Kategorie: Arbeitsrecht

Arbeit und Krankheit – Darf der Arzt die Krankmeldung (Arbeitsunfähigkeits-Bescheinigung) zurückdatieren?

Millionen von Arbeitnehmern und immer trifft es einen oder viele, man wird krank. Was, wenn der Arzt nicht gleich aufgesucht werden kann und man aus Krankheitsgründen erst am vierten Krankheitstag zum Arzt geht?

Denn Vorsicht, in den meisten Arbeitsverträgen ist zwar vereinbart, dass man zunächst ohne Vorlage einer ärztlichen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung (AU) fehlen darf und erst spätestens am vierten Tag eine solche vorlegen muss. Das heißt aber nicht, dass der Arbeitgeber nicht schon vorher eine solche Bescheinigung verlangen oder zumindest später eine AU des Arztes verlangen darf, die die Arbeitsunfähigkeit ab dem ersten Fehltag bescheinigt.

Also, Fragen über Fragen wegen einer simplen AU! Hier wollen wir uns damit beschäftigen, was der Arzt in diesem Zusammenhang darf und was nicht und worauf Sie sich einstellen müssen.

Der Arzt wird sich bei der Frage nach der Ausstellung einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung an die Arbeitsunfähigkeits-Richtlinie halten. § 5 der Richtlinie beschäftigt sich explizit mit der Ausstellung der AU. Dort heißt es in Abs. 3:
1Die Arbeitsunfähigkeit soll für eine vor der ersten ärztlichen Inanspruchnahme liegende Zeit grundsätzlich nicht bescheinigt werden. 2Eine Rückdatierung des Beginns der Arbeitsunfähigkeit auf einen vor dem Behandlungsbeginn liegenden Tag ist ebenso wie eine rückwirkende Bescheinigung über das Fortbestehen der Arbeitsunfähigkeit nur ausnahmsweise und nur nach gewissenhafter Prüfung und in der Regel nur bis zu drei Tagen zulässig.“

Konkret bedeutet dies, dass Ihr Arzt nur in absoluten Ausnahmefällen bescheinigen darf, dass Sie bereits seit Montag arbeitsunfähig sind, obwohl Sie erst Mittwoch beim Arzt vorstellig werden. Maximal ist dieses Rückdatieren für drei Tage möglich.

Wer also davon ausgeht, dass die Erkrankung länger als drei Tage dauert und/oder damit rechnet, dass der Arbeitgeber auch für eine kurze Bagatellerkrankung eine ärztliche AU fordert, der sollte gleich am ersten Tag seiner Erkrankung beim Arzt vorstellig werden. Wer das krankheitsbedingt nicht kann, sollte seinen Hausarzt zumindest telefonisch informieren und sich beraten lassen. Denn auch wenn Sie sich telefonisch beim Arzt melden und um seinen Rat fragen, haben Sie ihn ja (am ersten Tag) in Anspruch genommen und es handelt sich nicht um eine Rückdatierung, wenn Sie dann erst am Mittwoch persönlich vorstellig werden können. Ob Ihr behandelnder Arzt dieser Argumentation folgt, sollten Sie an der Stelle auch gleich erfragen. Es wird sicher nicht helfen sich auf meinen Blog zu berufen und schon ist der Arzt überzeugt.

Wichtig ist auch, hier ist nicht von der telefonischen Krankschreibung, die wegen Corona zeitweilig möglich war, die Rede. Wenn der Arzt Sie am Montag telefonisch wegen Ihrer Erkrankung berät, Ihnen den Rat gibt, dass erst einmal die schlimmsten Symptome abklingen lassen sollten, um dann am Mittwoch persönlich vorzusprechen, dann ist m.E. eine Inanspruchnahme bereits am Montag erfolgt, der Arzt sieht am Mittwoch, dass es sich um noch vorhandene Symptome eines grippalen Infekts handelt und bestätigt dann am Mittwoch, dass Sie seit Montag erkrankt sind. Das hat aus meiner Sicht nichts mit der zeitweilig erlaubten, telefonischen Krankschreibung zu tun, bei der Sie sich einfach telefonisch gemeldet haben und der Arzt (ohne Sie jemals persönlich zu sehen) die Arbeitsunfähigkeit für 7 Tage maximal bescheinigen konnte.

