Kategorie: Kaufen, Reisen & Co für Verbraucher (Seite 1 von 5)

Alles, was der Verbraucher so im Alltag erlebt, kaufen, reisen, Ferienwohnung mieten, Auto vom Nachbarn leihen usw.

Rechtsschutzversicherung – Was bedeutet: Wir übernehmen die Kosten, die dem Verhältnis des Obsiegens und Unterliegens entsprechen?

Vorbemerkung
Wenn man den Versicherungen Glauben schenken darf, ist die Rechtsschutzversicherung ein äußerst nützliches Produkt, ja ein wahrer Segen. Allerdings gibt es immer Einschränkungen und einige Dinge sind zu beachten. Das bedeutet nicht, dass eine Rechtsschutzversicherung nicht hilfreich ist, meiner Meinung nach ganz im Gegenteil. Man sollte jedoch wissen, was man kauft. Aus diesem Grund habe ich die neue Kategorie „Rechtsschutz“ erstellt. Hier erkläre ich, was Ihnen eine Rechtsschutzversicherung bietet, worauf Sie achten sollten und was Sie für Ihr Geld erwarten können.

Die kurioseste und manchmal für Juristen sogar unverständlichste Klausel einer jeden Rechtsschutzversicherung
Stellen Sie sich vor, Sie befinden sich in einem Rechtsstreit und Ihr Anwalt gibt Ihnen ein Schreiben Ihrer Rechtsschutzversicherung zur Kenntnis, in dem Ihnen und dem Anwalt die sogenannte Deckungszusage erteilt wird. Dort steht häufig: „Bei einer gütlichen Einigung der Angelegenheit übernehmen wir die Kosten, die dem Verhältnis des von der Versicherungsnehmerin/dem Versicherungsnehmer angestrebten Ergebnisses zum erzielten Ergebnis entsprechen, es sei denn, dass eine hiervon abweichende Kostenverteilung gesetzlich vorgeschrieben ist.“

Sie fragen sich berechtigt, was Ihnen damit eigentlich mitgeteilt werden soll.
Ich sage es mal so: Ihre Rechtsschutzversicherung möchte nicht die ganze Zeche zahlen, obwohl sie nur einen Bruchteil bekommen.

Ich erkläre es anhand eines Beispiels:
Angenommen, Sie fordern 1.000 Euro in einem Rechtsstreit. Sie einigen sich vor Gericht mit dem Beklagten auf einen Betrag von 500 Euro, also genau die Hälfte. Das bedeutet, dass Sie zu 50% obsiegt haben und zu 50% unterlegen waren. In diesem Fall sollte die Kostenvereinbarung so getroffen werden, dass beide Parteien die gesamten Kosten des Rechtsstreits inklusive des Vergleichs zu je 50% tragen. Dies entspricht in der Regel der Praxis bei Vergleichsverhandlungen. Ihre Rechtsschutzversicherung erwartet daher von Ihnen, dass Sie sich in Bezug auf die Kosten entsprechend verhalten. Die Kostenregelung soll das prozentuale Verhältnis widerspiegeln, das Sie in Bezug auf die Hauptsache (Ihre ursprüngliche Forderung von 1.000 Euro) vereinbart haben. Wenn Sie 1.000 Euro fordern und gemäß Vergleich 300 Euro erhalten, beträgt Ihr Verhältnis von Obsiegen und Unterliegen 30/70. In diesem Fall müssen Sie 70% der Kosten tragen und im Vergleich vereinbaren. Bekommen Sie 700 von den ursprünglich geforderten 1.000 Euro, ist Ihre Quote 70/30 und sie sollten auch nur 30% der Kosten tragen.  Wenn Sie das dann so im Vergleich vereinbaren, wird Ihre Rechtsschutzversicherung auch die so vereinbarten Kosten bezahlen.

Aber warum will Ihre Rechtsschutzversicherung, dass die Kosten der Hauptsache folgen?
Vorweg: der Ausdruck „dass die Kosten der Hauptsache folgen“ ist nur eine andere Ausdrucksweise für „Die Kosten des Vergleichs müssen dem Verhältnis des Obsiegens und Unterliegens entsprechen.“

Auch hierzu ein Beispiel:
Sie könnten die folgende Situation zu Ihrem Vorteil genutzt haben. Die Richterin schlägt in der Güteverhandlung vor, dass Sie von den eingeklagten 1.000 Euro nur 300 Euro erhalten sollen. Dementsprechend verlieren Sie zu 70% und gewinnen zu 30%. Nun kommen Sie auf die Idee, diese Ihnen persönlich zustehende Summe zu erhöhen, ohne dass die Gegenseite insgesamt mehr zahlen muss. Sie erhöhen deshalb den an Sie zu zahlenden Betrag von 300 Euro auf 500 Euro und vereinbaren gleichzeitig, dass Ihre zusätzlichen 200 Euro durch einen erhöhten Anteil an den Kosten ausgeglichen werden. Sie bieten der Gegenseite folglich an, dass Sie statt 300 nunmehr 500 Euro erhalten. Dafür übernehmen Sie jedoch 80% der Kosten, statt wie üblich 50%. Das Verhältnis der Kosten entspricht jetzt nicht mehr dem Verhältnis von Obsiegen und Unterliegen. Dabei haben Sie natürlich im Hinterkopf, dass die Kosten nicht von Ihnen getragen werden müssen, sondern von Ihrer Rechtsschutzversicherung. Das könnte ziemlich clever sein, oder?

Mit der oben genannten Klausel hindert Ihre Rechtsschutzversicherung Sie jedoch daran, mehr zulasten Ihrer Versicherung zu gewinnen, was wiederum dazu führt, dass Ihre Versicherung mehr Kosten tragen müsste.

Sie können folglich jeden denkbaren Vergleich schließen, ohne Ihre Rechtsschutzversicherung „um Erlaubnis fragen zu müssen.“ Die Kostenregelung muss dabei nur dem Verhältnis des Obsiegens und Unterliegens folgen oder entsprechen.

Bleiben Sie informiert.


Ralf Beckmann

Kein Kita-Platz? Keine Sorge! Das Verwaltungsgericht in Münster gibt seinen Urteilen Nachdruck und zeigt, dass die Situation ernst ist

Vorbemerkung
Es ist bereits bekannt, dass eine Klage gegen eine Stadt oder Gemeinde aufgrund fehlender Kita-Plätze erfolgreich sein kann. Nun zeigt das Verwaltungsgericht in Münster auch Entschlossenheit gegenüber der scheinbar hilflosen Stadt.

Urteil bzw. Beschluss des Verwaltungsgerichts Münster
Bereits am 17. Oktober 2023 hatte das Verwaltungsgericht der Stadt Münster in einem Beschluss aufgetragen, der Antragstellerin innerhalb von zwei Wochen einen Betreuungsplatz zur frühkindlichen Förderung mit einer Betreuungszeit von mindestens 35 Wochenstunden in einer Kindertageseinrichtung oder Kindertagespflegestelle zur Verfügung zu stellen, die innerhalb von 30 Minuten von der Wohnung der Antragstellerin erreichbar ist.

Was passiert jedoch, wenn die Stadt nur unzureichend auf diese gerichtliche Anordnung reagiert? Im vorliegenden Fall stellt die Stadt keinen Platz zur Verfügung und spricht lediglich von „fehlenden Plätzen“. Wie bereits betont wurde, ist die Antwort „Wir haben einfach keinen Platz“ nicht akzeptabel.

Das Verwaltungsgericht hat dies erkannt und die Hilflosigkeit der Stadt Münster mit einem Zwangsgeldbeschluss geahndet. Die Stadt muss demnach ein Zwangsgeld in Höhe von 2.500 Euro zahlen, wie in der Pressemitteilung vom 17. November 2023 des Verwaltungsgerichts Münster bekannt gegeben wurde.

