Ein Sammelsurium im Schuhkarton – Können Vermieter so dem Einsichtnahmerecht des Mieters nachkommen?

Mieter sollten wissen, dass sie ein Recht auf Einsichtnahme in die Belege für die Nebenkostenabrechnung haben. Wohl gemerkt, das Recht erstreckt sich auf die Einsichtnahme und nicht auf die Übersendung von Kopien o.ä. Aber, wie läuft die Einsichtnahme praktisch ab? Stellen Sie sich vor, Sie nehmen Ihr Einsichtsrecht wahr oder denken das zumindest und dann präsentiert Ihnen der Vermieter einen Schreibtisch, wie er oben im Beispielfoto zu sehen ist. Das soll in Ordnung sein? Was es mit den Belegen der Nebenkostenabrechnung wirklich auf sich hat, erfahren Sie hier und jetzt.

Wichtig zu wissen, das Amtsgericht Münster hat nun in einem Verfahren mit dieser Problematik wie folgt geurteilt:

„Gegen Ansprüche aus Nebenkostenabrechnungen besteht nach §§ 556 ABs. 3 S. 1, 242 BGB ein Leistungsverweigerungsrecht, solange der Vermieter dem Mieter nicht die Einsicht in die der Rechnung zugrundeliegenden Belege im Sinne des § 259 Abs. 1 BGB gewährt hat.
Nach § 259 Abs. 1 BGB hat der Verpflichtete dem Anspruchsteller eine geordnete Zusammenstellung der Ausgaben und Einnahmen vorzulegen, welche die von ihm gelegte Rechnung stützt.“

Das gesamte Urteil des Amtsgerichts finden Sie hier.

Bei Nebenkostenabrechnungen gibt es viel Ärger und Streit zwischen Vermietern und Mietern. Dabei ist der Hintergrund und Ablauf eigentlich sehr einfach. Der Vermieter muss nach Ablauf der Abrechnungsperiode, beispielsweise ein Kalenderjahr, im folgenden Jahr „Rechnung legen.“ Denn der Vermieter erhält Vorauszahlungen für Nebenkosten nicht für eigene Leistungen, sondern er verwendet das Geld, um Rechnungen Dritter für all diejenigen Leistungen seiner Mieter zu bezahlen, die als Nebenkosten vereinbart wurden. Beispielsweise sind dies die Grundsteuer, Kosten für die Gebäudeversicherung oder Kosten der Gartenpflege. Wenn es nun 12 völlig von der Größe her identische Wohnungen im Haus gibt, kann und muss der Vermieter dann in seiner Nebenkostenabrechnung die Kosten der Gartenpflege für das Haus auf die 12 Mieter gleichmäßig verteilen. Ob er aber tatsächlich im Jahr dafür beispielsweise 1.526,83 EUR bezahlt hat, weiß eigentlich kein Mensch. Erst wenn ich als Mieter die Rechnung sehe, kann ich prüfen, ist die Rechnung tatsächlich so hoch, hat der Vermieter diese auch tatsächlich bezahlt? Enthält die Rechnung wirklich nur die Gartenpflege für das Haus oder ist damit auch die Gartenpflege für das Privathaus des Vermieters erfasst usw.? So kommen natürlich für die vielen Einzelposten einer Abrechnung naturgemäß eine Vielzahl von Belegen zusammen. Im Fall des Amtsgerichts Münster konnten einzelne Belege nicht vorgelegt werden und diejenigen, die vorgelegt wurden, waren ungeordnet. Dazu führte das AG Münster aus:

Die Beklagten bestreiten vielmehr, dass die Klägerin ihrer Pflicht aus § 259 Abs. 1 BGB zur Einräumung der Möglichkeit einer umfassenden Prüfung der Rechnungen nachgekommen ist.
Nach § 259 Abs. 1 BGB hat der Verpflichtete dem Anspruchsteller eine geordnete Zusammenstellung der Ausgaben und Einnahmen vorzulegen, welche die von ihm gelegte Rechnung stützt. Belege für die Rechnungsposten sind vorzulegen, wenn solche üblicherweise erstellt werden. Diese Pflicht trifft auch den Vermieter in Bezug auf die Nebenkostenabrechnung (BGH NZM 2021, 31 (32)). Die Abrechnungsunterlagen umfassen dabei neben den Rechnungen auch die Zahlungsbelege über die abgerechneten Betriebskosten.

