Kategorie: Schadensersatzrecht (Seite 1 von 2)

Mietrecht – Darf der Vermieter einen vermeintlichen Schaden an der Wohnung durch Verrechnung mit der Kaution nach Verjährung ausgleichen?

Der Bundesgerichtshof (kurz BGH) hat kürzlich einen interessanten Fall entschieden (hier die Pressemitteilung des BGH). Es geht um den Ersatz von Schäden an der Wohnung, für den Mieter verantwortlich sein sollen. Nachfolgend meine kurze Stellungnahme und Bewertung zu dem Fall.

Um zu verstehen, wo die Problematik liegt, muss man § 548 Abs. 1 BGB kennen. Demnach verjähren Schäden an der Mietsache 6 Monate nach deren Rückgabe. Haben Sie also Ihre Wohnung am 31.12.2023 zurückgegeben, tritt die Verjährung am 01.07.2024 ein. Der Vermieter kann ab diesem Zeitpunkt dann nicht mehr durchsetzen, dass sie angeblich von Ihnen beschädigte Innentüren und deren Auswechselung bezahlen müssen.
Der Vermieter hatte im vorliegenden Fall nach Ablauf von 6 Monaten noch Geld für vermeintliche Schäden an der Wohnung verlangt und diese Schäden durch Aufrechnung mit der Kaution beglichen.
Exkurs: Um den Fall richtig zu verstehen, sollte man auch das Recht der Verjährung kennen. Natürlich kann der Vermieter am 02.07.2024 schriftlich die Erstattung der Kosten für die ausgewechselten Türen fordern. Die Verjährung ist zwar eingetreten, aber Sie müssen von dem Recht auch GEBRAUCH machen, also dem Vermieter mitteilen, dass Sie sich auf die Verjährung berufen. Nur wenn Sie das aktiv tun (also das RECHT ausüben) indem Sie dem Vermieter sagen, “ … ich berufe mich auf Verjährung…“, kann ein Gericht auch die Verjährung zu Ihren Gunsten berücksichtigen. Unaufgefordert darf das Gericht dies nicht tun.

Nun aber zurück zum Fall. Die Mieter hatten richtig gehandelt und sich auf Verjährung berufen. Die Vorinstanzen hatten den Mietern deshalb recht gegeben und verneint, dass der Vermieter die Kosten für die Reparatur einfach von der Kaution abziehen durfte; Juristen nennen das Aufrechnung. Der BGH war jedoch anderer Meinung. Es argumentierte u.a.: „Dabei hat das Berufungsgericht jedoch die beiderseitigen Interessen der Parteien eines Wohnraummietverhältnisses im Falle der Vereinbarung einer Barkaution nicht hinreichend berücksichtigt. Eine vom Mieter gestellte Barkaution dient gerade der Sicherung der Ansprüche des Vermieters; dieser soll sich nach Beendigung des Mietverhältnisses auf einfache Weise durch Aufrechnung gegen den Kautionsrückzahlungsanspruch befriedigen können.“ Anders ausgedrückt, der Vermieter soll es mit der Kaution „leicht haben“ und man interpretiert in eine meist nicht besonders umfassend ausgeführte Kautionsvereinbarung hinein: „Der Vermieter soll auch nach Eintritt der Verjährung gem. § 548 BGB noch Schäden mit der Kaution verrechnen dürfen.“

Die für alle spannende Frage ist aber, warum der BGH überhaupt so argumentieren kann? Das liegt an den meist knappen Ausführungen zur Kaution in den Mietverträgen. Dort heißt es zur Kaution vorwiegend, dass der Mieter sich zur Zahlung einer Kaution in Höhe von X Euro bereit erklärt. Wie und wann die Kaution dann bereitgestellt werden muss, steht im Gesetz, § 551 BGB, sofern es sich um Wohnraummiete handelt. Was Sie aber als Laie wissen müssen ist, dass die Kaution nicht „in Stein gemeißelt ist.“ Dass man überhaupt „Kaution zahlen“ muss, ist eine freie Vereinbarung zwischen Mieter und Vermieter, quasi wie ein eigener Vertrag innerhalb des Mietvertrags. Wenn man aber, wie in den meisten Standard-Formularmietverträgen, nur die Kaution an sich und deren Höhe dort vereinbart, bleibt für den „Rest“ Spielraum zur Interpretation! Diesen Spielraum hat der BGH genutzt. Er hat unterstellt, dass die Kaution den Vermieter auf einfache Art und Weise zu seinem Recht, also Geld verhelfen können soll. Das hätten Sie als Mieter wohl auch so gewollt, oder? Die Verjährung gem. § 548 BGB würde diese Leichtigkeit verhindern und schon ist die eigentlich vorgesehene Verjährung vom Tisch!

Meiner persönlichen Meinung nach, ist das eine sehr einfache und einseitige Sichtweise, denn meistens denken sich die Parteien beim Unterzeichnen von Standardmietverträgen nicht viel und wenn ja, machen sie sich sicher wenig Gedanken zur Kaution. Jedoch muss man das Urteil als solches kennen und seine Schlüsse daraus ziehen.

Und was kann man tun? Sehr einfach, von seinem Recht auf Parteivereinbarung im Zivilrecht Gebrauch machen. Niemand kann Ihnen nämlich verbieten, bei dem Passus „Kaution“ dazuzuschreiben, dass § 548 BGB gilt und eine Verrechnung vermeintlicher Schadenersatzansprüche mit der Kaution nach Eintritt der Verjährung ausgeschlossen ist. Das dürfen Sie jederzeit tun und wenn Sie und der Vermieter den Vertrag so unterzeichnen, gilt dies. Dann hat das Urteil des BGH in Ihrem Fall keine Gültigkeit, da Sie dem BGH zulässig den Interpretationsspielraum genommen haben.