Die Erkenntnis aus alledem? Wenn man krank ist, dann schnellstmöglich zum Arzt oder diesen zumindest telefonisch über die Erkrankung informieren, um sich dann später die AU geben zu lassen. Was Ihr Arbeitgeber in diesem Zusammenhang verlangt und verlangen kann, wird sicher in einem weiteren Artikel das Thema sein.

Bis dahin, bleiben Sie gesund und bleiben Sie mir gewogen.

Ralf Beckmann

Das Beispielfoto stammt von National Cancer Institute auf Unsplash. Vielen Dank!

Wie berechne ich meinen Urlaubsanspruch als sog. Minijobber?

Vorbemerkungen
Was viele nicht wissen, auch als Minijobber oder Minijobberin habe ich Anspruch auf gesetzlichen, bezahlten Urlaub. Ebenso, wie man den Anspruch auf Lohnfortzahlung im Krankheitsfall hat.

Um die Urlaubsansprüche berechnen zu können, sollte man zunächst wissen, dass es das Bundesurlaubsgesetz gibt (BUrlG). Dieses gilt immer, wenn ich einen individuellen Arbeitsvertrag habe, der nicht der sog. Tarifbindung unterliegt. Entweder im Arbeitsvertrag wird der Urlaub konkret ausgewiesen oder man bezieht sich als Urlaubsanspruch auf das Bundesurlaubsgesetz. Eine typische Redewendung im Arbeitsvertrag ist beispielsweise:

„Der Arbeitnehmer hat Anspruch auf bezahlten Erholungsurlaub. Die Höhe bzw. Anzahl der Urlaubstage richtet sich nach dem Bundesurlaubsgesetz in der jeweiligen Fassung.“

Aufgepasst: wenn beispielsweise der Arbeitgeber im Vertrag individuell 19 Urlaubstage zubilligt, unterschreitet er damit die im BUrlG genannte Mindesthöhe von Urlaubstagen (20 bei einer 5-Tage-Woche!). Er kann in einem Individualarbeitsvertag mehr zubilligen, aber eben nicht weniger.

Berechnung der Urlaubstage
§ 3 BUrlG legt fest, dass die Anzahl der Urlaubstage 24 beträgt. Dies bezieht sich auf einen in Vollzeit beschäftigten Arbeitnehmer oder Arbeitnehmerin. Ferner geht das Gesetz hier von einer 6-Tage-Woche aus, wie sie beispielsweise in vielen Lebensmittel- und Versorgungsbranchen anzufinden sind; Bäckereien, Lebensmittelgeschäfte, Boutiquen und Bekleidungsgeschäfte usw. Bei einer 5-Tage-Woche sind es dann 20 Tage Urlaub pro Jahr.

Gehen wir nun einmal davon aus, dass Sie nebenher als Minijobber/in einem Bäckereibetrieb als Verkäufer/in arbeiten. Sie klären, an wie vielen Wochentagen die Vollzeit-Mitarbeiter arbeiten. In einem Bäckereibetrieb mit angeschlossenem Verkauf dürften das üblicherweise 6 Arbeitstage sein. Wer steht schon am Samstag gern beim Bäcker vor verschlossener Tür?

Jetzt müssen Sie sich nur noch merken, dass bei einer 6-Tage-Woche von 312 Arbeitstagen im Jahr ausgegangen wird und bei einer 5-Tage-Woche von 260 Arbeitstagen.

Berechnet wird Ihr persönlicher Urlaubsanspruch dann nach den vereinbarten Jahresarbeitstagen, an denen Sie tätig sind bzw. sein sollen. Gehen wir davon aus, sie arbeiten beim Bäcker als Aushilfe im Verkauf, insgesamt 2x die Woche. Wie viele Stunden sie an diesen zwei Tagen arbeiten (sollen), ist unerheblich. 2x die Woche x 52 Wochen im Jahr = 104 vereinbarte Arbeitstage. Gesetzlich (oder individuell, wenn es mehr Tage sind) haben Sie in einer 6-Tage-Woche 24 Arbeitstage pro Jahr Anspruch auf Urlaub (in Vollzeit).
Wir rechnen dann 24 (Urlaubstage, weil sie in einem Betrieb mit 6-Tage-Woche arbeiten) multipliziert mit Ihren individuellen Arbeitstagen 104 und dividieren das durch die passende Anzahl der Jahresarbeitstage in einer 6-Tage-Woche, also 312.