Hier kommt es eben auf geordnet an. Irgendein Sammelsurium oder ein Schuhkarton voller Belege reicht nicht. Der Mieter ist nicht verpflichtet, zunächst zu sortieren, um dann prüfen zu können. Deshalb hat der Vermieter allein mit dem Vorlegen der Rechnungsbelege den Anspruch auf Einsicht nicht automatisch erfüllt. Erst wenn die Belege als eine geordnete Zusammenstellung dem Mieter präsentiert werden, ist die Pflicht zur Gewährung der Einsichtnahme erfüllt. Schickt er sie in einen Raum wie auf dem Beispielfoto oder wirft Ihnen einen Umzugskarton mit darin unsortiert umherfliegenden Belegen hin, ist das rechtlich so zu werten, als hätte er nie die Belege vorgelegt. Das Amtsgericht führte aus:

Diesem Erfordernis hat die Klägerin mit der Beibringung von Abrechnungsbelegen nicht genüge getan. Die Belege können in der eingereichten Form durch einen durchschnittlichen Bürger nicht sinnvoll ausgewertet werden. Die zur Akte gereichten Belege sind weder thematisch noch chronologisch stringent sortiert. Es ist nur eine grobe Zuordnung zu den einzelnen Abrechnungsposten nachvollziehbar. Zur genauen Bestimmung der Zusammensetzung der einzelnen Posten müsste der Mieter die Belege hier selbstständig ordnen. Insbesondere bleibt es ihm selbst überlassen, Zusammenhänge in den Rechnungen fortlaufender Verträge zu erkennen. Weiter wird die im Schriftsatz selbst festgesetzte Nummerierung der Anlagen im Anhang nicht chronologisch eingehalten. Zudem werden Belge nachgereicht, deren thematischer Zusammenhang mit den Belegen der vorherigen Anhänge nicht eindeutig erkennbar ist. Es bedürfte einer Zusammenstellung, welche die einzelnen Rechnungsposten klar voneinander abgrenzt und eine thematische sowie chronologische Sortierung aufweist.

Also, nicht nur der Schuhkarton mit Belegen ist unzureichend. Auch ein Hefter mit Unterlagen, die nicht zu einzelnen Abrechnungsbereichen oder chronologisch sortiert sind, ist unzureichend. Kommt ein Vermieter mit derartig ungeordneten Unterlagen Ihrem Recht auf Einsicht juristisch nicht nach, können Sie vermeintliche Ansprüche auf Nachzahlung als sog. Leistungsverweigerungsrecht verweigern. Um die unzureichende Präsentation auch nachweisen zu können, sollten Sie Ihr Smartphone zur Hand nehmen und die Situation in einer Fotodokumentation beweiskräftig festhalten.

Bleiben Sie mir treu und kämpfen Sie für Ihre Rechte!

Ralf Beckmann

Dank an Wonderlane auf Unsplash für das Beispielfoto, ganz oben im Artikel.

Mietrecht – Darf der Vermieter einen vermeintlichen Schaden an der Wohnung durch Verrechnung mit der Kaution nach Verjährung ausgleichen?

Der Bundesgerichtshof (kurz BGH) hat kürzlich einen interessanten Fall entschieden (hier die Pressemitteilung des BGH). Es geht um den Ersatz von Schäden an der Wohnung, für den Mieter verantwortlich sein sollen. Nachfolgend meine kurze Stellungnahme und Bewertung zu dem Fall.

Um zu verstehen, wo die Problematik liegt, muss man § 548 Abs. 1 BGB kennen. Demnach verjähren Schäden an der Mietsache 6 Monate nach deren Rückgabe. Haben Sie also Ihre Wohnung am 31.12.2023 zurückgegeben, tritt die Verjährung am 01.07.2024 ein. Der Vermieter kann ab diesem Zeitpunkt dann nicht mehr durchsetzen, dass sie angeblich von Ihnen beschädigte Innentüren und deren Auswechselung bezahlen müssen.
Der Vermieter hatte im vorliegenden Fall nach Ablauf von 6 Monaten noch Geld für vermeintliche Schäden an der Wohnung verlangt und diese Schäden durch Aufrechnung mit der Kaution beglichen.
Exkurs: Um den Fall richtig zu verstehen, sollte man auch das Recht der Verjährung kennen. Natürlich kann der Vermieter am 02.07.2024 schriftlich die Erstattung der Kosten für die ausgewechselten Türen fordern. Die Verjährung ist zwar eingetreten, aber Sie müssen von dem Recht auch GEBRAUCH machen, also dem Vermieter mitteilen, dass Sie sich auf die Verjährung berufen. Nur wenn Sie das aktiv tun (also das RECHT ausüben) indem Sie dem Vermieter sagen, “ … ich berufe mich auf Verjährung…“, kann ein Gericht auch die Verjährung zu Ihren Gunsten berücksichtigen. Unaufgefordert darf das Gericht dies nicht tun.