Bei all dem vergessen aber viele, dass die Frage, ob der Anspruch auf Ersatz der Schäden berechtigt ist, erst einmal vorrangig geklärt werden muss. Deshalb hat der BGH im vorliegenden Fall zurückverwiesen. Denn diese Frage war noch nicht geklärt und musste auch nicht durch die Vorinstanzen geklärt werden. Denn für diese galt zunächst der Grundsatz der Prozessökonomie. Weil die Mieter sich wirksam auf Verjährung berufen konnten (ihrer Auffassung nach), musste durch die Vorinstanzen nicht geklärt werden, ob der Anspruch des Vermieters auf Ersatz von Schäden überhaupt berechtigt war. Denn derartige Ansprüche sind oftmals zwischen den Parteien streitig, weil der Übergang von normaler Abnutzung zu einem ersatzpflichtigen Schaden eben fließend ist. Stellen Sie sich vor, eine komplette Küche ist Teil der gemieteten Wohnung. Sie wohnen dort 10 Jahre. Und nach 10 Jahren soll der Herd wie neu aussehen? Da ist der Streit, ob dieser mit eingebrannten Fettspritzern dekorierte Herd normal genutzt oder „beschädigt“ wurde, schon vorprogrammiert, oder? Deshalb ist immer zuerst zu klären, habe ich einen Schaden verursacht oder ist der Schaden einfach die normale Abnutzung? Dann stellt sich die Frage, ob der (berechtigte) Anspruch auf Schadenersatz wegen Verjährung zurückgewiesen werden kann.

Bleiben Sie mir gewogen!

Ralf Beckmann

Vielen Dank für das Beispielfoto an Markus Spiske auf Unsplash.com
https://unsplash.com/de/fotos/5ofD_71Qano

Auch Polizeibeamte können persönlich für Unfallschäden haften

Wer hätte das gedacht? Blaulicht und Martinshorn geben dem das Einsatzfahrzeug fahrenden Polizeibeamten keinen Freibrief! Das Gegenteil ist der Fall, wie ein aktuelles Urteil des Verwaltungsgerichts Berlin zeigt; hier.

Was war passiert? Der ein Einsatzfahrzeug fahrende Polizeibeamte war nach Auffassung des Gerichts „grob fahrlässig“ unterwegs, als er im Einsatz mit seinem Fahrzeug einen Unfall verursachte. Er wurde deshalb zum Ersatz des hälftigen Schadens „an seinem Fahrzeug verurteilt.“ Die Frage, ob der Unfallgegner vom Land für sein beschädigtes Fahrzeug Schadenersatz verlangen kann und wenn ja, in welcher Höhe, war hier nicht Gegenstand des Verfahrens. In dem hier erwähnten Verfahren ging es einzig darum, ob das Land als Dienstherr des Polizeibeamten von diesem Schadenersatz für sein beschädigtes Einsatzfahrzeug verlangen konnte. Dies hat das Gericht zur Hälfte bejaht.

Wie konnte es nun dazu kommen? Der Polizeibeamte war schließlich mit Martinshorn und Blaulicht unterwegs, und zwar zu einem laufenden Einbruch. Es half aber nichts. Mit der Klage wollte der Polizeibeamte seine vom Dienstherren (Land) festgestellte Schadenersatzpflicht loswerden. Vor Gericht hatten der Polizeibeamte und sein Dienstherr wie folgt argumentiert:
… wo ein „gegenwärtig stattfindender Einbruch“ gemeldet worden war. Es kam zu einer Kollision mit einem anderen Pkw, wodurch ein erheblicher Schaden entstand. Unmittelbar zuvor hatte das Polizeifahrzeug eine Geschwindigkeit von 92 km/h erreicht; trotz starker Bremsung war die Kollision mit einer Geschwindigkeit von 30 – 35 km/h nicht mehr zu vermeiden. Im Oktober 2020 zog der Polizeipräsident den Kläger zum Ersatz der Hälfte des am Einsatzfahrzeug entstandenen Schadens heran, weil er grob fahrlässig gegen seine dienstlichen Sorgfaltspflichten verstoßen habe. Mit der hiergegen gerichteten Klage machte der Kläger geltend, ihm sei nur einfache Fahrlässigkeit vorzuwerfen. Es sei zudem besondere Eile geboten gewesen, weil anderenfalls die Einbrecher nicht mehr am Tatort anzutreffen gewesen wären.“
Das Verwaltungsgericht erklärte dem Polizeibeamten im Urteil:
Der Kläger habe die ihm aus der Straßenverkehrsordnung obliegenden Pflichten grob fahrlässig verletzt. Auch bei einer Inanspruchnahme von Sonderrechten (§ 35 StVO) dürften die Vorschriften über die zulässige Höchstgeschwindigkeit nur missachtet werden, wenn dies in einem angemessenen Verhältnis zur dadurch verursachten Gefährdung der öffentlichen Sicherheit stehe. Daran habe sich der Kläger nicht gehalten. Die konkreten Verhältnisse am Unfallort hätten von ihm größere Vorsicht und damit eine niedrigere Geschwindigkeit verlangt. Zudem habe der Einsatzzweck die Gefährdung Dritter nicht gerechtfertigt, da es nur um einen Einsatz im Zusammenhang mit einem gegenwärtigen Einbruch, nicht aber um eine akute Gefährdung von Personen gegangen sei.

Polizeibeamten sollten daher meine alte Juristenweisheit beachten:
„Wenn Vater Staat Geld will, kennt er keine Freunde.“ Deshalb sitzt so mancher Steuersünder „im Knast“, s. ehemals Ulli Hoeneß, und „richtige Schwerverbrecher“ kommen nochmal mit verhältnismäßig niedrigen Strafen davon. Die Aussicht auf Geld bringt Vater Staat meist ganz schnell in Schwung, wo andernfalls ruhige Gelassenheit herrscht.
Private Unfallbeteiligte sollten genau schauen, ob Sie bei Beteiligung von Einsatzfahrzeugen auf die Durchsetzung ihrer Rechte verzichten sollten. Oftmals sind die Chancen besser, als der Laie meint!
Außerdem lernen wir, wenn bei Ihnen eingebrochen wird, hat die Polizei sich nicht besonders zu beeilen. Schließlich geht es nur um Ihr Hab und Gut und nicht um Menschenleben. Eine derartige Argumentation, Sie ahnen es sicher schon, halte ich für eher fragwürdig. Sie sendet merkwürdige Signale an Einbrecher!

Bleiben Sie mir gewogen!

Ralf Beckmann

01.06.2024

Abschleppen von Privatgrundstücken – ist das erlaubt?

Der Bundesgerichtshof (BGH) hat in einem interessanten Urteil darüber entschieden.
Es kommt immer wieder vor, dass man in einer Notsituation auf einem fremden Privatgrundstück parkt. Jeder weiß, dass dies nicht erlaubt ist. Was passiert jedoch, wenn der Grundstückseigentümer ein Abschleppunternehmen beauftragt und dieses nicht nur die Abschleppkosten, sondern auch hohe Verwahrgebühren für das Fahrzeug verlangt? Genau solch ein Fall wurde vor dem BGH verhandelt und das Urteil (Urteil des V. Zivilsenats vom 17.11.2023 – V ZR 192/22) in der Pressemitteilung 190/2023 des Gerichts heute veröffentlicht.