Einfach dargestellt:
24 (Urlaubstage bei 6-Tage-Woche) x 104 (Arbeitstage als Minijobber) / 312 (Arbeitstage im Jahr bei einer 6-Tage-Woche im Betrieb) = 8 Urlaubstage.

Sind Sie in einem Betrieb mit einer 5-Tage-Woche beschäftigt und arbeiten selbst an 3-Tagen die Woche, ergibt sich folgende Berechnung:
20 (Urlaubstage bei 5-Tage Woche) x 156 (Arbeitstage als Minijobber) / 260 (Arbeitstage im Jahr bei einer 5-Tage-Woche im Betrieb) = 12 Urlaubstage.

Arbeiten Sie in einem Betrieb mit 5-Tage-Woche und arbeiten  selbst an 2 Tagen die Woche, ergibt sich folgende Berechnung:
20 (Urlaubstage bei 5-Tage Woche) x 104 (Arbeitstage als Minijobber) / 260 (Arbeitstage im Jahr bei einer 5-Tage-Woche im Betrieb) = 8 Urlaubstage.

Kommen Sie nicht auf ein „glattes“ Ergebnis, wie beispielsweise 6,7 Tage, wird nach oben aufgerundet. Dann haben Sie Anspruch auf 7 bezahlte Urlaubstage! Aufgerundet wird ab 0,5, also einem halben Urlaubstag! Somit ergibt ein Ergebnis von 6,43 insgesamt 6 Urlaubstage. Das Ergebnis von 6,5 oder höher ergibt 7 Urlaubstage.

Bleiben Sie mir gewogen und vertragen Sie sich 😉

Ihr Ralf Beckmann

Gibt es eine Sperrfrist für den Arbeitnehmer bei einer Eigenkündigung? Ja, vielleicht oder etwa auf jeden Fall? Soll man überhaupt selbst kündigen? Worauf sollte man wirklich achten? Theorie und Praxis …

Vor einigen Tagen las ich in einer großen Zeitung einen Artikel über die Möglichkeiten einer Eigenkündigung des Jobs. Das hörte sich alles sehr nett an, wenn einem empfohlen wird, dass man im Falle des sog. Bossing’s (also der Chef = Boss mobbt sie), lieber nachgeben und eine Eigenkündigung des Arbeitsverhältnisses aussprechen sollte; seiner Gesundheit zuliebe.

Wenn man so etwas als praktisch erfahrener Jurist liest, wird man unwillkürlich daran erinnert, dass selbst Richter manchmal nicht in der Lage sind, Ihre Prozesse erfolgreich zu führen. Warum? Weil Ihnen einfach das praktische Verständnis und die in Jahren erworbene anwaltliche „Trickkiste“ fehlt! Erst recht gilt dies bei Juristen, die gerade frisch von der Uni kommen oder eben auch Journalisten, die sich zuarbeiten lassen und so ein gefährliches Halbwissen oder unvollständige juristische Informationen verbreiten.

Einmal ehrlich, gehen Sie als Frau zum Friseur, wenn sich kahle Stellen in Ihrer Haarpracht im Alter von Mitte 20 zeigen (sog. Kreisrunder Haarausfall) und bitten ihn um Rat, oder fühlen Sie sich besser bei einer Hautärztin oder einem Hautarzt aufgehoben? Okay, Sie haben gewonnen. Wenn Sie den Friseur gewählt haben, lesen Sie nicht weiter und vertrauen Sie Journalisten …. 😉 Ansonsten, sollten Sie die eine oder andere praktische Überlegung bei Ihrem Problem mit ins Kalkül ziehen.