Ob die Stadt nun einsichtig ist, bleibt abzuwarten. In jedem Fall wird das Nichtzurverfügungstellen eines Kita-Platzes langsam teuer.

Bleiben Sie informiert und verfolgen Sie mit mir die weitere Entwicklung.


Ralf Beckmann

Das obige Beispiel-Foto zeigt einen Screenshot der Pressemitteilung des VG Münster vom 21.11.2023

Haben Sie einen Riester-Altersvorsorgevertrag bei einer Bank abgeschlossen? Dann ist es wichtig, dass Sie das Urteil des Bundesgerichtshofs vom 21.11.2023 kennen

Der Bundesgerichtshof (BGH) hat in einem aktuell verkündeten Urteil die „Unwirksamkeit einer Klausel zu Abschluss- und Vermittlungskosten in einem Riester-Altersvorsorgevertrag“ festgestellt.
Viele Menschen sind dem Rat der Politik und Banken gefolgt und haben einen Riester-Vertrag für die private Altersvorsorge abgeschlossen. Wenn Sie ebenfalls zu dieser Gruppe gehören, sollten Sie aufhorchen und sich das oben genannte Urteil des BGH genauer anschauen. In seiner Pressemitteilung 194/2023 vom 21.11.2023 stellt der BGH fest, dass eine bedeutende Klausel in vielen Sparverträgen unwirksam ist.

Es handelt sich um die folgende Klausel: „Im Falle der Vereinbarung einer Leibrente werden dem Sparer gegebenenfalls Abschluss- und/oder Vermittlungskosten belastet.“ Der BGH bemängelt an dieser Klausel: „Die Klausel ist nicht klar und verständlich im Sinne des § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB und benachteiligt dadurch die Vertragspartner der Beklagten unangemessen.

Diesem Urteil kann man als Jurist nur zustimmen. Wäre die Klausel wirksam, müssten Verbraucher blindlings Kosten akzeptieren, deren Höhe die Banken einseitig festlegen. Denn niemand kann der Klausel entnehmen, in welcher Höhe Abschluss- und/oder Vermittlungskosten von der Bank geltend gemacht werden und für welche Zeiträume.

Wenn auch Sie eine ähnliche Klausel wörtlich oder sinngemäß in Ihrem Vertrag finden, sollten Sie unbedingt rechtlichen Rat für weitere Schritte einholen. Möglicherweise ergibt sich die Möglichkeit, einen ungeliebten Vertrag vorzeitig zu kündigen oder bereits gezahlte Abschluss- und Vermittlungskosten zurückzufordern.

Bleiben Sie aufmerksam und schenken Sie mir weiterhin Ihr Vertrauen!

Ralf Beckmann

Abschleppen von Privatgrundstücken – ist das erlaubt?

Der Bundesgerichtshof (BGH) hat in einem interessanten Urteil darüber entschieden.
Es kommt immer wieder vor, dass man in einer Notsituation auf einem fremden Privatgrundstück parkt. Jeder weiß, dass dies nicht erlaubt ist. Was passiert jedoch, wenn der Grundstückseigentümer ein Abschleppunternehmen beauftragt und dieses nicht nur die Abschleppkosten, sondern auch hohe Verwahrgebühren für das Fahrzeug verlangt? Genau solch ein Fall wurde vor dem BGH verhandelt und das Urteil (Urteil des V. Zivilsenats vom 17.11.2023 – V ZR 192/22) in der Pressemitteilung 190/2023 des Gerichts heute veröffentlicht.

Zunächst einmal zur Information: Der Abschleppunternehmer hatte Verwahrkosten von 4.935 € geltend gemacht – ein Betrag, für den manche Menschen sich ein Gebrauchtfahrzeug kaufen könnten! Die Frage ist also, ob diese Kosten berechtigt sind. Hat der Abschleppunternehmer recht? Um diese Frage vorab beantworten zu können, gebe ich Ihnen noch folgende Informationen:

  • Das Fahrzeug befand sich 329 Tage in Verwahrung beim Abschleppunternehmer
  • Die täglichen Verwahrkosten betrugen 15,- Euro

Und nun, was halten Sie davon? Sind Sie der Meinung, dass die Kosten gerechtfertigt sind, dass sie vollständig oder nur teilweise erstattet werden sollten? Versuchen Sie, diese Frage für sich selbst zu beantworten und überprüfen Sie Ihr rechtliches Gespür.

Falls Sie möchten, können Sie sich kurz in die Pressemitteilung des BGH einlesen. Diese ist meiner Meinung nach jedoch nicht für Laien verfasst und enthält zahlreiche juristische Begriffe wie „aus abgetretenem Recht“ und „Geschäftsführung ohne Auftrag“. Dann gibt es auch noch eine Streithelferin und eine Widerklage, um die Verwirrung für Laien perfekt zu machen. Daher fasse ich die rechtlichen Überlegungen und Ergebnisse für Sie zusammen:

  • Der Abschleppunternehmer erhält statt der geforderten Verwahrkosten für 329 Tage nur die Kosten für 5 Tage, also 75 €.
  • Der Grundstückseigentümer kann grundsätzlich durch das Abschleppen eine Besitzstörung beseitigen.
  • Die Kosten des Abschleppens müssen bis zu einem ortsüblichen Satz erstattet werden.
  • Die Verwahrung des Fahrzeugs durch den beauftragten Abschleppunternehmer ist grundsätzlich in Ordnung. Der Grundstückseigentümer ist nicht verpflichtet, selbst oder über den Abschleppunternehmer einen öffentlichen Parkplatz zu suchen, damit dem Falschparker keine Verwahrkosten entstehen. Die Verwahrkosten bis zum Zeitpunkt des Herausgabeverlangens des Fahrzeughalters sieht der BGH als Kosten der Abwicklung des Abschleppvorgangs an und müssen deshalb in ortsüblicher Höhe erstattet werden.
  • Der abschleppende Grundstückseigentümer muss den Fahrzeugführer oder Halter unmittelbar nach dem Abschleppen über den Abschleppvorgang informieren. Verletzt er diese Pflicht, kann dies zu einer Kürzung der Ansprüche auf Erstattung der Abschlepp- und Nebenkosten führen. Wenn der Grundstückseigentümer den Fahrzeughalter erst nach 10 Tagen über den Abschleppvorgang informiert, könnten die ersten 10 Tage der Verwahrkosten zulasten des Grundstückseigentümers gehen.
  • Der Anspruch auf Erstattung der Verwahrkosten als Kosten der Abwicklung des Abschleppvorgangs ist jedoch begrenzt und endet mit dem Herausgabeverlangen des Fahrzeughalters.

Aus den oben genannten Gründen erhält der Abschleppunternehmer in unserem Fall vor dem BGH nicht die Verwahrgelder für fast ein Jahr, sondern nur für die fünf Tage, bis der Fahrzeughalter und Kläger die Herausgabe seines Fahrzeugs verlangte.

Es gibt jedoch einen Haken, wie so oft im juristischen Bereich. Der Kläger als Fahrzeughalter hätte auch für weitere Verwahrkosten haftbar gemacht werden können, wenn der Abschleppunternehmer keinen rechtlichen Fehler begangen hätte. Der Abschleppunternehmer muss dem abgeschleppten Halter nämlich das Fahrzeug in einer Art und Weise anbieten, die den Annahmeverzug begründet. Was genau der Abschleppunternehmer in diesem Fall aus Sicht des BGH falsch gemacht hat, bleibt unklar. Aber ich vermute, dass er nicht klar und eindeutig erklärt hat: „Ich biete Ihnen die Herausgabe des Fahrzeugs gegen Erstattung der Abschleppkosten und der bis heute (5. Tag) angefallenen Verwahrkosten an.“ Denn nur durch eine solch klare und eindeutige Erklärung, die auch die Höhe der Kosten auflistet, gerät der Fahrzeughalter in den Annahmeverzug, wenn er die Zahlung (unbegründet) verweigert. Hinzu käme m.E. auch die Pflicht, die Berechtigung zum Beitreiben der Abschlepp- und Verwahrkosten nachzuweisen (Abtretungserklärung vorlegen!). Dann befindet sich der Fahrzeughalter im Annahmeverzug und muss gemäß § 304 BGB auch weitere Verwahrkosten über den Zeitpunkt des Herausgabeverlangens hinaus bezahlen.