Zunächst einmal zur Information: Der Abschleppunternehmer hatte Verwahrkosten von 4.935 € geltend gemacht – ein Betrag, für den manche Menschen sich ein Gebrauchtfahrzeug kaufen könnten! Die Frage ist also, ob diese Kosten berechtigt sind. Hat der Abschleppunternehmer recht? Um diese Frage vorab beantworten zu können, gebe ich Ihnen noch folgende Informationen:

  • Das Fahrzeug befand sich 329 Tage in Verwahrung beim Abschleppunternehmer
  • Die täglichen Verwahrkosten betrugen 15,- Euro

Und nun, was halten Sie davon? Sind Sie der Meinung, dass die Kosten gerechtfertigt sind, dass sie vollständig oder nur teilweise erstattet werden sollten? Versuchen Sie, diese Frage für sich selbst zu beantworten und überprüfen Sie Ihr rechtliches Gespür.

Falls Sie möchten, können Sie sich kurz in die Pressemitteilung des BGH einlesen. Diese ist meiner Meinung nach jedoch nicht für Laien verfasst und enthält zahlreiche juristische Begriffe wie „aus abgetretenem Recht“ und „Geschäftsführung ohne Auftrag“. Dann gibt es auch noch eine Streithelferin und eine Widerklage, um die Verwirrung für Laien perfekt zu machen. Daher fasse ich die rechtlichen Überlegungen und Ergebnisse für Sie zusammen:

  • Der Abschleppunternehmer erhält statt der geforderten Verwahrkosten für 329 Tage nur die Kosten für 5 Tage, also 75 €.
  • Der Grundstückseigentümer kann grundsätzlich durch das Abschleppen eine Besitzstörung beseitigen.
  • Die Kosten des Abschleppens müssen bis zu einem ortsüblichen Satz erstattet werden.
  • Die Verwahrung des Fahrzeugs durch den beauftragten Abschleppunternehmer ist grundsätzlich in Ordnung. Der Grundstückseigentümer ist nicht verpflichtet, selbst oder über den Abschleppunternehmer einen öffentlichen Parkplatz zu suchen, damit dem Falschparker keine Verwahrkosten entstehen. Die Verwahrkosten bis zum Zeitpunkt des Herausgabeverlangens des Fahrzeughalters sieht der BGH als Kosten der Abwicklung des Abschleppvorgangs an und müssen deshalb in ortsüblicher Höhe erstattet werden.
  • Der abschleppende Grundstückseigentümer muss den Fahrzeugführer oder Halter unmittelbar nach dem Abschleppen über den Abschleppvorgang informieren. Verletzt er diese Pflicht, kann dies zu einer Kürzung der Ansprüche auf Erstattung der Abschlepp- und Nebenkosten führen. Wenn der Grundstückseigentümer den Fahrzeughalter erst nach 10 Tagen über den Abschleppvorgang informiert, könnten die ersten 10 Tage der Verwahrkosten zulasten des Grundstückseigentümers gehen.
  • Der Anspruch auf Erstattung der Verwahrkosten als Kosten der Abwicklung des Abschleppvorgangs ist jedoch begrenzt und endet mit dem Herausgabeverlangen des Fahrzeughalters.

Aus den oben genannten Gründen erhält der Abschleppunternehmer in unserem Fall vor dem BGH nicht die Verwahrgelder für fast ein Jahr, sondern nur für die fünf Tage, bis der Fahrzeughalter und Kläger die Herausgabe seines Fahrzeugs verlangte.

Es gibt jedoch einen Haken, wie so oft im juristischen Bereich. Der Kläger als Fahrzeughalter hätte auch für weitere Verwahrkosten haftbar gemacht werden können, wenn der Abschleppunternehmer keinen rechtlichen Fehler begangen hätte. Der Abschleppunternehmer muss dem abgeschleppten Halter nämlich das Fahrzeug in einer Art und Weise anbieten, die den Annahmeverzug begründet. Was genau der Abschleppunternehmer in diesem Fall aus Sicht des BGH falsch gemacht hat, bleibt unklar. Aber ich vermute, dass er nicht klar und eindeutig erklärt hat: „Ich biete Ihnen die Herausgabe des Fahrzeugs gegen Erstattung der Abschleppkosten und der bis heute (5. Tag) angefallenen Verwahrkosten an.“ Denn nur durch eine solch klare und eindeutige Erklärung, die auch die Höhe der Kosten auflistet, gerät der Fahrzeughalter in den Annahmeverzug, wenn er die Zahlung (unbegründet) verweigert. Hinzu käme m.E. auch die Pflicht, die Berechtigung zum Beitreiben der Abschlepp- und Verwahrkosten nachzuweisen (Abtretungserklärung vorlegen!). Dann befindet sich der Fahrzeughalter im Annahmeverzug und muss gemäß § 304 BGB auch weitere Verwahrkosten über den Zeitpunkt des Herausgabeverlangens hinaus bezahlen.

Zum Schluss möchte ich Ihnen nachfolgend praktische Lösungswege für betroffene Grundstückseigentümer oder Fahrzeughalter aufzeigen:

Als Grundstückseigentümer dürfen Sie grundsätzlich ein widerrechtlich auf Ihrem Grundstück parkendes Fahrzeug durch Hilfspersonen (Abschleppunternehmer) entfernen lassen. Wenn Sie dies tun, haften Sie zunächst für die Kosten des Abschleppvorgangs gegenüber dem Abschleppunternehmer. Immerhin haben Sie die Leistung in Anspruch genommen. Sie können jedoch vereinbaren, dass der Abschleppunternehmer seine Kosten zunächst beim Fahrzeughalter eintreibt. Dies geschieht durch die sog. Abtretung Ihrer Erstattungsansprüche gegen den Fahrzeughalter an den Abschleppunternehmer. Der Abschleppunternehmer hat ein gutes und rechtlich einwandfreies Druckmittel, nämlich die Fahrzeugherausgabe zu verweigern, bis die Zahlung erfolgt oder garantiert wird. Allerdings sollten Sie als Auftraggeber und Grundstückseigentümer sicherstellen, dass der Abschleppunternehmer keine überhöhten Preise verlangt und sich im ortsüblichen Rahmen bewegt.

