecht muss man da zumeist etwas schmunzeln. Warum, weil diese Hinweise niemanden binden und das Baustellenschild nur selten und dann nur halb zutreffend ist.


Warum haften Eltern für Ihre Kinder – Haften Kinder nicht selbst?
Zunächst einmal zu den Kindern. § 828 BGB legt fest, dass Kinder, das Gesetz sagt hier Minderjährige, bis zur Vollendung des 7. Lebensjahres überhaupt nicht haften; § 828 Abs. 1 BGB.

§ 828 Abs. 2 BGB legt fest, dass ein Kind mit vollendetem 7. Lebensjahr, das aber noch nicht das 10. Lebensjahr vollendet hat, für den Schaden, den es einem anderen zufügt, nicht haftet, wenn dies im Zusammenhang mit einem Kraftfahrzeug, einer Schienen- oder Schwebebahn steht. Ausnahme, dass Kind begeht die Tat vorsätzlich!

Und Abs. 3 von § 828 BGB bestimmt, dass alle anderen Minderjährigen (also bei Tatbegehung oder zum Unfallzeitpunkt unter 18-jährigen), deren Haftung nicht nach Abs. 1 oder 2 ausgeschlossen ist, nur haften, wenn er oder sie bei Begehung des Schadens die erforderliche Einsichtsfähigkeit hatten. Oder umgekehrt ausgedrückt: Minderjährige, die bei der Begehung der schädigenden Handlung nicht die zur Erkenntnis der Verantwortlichkeit erforderliche Einsicht hatten, haften nicht.

Damit ist zunächst einmal klar, dass ein Kind, so nenne ich die Minderjährigen jetzt hier der Einfachheit halber, nur beim Erreichen eines bestimmten Alters haften.
Anders ausgedrückt sagt § 828 BGB, dass Kinder unter sieben Jahren nie haften! Steht die Schädigung im Zusammenhang mit einem Kfz, Schienen- oder Schwebebahn, wird die Haftungsfreistellung bis zum vollendeten 10. Lebensjahr angehoben, sofern kein Vorsatz vorliegt. Ansonsten haften alle Kinder ab dem vollendeten 7. Lebensjahr, wenn sie die bei Begehung der schädigenden Handlung erforderliche Einsicht zur Verantwortlichkeit hatten.
Hierzu ein Beispiel: Einem 14-jährigen, der mit Pfeil und Bogen in einem öffentlichen, belebten Park Schießübungen macht und dabei einen Passanten verletzt, wird man in aller Regel die Einsichtsfähigkeit in sein gefährliches Tun unterstellen dürfen. Also haftet dieses Kind oder Jugendliche persönlich.

Nun kommt das große ABER in Form von § 832 BGB. Denn beispielsweise die Eltern können für die Verletzung der sog. Aufsichtspflicht haften. Haftet das Kind aus einem der o.g. Gründe wegen § 828 BGB nicht, kann der Geschädigte von den Eltern als „Aufsichtspflichtigen“ Schadenersatz verlangen. Ob jetzt die Eltern haften, wenn der 6-jährige mit einem Nagel die Autotür des Nachbarn zerkratzt, hängt vom Einzelfall ab. Jedenfalls müssen sich die Eltern dann entlasten. Also nachweisen, wie Sie die Aufsicht über den Sohnemann geführt haben. Hier sollten Sie sich im Fall der Fälle auf jeden Fall anwaltlich beraten lassen, denn jeder Fall liegt anders.  Ich kann Ihnen nur sagen: Wenn der Sohnemann zuvor schon dreimal mit einem Nagel an den Autotüren anderer Nachbarn hantiert hat, wird es extrem schwer nachzuweisen, dass man seiner Aufsichtspflicht nachgekommen ist.