Zum Schluss möchte ich Ihnen nachfolgend praktische Lösungswege für betroffene Grundstückseigentümer oder Fahrzeughalter aufzeigen:

Als Grundstückseigentümer dürfen Sie grundsätzlich ein widerrechtlich auf Ihrem Grundstück parkendes Fahrzeug durch Hilfspersonen (Abschleppunternehmer) entfernen lassen. Wenn Sie dies tun, haften Sie zunächst für die Kosten des Abschleppvorgangs gegenüber dem Abschleppunternehmer. Immerhin haben Sie die Leistung in Anspruch genommen. Sie können jedoch vereinbaren, dass der Abschleppunternehmer seine Kosten zunächst beim Fahrzeughalter eintreibt. Dies geschieht durch die sog. Abtretung Ihrer Erstattungsansprüche gegen den Fahrzeughalter an den Abschleppunternehmer. Der Abschleppunternehmer hat ein gutes und rechtlich einwandfreies Druckmittel, nämlich die Fahrzeugherausgabe zu verweigern, bis die Zahlung erfolgt oder garantiert wird. Allerdings sollten Sie als Auftraggeber und Grundstückseigentümer sicherstellen, dass der Abschleppunternehmer keine überhöhten Preise verlangt und sich im ortsüblichen Rahmen bewegt.

Als Fahrzeughalter, unabhängig davon, ob Sie selbst gefahren sind oder das Fahrzeug verliehen haben, müssen Sie die ortsüblichen Kosten für das Abschleppen und die Verwahrung bis zu Ihrem Herausgabeverlangen bezahlen. Da Sie eigentlich dem Grundstückseigentümer als Auftraggeber zur Erstattung der Kosten verpflichtet sind, muss der Abschleppunternehmer zunächst eindeutig seine Berechtigung zur Beitreibung der Kosten nachweisen. Dies kann er m.E. nur durch Vorlage der Original-Abtretungserklärung des Auftraggebers und Grundeigentümers.
Grundsätzlich empfiehlt es sich, das Herausgabeverlangen mit Zeugen vorzubringen, wenn Sie persönlich beim Abschleppunternehmer vorsprechen.
Also, zunächst verlangen Sie Ihr Fahrzeug heraus. Wenn der Abschleppunternehmer dann deutlich macht, dass er dafür zunächst Geld sehen will, verlangen Sie den schriftlichen Nachweis seiner Berechtigung. Dies ist die Abtretungserklärung des Auftraggebers/Grundstückeigentümers. Wenn dieser Punkt geklärt ist und der Unternehmer darf im Auftrag des Grundstückeigentümers das Geld von Ihnen fordern, kommen wir zum zweiten Punkt. Der Höhe des geforderten Betrags.
Wenn Sie der Meinung sind, dass der Abschleppunternehmer überhöhte Kosten geltend macht, haben Sie zwei Möglichkeiten: Entweder Sie zahlen den überhöhten Betrag, vermerken jedoch auf Ihrer Quittung und dem Abschleppvertrag, dass Sie die Kosten für überhöht halten, dies beanstandet haben und den Gesamtpreis nur unter der Bedingung der nicht erfolgten Herausgabe zahlen, wobei Sie sich vorbehalten, den zu viel gezahlten Betrag ausdrücklich zurückzufordern.
Der alternative Weg, den ich nur in Anspruch nehmen würde, wenn der Unternehmer mehr als das Doppelte des ortsüblichen Satzes verlangt, besteht darin, die Erstattung der Kosten zu verweigern. Stattdessen sollten Sie nachweislich dokumentieren, dass Sie den Betrag XY für den ortsüblichen Satz halten und diesen angeboten haben, der Abschleppunternehmer jedoch Ihr „Angebot“ zur Annahme und Herausgabe des Fahrzeugs abgelehnt hat. Ist dieser Betrag der Höhe nach richtig, kommt nun der Abschleppunternehmer in Verzug. Aber Vorsicht: Bei diesem Vorgehen müssen Sie sich absolut sicher sein, dass Ihre Einschätzung der angemessenen Abschlepp- und Verwahrkosten korrekt ist. Wenn der Unternehmer nämlich mit seinem Preis im ortsüblichen Bereich liegt und Sie sich geirrt haben, müssten Sie die weiteren Verwahrkosten bezahlen. Da die Klärung oft lange dauert, kann dies teuer werden.
Auch hier der praktische Tipp. Bevor Sie zum Abschleppunternehmer fahren und Ihr Fahrzeug herausverlangen, schauen Sie im Internet, welche Kosten in Ihrer Stadt im ortsüblichen Bereich liegen. Wenn man Google fragt, dürften dies zwischen 120 und 200 Euro für die ersten 10 Kilometer und 3,- Euro für jeden weiteren Kilometer sein (Anm.: ohne Anspruch auf Richtig- und Vollständigkeit – ich übernehme keine Gewähr). Auf jeden Fall sollten Sie nicht unvorbereitet diesen Termin wahrnehmen. Wie oben erwähnt, ist auch ein guter Zeuge sicher besser, als dort allein vorstellig zu werden.

Eines sollte den juristischen Laien jedoch das BGH-Urteil lehren. Verlassen Sie sich nicht auf Ihr einwandfreies, rechtliches Gespür. In derartigen Fällen gibt es gerade für betroffene Kfz-Halter enorme Stolpersteine auf dem Weg zum eigenen Auto. Besser ist es, wenn Sie den Rat einer erfahrenen Rechtsanwältin oder eines Rechtsanwalts einholen.

Bleiben Sie mir gewogen und vertragen Sie sich!

Ralf Beckmann

Trauen Sie nicht mehr Ihrer eigenen Stimme? – Vertrauen in Sprachnachrichten schwindet: Die Gefahren von künstlicher Intelligenz

Sie denken, wenn ich mich höre, dann bin ich es auch? Ich muss Sie leider enttäuschen. Sie hören eine von Ihnen gesprochene Nachricht und sind im Zweifel, ob Ihr Gehirn noch alle Informationen richtig verarbeitet? Sie hören die Nachricht und befürchten gar, schon unter Demenz zu leiden? Dann habe ich gute Nachrichten für Sie.
In der digitalen Welt ist Misstrauen angebracht, denn Sprachnachrichten können täuschend echt nachgebildet werden. Diese Entwicklung wird durch künstliche Intelligenz (KI) möglich gemacht und birgt sowohl humoristisches als auch kriminelles Potenzial.

Es genügt bereits, einige Wortfragmente Ihrer Stimme zu besitzen, um eine täuschend echte Sprachnachbildung zu erstellen. Diese Tatsache birgt Risiken, denn in den falschen Händen kann KI verwendet werden, um Straftaten zu fördern oder sogar zu ermöglichen. Der Seite T3N Digital Pioneers zufolge werden vermehrt Fälle von nachgestellten Entführungen beobachtet.

T3N Digital Pioneers berichtet hier über zunehmende Fälle von nachgestellten Entführungen.