Als Fahrzeughalter, unabhängig davon, ob Sie selbst gefahren sind oder das Fahrzeug verliehen haben, müssen Sie die ortsüblichen Kosten für das Abschleppen und die Verwahrung bis zu Ihrem Herausgabeverlangen bezahlen. Da Sie eigentlich dem Grundstückseigentümer als Auftraggeber zur Erstattung der Kosten verpflichtet sind, muss der Abschleppunternehmer zunächst eindeutig seine Berechtigung zur Beitreibung der Kosten nachweisen. Dies kann er m.E. nur durch Vorlage der Original-Abtretungserklärung des Auftraggebers und Grundeigentümers.
Grundsätzlich empfiehlt es sich, das Herausgabeverlangen mit Zeugen vorzubringen, wenn Sie persönlich beim Abschleppunternehmer vorsprechen.
Also, zunächst verlangen Sie Ihr Fahrzeug heraus. Wenn der Abschleppunternehmer dann deutlich macht, dass er dafür zunächst Geld sehen will, verlangen Sie den schriftlichen Nachweis seiner Berechtigung. Dies ist die Abtretungserklärung des Auftraggebers/Grundstückeigentümers. Wenn dieser Punkt geklärt ist und der Unternehmer darf im Auftrag des Grundstückeigentümers das Geld von Ihnen fordern, kommen wir zum zweiten Punkt. Der Höhe des geforderten Betrags.
Wenn Sie der Meinung sind, dass der Abschleppunternehmer überhöhte Kosten geltend macht, haben Sie zwei Möglichkeiten: Entweder Sie zahlen den überhöhten Betrag, vermerken jedoch auf Ihrer Quittung und dem Abschleppvertrag, dass Sie die Kosten für überhöht halten, dies beanstandet haben und den Gesamtpreis nur unter der Bedingung der nicht erfolgten Herausgabe zahlen, wobei Sie sich vorbehalten, den zu viel gezahlten Betrag ausdrücklich zurückzufordern.
Der alternative Weg, den ich nur in Anspruch nehmen würde, wenn der Unternehmer mehr als das Doppelte des ortsüblichen Satzes verlangt, besteht darin, die Erstattung der Kosten zu verweigern. Stattdessen sollten Sie nachweislich dokumentieren, dass Sie den Betrag XY für den ortsüblichen Satz halten und diesen angeboten haben, der Abschleppunternehmer jedoch Ihr „Angebot“ zur Annahme und Herausgabe des Fahrzeugs abgelehnt hat. Ist dieser Betrag der Höhe nach richtig, kommt nun der Abschleppunternehmer in Verzug. Aber Vorsicht: Bei diesem Vorgehen müssen Sie sich absolut sicher sein, dass Ihre Einschätzung der angemessenen Abschlepp- und Verwahrkosten korrekt ist. Wenn der Unternehmer nämlich mit seinem Preis im ortsüblichen Bereich liegt und Sie sich geirrt haben, müssten Sie die weiteren Verwahrkosten bezahlen. Da die Klärung oft lange dauert, kann dies teuer werden.
Auch hier der praktische Tipp. Bevor Sie zum Abschleppunternehmer fahren und Ihr Fahrzeug herausverlangen, schauen Sie im Internet, welche Kosten in Ihrer Stadt im ortsüblichen Bereich liegen. Wenn man Google fragt, dürften dies zwischen 120 und 200 Euro für die ersten 10 Kilometer und 3,- Euro für jeden weiteren Kilometer sein (Anm.: ohne Anspruch auf Richtig- und Vollständigkeit – ich übernehme keine Gewähr). Auf jeden Fall sollten Sie nicht unvorbereitet diesen Termin wahrnehmen. Wie oben erwähnt, ist auch ein guter Zeuge sicher besser, als dort allein vorstellig zu werden.

Eines sollte den juristischen Laien jedoch das BGH-Urteil lehren. Verlassen Sie sich nicht auf Ihr einwandfreies, rechtliches Gespür. In derartigen Fällen gibt es gerade für betroffene Kfz-Halter enorme Stolpersteine auf dem Weg zum eigenen Auto. Besser ist es, wenn Sie den Rat einer erfahrenen Rechtsanwältin oder eines Rechtsanwalts einholen.

Bleiben Sie mir gewogen und vertragen Sie sich!

Ralf Beckmann

Bundesverband der Verbraucherzentralen (vzbv) sucht Strom- und Gaskunden zur Prüfung einer Sammelklage gegen die Fa. „primaholding“

In Ihrer Presseinformation vom 22.08.2023 teilt der Bundesverband der Verbraucherzentralen (vzbv) mit, dass er derzeit eine Sammelklage gegen das Unternehmen „primaholding“ prüft. Das Unternehmen ist in den Fokus des vzbv geraten, weil dieser vermutet, dass deren Energieanbieter „nowenergy“, „primastrom“ und „voxenergy“ unzureichend über das den Verbrauchern zustehende Widerrufsrecht bei Strom- und Gaslieferverträgen informieren würden. Deshalb seien möglicherweise die Strom- und Gaslieferverträge dieser Lieferanten ungültig. Dies wiederum hätte zur Folge, dass die Verträge von den Kunden vorzeitig beendet und die Abschläge vollständig zurückverlangt werden könnten. Dies ist zwar nur die vorläufige Rechtsansicht der vzbv. Allerdings hat der  Verband schon so manches verbraucherfreundliche Urteil erstritten und erhebt Vorwürfe nach den bisherigen Erfahrungen, nicht nur, um auf sich aufmerksam zu machen. Die Sache dürfte also eine gewisse juristische Substanz haben.

Deshalb prüft der vzbv auch die vorerwähnte Sammelklage und bittet betroffene Verbraucher der o.g. Lieferanten, sich bei der vzbv zu melden. Dies muss bis zum 15.09.2023 geschehen. Anmelden kann man sich dann unter

https://www.sammelklagen.de/primaholding

Die gesamte Pressinformation ist unter PresseInfo (hier klicken) der vzbv zu lesen.


Mein Tipp: investieren Sie die Zeit und melden sich beim vzbv in dem Falle, dass Sie betroffener Kunde sind. Es lohnt sich. Im ungünstigsten Fall investieren Sie 5 bis 10 Minuten Zeit vergeblich. Im günstigen Fall, nämlich dem positiven Verfahrensausgang, haben Sie die Chance auf Rückerstattung Ihrer Abschlagszahlungen.


Bleiben Sie mir gewogen und vertragen Sie sich 😉


Ihr Ralf Beckmann

Das Beispiel-Foto ist ein Screenshot aus der Mitteilung des vzbv zur oben erwähnten Sammelklage vom 22.08.2023

Warum sollte jeder Tierkaufvertrag auf den Prüfstand?