Und das OLG Oldenburg?
Das hatte den Fall einer Großmutter zu verhandeln, die von Ihrem 2½-jährigem Enkel mit dem PKW der Mutter angefahren und verletzt wurde. Wie war das möglich? Die Mutter setzte den Sohn in den Kindersitz auf dem Beifahrersitz, schnallte ihn aber noch nicht an. Den Autoschlüssel hatte sie auf das Armaturenbrett gelegt. Der Filou krabbelte aus dem Kindersitz, steckte den Schlüssel in das Schloss und startete den Wagen. Dieser machte einen Satz nach vorn und verletzte die Großmutter. Die Krankenkasse und nicht die Großmutter verlangte nun von der Mutter wegen der Verletzung der Aufsichtspflicht die ärztlichen Behandlungskosten für die Großmutter erstattet.

Wir wissen bereits, der kleine Mann ist nicht deliktsfähig und haftet nicht für seine Tat, weil unter sieben Jahren alt. Aber hatte die Mutter der Aufsichtspflicht genügt? Das Landgericht hatte die Klage noch abgewiesen, weil die sog. Kausalkette derart ungewöhnlich und unvorhersehbar war, dass die Mutter nicht mit einer Verletzung der Großmutter rechnen musste. Das OLG sah dies anders. Kleinkinder bedürften der ständigen Aufsicht, meinte das OLG. Erfahrungsgemäß griffen Kinder zu umherliegenden Gegenständen wie Schlüsseln und versuchten sie dann in Schlösser zu stecken. Also, hätte die Mutter das Kind anschnallen und die Fahrzeugschlüssel mitnehmen müssen. Andernfalls hätte sie die Aufsicht einer anderen Person (die Großmutter?) übertragen müssen.
Ich sehe die Argumente des OLG eher kritisch. Einfach mal so in den Raum stellen, dass 2½-jährige Kinder nach Schlüsseln greifen und diese dann zielsicher in das Schloss des Fahrzeugs stecken? Aber musste man damit rechnen? Ich denke dann andererseits, wer Kinder hat weiß, dass man mit allem Blödsinn dieser Welt rechnen muss. Also, die Mutter hat vielleicht ein Ding zu viel falsch gemacht. Das Kind nicht angeschnallt, keine Aufsicht und dann noch die Schlüssel im PKW zurückgelassen? Wie man sieht, kann man es wohl so oder so sehen. Denn das OLG war die Berufungsinstanz. Das Landgericht hatte die Klage der Krankenkasse zuvor noch abgewiesen.

Aber, aus dem Fall wird die finanzielle Gefahr für die Mutter deutlich. Es reicht eben nicht, wenn verletzte Mutter/Großmutter sich sagt, ich verklage  doch nicht meine eigene Familie. Denn die Ansprüche der Mutter/Großmutter wegen der ärztlichen Behandlungskosten gehen kraft Gesetzes auf die Krankenkasse über. Die Großmutter mag ihren Enkel und die Tochter vielleicht nicht verklagen. Die Krankenkasse hat da weniger Mitleid.

Deshalb sollten wir stets gut auf die kleinen Racker achtgeben. Wo kein Schaden, da kein Kläger!
Und zu guter Letzt wissen wir auch noch, „Eltern haften für Ihre Kinder“ gilt nur manchmal. Das Baustellenschild hat also nur zeitweilig recht. 

Bleiben Sie mir gewogen und vertragen Sie sich 😉

Ihr Ralf Beckmann

OLG Oldenburg, die Pressemitteilung vom 22.05.2023

Das Beispiel-Foto wurde mit Dank an Silvia Brazzoduro zur Verfügung gestellt auf Unsplash.com

Pressemitteilung Landgericht Frankfurt – Klage gegen Impfstoffhersteller

05.04.2023 Landgericht Frankfurt am Main Pressemitteilung

Das Landgericht Frankfurt teilt in einer Presseerklärung vom 05.04.2023 mit, dass eine Privatperson in einem Zivilprozess gegen den Hersteller eines Impfstoffes gegen das SARS-CoV-2-Virus klagt. Die Klägerin behauptet, sie habe durch die Verabreichung des Vakzins einen Herzschaden erlitten. Außerdem leide sie seit der Impfung an Leistungseinbußen und Konzentrationsstörungen. Das Aktenzeichen des Landgerichts Frankfurt in diesem Verfahren lautet: 2-12 O 264/22.