Screenshot T3N Digital Pioneers vom 13.11.2023

Kriminelle nutzen Informationen aus dem Internet, um vermeintliche „Opfer“ zu identifizieren, klonen deren Stimme und versenden Entführungsnachrichten zu einer Zeit, in der die Betroffenen laut Social Media nicht erreichbar sein sollten.

Mein Rat: Um sich vor diesen Gefahren zu schützen, sollten Sie Ruhe bewahren und versuchen, die angeblich sprechende Person zu erreichen. Wenn das nicht möglich ist, sollten andere nahestehende Personen kontaktiert und von der Nachricht berichtet werden. Es ist wichtig, den Wahrheitsgehalt einer solchen Nachricht kritisch zu hinterfragen und sich nicht überstürzt von Angst und Panik leiten zu lassen. Im Falle einer vermeintlichen Entführung sollten Fragen gestellt werden, ob die geforderte Summe Sinn ergibt und ob es wahrscheinlich ist, dass Verbrecher ausgerechnet eine unbekannte Person entführen und ein vergleichsweise niedriges Lösegeld fordern würden.

Ein weiterer wichtiger Aspekt ist, umgehend die Polizei einzuschalten und nicht auf eigene Faust zu handeln, indem beispielsweise das geforderte Lösegeld bezahlt wird. Denn in diesen Fällen ist es meist unmöglich, das einmal bezahlte Geld wiederzuerlangen.

Die Verbreitung von KI-basierten Sprachnachbildungen stellt eine ernstzunehmende Herausforderung dar, die unser Vertrauen in Sprachkommunikation nachhaltig beeinflussen kann. Es ist daher entscheidend, aufmerksam zu sein und die möglichen Risiken zu erkennen, um sich in der digitalen Welt zu schützen.

Bleiben Sie mir gewogen und bleiben Sie aufmerksam!

Ralf Beckmann

Arbeit und Krankheit – Darf der Arzt die Krankmeldung (Arbeitsunfähigkeits-Bescheinigung) zurückdatieren?

Millionen von Arbeitnehmern und immer trifft es einen oder viele, man wird krank. Was, wenn der Arzt nicht gleich aufgesucht werden kann und man aus Krankheitsgründen erst am vierten Krankheitstag zum Arzt geht?

Denn Vorsicht, in den meisten Arbeitsverträgen ist zwar vereinbart, dass man zunächst ohne Vorlage einer ärztlichen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung (AU) fehlen darf und erst spätestens am vierten Tag eine solche vorlegen muss. Das heißt aber nicht, dass der Arbeitgeber nicht schon vorher eine solche Bescheinigung verlangen oder zumindest später eine AU des Arztes verlangen darf, die die Arbeitsunfähigkeit ab dem ersten Fehltag bescheinigt.

Also, Fragen über Fragen wegen einer simplen AU! Hier wollen wir uns damit beschäftigen, was der Arzt in diesem Zusammenhang darf und was nicht und worauf Sie sich einstellen müssen.

Der Arzt wird sich bei der Frage nach der Ausstellung einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung an die Arbeitsunfähigkeits-Richtlinie halten. § 5 der Richtlinie beschäftigt sich explizit mit der Ausstellung der AU. Dort heißt es in Abs. 3:
1Die Arbeitsunfähigkeit soll für eine vor der ersten ärztlichen Inanspruchnahme liegende Zeit grundsätzlich nicht bescheinigt werden. 2Eine Rückdatierung des Beginns der Arbeitsunfähigkeit auf einen vor dem Behandlungsbeginn liegenden Tag ist ebenso wie eine rückwirkende Bescheinigung über das Fortbestehen der Arbeitsunfähigkeit nur ausnahmsweise und nur nach gewissenhafter Prüfung und in der Regel nur bis zu drei Tagen zulässig.“

Konkret bedeutet dies, dass Ihr Arzt nur in absoluten Ausnahmefällen bescheinigen darf, dass Sie bereits seit Montag arbeitsunfähig sind, obwohl Sie erst Mittwoch beim Arzt vorstellig werden. Maximal ist dieses Rückdatieren für drei Tage möglich.

Wer also davon ausgeht, dass die Erkrankung länger als drei Tage dauert und/oder damit rechnet, dass der Arbeitgeber auch für eine kurze Bagatellerkrankung eine ärztliche AU fordert, der sollte gleich am ersten Tag seiner Erkrankung beim Arzt vorstellig werden. Wer das krankheitsbedingt nicht kann, sollte seinen Hausarzt zumindest telefonisch informieren und sich beraten lassen. Denn auch wenn Sie sich telefonisch beim Arzt melden und um seinen Rat fragen, haben Sie ihn ja (am ersten Tag) in Anspruch genommen und es handelt sich nicht um eine Rückdatierung, wenn Sie dann erst am Mittwoch persönlich vorstellig werden können. Ob Ihr behandelnder Arzt dieser Argumentation folgt, sollten Sie an der Stelle auch gleich erfragen. Es wird sicher nicht helfen sich auf meinen Blog zu berufen und schon ist der Arzt überzeugt.

Wichtig ist auch, hier ist nicht von der telefonischen Krankschreibung, die wegen Corona zeitweilig möglich war, die Rede. Wenn der Arzt Sie am Montag telefonisch wegen Ihrer Erkrankung berät, Ihnen den Rat gibt, dass erst einmal die schlimmsten Symptome abklingen lassen sollten, um dann am Mittwoch persönlich vorzusprechen, dann ist m.E. eine Inanspruchnahme bereits am Montag erfolgt, der Arzt sieht am Mittwoch, dass es sich um noch vorhandene Symptome eines grippalen Infekts handelt und bestätigt dann am Mittwoch, dass Sie seit Montag erkrankt sind. Das hat aus meiner Sicht nichts mit der zeitweilig erlaubten, telefonischen Krankschreibung zu tun, bei der Sie sich einfach telefonisch gemeldet haben und der Arzt (ohne Sie jemals persönlich zu sehen) die Arbeitsunfähigkeit für 7 Tage maximal bescheinigen konnte.

Die Erkenntnis aus alledem? Wenn man krank ist, dann schnellstmöglich zum Arzt oder diesen zumindest telefonisch über die Erkrankung informieren, um sich dann später die AU geben zu lassen. Was Ihr Arbeitgeber in diesem Zusammenhang verlangt und verlangen kann, wird sicher in einem weiteren Artikel das Thema sein.

Bis dahin, bleiben Sie gesund und bleiben Sie mir gewogen.

Ralf Beckmann

Das Beispielfoto stammt von National Cancer Institute auf Unsplash. Vielen Dank!

Wie erfahre ich, was in meiner Patientenakte steht? Ein Urteil des Europäischen Gerichtshofs gibt Ihnen umfangreiche Rechte

Bisher kannten einige Menschen vage das Recht, Einsicht in die eigene Patientenakte zu nehmen. Dieses Recht ergibt sich im deutschen Recht aus § 630g BGB. Allerdings ist dort das Recht auf Einsicht nicht völlig kostenlos. Wollte der Patient einfach mal nur „hereinsehen“, ist dies kostenlos. Wollte man allerdings Abschriften, also Kopien oder Ausdrucke, müssen dem Arzt gem. § 630g Abs. 2 BGB die Kosten dafür erstattet werden.

Screenshot Homepage Rechtsanwalt Christmann vom 27.10.2023

Dem deutschen Recht auf Einsicht in die Patientenakte hat nun der Europäische Gerichtshof einen Riegel vorgeschoben. Rechtsanwalt und Fachanwalt für Medizinrecht Rechtsanwalt Philip Christmann hat auf seiner Homepage mitgeteilt, dass der Europäische Gerichtshof die Auffassung bestätigt hat, wonach dem Patienten, gestützt auf Art. 15 Abs. 1 DSGVO (Datenschutzgrundverordnung), von seinem Arzt/Krankenhaus verlangen kann, dass dieser ihm kostenfrei eine erste Kopie seiner gesamten Behandlungsunterlagen übersendet.