Natürlich kann man kündigen, wenn und wem man will! ABER! Wenn man keine finanziellen Nachteile möchte oder sich diese vielleicht gar nicht leisten kann, sollte man zuerst einmal tief durchatmen und dann wirklich alle Möglichkeiten in Betracht ziehen.
Beispielsweise wird empfohlen eine Eigenkündigung in Erwägung zu ziehen, wenn man dauerhaft unglücklich sei oder von Kollegen oder auch dem Chef gemobbt würde oder ständig im Stress sei. Ich meine, man sollte in solchen Situationen vor einer nachteiligen Eigenkündigung zunächst einmal ärztlich abklären lassen, ob die körperlichen Einschränkungen, die das Mobbing bspw. mitgebracht haben, nicht bereits einen echten Krankheitswert haben und deshalb eine Arbeitsunfähigkeit bestätigen? Entschuldigen Sie bitte, liebe Journalisten, aber warum sollte man denjenigen, der einem Krankheit beschert, noch mit einer Eigenkündigung „belohnen“?

Auch eine zur Rechtfertigung thematisierte Umgehung einer Sperrfrist ist wenig hilfreich als echter, sinnvoller Rat an Betroffene. Natürlich kann man auch einen Kollegen aus dem Arbeitsrecht indirekt zitieren und erläutern, dass man die übliche Sperre des Arbeitslosengeldes von 12 Wochen umgehen könne, wenn man vielleicht einen Aufhebungsvertrag aus einem wichtigen Grund schließen würde. Wichtige Gründe seien bspw. Mobbing am Arbeitsplatz, die Pflege von Angehörigen oder die Vergütung weit unter dem lokalen Branchenniveau. Entschuldigung! Solche Ratschläge sollten m.E. eine Schadenersatzpflicht gegenüber dem Leser auslösen. Warum? Weil man als Rechtsanwalt von der ungünstigsten Möglichkeit ausgehen und sich und seinen Mandanten darauf vorbereiten muss. Außerdem scheint niemand bislang etwas von der Kraft des Faktischen gehört zu haben. Welcher Arbeitgeber bescheinigt im Aufhebungsvertrag Mobbing durch Kollegen des ausscheidenden Mitarbeiters? Wer bestätigt denn bitte, die Vergütung unter dem Branchenniveau?

Und selbst wenn das der Arbeitgeber es so bescheinigt. Wer sagt bitte, dass das Arbeitsamt nicht dennoch eine Sperrfrist verhängt? Merke, eine Aufhebungsvereinbarung birgt im Hinblick auf das Arbeitsamt immer Gefahren, nämlich die Gefahr des Verlustes von Geld! Warum sollte das Arbeitsamt die Sperrfrist trotz sorgfältiger Vorbereitung eines Aufhebungsvertrags verhängen? Antwort: weil es das kann! Dann werden naive Juristen ohne Praxisbezug einwenden, dass das Gericht A und  das Gericht B in ständiger Rechtsprechung aber bestätigt haben, dass nachgewiesene Mobbingfälle zu einem Aufhebungsvertrag berechtigten und das Verhängen einer Sperrzeit rechtswidrig war! Und ich wende dagegen ein, dass ein solcher Jurist die Dinge eben einzelfallbezogen und ohne Praxiserfahrung denkt! Denken wir mal wie Boris Palmer, der Oberbürgermeister von Tübingen, der vor einigen Tagen eingeräumt hat, dass er aus Mangel an Personal allen Antragstellern (Migranten) ohne weitere Prüfung einfach eine Duldung für 3 Jahre hat aussprechen lassen. Dies, weil er für eine Prüfung der Fälle als Bürgermeister schlicht kein Personal habe. Aha, das ist ja mal eine praktische Lösung, oder? Und wenn es sich das Arbeitsamt einfach macht und sagt, egal was auch immer vorgebracht wird, wir verhängen erst einmal eine Sperrzeit! Was dann? Das Arbeitsamt  ist nicht so offenherzig wie Boris Palmer überhaupt etwas zuzugeben, aber stellen wir uns mal folgende Denkweise des Leiters des örtlichen Arbeitsamtes vor: „Wir, das Arbeitsamt haben einfach nicht genug Personal und das vorhandene Personal kann den schmalen Grat zwischen richtig und falsch bei der Sperrzeit nicht korrekt juristisch ausloten. Deshalb bekommen alle eine Sperrzeit. Wenn uns dann Gerichte, sagen wir in 10 Prozent der Fälle bestätigen, dass war falsch, dann zahlen wir eben nach.“ Alles gut, denkt der Laie. Aber ich sage, nebenbei rechnet der Leiter des Amtes natürlich auch noch wie folgt: von den 50 Prozent der Antragsteller, bei denen die Sperrzeit unberechtigt verhängt wurde, klagen ehedem nur 10 Prozent. D.h. 90 Prozent nehmen fluchend die „falsche“ Entscheidung hin. Von den 10 Prozent, die eine Klage einreichen, haben nur 50 Prozent einen Anwalt. Die Kosten, die durch das Verfahren entstehen, sind also über alle Fälle hinweg überschaubar. Sie ahnen es bereits. Am Ende „rechnet“ sich das pauschale Verhängen der Sperrzeit also durchaus für Vater Staat  bzw. die Bundesagentur für Arbeit. Sie glauben, das gibt es nicht? Alles schon in Variationen selbst erlebt, in meiner Tätigkeit als Rechtsanwalt. Sie sollten vielmehr glauben, dass auch Vater Staat und seine Bediensteten immer mal wieder so einige Dinge unternimmt, um sich vor Schaden (Zahlungen an lästige Bittsteller) zu bewahren.