Das Landgericht hat den Termin zur mündlichen Verhandlung für

Freitag, den 07. Juli 2023, 10 Uhr,

angesetzt. Nach Mitteilung des Gerichts sind keine Zeuginnen oder Zeugen geladen worden. Die zuvor bestimmten Termine am 15. März 2023 und 28. April 2023 wurden aufgehoben. Wie das Landgericht weiter mitteilt, ist am nunmehr angesetzten Verhandlungstag noch nicht mit einem Urteil zu rechnen.

Eigene Anmerkungen:

Sofern es sich bei dem Termin am 7. Juli um den ersten Termin zur mündlichen Verhandlung handelt, ist völlig normal, dass noch kein Urteil zu erwarten ist. Nach meiner Erfahrung wird der beklagte Hersteller naturgemäß das Vorhandensein eines Herzschadens und die Leistungseinbußen und Konzentrationsstörungen der Klägerin bestreiten. Diese wird in dem weiteren Verlauf des Verfahrens zunächst diese Einschränkungen gesundheitlicher Art beweisen müssen. Dies geschieht vermutlich und wie üblich mittels eines Sachverständigengutachtens. Der beklagte Hersteller wird aber auch einen kausalen Zusammenhang zwischen den gesundheitlichen Einschränkungen der Klägerin und der Verabreichung des Vakzins bestreiten. An dieser Stelle wird es dann für den informierten Juristen spannend. Sieht das Gericht die volle Beweislast für diesen Zusammenhang bei der Klägerin, oder lässt es gelten, dass nur erste Beweise oder Beweisanzeichen durch die Klägerin zu erbringen sind und es dann Sache des Beklagten Herstellers ist, diese ersten Vermutungen zu widerlegen? Im ersten Fall müsste ein Sachverständiger zur Überzeugung des Gerichts darlegen und bestätigen, dass die Klägerin die behaupteten gesundheitlichen Einschränkungen hat, diese vor der Verabreichung des Vakzins frei von diesen Einschränkungen war und ein ursächlicher Zusammenhang zwischen der Verabreichung des Vakzins und den Gesundheitsschäden besteht. Mithin, diese Gesundheitseinschränkungen auf das Vakzin zurückzuführen sind. Sollte das Gericht die volle Beweislast bei der Klägerin sehen, wird es für diese enorm schwer ein positives Urteil zu erstreiten.
Selbst wenn dies zugunsten der Klägerin geschehen sollte, ist m.E. mit der Einlegung der Berufung durch den beklagten Hersteller zu rechnen. Da muss man keine bösen Absichten dahinter vermuten. Nur, dürfte ein positives Urteil für die Klägerin im Falle der Rechtskraft derartige Signalwirkung ausstrahlen, dass der Hersteller gar nicht anders kann als alle rechtlichen Mittel auszuschöpfen.

Ich werde versuchen, über den weiteren Verlauf des Verfahrens zu berichten.

Bleiben Sie mir gewogen.

Ihr

Ralf Beckmann

Pressemitteilung des Landgerichts Frankfurt zur Klage gegen Impfstoffhersteller

Beispielfoto von Daniel Schludi auf Unsplash – Vielen Dank!

Sie haben Gläubiger, die bei Ihnen oder einem Familienmitglied pfänden möchten? – Dann sind die neuen Pfändungstabellen für Sie wichtig!