Nun aber zurück zum Fall. Die Mieter hatten richtig gehandelt und sich auf Verjährung berufen. Die Vorinstanzen hatten den Mietern deshalb recht gegeben und verneint, dass der Vermieter die Kosten für die Reparatur einfach von der Kaution abziehen durfte; Juristen nennen das Aufrechnung. Der BGH war jedoch anderer Meinung. Es argumentierte u.a.: „Dabei hat das Berufungsgericht jedoch die beiderseitigen Interessen der Parteien eines Wohnraummietverhältnisses im Falle der Vereinbarung einer Barkaution nicht hinreichend berücksichtigt. Eine vom Mieter gestellte Barkaution dient gerade der Sicherung der Ansprüche des Vermieters; dieser soll sich nach Beendigung des Mietverhältnisses auf einfache Weise durch Aufrechnung gegen den Kautionsrückzahlungsanspruch befriedigen können.“ Anders ausgedrückt, der Vermieter soll es mit der Kaution „leicht haben“ und man interpretiert in eine meist nicht besonders umfassend ausgeführte Kautionsvereinbarung hinein: „Der Vermieter soll auch nach Eintritt der Verjährung gem. § 548 BGB noch Schäden mit der Kaution verrechnen dürfen.“

Die für alle spannende Frage ist aber, warum der BGH überhaupt so argumentieren kann? Das liegt an den meist knappen Ausführungen zur Kaution in den Mietverträgen. Dort heißt es zur Kaution vorwiegend, dass der Mieter sich zur Zahlung einer Kaution in Höhe von X Euro bereit erklärt. Wie und wann die Kaution dann bereitgestellt werden muss, steht im Gesetz, § 551 BGB, sofern es sich um Wohnraummiete handelt. Was Sie aber als Laie wissen müssen ist, dass die Kaution nicht „in Stein gemeißelt ist.“ Dass man überhaupt „Kaution zahlen“ muss, ist eine freie Vereinbarung zwischen Mieter und Vermieter, quasi wie ein eigener Vertrag innerhalb des Mietvertrags. Wenn man aber, wie in den meisten Standard-Formularmietverträgen, nur die Kaution an sich und deren Höhe dort vereinbart, bleibt für den „Rest“ Spielraum zur Interpretation! Diesen Spielraum hat der BGH genutzt. Er hat unterstellt, dass die Kaution den Vermieter auf einfache Art und Weise zu seinem Recht, also Geld verhelfen können soll. Das hätten Sie als Mieter wohl auch so gewollt, oder? Die Verjährung gem. § 548 BGB würde diese Leichtigkeit verhindern und schon ist die eigentlich vorgesehene Verjährung vom Tisch!

Meiner persönlichen Meinung nach, ist das eine sehr einfache und einseitige Sichtweise, denn meistens denken sich die Parteien beim Unterzeichnen von Standardmietverträgen nicht viel und wenn ja, machen sie sich sicher wenig Gedanken zur Kaution. Jedoch muss man das Urteil als solches kennen und seine Schlüsse daraus ziehen.

Und was kann man tun? Sehr einfach, von seinem Recht auf Parteivereinbarung im Zivilrecht Gebrauch machen. Niemand kann Ihnen nämlich verbieten, bei dem Passus „Kaution“ dazuzuschreiben, dass § 548 BGB gilt und eine Verrechnung vermeintlicher Schadenersatzansprüche mit der Kaution nach Eintritt der Verjährung ausgeschlossen ist. Das dürfen Sie jederzeit tun und wenn Sie und der Vermieter den Vertrag so unterzeichnen, gilt dies. Dann hat das Urteil des BGH in Ihrem Fall keine Gültigkeit, da Sie dem BGH zulässig den Interpretationsspielraum genommen haben.