Deshalb mein Rat: wenn Sie schon eine Eigenkündigung nicht völlig ausschließen, sollten Sie zunächst herausfinden, ob der Arbeitgeber nicht vielleicht Ihnen kündigen möchte. Warum mobbt der Boss sonst eigentlich, außer um Sie loszuwerden? Warum sollten Sie ihrem Boss oder Arbeitgeber mit finanziellen Nachteilen zuvorkommen und eine Sperrzeit in Kauf  nehmen, wenn ihr Arbeitgeber nicht vielleicht auch schon die schriftliche Kündigung in der Schublade hat? Es gibt immer Mittel und Wege, ein offenes Wort  zu sprechen.
Auf jeden Fall sollten Sie aber mit einkalkulieren, dass Sie zunächst einmal eine Sperrzeit bekommen! Völlig egal, ob diese berechtigt oder unberechtigt ist. Wenn Sie von diesem worst case, also dem schlechtest denkbaren Ausgang der Sache ausgehen und dann trotzdem finanziell und emotional klarkommen, können Sie Ihre Maßnahme ergreifen. Denn dann gewinnen Sie auf jeden Fall. Kommt die Sperrfrist (wenn auch unberechtigt), recht behalten. Kommt sie nicht, umso besser! Also, wenn Sie sich eine Sperrfrist weder leisten können, noch wollen, dann lassen Sie das mit der Eigenkündigung! Mit einer klaren Strategie in diesem Sinne lebt es sich dann auch leichter und es lässt sich auch leichter kämpfen. Wenn Sie die Sperrfrist überrascht, obwohl Ihnen Ihr beratender Rechtsanwalt zunächst gesagt hat, sie sind auf der sichereren Seite, wenn …, und sie einfach keine finanziellen Reserven haben, um die 12 Wochen zu überstehen, dann werden Sie im obigen Sinne vielleicht auch auf die Klage gegen die Verhängung der Sperrzeit verzichten, also alles was sich das Arbeitsamt erhofft …. 😉 Sind Sie dagegen auch für den ungünstigsten Fall gerüstet und werden nicht überrascht, holen Sie sich Ihr Geld mit der Klage zurück. Dann haben Sie und Ihr Rechtsanwalt vielleicht schon eine Vereinbarung getroffen oder sie haben einen kompetenten Kollegen/Kollegin gefunden, der die Sache auch mit Prozesskostenhilfe für Sie durchzieht, usw. usf.