Die Einzelheiten zum Fall können Sie auf der Homepage des Kollegen nachlesen (oben verlinkt). Wichtig für Patienten ist aber, dass sich nunmehr kein Arzt oder Zahnarzt darauf berufen kann, dass er die Kosten für die Übersendung und Anfertigung von Ausdrucken ersetzt verlangt haben möchte. Verweisen Sie auf das Urteil/Beschluss des Europäischen Gerichtshofs und die vorrangige Anwendung von Art. 15 Abs. 1 DSGVO und sie sind rechtlich auf der sicheren Seite.

Bleiben Sie mir gewogen und vertragen Sie sich.

Ralf Beckmann

Immer wieder Fitnessstudio – vzbv klagt erfolgreich gegen clever fit

Der VZBV teilt in einer Presseerklärung vom 19.10.2023 mit, dass sie erfolgreich gegen die Fitnesskette (Franchise) clever fit geklagt habe.

Screenshot Presseerklärung vzbv vom 19.10.2023 zum clever fit-Urteil.

Die vollständige Presseerklärung vom 19.10.2023 können Sie hier nachlesen.

Im Kern ging es darum, dass die Nutzer/Mitglieder des Fitnessstudios eines Franchise-Betreibers durch das Passieren eines Drehkreuzes Ihre Zustimmung zu einer Preiserhöhung abgeben sollten. Also, wer durchgeht, sagt ja zu einer Preiserhöhung, wer die nicht will, muss draußen bleiben, obwohl das Mitglied noch einen laufenden Vertrag hat. Dieser Idee hatte das Landgericht Augsburg eine Abfuhr erteilt. Aber auch die Franchise-Geberin haftet nach Auffassung des Gerichts für einen derartigen Wettbewerbsverstoß mit.

Kommentar:
Es ist schon interessant, wie große Handels-Ketten im Massengeschäft einseitig versuchen höhere Preise durchzusetzen. Der Erfindungsreichtum von Menschen ist offensichtlich unerschöpflich.

Wer mehr zum Thema Fitnessstudio lesen möchte, hier befindet sich ein weiterer, interessanter Artikel.

Bleiben Sie mir gewogen und vertragen Sie sich.

Ihr

Ralf Beckmann

Das vollständige Urteil hat der vzbv hier als PDF zur Verfügung gestellt.

Das Beispielfoto (Titelbild) wurde von Risen Wang auf Unsplash zur Verfügung gestellt. Mein Dank!

Sie verstehen die Rechnung Ihres Rechtsanwalts nicht? – Hier kommen Hilfe und Tipps!

Viele potenzielle Mandanten trauen sich nicht, anwaltlichen Rat einzuholen, weil sie panische Angst vor einer hohen Rechnung haben. Wobei „hoch“ natürlich gemessen an Einkommen und sonstigen Umständen relativ ist.

Der nachfolgende Beitrag soll Ihnen helfen, Ihr Problem mit den Kosten des Rechtsanwalts besser einschätzen zu können. Muss ich mich also darauf gefasst machen, „mein ganzes Geld“ abzugeben oder komme ich noch relativ preiswert davon? Hier erfahren Sie es!

Aber eines muss klar sein. Auch noch so gute Artikel über das Gebührenrecht können Sie nicht in 10 Minuten zum Experten machen. Der nachfolgende Artikel kann und soll Ihnen nur helfen, ein erstes Gefühl für die Materie zu bekommen.
Es ist ebenso unmöglich, dass Sie mit 10 Minuten Lektüre Meister des Gebührenrechts werden, wie Sie nicht mit einem Volkshochschul-Nähkurs zum Herzchirurgen mutieren. So viel Ehrlichkeit muss sein.

Was hat Einfluss auf meine Rechtsanwaltsrechnung?

1. Die reine Beratung
Stellen Sie sich vor, Sie haben eine konkrete Frage zu Ihrem Mietverhältnis. Bis wann muss der Vermieter die Nebenkosten von 2021 abrechnen? Eine derart kurze Frage ist prädestiniert für die sog. Erstberatung. Hierbei handelt es sich um eine einmalige Beratung zu einem bestimmten, von Ihnen genannten Problem. Findet die Beratung in der Kanzlei eines Rechtsanwalts statt, gilt genau das, was der Name sagt! Erstberatung = einmalige Beratung! Rufen Sie nach dem Termin nochmals beim Rechtsanwalt an und stellen ergänzende oder weitere Fragen, ist es keine Erstberatung mehr und es kann die Fragen insgesamt verteuern.
Tipp: Nehmen Sie zur Erstberatung alle für Sie wichtigen Unterlagen, die das Problem betreffen, mit. Machen Sie sich eine Liste mit Stichpunkten über die Tatsachen, die sich nicht aus Ihren Unterlagen ergeben und erläutern Sie auch diese Tatsachen beim Rechtsanwalt. Formulieren Sie gezielte Fragen schon vorab und notieren Sie sich die Antworten.
Wollen Sie eine schriftliche Zusammenfassung ist das keine Erstberatung, sondern bestenfalls ein Gutachten zur Einschätzung der Rechtslage und das kann teuerer sein.
Also, eine zweite Chance gibt es bei der Erstberatung nicht.

Warum ist das so? Die Kosten der Erstberatung sind durch den Gesetzgeber begrenzt. Für Verbraucher darf die Gebühr gem. § 34 RVG für das erste Beratungsgespräch nicht höher als 190 Euro zuzüglich Mehrwertsteuer sein. Soll ein Gutachten zur Einschätzung der Rechtslage erstellt werden, dürfen maximal 250 Euro zuzüglich Mehrwertsteuer in Rechnung gestellt werden.

Umgekehrt heißt dies nicht, dass die Beratung € 226,10 kosten muss. Denn in § 34 RVG ist auch festgelegt, dass gem. Bürgerlichem Gesetzbuch abgerechnet werden muss, sofern nicht eine Vereinbarung über das Honorar getroffen wurde. Nähere Erläuterungen zum BGB und den dortigen Vorschriften würden hier zu weit führen. Aber, aus dem Hinweis auf „soweit keine Vereinbarung getroffen wurde“ können Sie als potenzieller Mandant natürlich für sich entnehmen, dass das Honorar für ein Beratungsgespräch von sagen wir 15 Minuten zuvor ausgehandelt werden kann und sollte. Also, fragen Sie nach den Vorstellungen des Rechtsanwalts für die von Ihnen kalkulierten 15 Minuten und machen eventuell einen Gegenvorschlag.
Tipp: Bleiben Sie aber bitte fair! Selbst wenn sich die kurze Frage in 15 Minuten klären lässt, seien Sie nicht so vermessen und erwarten, dass Ihr Rechtsanwalt dafür nur 10 Euro (inkl. Umsatzsteuer) nimmt, dann auch noch eine Rechnung schreibt  und  der sofort in bar bezahlte Betrag darauf quittiert wird. € 10,- können Sie sicher als Trinkgeld in die Kaffeekasse des Sekretariats werfen, aber nicht einem Rechtsanwalt als Honorar für eine noch so kurze Auskunft anbieten!

Wir merken uns: Die reine Erstberatung ist vom Honorar her übersichtlich und das Honorar kann oder sollte sogar zwischen Mandant und Rechtsanwalt vor der Beratung ausgehandelt werden. Dieses ist begrenzt auf € 226,10 brutto.