Bei all dem vergessen aber viele, dass die Frage, ob der Anspruch auf Ersatz der Schäden berechtigt ist, erst einmal vorrangig geklärt werden muss. Deshalb hat der BGH im vorliegenden Fall zurückverwiesen. Denn diese Frage war noch nicht geklärt und musste auch nicht durch die Vorinstanzen geklärt werden. Denn für diese galt zunächst der Grundsatz der Prozessökonomie. Weil die Mieter sich wirksam auf Verjährung berufen konnten (ihrer Auffassung nach), musste durch die Vorinstanzen nicht geklärt werden, ob der Anspruch des Vermieters auf Ersatz von Schäden überhaupt berechtigt war. Denn derartige Ansprüche sind oftmals zwischen den Parteien streitig, weil der Übergang von normaler Abnutzung zu einem ersatzpflichtigen Schaden eben fließend ist. Stellen Sie sich vor, eine komplette Küche ist Teil der gemieteten Wohnung. Sie wohnen dort 10 Jahre. Und nach 10 Jahren soll der Herd wie neu aussehen? Da ist der Streit, ob dieser mit eingebrannten Fettspritzern dekorierte Herd normal genutzt oder „beschädigt“ wurde, schon vorprogrammiert, oder? Deshalb ist immer zuerst zu klären, habe ich einen Schaden verursacht oder ist der Schaden einfach die normale Abnutzung? Dann stellt sich die Frage, ob der (berechtigte) Anspruch auf Schadenersatz wegen Verjährung zurückgewiesen werden kann.

Bleiben Sie mir gewogen!

Ralf Beckmann

Vielen Dank für das Beispielfoto an Markus Spiske auf Unsplash.com
https://unsplash.com/de/fotos/5ofD_71Qano

Am Amtsgericht Starnberg wird Rechtsberatung für Bürger mit geringem Einkommen geboten

In einer Pressemitteilung (Pressemitteilung vom 04.09.2023) des Amtsgerichts Starnberg wird auf einen besonderen Service hingewiesen. In den Räumen des Amtsgerichts wird nunmehr auch Rechtsberatung für Bürger mit geringem Einkommen angeboten.

Das Amtsgericht weist jedoch darauf hin, dass die Rechtsberatung nicht durch das Gericht selbst erfolgt. Die unabhängige Rechtsberatung ist nämlich ausschließlich Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälten vorbehalten. Die Rechtsberatung erfolgt deshalb von Kolleginnen und Kollegen des Münchner Anwaltsvereins.

Voraussetzung für eine Beratung ist, dass bei der Beratung durch geeignete Unterlagen ein geringes Einkommen und der Wohnsitz im Landkreis nachgewiesen wird. Es wird auch darauf hingewiesen, dass eine Beratung nicht möglich ist, sofern bereits eine Kollegin oder ein Kollege mit der Sache beauftragt ist oder eine Rechtsschutzversicherung unterhalten wird. Die Kosten für die Beratung betragen 6,- Euro.

Die Beratung ist ohne Anmeldung immer am Dienstagvormittag zwischen 09 Uhr und 11Uhr in den Räumen des Amtsgerichts möglich.

Weitere Einzelheiten zum Ablauf und den Voraussetzungen können Sie der Pressemitteilung auf der Homepage des Amtsgerichts, auf die ich hier nochmals verlinke, entnehmen.

Für betroffene Rechtssuchende ist dies sicher ein einfache und schnelle Möglichkeit, eine erste Einschätzung zu ihrem Problem zu erhalten. Sie sollten bedenken, dass diese Beratung zu jedem Problem nur einmalig erfolgt. Sie sollten sich daher gut auf den Termin vorbereiten und alle zum Fall gehörenden Unterlagen mitbringen.

Bleiben Sie mir gewogen!

Ralf Beckmann

Sie finden, das Gericht hat sich nicht mit Ihren Argumenten auseinandergesetzt? Dann sollten Sie dieses Urteil kennen!

Das kommt immer wieder vor. Sie argumentieren und wenn Sie das Urteil des Gerichts lesen, denken Sie, dass das Gericht Sie überhaupt nicht gehört hat. Oder, in einem Verfahren vor dem Amtsgericht wird das sog. vereinfachte Verfahren gem. §495a ZPO angeordnet. D.h., dass das Gericht nunmehr nach billigem Ermessen urteilen kann. Aber eben nicht ohne mündliche Verhandlung, wenn eine Partei dies ausdrücklich beantragt, s. § 495a Satz 2 ZPO. Einen solchen Antrag zu übergehen, verletzt nämlich das Recht auf rechtliches Gehör, welches laut dem Bundesverfassungsgericht gem. Art. 103 Abs. 1 GG grundrechtsgleich geschützt ist; s. Urteil des BVerfG vom 01.07.2020 hier.