Will nur sagen, bereiten Sie sich mit Ihrem Rechtsanwalt oder  auch allein mit praktischen Lebensstrategien auf einen Kampf gegen Arbeitgeber und Behörde vor und nicht mit theoretischen Ratschlägen, ja, aber die Gerichte sagen doch …. Glauben Sie nicht, dass immer mit noch so guten juristischen Argumenten die Behörde A oder B oder der Arbeitgeber C oder D einknickt, auch wenn Sie tatsächlich mit Ihren Argumenten richtig liegen! Wenn Sie etwas von der Behörde wollen und die sagt NEIN, dann ist das so, bis ein Gericht die Behörde verdonnert! Ich als Rechtsanwalt habe außergerichtlich vorrangig deshalb geschrieben, um bestimmte Rechte meines Mandanten zu wahren, diese zu begründen (bspw. Verzug der Gegenseite) usw. Und nicht, weil ich davon ausging, dass ein kampferprobter Arbeitgeber oder eine sture Behörde sich noch vom Gegenteil „überzeugen“ lässt. Das tun Sie in aller Regel nämlich nicht, weil es so einfach ist nein zu sagen und nicht immer zwingend einer Begründung bedarf.

Bleiben Sie mir gewogen und vertragen Sie sich 😉

Ihr Ralf Beckmann

P.S. Obiges Beispielfoto für einen tollen Arbeitsplatz: Toa Heftiba auf unsplash.com Vielen Dank!

Ungleiche Bezahlung für einen Rettungssanitäter als Teilzeitkraft oder Minijobber gegenüber den in Vollzeit tätigen Mitarbeitern? – Das Bundesarbeitsgericht sagt NEIN

Das Bundesarbeitsgericht teilt in einer Presseerklärung zu einem Urteil des 5. Senats vom 18.01.2023 mit:

„Geringfügig Beschäftigte, die in Bezug auf Umfang und Lage der Arbeitszeit keinen Weisungen des Arbeitgebers unterliegen, jedoch Wünsche anmelden können, denen dieser allerdings nicht nachkommen muss, dürfen bei gleicher Qualifikation für die identische Tätigkeit keine geringere Stundenvergütung erhalten als vollzeitbeschäftigte Arbeitnehmer, die durch den Arbeitgeber verbindlich zur Arbeit eingeteilt werden.“

Was heißt das für Sie als Arbeitnehmer und Verbraucher, der Sie vielleicht nur in Teilzeit oder als sog. Minijobber arbeiten genau?
Zunächst einmal gilt, dass Ihnen derselbe Lohn zusteht wie den Vollzeitbeschäftigten. Verdient ein Geselle, sagen wir ein Elektriker, im Handwerk 15,50 Euro Stundenlohn (brutto), steht Ihnen als Teilzeitmitarbeiter, sofern Sie ebenfalls Elektriker-Geselle und als solcher in Teilzeit angestellt sind, ebenfalls eine Vergütung von 15,50 Euro zu.
Verantwortlich für diese einfache Weisheit ist  § 4 Abs. 1 TzvBfG, also das Teilzeitbefristungsgesetz. Dort heißt es:

§ 4 TzBfG
Verbot der Diskriminierung
(1) Ein teilzeitbeschäftigter Arbeitnehmer darf wegen der Teilzeitarbeit nicht schlechter behandelt werden als ein vergleichbarer vollzeitbeschäftigter Arbeitnehmer, es sei denn, dass sachliche Gründe eine unterschiedliche Behandlung rechtfertigen. Einem teilzeitbeschäftigten Arbeitnehmer ist Arbeitsentgelt oder eine andere teilbare geldwerte Leistung mindestens in dem Umfang zu gewähren, der dem Anteil seiner Arbeitszeit an der Arbeitszeit eines vergleichbaren vollzeitbeschäftigten Arbeitnehmers entspricht. (Unterstreichung durch den Autor)