2. Die außergerichtliche Tätigkeit
Hier ist der Rechtsanwalt in der Sache konkret für Sie tätig, sei es durch Beratung im Hintergrund oder auch offen gegenüber einem Anspruchsgegner. Es gibt in bestimmten Angelegenheiten sog. Rahmengebühren, wie im Sozialrecht oder auch Strafrecht. Diese Bereiche hier abzuhandeln, würde zu weit führen und den Umfang eines Buches annehmen. Deshalb konzentrieren wir uns hier auf die üblichen Konstellationen des Zivilrechts; beispielsweise Fragen zum Mietrecht, Kaufrecht oder Eigentumsfragen, die allesamt mit Gegenstandswerten verbunden werden.

Für die außergerichtliche Tätigkeit (der Rechtsanwalt ist zunächst noch nicht vor Gericht für Sie tätig) fällt immer eine sog. Geschäftsgebühr an, deren Höhe variabel ist. Auch hier würden Einzelheiten Bücher füllen. Als Mandant sollten Sie aber davon ausgehen, dass eine derartige Gebühr mit dem Faktor 1,3 berechnet wird. Was der Faktor 1,3 der Höhe nach bedeutet, ist vom sog. Streit- oder Gegenstandswert abhängig.

Beispiele: Sie verkaufen auf einem einschlägigen Internetportal ein gebrauchtes Fahrrad für 130 Euro. Der Käufer macht 2 Wochen später Gewährleistungsrechte (Mängel) geltend, obwohl sie in der Anzeige gebraucht wie gesehen ohne Garantie und Gewährleistung geschrieben hatten. Sie kümmern sich nicht darum und eine Woche später haben Sie ein anwaltliches Schreiben auf dem Tisch, mit dem der Anwalt des Käufers den Rücktritt vom Vertrag erklärt. Wenn auch Sie sich dann ebenfalls einen Rechtsanwalt nehmen, wird dieser mit dem Gegenstandswert von € 130 seine Gebühren berechnen. Nach diesem Wert bemessen sich dann alle infrage kommenden Gebühren des Rechtsanwalts. Konkret beträgt die 1,3 Geschäftsgebühr bei diesem Gegenstandswert € 63,70 ohne Umsatzsteuer und der Postgebührenpauschale.
Im Verhältnis zu dem Kaufpreis ein hoher Betrag. Absolut für den Rechtsanwalt und den tatsächlichen Aufwand, nämlich sich im Gespräch Ihre Version der Dinge anhören, Akte anlegen, dem Gegner schreiben, Sie über das erst Ergebnis informieren usw., ein geringer Betrag.
Tipp-Hinweis: Die Gebühren steigen degressiv nach dem Streitwert. D.h. im Verhältnis zum Streitwert werden sie nach und nach immer günstiger. Deshalb ist es bei geringen Beträgen oftmals sinnlos, sich zu streiten. Nehmen wir das Beispiel Fahrrad für 130 Euro. Für Sie beträgt der Gesamtaufwand inkl. Umsatzsteuer und Postgebührenpauschale € 90,96 an Rechtsanwaltsgebühren. Für Ihren Gegner aber auch! Insgesamt sind die Kosten für beide Anwälte schon deutlich höher, als der Kaufpreis des Fahrrads. Andererseits sind diese Gebühren so niedrig, dass viele Kollegen sich scheuen, die Wahrheit zu sagen, nämlich „dafür arbeite ich nicht!“. Dann hat man eben keine Zeit, es ist nicht mein Spezialgebiet oder man ist einfach überlastet von so vielen Mandaten, dass man Ihren interessanten Fall einfach nicht annehmen kann! Deshalb sollten Sie gerade bei kleinen Beträgen aufpassen, dass Sie alles richtig machen und nicht in die unangenehme Situation kommen, einen Rechtsanwalt zu benötigen. Es könnte nämlich schwer für Sie werden.

Gerade haben wir von dem 130-Euro-Fahrrad gesprochen. Stellen Sie sich nun vor, es handelt sich bei dem gebrauchten Rad nun um eine absolut hochwertige Rennmaschine aus Carbon, Neupreis 12.000 Euro, die sie nun ebenfalls gebraucht und ohne Gewährleistung für € 6.000 verkaufen. Alles ist ansonsten identisch. Dann beträgt die 1,3 Geschäftsgebühr € 507,-, also nichtmals 10% des Kaufpreises. Im Verhältnis zum Wert „lohnt“ es sich jetzt zu kämpfen, wenngleich die Gebühr absolut für Sie mehr als deutlich gestiegen ist.

Tipp: Aus den unterschiedlichen Gebührenhöhen können wir auch die „Ungerechtigkeit“ des gesetzlichen Gebührensystems erkennen.  Sie werden die Umstände des Verkaufs, die Vertragsunterlagen usw. nicht zwangsläufig kürzer gestalten, schneller und kürzer erzählen, nur weil es sich um einen 500-Euro-Verkauf oder um einen 5.000-Euro-Verkauf handelt. Der Rechtsanwalt verdient einfach mehr, weil hinten eine Null mehr dranhängt oder eben weniger, weil eine Null fehlt. Der zeitliche Aufwand ist deshalb nicht automatisch unterschiedlich hoch. Deshalb sind Sie auch ein gerngesehener Mandant, wenn Sie Ihren Autounfall mit dem 30.000-Euro-Schaden komplett beim Rechtsanwalt abwickeln lassen (was häufig wegen der Erstattungspflicht des Unfallgegners nichts kostet!), anstatt erst selbst oder durch Ihre Werkstatt daran herumzudoktern und dann den fehlenden Restbetrag von 1.200 Euro durch einen Rechtsanwalt einzufordern. Der Verkehrsanwalt muss sich dennoch den ganzen Fall ansehen, alle Schadenpositionen prüfen um dann den gegnerischen Versicherer die restlichen € 1.200 abzuringen. Will sagen, der zeitliche Aufwand für den Rechtsanwalt, der nur den Restbetrag einfordert ist fast genau so hoch, wie für den Rechtsanwalt, der von Anfang an den Unfall abwickelt. ABER! Das Honorar unterscheidet sich gewaltig!

Wenn sich der Wert der Sache, um die Sie sich streiten (müssen), nicht unmittelbar ergibt, Kaufpreis oder Wert der Sache am Markt (beispielsweise für einen Goldring), dann gibt es durch die Gerichte festgelegte Anhaltspunkte, was etwas in Geld für die Gebührenberechnung „wert“ ist. Beispielsweise der Streit darum, ob Ihr Hund gefährlich ist oder nicht, wird  regelmäßig von den Verwaltungsgerichten mit einem „Streitwert“ von 5.000 Euro bemessen. Der Streitwert für die Kündigung einer Wohnung wird nicht nach dem Marktwert der Wohnung, sondern zumeist mit 12 Nettokaltmieten bemessen. Es gibt unzählige andere Beispiele, deren Aufzählung hier zu weit führen würde. Manchmal kann man es einfach mittels Google herausfinden oder Sie fragen Ihren Rechtsanwalt.


3. Die gerichtliche Tätigkeit
Gehen wir davon aus, dass der Streit um das gebrauchte 6.000-Euro-Fahrrad nun vor Gericht geht. Für die gesamte gerichtliche Tätigkeit kommt jetzt zur o.g. Geschäftsgebühr eine Verfahrensgebühr mit dem Faktor 1,3 hinzu. Wenn der Streitwert weiterhin € 6.000 beträgt, wären dies € 507 zuzüglich Umsatzsteuer. Allerdings reduziert sich dann die Geschäftsgebühr auf die Hälfte, sofern Sie weiterhin mit Anwalt A kämpfen. Haben Sie nach der außergerichtlichen Tätigkeit „die Pferde gewechselt“, bleibt es bei Anwalt A bei der vollen Geschäftsgebühr und Anwalt B, jetzt für Sie vor Gericht tätig, bekommt ebenfalls die volle Verfahrensgebühr. Sobald der Rechtsanwalt auch einen Termin vor Gericht für Sie wahrnimmt, entsteht noch eine 1,2 Terminsgebühr. Dies beträgt bei einem Streitwert von € 6.000 dann € 468,- zuzüglich Umsatzsteuer.