Deshalb mein Rat: wenn Sie den Eindruck haben, dass Tatsachen, die für Sie wichtig waren, nicht berücksichtigt wurden oder man Ihnen keine Gelegenheit zur Stellungnahme gibt, sofern überraschende Wendungen eintreten, sollten Sie sich mit Ihrem Rechtsanwalt oder Rechtsanwältin beraten, ob zunächst ein Rechtsmittel u.a. mit der Rüge der Verletzung rechtlichen Gehörs erfolgversprechend ist. Derartige Einwände werden meiner Erfahrung nach viel zu selten vorgebracht, obwohl sie sicher häufiger, als man denkt, vorliegen. Und derartige Einwände sind, wie das Urteil des BVerfG zeigt, ein scharfes Schwert. Denn die überwiegende Anzahl von Verfassungsbeschwerden werden gar nicht erst zugelassen oder zurückgewiesen. Das Aufzeigen von eklatanten Fehlern im Prozessrecht aber, haben eine gute Aussicht auf Erfolg, wie das oben zitierte Urteil zeigt.

Aber, einfach durchstarten und direkt das Bundesverfassungsgericht anrufen, geht nur in wenigen Ausnahmen. Zunächst müssen Sie sich durch die möglichen Instanzen kämpfen. Sie müssen also schon eine gewisse Portion Durchhaltewillen zeigen und Vertrauen in Ihre Rechtsanwältin oder Rechtsanwalt haben.

Bleiben Sie mir gewogen!

Ralf Beckmann – 11.06.2024

Asylrecht – Fragen Sie sich auch manchmal, warum so viele abgelehnte Asylbewerber bleiben dürfen?

Das Verwaltungsgericht Schleswig hat ein interessantes Urteil im Mai 2024 zum Asylrecht veröffentlicht; hier.

Ein Überblick und Kommentar zum Urteil.

Worum ging es genau?
Den subsidiären Schutz für einen staatenlosen Palästinenser aus dem Gazastreifen. Der Leitsatz des Urteils lautet dabei wie folgt:

„Leitsatz
1. Das Schleswig-Holsteinische Verwaltungsgericht hat das Bundesamt verpflichtet, dem Kläger den subsidiären Schutz nach § 4 Abs 1 S 2 Nr 3 AsylG (juris: AsylVfG 1992) zuzuerkennen. (Rn.28)
2. Das Gericht ist überzeugt, dass die gegenwärtige Lage im Gazastreifen die Schwelle des § 4 Abs 1 S 2 Nr 3 AsylG (juris: AsylVfG 1992) überschreitet. (Rn.35); § 4 AsylG hier.
3. Der Kläger kann sich nicht auf internen Schutz gemäß § 4 Abs 3 S 1, § 3e AsylG (juris: AsylVfG 1992) berufen. (Rn.38)

Die Frage, wer bleiben darf und wer nicht, wird nicht allein im deutschen Grundgesetz, sondern in der Ausgestaltung des Asylgesetzes geklärt und dieses wiederum beruft sich u.a. auf die „Richtlinie 2011/95/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Dezember 2011 über Normen für die Anerkennung von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Personen mit Anspruch auf internationalen Schutz, für einen einheitlichen Status für Flüchtlinge oder für Personen mit Anrecht auf subsidiären Schutz und für den Inhalt des zu gewährenden Schutzes (Neufassung)„; hier.

Mit der oben zitierten und im neuen Asylgesetz umgesetzten Richtlinie der EU hat man also die Grundlage geschaffen, um über die eigentlichen Asylgründe hinaus, beispielsweise politische Verfolgung, Gründe für ein Verbleiben in einem Mitgliedsstaat der EU zu schaffen. Dabei werden durchaus anerkennenswerte Ziele ausgesprochen, s. Abs. 2.):

Eine gemeinsame Asylpolitik einschließlich eines Gemeinsamen Europäischen Asylsystems ist wesentlicher Bestandteil des Ziels der Europäischen Union, schrittweise einen Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts aufzubauen, der allen offen steht, die wegen besonderer Umstände rechtmäßig in der Union um Schutz ersuchen.

Ja, wer wollte das nicht, eine Insel der Sicherheit und des Rechts? Eines aber scheint die EU und das hier zitierte Urteil des VG Schleswig aber zu verkennen. Es gibt offensichtlich keine Grenze, wie oft und wie lang man Schutz gewähren möchte. 300 Flüchtlinge pro Jahr für Luxemburg? Sicher keine Überforderung. 10.000 Schutzsuchende jährlich für Frankreich oder Deutschland? Auch das dürfte sicher kein Problem sein. Nur 100.000 oder 200.000 jährlich, ist das noch akzeptabel? Was ist mit den zwei oder gar zwanzig Millionen, die es nicht über das Mittelmeer schaffen? Aber das sind politische Fragen, die nicht durch die Gerichte zu klären sind. Und gleichwohl drängt sich der Eindruck auf, dass Richter eben auch politische Einstellungen in Ihre Entscheidung mit hineinfließen lassen. Dazu weiter unten.