Was sind überhaupt „Pfändungstabellen“ und wozu benötigt man sie? Grundsätzlich muss man wissen, dass der Gesetzgeber in Deutschland ein Grundprinzip verfolgt. Durch die privaten Angelegenheiten zwischen einem Gläubiger und einem Schuldner (hier sind natürlich auch weibliche Schuldner und weibliche Gläubiger gemeint), soll es nicht zu einer derartigen Geldnot beim Schuldner kommen, dass der Staat für den Unterhalt des Schuldners aufkommen muss. Allein zu diesem Thema könnte man sicher ein Buch schreiben. Weil der Staat aber möchte, dass es aus diesem Grund nur zu Pfändungen oberhalb der notwendigen Mittel zur Lebenshaltung kommt, gibt es § 850c ZPO (dieser Link verweist bis zum 01.07.2023 auf die bis dahin geltende Version des § 850c ZPO). Dieser legt die Grenzen dessen fest, was unpfändbar ist bzw. dem Schuldner pro Tag, pro Woche oder pro Monat noch von seinem Einkommen verbleiben muss. Dabei kommt es darauf an, ob der Schuldner nur sich allein oder weitere Personen zu versorgen hat. Wer also mit seinem Einkommen zwei Kinder und eine Ehefrau unterhalten muss, dem verbleibt ein deutlich höherer Betrag, als einem alleinlebenden Schuldner ohne Unterhaltspflichten.

Diese Grenzen dessen, was einem Schuldner bei einer Pfändung verbleiben darf, sind verbal mit einzelnen Beträgen in § 850c ZPO erläutert. Damit man nicht ständig rechnen muss, gibt es dazu eine passende Tabelle, in die diese Beträge bereits errechnet aufgenommen wurden; eben die sog. Pfändungstabellen.


Welche neuen Pfändungsfreigrenzen gelten nun ab dem 01.07.2023?

Bitte beachten Sie. Die hier übermittelten Zahlen sind dem Bundesgesetzblatt entnommen. Dennoch kann und werde ich keine Haftung für eventuell fehlerhaft übermittelte Zahlen übernehmen.

Zunächst einmal gilt, dass eine Person oder ein Schuldner, der sein Einkommen nur für sich zur Verfügung hat, bis zu einem monatlichen Nettolohn von 1.409,99 Euro pfändungsfrei ist. Damit ist gemeint, dass ein Arbeitgeber, bei dem als sog. „Drittschuldner“ der Lohn des Schuldners gepfändet wird, dem Gläubiger bis einschließlich einem Nettolohn von € 1.409,99 keinen Cent abführen muss. Zeigt Ihre Lohnabrechnung dagegen einen Endbetrag von € 1.410,00, also einen CENT mehr als bei dem o.g. Freibetrag, muss der Arbeitgeber davon € 5,40 monatlich an den Gläubiger abführen.

Haben Sie dagegen eine weitere Person, sei es die Ehefrau oder den Ehemann oder ein Kind wirtschaftlich mitzuversorgen, erhöht sich der Freibetrag auf € 1.939,99. D.h., bis zu diesem Betrag wird kein Lohn von Ihrem Arbeitgeber an den Gläubiger abgeführt. Erst ab einem Nettoverdienst von € 1.940,- wird ein Betrag von € 4,98 einbehalten und an den pfändenden Gläubiger abgeführt.

Letztes Beispiel, Sie haben einen Ehepartner und ein Kind zu versorgen, dann erhöht sich der Freibetrag auf € 2.229,99 und ab einem Nettolohn von € 2.230 wird erstmals ein Teilbetrag von € 2,38 von Ihrem Arbeitgeber an den Gläubiger abgeführt.

Ich habe die Tabelle aus dem Bundesanzeiger mit allen Beträgen nachfolgend eingekürzt und nur die Beträge aufgeführt, für die noch bis zur nächsten Stufe auf pfändungsfreie Beträge verweisen.