In Deutschland wechselt eine hohe Anzahl von Tieren jährlich den Besitzer. Gemeint sind natürlich die Tiere, die allein dem Hobby oder Familie als zusätzliches Familienmitglied dienen. Diese Kaufverträge über Hund, Katze oder auch Pferd, ziehen leider nicht nur seriöse Züchter  an. Dann steht man vielleicht mit einem gerade liebgewonnenen Tier da und merkt, dass das Tier erheblich krank ist oder einen nicht behebbaren Mangel hat.

Viele Züchter ziehen sich dann auf den Standpunkt zurück, dass Sie eine Hobbyzucht betreiben, was immer das auch rechtlich bedeuten mag. Oder sie verweisen auf einen Gewährleistungsausschluss, der im Vertrag vereinbart ist; usw. usf. Der Fantasie an kuriosen Rechtsansichten sind da eigentlich keine Grenzen gesetzt.

Also, wenn Sie zu den glücklichen Besitzern eines gerade erworbenen Welpen oder eines Kitten gehören, die top in Form und kerngesund sind, herzlichen Glückwunsch! Aber, wenn das gerade erworbene Tier erheblich krank ist, ist auch rechtlich Eile geboten! Denn auch wenn dies oftmals zwecklos erscheint, müssen Sie eine Krankheit unverzüglich dem Züchter/Verkäufer melden und Ihre Rechte auf Minderung, Schadenersatz o.ä. sich zumindest vorbehalten. Rechtlich soll damit das Recht des Verkäufers auf Nachbesserung gewährleistet werden.

Aber, wenn der Züchter/Verkäufer unter Hinweis auf den Kaufvertrag alle Mängelansprüche ablehnt, dann gilt es den Vertrag richtig zu kennen und zu wissen, was wirklich rechtlich zählt.

Deshalb gilt:

  1. Verkäufer ist Unternehmer: Entgegen landläufiger Meinung, ist der Unternehmerbegriff des BGB nicht gleichzusetzen mit einer Gewerbeanmeldung oder der Pflicht eines Züchters ein Gewerbe anzumelden. Meiner Erfahrung nach sind viele private Hobbyzüchter zugleich auch Unternehmer. Für Sie als Käufer eines Hundes oder einer Katze ergeben sich daraus Vorteile. Ob der Vertrag den Verkäufer/Züchter auch als Unternehmer ausweist, ist unerheblich. Deshalb sollte man durch einen im Tierrecht erfahrenen Rechtsanwalt immer prüfen lassen, ob es sich beim Verkäufer/Züchter nicht vielleicht um einen Unternehmer handelt.
  2. Der Kaufvertrag ist zugleich ein Teil der AGB (Allgemeinen Geschäftsbedingungen): Viele Kaufverträge, auch diejenigen von privaten Züchtern, stellen zugleich Allgemeine Geschäftsbedingungen (AGB) dar. Auch daraus können Sie als Käufer eines kranken Tieres rechtlich profitieren.

Deshalb sollten Sie unverzüglich, nachdem Sie eine ernsthafte Erkrankung Ihres erst kürzlich erworbenen Tieres feststellen, unbedingt Ihren Kaufvertrag prüfen lassen.  Je früher ich als Rechtsanwalt involviert werde, desto besser kann ich Ihnen zumeist helfen.

Ich bin im Fall der Fälle kurzfristig für Sie und Ihr Tier da! Wenn Sie im Zweifel sind, kontaktieren Sie mich am besten per E-Mail. Eine erste Kontaktaufnahme und kurze Einschätzung sind kostenlos für Sie.

Es grüßt Sie recht herzlich

Armin Müller
Rechtsanwalt

Foto von Peter Plashkin auf Unsplash

Versicherung zahlt einen Teil und meint dann, nicht zu haften

In vielen Fällen – insbesondere Unfallsachen – zahlt die gegnerische Versicherung einen Teil der geforderten Summe. In der Folge beruft sie sich aber dann darauf, dass sie nicht haftet. Zum Teil wird bestritten, dass dem Zahlungsempfänger überhaupt etwas zusteht. Zum Teil wird geltend gemacht, dass sie nur anteilig (zum Beispiel nur zu 50 %) einzutreten hat.

Zahlung nebst Abrechnungsschreiben sind ein Schuldanerkenntnis

Das Oberlandesgericht Schleswig (7 U 15/23) hat nun am 07.06.2023 entschieden, dass jedenfalls durch eine Teilzahlung nebst Abrechnungsschreiben ein Schuldanerkenntnis abgegeben wird, an das die Versicherung danach gebunden ist.

In dem dortigen Verfahren gab es ein Schreiben, in dem sie mitteilte „wir haben … auf ihr Konto … überwiesen “.
Es folgt eine Auflistung verschiedener Schadenspositionen (Reparaturkosten, Sachverständigengebühren und Kostenpauschale) mit Beträgen. Die Sachverständigenkosten und die Auslagenpauschale entsprachen dabei einer Regulierung dem Grunde nach zu 100 %.

Das Oberlandesgericht führt aus „Die Auslegung dieses Schreibens ergibt, dass die Beklagte keinerlei Einwände zur vollen Haftung dem Grunde nach hatte“ und stellt fest, dass damit insgesamt eine Haftung zu 100 % besteht. Es ist ausdrücklich unerheblich, dass in dem Schreiben nicht explizit von einem Anerkenntnis die Rede ist.

Mit dieser Begründung kann sich die Versicherung auch nicht mehr darauf berufen, dass der Zahlungsempfänger in Wirklichkeit gar nicht berechtigt (aktivlegitimiert) sei.

Christoph M. Huppertz
Rechtsanwalt & Fachanwalt für Strafrecht

Mein Dank gilt Rechtsanwalt Huppertz, der seinen Beitrag zur Veröffentlichung freigegeben hat.

Sie erreichen Herrn Rechtsanwalt Huppertz wie folgt:

Christoph M. Huppertz
Rechtsanwalt & Fachanwalt für Strafrecht

Kanzlei Momm und Huppertz
Rechtsanwälte & Fachanwälte für Strafrecht
Wilhelmstraße 9, 52070 Aachen

http://www.momm-und-huppertz.de/
Rechtsanwalt Huppertz auf ANWALT.DE
E-Mail RA Huppertz

Betriebsgefahr – wann gilt sie und wann nicht?