Natürlich ist es Aufgabe unserer Rechtsprechung, Einzelfälle zu beurteilen. Aber, das Gericht vertritt nun einmal persönlich in Form eines Einzelrichters die Meinung, aus vielerlei Gründen sei subsidiärer Schutz zu gewähren. Während das Bundesamt für Migration eine andere Auffassung vertrat. Dass diese Auffassung nicht willkürlich in den Raum gestellt wurde, sondern auch dafür berechtigte Gründe vorlagen, davon darf man ausgehen.

Entscheidend ist aber, der vom Gericht dargestellte zeitliche Ablauf und damit m.E. auch persönliche, politische Gründe. Bis eine Entscheidung des Gerichts getroffen wurde, dauerte es ganze zwei Jahre. Dies ergibt sich aus dem Az. 15 A 193/22. Das Verfahren wurde also 2022 beim Verwaltungsgericht Schleswig eingeleitet. Zuvor hatte der Kläger ein sicher über Jahre andauerndes Asylverfahren bis hin zum Bundesamt durchlaufen. Es ist daher davon auszugehen, dass der Kläger mit Sicherheit bereits 2020 oder gar früher um Asyl ersucht hat. Warum ist das wichtig? Weil das Gericht nunmehr mit der aktuellen Lage im Gaza und der Militäroperation Israels argumentiert. Darüber wird zu reden sein, wenn jemand ohne Gründe für subsidiären Schutz flieht und ihm dann beim Urteil durch Zufall ein Krieg oder andere Gründe in die Hände spielen. Mit einer derartigen zeitlichen Argumentation durchbricht das Verwaltungsgericht m.E. anerkennenswerte Gründe für ein positives Urteil. Wo ist dann noch die Grenze zu ziehen, wenn künftige Gründe auch maßgeblich für ein Urteil sein sollen? Wäre das Urteil kurz nach dem Attentat der Hamas, aber vor dem Einmarsch der israelischen Armee gefällt worden, hätte das Gericht dann über den drohenden Einmarsch spekuliert oder die Klage abgewiesen? Man wird gespannt sein dürfen, ob das Urteil in der Form Bestand haben wird. Jedenfalls sendet es mit dem Zulassen neuer, bei Flucht überhaupt noch nicht vorhandener Gründe erneut ein fatales Signal in die Welt hinaus.

Bleiben Sie mir gewogen!

Ralf Beckmann
09.06.2024

Auch Polizeibeamte können persönlich für Unfallschäden haften

Wer hätte das gedacht? Blaulicht und Martinshorn geben dem das Einsatzfahrzeug fahrenden Polizeibeamten keinen Freibrief! Das Gegenteil ist der Fall, wie ein aktuelles Urteil des Verwaltungsgerichts Berlin zeigt; hier.

Was war passiert? Der ein Einsatzfahrzeug fahrende Polizeibeamte war nach Auffassung des Gerichts „grob fahrlässig“ unterwegs, als er im Einsatz mit seinem Fahrzeug einen Unfall verursachte. Er wurde deshalb zum Ersatz des hälftigen Schadens „an seinem Fahrzeug verurteilt.“ Die Frage, ob der Unfallgegner vom Land für sein beschädigtes Fahrzeug Schadenersatz verlangen kann und wenn ja, in welcher Höhe, war hier nicht Gegenstand des Verfahrens. In dem hier erwähnten Verfahren ging es einzig darum, ob das Land als Dienstherr des Polizeibeamten von diesem Schadenersatz für sein beschädigtes Einsatzfahrzeug verlangen konnte. Dies hat das Gericht zur Hälfte bejaht.