Pfändungstabelle Juli 2023 kurz

Mein Tipp, wenn Sie Lohn beziehen, der sich aus verschiedenen Komponenten zusammensetzt, beispielsweise neben dem eigentlichen Lohn noch Auslöse für die Übernachtung außerhalb, Spesen etc. pp., sollten Sie sich genau erkundigen, ob nicht bestimmte Lohnanteile dem Pfändungsschutz unterliegen. Auch können Sie Ihren Arbeitgeber nicht dazu zwingen, in Ihrem Sinne zu rechnen. Sie müssen als Schuldner eigene Rechtsmittel gegen die „fehlerhafte“ Abrechnung ergreifen.

Unten finden Sie noch den Link zum Bundesgesetzblatt, wo Sie den Gesetzestext und die vollständige Tabelle finden. Bleiben Sie mir gewogen und vertragen Sie sich 😉

Ihr Ralf Beckmann

Bundesgesetzblatt 850c ZPO


Brückentag – wer kriegt ihn? Artikel in der Tegernseer Stimme vom 15. Mai 2023

Es ist zu verführerisch. Ein oder zwei Urlaubstage nehmen und schon die ganze Woche frei. Gerade in großen Betrieben gibt es dann ein Gerangel um die Brückentage. Aber wer hat Anspruch auf diese Tage? Gibt es überhaupt Anspruch?

Zunächst einmal gilt das Bundesurlaubsgesetz (BUrlG). Dort insbesondere § 7 BUrlG. Hier steht im Absatz 1, dass die Urlaubswünsche des Arbeitnehmers zu berücksichtigen sind. Das bedeutet, dass der Arbeitgeber dem Wunsch eines Arbeitnehmers nach Urlaub zu einem bestimmten Zeitpunkt wohlwollend entgegenkommen muss. Eine Pflicht, bestimmte Tage damit zu gewähren, besteht also nicht. Weiterhin können noch geltende Tarifverträge Regelungen zum Urlaub enthalten oder der individuelle Arbeitsvertrag. Lesen Sie also unbedingt Ihren Arbeits- oder Tarifvertrag.

Lesen Sie den ganzen Artikel in der Tegernseer Stimme:

Brückentag – wer kriegt ihn?

Wenn der Versicherungsmakler klingelt – Artikel Tegernseer Stimme 9. Mai 2023

Wir haben heute bereits gefragt: Kann das weg? Jetzt fragen wir: Wie bewahrt man einen kühlen Kopf, wenn die Angebote verlocken.


Versicherer wissen zu argumentieren und wirken überzeugend. TS-Autor und Jurist, Ralf Beckmann, hat einige Tipps im Umgang mit Versicherungsmaklern dabei:

Erstens, niemals beim ersten Besuch des Versicherungsmitarbeiters etwas abschließen! Nach einem Gespräch mit Ihrer Versicherung prüfen sie genau, für welche Versicherung sie Ihr Geld anlegen sollen. Was beinhaltet sie? Denken sie daran, für die Versicherung sind sie das Geschäft, das funktioniert, wenn sie wenige oder keine Schäden haben.

Zweites Beispiel: Sie sind im Ruhestand, 70 Jahre jung und bereits in der Zahnbehandlung für neue Dritte? Wie soll das gehen, dass Ihre Zahnversicherung alle, auch die laufenden Kosten vollständig übernimmt? Für sagen wir ­­– 15 Euro im Monat – wenn die aktuelle Behandlung bereits 4.900 Euro kosten soll? Was zu schön ist, um wahr zu sein, ist nicht wahr. Bleiben sie immer kritisch!

Drittens sollten sie sich in immer über Ihre eigene Motivation für den möglichen Abschluss einer Versicherung klar werden. Was ist Ihnen wichtig? Beispielsweise die Familie für den Fall der Fälle absichern.

Viertens, was soll tatsächlich aus Ihrer Sicht versichert sein? Ihr Haus, Ihre Wohnung, sie persönlich? Schreiben Sie Ihre Ziele und Motive am besten auf. Dann behalten sie ihre Ziele auch in einem überzeugenden Beratungsgespräch im Auge.

Den Artikel finden Sie auch direkt bei Tegernseer Stimme:
Wenn der Versicherungsmakler klingelt

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