Mein Resümee
Die oben unter 1.) bis  3.) dargestellten Umstände nennen wir Verfahrensabschnitte. Für jeden Verfahrensabschnitt fallen erneut Gebühren an, unabhängig davon, ob gegebenenfalls vorherige Gebühren zu reduzieren sind.

Da die Gebühren „im Prinzip feststehen“, sobald Sie eine Kollegin oder einen Kollegen beauftragen, muss kein Rechtsanwalt Ihnen vorher ungefragt sagen, was es kosten wird. Also, Sie müssen schon fragen und diese Frage sollten Sie auch stellen. Wer an dieser Stelle als Rechtsanwalt „herumeiert“, der ist m.E. ein „schlechter“ Rechtsanwalt; Ausnahmen mag es geben. Denn unabhängig davon, wie hoch Gebühren auch immer sein mögen. Wollen Sie für das Geld, das Sie investieren, einen „schlechten“ Anwalt oder eine „schlechte“ Anwältin? Sicher nicht, oder?
Einer meiner Lieblingsfilme ist „Spiel mir das Lied vom Tod.“ Der Bösewicht Frank merkt dort süffisant an: „Ich soll also einem Mann mit Hosenträgern trauen, einem Mann, der noch nicht mal seinen eigenen Hosen vertraut…“
Auf das Anwaltshonorar übertragen bedeutet dies: „Wer als Rechtsanwalt seine eigene Sache nicht richtig vertreten kann und die eigene Sache ist nun einmal vorrangig das Honorar, der soll dann Ihre Sache sehr gut vertreten, Biss haben und durchsetzungsstark sein? Nein, ein guter Anwalt wird ohne Zögern und ohne Zweifel sein Honorar aussprechen und fordern, sei es noch so hoch!“ Der gute Anwalt und die gute Anwältin wissen ja, dass Sie im Gegenzug eine sehr gute Gegenleistung bekommen!

Deshalb ist meine Meinung: Wer ungefragt Rabatt anbietet, wird nur selten ein guter Rechtsanwalt oder eine gute Rechtsanwältin sein!

Und wenn Sie eine Vorstellung davon haben, wie hoch Ihr Streitwert ist, um wie viel Sie also kämpfen wollen oder müssen, der kann sich auch über die außergerichtlichen und gerichtlichen Kosten schnell bei diversen Gebührenrechnern im Internet einen Überblick verschaffen.
Mein bevorzugter Gebührenrechner ist der von ANWALT.DE. Hier geht es zum Gebührenrechner auf ANWALT.DE. Wenn Sie meinen Artikel aufmerksam gelesen haben, können Sie den Rechner bedienen und werden für jeden Streitwert die ungefähr anfallenden Rechtsanwaltskosten ermitteln können.

Zum Schluss noch eine Bitte. Wenn Sie sich am Ende des  Artikels ärgern, weil eine spezielle Frage offengeblieben ist, Sie etwas nicht richtig verstanden haben o.ä., dann schreiben Sie mir! Das anwaltliche Gebührenrecht ist trocken und außerdem sehr komplex. Es ist wirklich nicht leicht, dies allgemeinverständlich für Menschen, die keinerlei Vorkenntnisse haben, zu erläutern. Ob mir das gelungen ist, erfahren ich frühestens durch Ihre Rückmeldung. Deshalb bin ich gern bereit Anregungen entgegenzunehmen und meinen Artikel von Zeit zu Zeit anzupassen und zu verbessern. Helfen Sie mir, damit ich Ihnen helfen kann!

Vertragen Sie sich und bleiben Sie mir gewogen!

Ihr
Ralf Beckmann

Wie lang muss man lernen, damit es Ihnen etwas „wert“ ist? – Ein Statement für Fairness bei der Honorarfindung!

Bitte Vorsicht! In diesem Artikel werde ich Ihnen so manche Denkweise von Rechtsanwälten zu Honorarfragen schonungslos eröffnen. Also, seien Sie stark und lesen Sie, wie es um anwaltliches Honorar heute wirklich bestellt ist und welches Verhalten von Mandanten kontraproduktiv ist. Alles ohne Garantie für Vollständig- und absolute Richtigkeit!

Um ständig für meine Leser auf dem Laufenden zu sein, abonniere ich u.a. Pressemitteilungen verschiedenster Gerichte. Hier gelangen Sie zur Pressemitteilung des Landgerichts Osnabrück vom 01.09.2023 (Pressemitteilung 35/23).
Natürlich gratuliere ich dem jungen Kollegen, Herrn Richter am Landgericht Storck recht herzlich zu seiner Ernennung.

Zum Glück müssen Richter nach Ihrer endgültigen Ernennung nie mehr um Geld oder Anerkennung aus der Bevölkerung, also denjenigen, denen Sie „dienen“ sollen, kämpfen. Das ist auch gut so, denn Sie sollen ja frei von Zwängen entscheiden können. Das ist so gewollt und richtig!

Aber, sind Rechtsanwälte auch so frei von jedem Zwang? Was hat die Ernennung eines Richters mit den Rechtsanwälten zu tun? Ich bin als Jurist schon so alt, dass ich noch werbefreie Zeiten von Rechtsanwälten erlebt habe. Werbeverbot hieß das Zauberwort! Obwohl ich immer ein Verfechter der sozialen Marktwirtschaft war und bin, bin ich mir nicht mehr wirklich sicher, ob sich ein Erlauben von Werbung auf der einen Seite und ein Reglementieren der Honorare auf der anderen Seite miteinander vertragen. Ich glaube inzwischen an ein ungutes Zusammenspiel dieser beiden Faktoren.

Was ist ein angemessenes Honorar?
Lesen Sie bitte weiter unten im Artikel, wie lang die Ausbildung eines Rechtsanwalts oder eines Richters dauert. Sind dann 50,- Euro pro Stunde, von denen noch Kanzleiräume, eine Sekretärin, Steuern, Papier, Strom etc. bezahlt werden müssen, in Ordnung? Ihr Rechtsanwalt rechnet vielleicht nach den gesetzlichen Gebühren ab, Gegenstandswert 400 Euro. Ich beziehe mich hier auf das unten beispielhaft erwähnte Darlehen unter Freunden. Sind dann 90,96 Euro inkl. Umsatzsteuer für die außergerichtliche Tätigkeit und 131,67 Euro inkl. Umsatzsteuer für die Klage angemessen, wenn Sie vor der ersten Besprechung ein zweiseitiges Begleitschreiben schicken und die erste Besprechung eine Stunde dauert? Danach natürlich mindestens ein Schreiben an die undankbare Ex-Freundin seitens Ihres Anwalts und eine weitere Besprechung nach deren Antwort mit Ihnen. Dann Schriftsätze, Klage einreichen und der Gerichtstermin. Dies alles nimmt weitere 4 Stunden in Anspruch. Netto, d.h. ohne Umsatzsteuer, ergeben die oben erwähnten Teilhonorare ca. 187,- Euro für sagen wir 5 bis 6 Stunden Arbeit. Wundern Sie sich also bitte nicht, wenn der „Top-Experte“ für Darlehensrecht sagt, dass er keine Kapazitäten mehr hat, um Ihren Fall zu bearbeiten. Denn meiner Meinung nach hat ein derartiges Honorar nicht einmal mehr ansatzweise mit einem „fairen“ Honorar zu tun. Und das geht ja nicht nur zulasten der Rechtsanwälte. Nein, auch Sie als potenzielle Mandaten haben das Nachsehen, wenn Sie trotz intensiver Suche keinen Rechtsanwalt für Ihren Fall finden.