Wie konnte es nun dazu kommen? Der Polizeibeamte war schließlich mit Martinshorn und Blaulicht unterwegs, und zwar zu einem laufenden Einbruch. Es half aber nichts. Mit der Klage wollte der Polizeibeamte seine vom Dienstherren (Land) festgestellte Schadenersatzpflicht loswerden. Vor Gericht hatten der Polizeibeamte und sein Dienstherr wie folgt argumentiert:
… wo ein „gegenwärtig stattfindender Einbruch“ gemeldet worden war. Es kam zu einer Kollision mit einem anderen Pkw, wodurch ein erheblicher Schaden entstand. Unmittelbar zuvor hatte das Polizeifahrzeug eine Geschwindigkeit von 92 km/h erreicht; trotz starker Bremsung war die Kollision mit einer Geschwindigkeit von 30 – 35 km/h nicht mehr zu vermeiden. Im Oktober 2020 zog der Polizeipräsident den Kläger zum Ersatz der Hälfte des am Einsatzfahrzeug entstandenen Schadens heran, weil er grob fahrlässig gegen seine dienstlichen Sorgfaltspflichten verstoßen habe. Mit der hiergegen gerichteten Klage machte der Kläger geltend, ihm sei nur einfache Fahrlässigkeit vorzuwerfen. Es sei zudem besondere Eile geboten gewesen, weil anderenfalls die Einbrecher nicht mehr am Tatort anzutreffen gewesen wären.“
Das Verwaltungsgericht erklärte dem Polizeibeamten im Urteil:
Der Kläger habe die ihm aus der Straßenverkehrsordnung obliegenden Pflichten grob fahrlässig verletzt. Auch bei einer Inanspruchnahme von Sonderrechten (§ 35 StVO) dürften die Vorschriften über die zulässige Höchstgeschwindigkeit nur missachtet werden, wenn dies in einem angemessenen Verhältnis zur dadurch verursachten Gefährdung der öffentlichen Sicherheit stehe. Daran habe sich der Kläger nicht gehalten. Die konkreten Verhältnisse am Unfallort hätten von ihm größere Vorsicht und damit eine niedrigere Geschwindigkeit verlangt. Zudem habe der Einsatzzweck die Gefährdung Dritter nicht gerechtfertigt, da es nur um einen Einsatz im Zusammenhang mit einem gegenwärtigen Einbruch, nicht aber um eine akute Gefährdung von Personen gegangen sei.

Polizeibeamten sollten daher meine alte Juristenweisheit beachten:
„Wenn Vater Staat Geld will, kennt er keine Freunde.“ Deshalb sitzt so mancher Steuersünder „im Knast“, s. ehemals Ulli Hoeneß, und „richtige Schwerverbrecher“ kommen nochmal mit verhältnismäßig niedrigen Strafen davon. Die Aussicht auf Geld bringt Vater Staat meist ganz schnell in Schwung, wo andernfalls ruhige Gelassenheit herrscht.
Private Unfallbeteiligte sollten genau schauen, ob Sie bei Beteiligung von Einsatzfahrzeugen auf die Durchsetzung ihrer Rechte verzichten sollten. Oftmals sind die Chancen besser, als der Laie meint!
Außerdem lernen wir, wenn bei Ihnen eingebrochen wird, hat die Polizei sich nicht besonders zu beeilen. Schließlich geht es nur um Ihr Hab und Gut und nicht um Menschenleben. Eine derartige Argumentation, Sie ahnen es sicher schon, halte ich für eher fragwürdig. Sie sendet merkwürdige Signale an Einbrecher!

Bleiben Sie mir gewogen!

Ralf Beckmann

01.06.2024

Achtung Gewaltenteilung – Seit wann kontrollieren sich die Handelnden selbst?

Hier und heute soll es einmal ganz offen um Meinung gehen und wie Politiker zeigen, dass sie wenig von Kontrolle halten. Aber von vorn, was ist passiert?

Heute Morgen stolperte ich über einen Artikel der Welt, der in MSN veröffentlicht wurde. Den Artikel finden Sie hier.

Die Aussagen von Frau Göring-Eckardt sind meines Erachtens so allgemein, wie nichtssagend und andererseits selbstverständlich. Wer wäre nicht dafür, wenn man nach einer völlig neuen Situation im Anschluss das Krisenmanagement beurteilt und überprüft? Wer ist denn nicht dafür, schnell dahingesagte Worte, die beleidigend waren, zu entschuldigen? Möchte jemand falsche Maßnahmen mit dem heutigen Wissen nicht entschuldigen? Das sind m.E. Selbstverständlichkeiten!

Aber, entlarvend ist, was der Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach zum Besten gibt:

Ich zitiere: „…. dass wir uns als Bundesregierung darüber Gedanken machen müssen: Was ist die klügste Form der Aufarbeitung“, …“ Es ist schon geschickt eingebaut, zeigt aber, dass Herr Bundesminister Lauterbach davon ausgeht, dass die Bundesregierung darüber entscheiden sollte, wie wird aufgearbeitet, wie wird kontrolliert! Das wäre ungefähr so, als wäre ein Kassierer in der Bank oder ein Hauptbuchhalter im Unternehmen, zugleich auch Kontrolleur seiner selbst. Ich nehme etwas Geld aus der Kasse und kurz vor Feierabend kontrolliere ich mich selbst und siehe da, alles ist in Ordnung! Kein Fehlbetrag zu finden.