In einem Artikel aus April 2023 habe ich versucht, die Betriebsgefahr zu erläutern. Das Wort „versucht“ habe ich bewusst gewählt. Denn es ist juristischen Laien unglaublich schwer zu vermitteln, welche Regeln für die Anwendung bestimmter Rechtsinstitute gelten, wenn es eigentlich keine richtigen Regeln gibt. Wenn eigentlich das mit Jahren erarbeitete Gefühl für die Sache einen wissen lässt, wo der Zug hinfährt. Leider ist es bei der Betriebsgefahr genau so. Dies zeigt das Urteil des Saarländischen Oberlandesgerichts, von dem ich nachfolgend berichte.

Betriebsgefahr ja oder doch nicht? Zunächst das Landgericht
Jetzt gibt es ein Urteil des Saarländischen Oberlandesgerichts Saarbrücken – 3. Zivilsenat – vom 21.04.2023, welches das ganze Dilemma für den juristischen Laien deutlich macht.

Zunächst war das Landgericht in erster Instanz am Zug. Ein PKW-Fahrer hatte eine rote Ampel überfahren und war mit dem Fahrzeug der späteren Beklagten kollidiert. Er (der Rotlichtsünder!) verklagte nun die gegnerische Fahrerin und deren Haftpflichtversicherung auf Zahlung seines vollen Schadens! Begründung: sein Rotlichtverstoß sei nicht unfallursächlich geworden! Ich sage jetzt mal als ehemaliger Rechtsanwalt mit nahezu 30 Jahren Erfahrung. Der traut sich was, oder?
Nein, die Lösung für dieses ziemlich gewagte Vorgehen ist einfach. Er, der Rotlichtsünder, hat eine Rechtsschutzversicherung und deshalb konnte er nach dem Motto vorgehen, mal sehen was geht!
Denn man muss ihm ja teilweise recht geben. Zunächst hat es vor dem Landgericht auch insoweit für ihn geklappt, als das Landgericht eine Quote von 75/25 zu seinen Lasten ausgesprochen hatte. Der Rotlichtsünder hätte damit immerhin 25% seines eigenen Fahrzeugschadens ersetzt bekommen. Wow, denkt der Laie, das ist ja toll. Ich fahre bei Rot über die Ampel und bekomme dennoch (immerhin) 25% meines Fahrzeugschadens ersetzt? Das liegt aber einzig daran, dass das Landgericht wohl überwiegend die Betriebsgefahr beim gegnerischen Fahrzeug bejaht hat. Wieso die Betriebsgefahr immer als Damoklesschwert über einem hängt, wenn man sein Fahrzeug startet und nach Laiensicht „am Unfall unschuldig ist“, habe ich ausführlich in meinem Artikel „Was ist eigentlich Betriebsgefahr? Und was bewirkt sie?“ erläutert. Hier hatte das Landgericht die Betriebsgefahr für den unschuldigen Fahrer nicht ausnahmsweise abgelehnt und so kam es zu der genannten Quote.

Betriebsgefahr doch nicht? Das Oberlandesgericht
Das Saarländische Oberlandesgericht hat die Sache gänzlich anders gesehen, Zitat aus den Urteilsgründen:

Die Erstbeklagte brauchte bei für sie angezeigtem Grünlicht grundsätzlich auch nicht damit zu rechnen, dass Querverkehr unter Missachtung des für ihn geltenden Rotlichts von der Seite her in den Einmündungs-/Kreuzungsbereich einfährt (vgl. BGH, Urteil vom 3. Dezember 1991 – VI ZR 98/91 –, Rn. 13, juris; OLG Düsseldorf, Urteil vom 6. Februar 2018 – 1 U 112/17 –, Rn. 51, juris). Da auch sonst keine Umstände ersichtlich sind, die aus Sicht der Erstbeklagten Vorsicht geboten, spricht manches dafür, dass die Erstbeklagte – anders als dies das Landgericht angenommen hat – trotz der baustellenbedingten Verlagerung der Lichtzeichenanlage nicht gehalten war, sich gleichwohl nach von rechts kommenden Verkehrsteilnehmern zu vergewissern.
Anm.: die Erstbeklagte ist die Fahrerin des Fahrzeugs, welches bei Grün losfuhr. Der Kläger ist der Fahrer mit dem Rotlichtverstoß.

Das Oberlandesgericht hat es also in der Berufung so gesehen, dass keine Anhaltspunkte dafür vorlagen, dass die beklagte Fahrerin trotz Grünlichts ihrer Ampel nochmals besondere Vorsicht hätte walten lassen müssen. Deshalb, so heißt es im juristischen Jargon, tritt die Betriebsgefahr dieses Fahrzeugs hier zurück und der Kläger haftet als Rotlichtsünder allein für den Unfall.

Fazit
Was lernen wir daraus?
Erstens, es ist nicht einfach mit den Juristen. Zwei Juristen, drei Meinungen? Durchaus möglich. Entschuldigen Sie, wenn ich Ihnen keine bessere Nachricht überbringen kann.
Zweitens, die Betriebsgefahr ist wirklich „gefährlich.“ Man weiß als Laie nie so genau, wann greift sie. Entweder zu meinen Gunsten oder zu meinen Lasten! Aber, die gute Nachricht ist. Selbst Ihr noch so versierter Rechtsanwalt kann das nicht 100% prognostizieren! Er kann lediglich die hohe Wahrscheinlichkeit prognostizieren und das ist sehr viel mehr, als Laien oder junge Juristen/Juristinnen ohne Erfahrung und Gefühl für die Sache können. Gehen wir einmal davon aus, Sie wären die später beklagte Fahrerin gewesen, die bei Grün in die Kreuzung oder Straße einfährt. Ihr Rechtsanwalt prognostiziert: Kein Problem, das bekommen wir hin. Der Rotlichtsünder bekommt keinen Cent! Und dann das Urteil des Landgerichts. Sie sollen doch 25% des Schadens der Gegenseite zahlen. Die Prognose war richtig. Und es wäre auch nicht völlig frei erfunden, wenn Sie für den Schaden an Ihrem Fahrzeug, der insgesamt 4.800 Euro betragen hatte, nur 70% bekommen hätten, weil Sie den Rotlichtsünder vor dem Amtsgericht verklagen mussten und dieses der Meinung gewesen wäre, sie haften mit 30% mit, weil Ihre Betriebsgefahr sogar erhöht war! Also, auch noch zwei sich für den Laien widersprechende Urteile!
Deshalb kann man drittens nur sagen, dass am Schluss abgerechnet wird. Weil man bei derartigen Sachlagen durchaus die eine oder andere Meinung vertreten kann, braucht man viel Puste und Durchhaltewillen, sowie einen guten und erfahrenen Rechtsanwalt/Rechtsanwältin!
Wenn es so ist und sagen wir 25 Prozent ihres eigenen Schadens, einen Betrag von 1.200 Euro ausmacht, dann ist es auch wirtschaftlich manchmal schwierig als Rechtsanwalt noch zu einer Klage zu raten oder abzuraten, wenn das Endergebnis eben nicht sehr sicher ist. Dann ist Glaube und die Neigung, etwas zu riskieren, gefragt.
Als Rechtsanwalt, der wirklich keine Aktien an Versicherungen hatte, konnte ich dazu nur sagen: Genau dafür muss man u.a. eine Rechtsschutzversicherung haben. Dafür ist sie da. Ihr wirtschaftliches Risiko zu eliminieren. Ihre Chancen stehen schlecht oder sind sehr wackelig? Dann können Sie versuchen auch noch die letzten 1.200 Euro Ihres Schadens einzuklagen, denn Anwalts- und Gerichtskosten zahlt Ihre Rechtsschutzversicherung und nicht sie. Sie können dann nur noch gewinnen. Denn außergerichtlich hatte ja bereits die Haftpflichtversicherung Ihres Unfallgegners die Zahlung der letzten 1.200 Euro abgelehnt.
So funktioniert Jura (manche sagen leider), nun einmal. Entweder man hat in bestimmten, kniffeligen Situationen so viel Geld auf der Bank, dass ein das wirtschaftliche Risiko eines Rechtsstreits nicht kümmern muss. Oder man hat jemanden, der dieses wirtschaftliche Risiko übernimmt.