Der entscheidende Punkt ist also, dass keine sachlichen Gründe für eine unterschiedliche Behandlung zwischen Voll- und Teilzeitbeschäftigten sprechen. Hier sind die Arbeitgeber, die oftmals natürlich diesen juristischen Stolperstein im Arbeitsvertrag kennen, sehr kreativ. Im vom BAG behandelten Fall, handelte es sich um einen in Teilzeit beschäftigten Rettungssanitäter. Das erste Mal musste ich schlucken, weil sage und schreibe 12,00 Euro pro Stunde dafür, dass ein hoch qualifizierter Mitarbeiter/in mit dem Rettungswagen durch die Gegend rast, um Leben zu retten (wohl im Jahr 2021)? Wow, ich hätte ohne Blick in einen Tarifvertrag bei den ständig steigenden Krankenkassenbeiträgen eher auf 22,- statt auf 12,- Euro getippt. Aber das nur nebenher. Der später vom teilzeitbeschäftigten Rettungssanitäter verklagte Arbeitgeber führte als sachlichen Grund der Ungleichbehandlung an (seine hauptamtlichen Rettungssanitäter verdienten zum fraglichen Zeitpunkt 17,- Euro pro Stunde), dass der nebenamtliche Rettungssanitäter Wunschtermine für seinen Einsatz angeben könne und man als Arbeitgeber zudem freie Dienstschichten mitteilen würde. Zudem hätte man gegenüber den Vollzeit-Rettungssanitätern hier kein Weisungsrecht bestimmte Schichten übernehmen zu müssen und hätte darüber hinaus einen erhöhten Planungsaufwand die Schichten der Teilzeit-Rettungssanitäter zu koordinieren.

All das hat das Bundesarbeitsgericht im Ergebnis als nicht durchgreifend verworfen. Vielmehr seien die Gründe des beklagten Arbeitgebers keine sachlichen Gründe, die ein Ungleichbehandlung im Lohn rechtfertigen würden. Vielmehr sei bereits nicht erkennbar, dass ein erhöhter Planungsaufwand überhaupt vorliege. Wenn das der Fall sei, rechtfertige die unterschiedliche Planbarkeit ebenfalls keine Ungleichbehandlung, da die nebenamtlichen (teilzeitbeschäftigten) Rettungssanitäter eine unabdingbare Einsatzreserve darstellen würden. Ebenfalls sei zu berücksichtigen, dass die nebenamtlichen Rettungssanitäter sich nicht die Dienstschichten frei aussuchen können, sondern umgekehrt keinen arbeitsvertraglichen Anspruch auf Einsatz in den gewünschten (vorgeschlagenen) Schichten hätten. Allein das Recht des Arbeitgebers, bestimmte Mitarbeiter zum Übernehmen bestimmter Schichten anhalten zu können (Weisungsrecht), rechtfertige keinen höheren Lohn.

Man sieht, dass die Frage, ob im Arbeitsvertrag angeführten Gründe für eine Ungleichbehandlung, auch im Lohn, sehr kritisch betrachtet werden müssen. Zunächst einmal gilt der Grundsatz, dass eine Ungleichbehandlung zwischen Vollzeit- und Teilzeitmitarbeitern nicht statthaft ist. Dann ist es am Arbeitgeber, im Arbeitsvertrag sachliche Gründe dafür aufzuführen, warum eine Ungleichbehandlung ausnahmsweise gerechtfertigt ist. Sollte das Lohngefälle zwischen den Vollzeitbeschäftigten und Ihnen als Teilzeitmitarbeiter/in mehr als 2 – 3 Euro je Stunde betragen, würde ich meinen Arbeitsvertrag und die Möglichkeit für nachträgliche Lohnforderungen qualifiziert prüfen lassen. Ich wage hier einmal die Prognose, dass im Arbeitsvertrag vom Arbeitgeber angeführte Gründe mindesten in 50 % aller Fälle keinen Bestand haben werden.

Und um auch einem weit verbreiteten, weiteren Missverständnis vorzubeugen. Als sog. Minijobber ist man ebenfalls ein normaler, teilzeitbeschäftigter Arbeitnehmer mit allen Rechten und Pflichten. Als so ein Minijobber hat man ebenfalls Anspruch auf anteiligen bezahlten Urlaub, Lohnfortzahlung im Krankheitsfall und auch die hier angesprochene Ungleichbehandlung im Lohn ist nur gerechtfertigt, wenn es tatsächlich nachvollziehbare Gründe hierfür gibt. Bleiben Sie mir gewogen und vertragen Sie sich 😉

Ihr Ralf Beckmann

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