Nein, Herr Lauterbach, die Kontrolle muss immer von außen, also unabhängig vorgenommen werden, sonst kann man sie gleich vergessen. Deshalb wird die Bundesregierung u.a. durch das Parlament und vor allem durch Untersuchungsausschüsse des Parlaments kontrolliert. Oder auch durch die Presse. Dieses Trennen von Kontrolleuren und Kontrollierten nennt man Gewaltenteilung, Herr Lauterbach. Ein Umstand und Begriff, der manchen Politikern fremd oder lästig ist.

Und Frau Bundestagsvizepräsidentin ist nicht viel besser. Denn die Überschrift/Zitat von Göring-Eckardt im Artikel ist entlarvend: „Aufarbeitung sollte nicht missbraucht werden.“ Wer als zu Kontrollierender, als handelnde Person ankündigt, dass die Kontrolle missbraucht werden könnte, will sie in Wirklichkeit gar nicht. Man beschimpft sicherheitshalber die Kontrolleure, bevor Sie überhaupt angefangen haben. Wann macht man das? Wenn man ein vollkommen reines Gewissen hat?

Bleiben Sie mir gewogen!

Ralf Beckmann – 28.03.2024

Bei Rasern greift Österreich nun durch – Auto weg!

Wie der ADAC bekannt gibt (hier), gelten in Österreich neue Strafen für Raser im Straßenverkehr. Bei Geschwindigkeitsüberschreitungen von mehr als 80 km/h innerorts oder 90 km/h außerorts droht jetzt die Beschlagnahme und Versteigerung des Fahrzeugs.

Meinung: Mehr als 80 km/h zu schnell in einer Ortschaft? D.h., man muss mindestens 131 km/h auf dem Tacho haben! Das ist kein Versehen, das ist tatsächlich lebensgefährliche Raserei, und zwar für die anderen Verkehrsteilnehmer, wie Fahrradfahrer oder Fußgänger. Mitleid? Weit gefehlt!

Ralf Beckmann 14.03.2024

Gewalttaten – Gefühl und Realität

Ich habe zunehmend den Eindruck, dass es auch bei Gewaltstraftaten einen Graben in der Bevölkerung gibt. Diejenigen, die alles mit „das sind Einzelfälle“ beschwichtigen und diejenigen, die gefühlt bei Gewalttaten eine ständige Steigerung sehen. Dabei ist es heutzutage relativ leicht, sich zu informieren.

In diesem Zusammenhang möchte ich einen Newsletter des Nachrichtenportals „Nius“ erwähnen. Der Autor Willi Haentjes berichtet als gerade einmal 34-Jähriger darüber, dass „früher“ einiges besser war. Anstatt sich nun zu echauffieren, dass schon junge Menschen mit „früher“ anfangen, sollte man sich vielleicht fragen, warum schon junge Menschen keine unbeschwerte Jugend mehr haben und anfangen von „früher“ zu reden. Das muss einem etwas sagen.

Den gerade erwähnten Newsletter finden Sie hier. Das im Newsletter erwähnte Presseportal finden Sie hier.

Ralf Beckmann 12.03.2024

Das oben gezeigte Beispielfoto ist ein Screenshot des Online-Magazins Nius vom 12.03.2024 mit dem erwähnten Newsletter

Qualzucht bei Tieren – was ist das eigentlich?

Heute möchte ich Sie auf einen LinkedIn-Beitrag der Rechtsanwältin Melanie Katja Fritz aufmerksam machen. Diese erläutert in Ihrem Beitrag

„Was ist eigentlich eine Qualzucht?“

die Frage, wo Qualzucht bei Haustieren anfängt. Den Beitrag der Kollegin Fritz auf LinkedIn finden Sie hier. Hier vorab ein kleiner Auszug aus dem Beitrag, der zudem noch mit einem Video von Frau Kollegin Fritz unterstützt wird:

„Qualzucht meint, dass Tiere aufgrund ihrer angezüchteten Merkmale ein Leben mit Schmerzen und Schäden führen. 💊
Das ist bei kurzköpfigen Hunden der Fall, die schlecht Luft bekommen, aber z.B. auch bei Scottish Fold Katzen, die unter schmerzhaften Knorpeldeformationen leiden. Die Liste betroffener Tierrassen ist lang. Sogar Fische, Reptilien, Kleintiere und natürlich auch Nutztiere sind von Qualzucht betroffen.“

Ich kann Ihnen den Beitrag nur wärmstens empfehlen.

Ralf Beckmann – 23.02.2024

Frau Rechtsanwältin Fritz erreichen Sie wie folgt:
E-Mail: fritz@kanzlei-fritz.nrw
Homepage: https://www.kanzlei-fritz.nrw/
LinkedIn: Katja Fritz hier



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