Also, bleiben Sie mir gewogen und vertragen Sie sich! 😉


Ihr Ralf Beckmann

Beispielfoto „Gefahr“, mit Dank zur Verfügung gestellt von Markus Spiske auf https://unsplash.com/de/fotos/Cf5kL7vcF6U

EC-Karte mit verschlüsselter PIN gestohlen – Bank muss trotzdem zahlen!

Vorbemerkungen

Selbst bei Juristen hält sich hartnäckig das Gerücht, niemals PIN und Bank- oder EC-Karte zusammen aufbewahren, ansonsten trägt man selbst den Schaden.

Ganz so einfach ist es allerdings nicht, wie nun wieder ein Fall des Amtsgerichts München zeigt.


Verfahren des Amtsgerichts München

Was war Gegenstand des Verfahrens vor dem Amtsgericht München? Die Pressemitteilung vom 19.06.2023 gibt nähere Auskunft.

Zusammengefasst kann man sagen, dass das gemeinsame Verwahren der EC-Karte zusammen mit einem Zettel, auf dem die PIN der Karte verschlüsselt hinterlegt ist, keine grobe Fahrlässigkeit im Sinne der üblichen Bankbedienungen für die Ausgabe der Karte darstellt. Das Gericht begründete konkret wie folgt:

Entgegen der Ansicht der Beklagten greift der nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs mögliche Anscheinsbeweis, dass der Kläger die persönliche Geheimzahl (unverschlüsselt) auf seiner ec-Karte vermerkt oder sie zusammen mit dieser verwahrt hat (…) im vorliegenden Fall nicht ein. Die Annahme des Anscheinsbeweises setzt voraus, dass der Missbrauch unter Verwendung der Originalkarte und der zutreffenden Geheimzahl erfolgt ist (…).

Dieser hier mögliche Anscheinsbeweis griff nicht, weil die Beklagte (Bank) nicht die Verwendung der Original-PIN nachweisen konnte. Zudem hatte der Kläger die PIN nach einem komplizierten mathematischen System in eine andere, 5-stellige Ziffernfolge überführt und diese auf einem Zettel willkürlich in eine Liste mit Telefonnummern eingefügt. Dabei war es einem mathematischen Sachverständigen auch nicht kurzfristig gelungen, die richtige PIN aus der verschlüsselten Ziffernfolge zu ermitteln. Daraus schloss der klagende Bankkunde, dass die Diebe seiner EC-Karte eine Methode angewandt haben mussten, die den Zugriff auf sein Konto mit EC-Karte, aber eben ohne PIN ermöglichte.

Grundsätzlich kann man sich als Verbraucher und Bankkunde vielleicht merken, dass nur das gemeinsame Mitsichführen der EC-Karte und der unverschlüsselten PIN zu einer groben Fahrlässigkeit führt. Notiert man sich seine PIN mit einer ausreichenden Verschlüsselung und notiert diese „verschlüsselte PIN“ nicht auf der Karte, dann ist man wohl fein raus. Wenn die Bank sich trotzdem sperrt, sollte man eine Klage in Erwägung ziehen. Diese hat dann wohl durchaus Aussicht auf Erfolg.

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Ihr Ralf Beckmann

Das Beispielfoto wurde von Tingey Inury Law Firm auf Unsplash.com zur Verfügung gestellt. Dafür vielen Dank!

Die Beschränkung der Nutzungsdauer von mobilen „Briefmarken“ = Portocode ist unzulässig

Vorbemerkungen
Viele Verbraucher nutzen das Internet. Oftmals ist dies auch bei Dienstleistungen und Käufen eine gute, weil einfache und schnelle Sache. Die Post hat aber die Nutzung von Codes als Ersatz für die analoge Briefmarke übertrieben und nun eine empfindliche Niederlage kassiert.

Urteil des Oberlandesgerichts Köln
Der Bundesverband der Verbraucherzentralen aus Berlin teilt in einer Pressemitteilung vom 14.06.2023 mit, dass das Oberlandesgericht (OLG) Köln im Sinne des klagenden Bundesverbandes gegen die Post entschieden habe.

Die Post hatte in ihren AGB verankert, dass der mittels App anstelle einer analogen Briefmarke erworbene sog. Portocode nach 14 Tagen verfällt.