Hinzu kommen von Zeit zu Zeit Mandanten, die sich und Ihren Fall einfach maßlos wichtig nehmen. Das hängt vielleicht auch stark mit dem aufgehobenen Werbeverbot zusammen. Viele Menschen meinen, sie hätten „ein Recht“ auf kostenlose erste Beratung, ein Recht auf möglichst niedrige Honorare, ein Recht auf Hilfe schlechthin und auf der anderen Seite natürlich darauf, dass Ihnen der „Topjurist“ oder die „Topjuristin“ möglichst uneingeschränkt und ohne jegliche Wartezeit zur Verfügung steht. Warum, denn schließlich hat man einen einzigartigen und vor allem enorm wichtigen Fall. Dieses Vorurteil wird noch von Anwälten mit Werbung befördert. Also Asche hier auch auf das Haupt der um Mandate kämpfenden Berufskollegen. In 90 Prozent aller Fälle sind die Mandate aber einfach zu lösende, juristische Alltagskost und keine enorm komplizierten Fälle. Schilder Sie also einfach, möglichst kurz und knapp Ihren Fall und bitten um Hilfe. So einfach kann das sein. Denn nicht jeder Anwalt stürzt sich bei jedem Fall nur auf Ihr Geld! Nein, so ist das auch nicht. Manchmal entwickelt man Sympathie für das Anliegen des Mandanten und ist gern bereit, für ein viel zu niedriges Honorar ausnahmsweise zu arbeiten. Die Betonung liegt aber auf ausnahmsweise und nicht ständig!

Durch die Pressemitteilung wurde es mir bewusst. Noch ist es so, dass Richter und Richterinnen von den Examensnoten her die „Top-Juristen“ in Deutschland sind. Schauen Sie sich einmal die in der Presseerklärung genannte Ausbildungszeit des Richters an. Im Oktober 2011 Studienbeginn und im November 2019 dann endlich der Eintritt in den Staatsdienst als Richter. Das sind satte 8 Jahre Ausbildung! Und das ist realistisch und war kaum mit Herumtrödeln beim Studium verbunden.
Hätte sich Herr Storck wie viele andere Juristen und Juristinnen dafür entschieden, die Anwaltslaufbahn einzuschlagen, wäre das ebenfalls im Jahr 2019 gewesen. Bis dahin ist die Ausbildung und das Studium nämlich völlig identisch, egal ob Rechtsanwalt oder Richter! Also, man ist schnell und hat dennoch gut 8 Jahre Ausbildung ohne nennenswertes Einkommen hinter sich!

Und dann kommen Mandanten und lassen sich 1 Stunde beraten und erwarten, dass das nicht mehr als 50 Euro kostet oder sogar als erstes, unverbindliches „Kennenlerngespräch“ kostenfrei war. Sie ahnen, wo der Zug hinfährt? Das ist weniger, als der Klempner nehmen würde, wenn er die Armatur an der Spüle repariert. Ich bin immer wieder völlig erstaunt, was Menschen als potenzielle Mandanten für Ansprüche einerseits haben (Stichwort: Ich will den Top-Juristen, den absoluten Fachmann auf seinem Rechtsgebiet) und andererseits erwartet man, dass dieser Top-Jurist am besten kostenlos für mich arbeitet. Gehen Sie auch mit einer derartigen Erwartung zum Schönheitschirurgen? Sicher nicht, oder? Nicht einmal im Taxi kommen Sie für 50 Euro quer durch Hamburg oder München. Und Ihr Top-Rechtsanwalt soll für diesen Betrag in Hochform arbeiten?

Sie als Mandanten können nichts dafür, wenn Vater Staat beim Bemessen der anwaltlichen Honorare immer noch von der inzwischen altertümlichen Vorstellung ausgeht, dass Mandant X einmal mit einem finanziell lukrativen Mandat, dann wieder mit einem etwas schlechteren Mandat Y zum gleichen Rechtsanwalt kommt. Nein, das macht er nicht mehr. Denn Sie gehen heute natürlich für die Sache X zum Anwalt A und für die Sache Y zum Anwalt B, weil A und B sich für völlig verschiedene Rechtsgebiete als Experten positionieren. Das ist auch auf den ersten Blick okay. Aber, es führt auch dazu, dass man mit bestimmten Rechtsgebieten Geld verdient und mit anderen deutlich schlechter. Hinzu kommt, dass Sie als Mandant überhaupt nicht einschätzen können, ob Sie für Ihre Sache X wirklich „den Experten“ benötigen und nicht eine gute Rechtsanwältin, die als Allrounderin unterwegs ist, völlig ausreichend ist. Es ist nämlich auch eine Unsitte und Selbstüberschätzung von Mandaten, Ihren Fall für den „Ausnahmefall“ zu halten, der einfach den „Super-Experten“ benötigt. Dass dieser Fall in den meisten Fällen banaler Durchschnitt ist, kommt gedanklich nicht infrage.

Deshalb liebe Mandanten und Leser! Wenn Sie in Ihrer Scheidungssache mit Ihrer Rechtsanwältin hochzufrieden waren und nun eine Freundin das Darlehen nicht zurückzahlt, rufen Sie doch die Ihnen bekannte Rechtsanwältin an. Zeigen Sie einfach einmal etwas Treue. Wenn diese Rechtsanwältin Ihnen sagt, dass Sie auch diesen Fall übernehmen kann, glauben Sie Ihr doch einfach, dass Sie auch das beherrscht. Denn Ihr Darlehensfall ist keine große juristische Hürde! Vielmehr ist hier oftmals nur Engagement des beauftragten Rechtsanwalts gefragt und nicht ein „Doktortitel“ in Darlehensrecht. Wenn Sie die Armatur an der Spüle reparieren lassen wollen, suchen Sie doch auch nicht nach einem Betrieb mit Zertifizierung für den Einbau von Wärmepumpen, oder? Wenn Sie sich in den Finger geschnitten haben, verlangen Sie auch nicht den führenden Herzchirurgen Europas, oder? Und wenn doch, dann bezahlen Sie ihn auch bitte so fürstlich, wie es sich gehört! Oder rechnen dann zumindest nicht damit, dass er Ihre Entstellung (ja, ich meine den Schnitt im Finger!) pro bono chirurgisch rückgängig macht.

Und vor allem seien Sie fair. Unser Gebührenrecht in Deutschland, an das sich alle Rechtsanwälte halten müssen, sieht für geringe Gegenstands- oder Streitwerte leider oftmals sehr niedrige Gebühren vor. Ja, aus Sicht eines selbständigen Rechtsanwalts oder einer Rechtsanwältin ist ein Honorar von 300 oder 400 Euro sehr niedrig, wenn damit ein Zeitaufwand von zwei, vier oder noch mehr Stunden verbunden ist. Feilschen Sie nicht auch noch nach dem gewonnenen Prozess um die Rechnung, nur weil der Gegner die Kosten noch nicht erstattet hat. Es war ja schließlich Ihre Entscheidung, der ehemaligen Freundin ein Darlehen zu gewähren und nicht Ihr Rechtsanwalt hat Sie dazu animiert, oder?

Ich hoffe, Sie nehmen mir meine Offenheit nicht übel, sondern stellen sich im Fall der Fälle vielmehr die Frage, wie man ein gerechtes, faires Honorar mit seinem Rechtsanwalt/Rechtsanwältin verhandelt. Dazu sind nämlich meiner Erfahrung nach viele nette, kompetente und engagierte Kollegen und Kolleginnen bereit.

Bleiben Sie mir gewogen und vertragen Sie sich!

Ihr


Ralf Beckmann

Das Beispielfoto wurde von Christian Dubovan auf Unsplash zur Verfügung gestellt. Mein Dank dafür!

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