Das OLG hat jetzt entschieden, dass eine derartige Klausel Verbraucher benachteiligt und deshalb unwirksam sei. Der Bundesverband der Verbraucherzentralen teilt dazu mit:

„Das OLG Köln hat zu Recht die viel zu knappe Gültigkeitsbefristung der mobilen Briefmarken von 14 Tagen kassiert. Es gibt vielfältige Gründe, wieso die Briefmarke nicht innerhalb der zweiwöchigen Frist genutzt wird. Dass Verbraucher:innen dann nicht einmal das gezahlte Geld für die digital erworbene Briefmarke zurückfordern konnten, war nicht tragbar.“

Das OLG Köln teilt dazu ebenfalls in seiner eigenen Pressemitteilung mit:
„Die Unangemessenheit der angegriffenen Klausel folge zudem daraus, dass bei Nichtnutzung der „mobilen Briefmarke“ innerhalb der gesetzten Gültigkeitsdauer der ersatzlose Entzug des Anspruchs auf Beförderung der Briefe/Postkarten folge.“
Denn die spannende Frage war, ob eine Verkürzung der Gültigkeitsdauer auf lediglich 14 Tagen bei vollständigem Verlust der Ansprüche die Verbraucher unangemessen benachteiligt. Dies hatte das OLG in seinem Berufungsurteil bejaht, weil das Leitbild die Verjährungsfrist von 3 Jahren sei. Eine Verkürzung sei denkbar, aber eben nicht auf nur noch 1% der Verjährungsfrist. Hierfür hatte das OLG keine Notwendigkeit gesehen.


Was bedeutet das Urteil und wie geht es weiter?
Jetzt wird sich jeder Kunde, der in letzter Zeit solch einen mobilen Portocode geholt, aber nicht innerhalb der Frist  genutzt hat, einen neuen Code holen können oder gegebenenfalls „Geld zurück“ fordern dürfen. Allerdings dürfte die Post bei einem millionenfach in Anspruch genommenen Verfahren via Internet schwertun, allen Verbrauchern, die sich innerhalb der nächsten Monate melden, zeitnah ihr Geld zu erstatten oder einen neuen Code zur Verfügung zu stellen. Es bleibt also spannend, wie die Post eine derartige Lawine bewältigen will.

Andererseits wird es auch darauf ankommen, wie die Post generell mit Urteil des OLG Köln umgeht. Dieses hat zwar mitgeteilt, dass die Revision nicht zugelassen wurde. Allerdings kann die Post das Urteil dennoch mit einer Nicht-Zulassungsbeschwerde zum Bundesgerichtshof (BGH) die Sache in der Schwebe halten und sich zwischenzeitlich gegenüber Verbrauchern darauf berufen, dass das Urteil noch nicht rechtskräftig ist.

Ich würde dennoch allen betroffenen Verbrauchern anraten, ihre Ansprüche auf Rückzahlung, alternativ auf Zurverfügungstellung eines neuen Portocodes gegenüber der Post beweiskräftig anzumelden, um dann zu verfolgen, wie sich die Sache weiterentwickelt. Vielleicht hat die Post ja aber auch ein Einsehen und erstattet einfach das Geld. Auch so ein kulantes Verhalten soll ja schon vorgekommen sein.

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Ihr Ralf Beckmann

Das Beispiel-Foto wurde mit Dank von Markus Spiske auf Unsplash zur Verfügung gestellt.

Ihr Kind möchte in die Kita – Der Kita-Platz wird Ihnen verweigert? Was kann man tun?

Vorbemerkungen
Viele Eltern kennen das. Alle reden von Kinderförderung, Entlastung der Eltern usw. Wenn es aber ernst wird, kommt oft eine Ausrede: „Wir haben einfach keinen Platz für Sie und Ihr Kind!“ Kann dieser Einwand als Argument durchgehen? Lesen Sie die nachfolgenden Hinweise.

Urteil des Verwaltungsgerichts Münster
Erneut aufmerksam wurde ich wieder auf die Problematik, durch eine nette Nachbarin, die meiner Frau davon erzählte, dass man für den Jüngsten keinen Kita-Platz bekommen habe. Zudem wurde ich dann auf ein Urteil, besser einen Beschluss des Verwaltungsgerichts Münster aufmerksam.

Beschluss des Verwaltungsgerichts Münster – Pressemitteilung

Das Verwaltungsgericht Münster hat in einem Eilverfahren entschieden:

„Stadt Münster muss trotz fehlender Kapazitäten Kita- oder Tagespflegeplatz nachweisen (09.06.2023)“

Das Hauptargument war, dass die Stadt sich gerade nicht auf Unmöglichkeit berufen kann. Also, wir haben einfach keinen Platz, zählt nicht! Es ist nämlich nicht Sache der Eltern einen Platz zu schaffen. Vielmehr hat der Gesetzgeber dem Kind einen vorbehaltlosen Anspruch auf einen Kita-Platz zugebilligt. Dieser Anspruch würde ins Leere laufen, wenn das Argument „wir haben keinen Platz“ zählen würde.

Nebenher hat das Gericht darauf hingewiesen, dass der Platz sich in 30 Minuten Entfernung zum Wohnort der klagenden Eltern befinden müsse.

Ergänzend weise ich darauf hin, dass es sich um ein Eilverfahren vor dem Verwaltungsgericht handelt. Dennoch hat das Gericht der Stadt Münster im Wege der einstweiligen Anordnung aufgegeben,  „einem unter dreijährigen Kind ab dem 1. August 2023 einen Betreuungsplatz zur frühkindlichen Förderung mit dem Umfang von 45 Stunden wöchentlich in einer Kindertageseinrichtung oder Kindertagespflegestelle zur Verfügung zu stellen, der in nicht mehr als 30 Minuten von der Wohnung des Kindes erreichbar ist.“

Der Beschluss des Gerichts ist noch nicht rechtskräftig.


Und was tue ich, wenn mir der Kita-Platz für mein Kind verweigert wird?
Ich kann in Kenntnis des Urteils den Eltern ohne Kita-Platz nur dringend raten, auch Rechtsmittel gegen Ihre Stadt oder Gemeinde in Erwägung zu ziehen, sofern man ihren Kindern den Kita-Platz verweigert. Die Lage ist auch nach diesem Urteil, bzw. Beschluss keineswegs hoffnungslos. Holen Sie sich auf jeden Fall fachkundigen Rat bei einer Rechtsanwältin oder einem Rechtsanwalt. Denn alternativ stehen gegebenenfalls auch die Möglichkeiten einer selbst gesuchten Tagesmutter oder Schadenersatzansprüche gegen die Stadt/Gemeinde im Raum.

Man kann oder muss deshalb sogar sagen, liebe Eltern, Sie haben Rechte!

Einen sehr informativen Artikel zum Thema „Rechtsanspruch auf Kita-Platz“ habe ich auf „Kita.de“ gefunden. Ich verlinke den Artikel ganz unten.

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Ihr Ralf Beckmann

Das Beispiel-Foto wurde mit Dank von Erika Fletcher auf Unsplash zur Verfügung gestellt.

Artikel auf Kita.de zum Rechtsanspruch auf einen Kita-Platz

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