Kategorie: Anwaltliches Honorar

Informationen rund um das anwaltliche Honorar

Sie verstehen die Rechnung Ihres Rechtsanwalts nicht? – Hier kommen Hilfe und Tipps!

Viele potenzielle Mandanten trauen sich nicht, anwaltlichen Rat einzuholen, weil sie panische Angst vor einer hohen Rechnung haben. Wobei „hoch“ natürlich gemessen an Einkommen und sonstigen Umständen relativ ist.

Der nachfolgende Beitrag soll Ihnen helfen, Ihr Problem mit den Kosten des Rechtsanwalts besser einschätzen zu können. Muss ich mich also darauf gefasst machen, „mein ganzes Geld“ abzugeben oder komme ich noch relativ preiswert davon? Hier erfahren Sie es!

Aber eines muss klar sein. Auch noch so gute Artikel über das Gebührenrecht können Sie nicht in 10 Minuten zum Experten machen. Der nachfolgende Artikel kann und soll Ihnen nur helfen, ein erstes Gefühl für die Materie zu bekommen.
Es ist ebenso unmöglich, dass Sie mit 10 Minuten Lektüre Meister des Gebührenrechts werden, wie Sie nicht mit einem Volkshochschul-Nähkurs zum Herzchirurgen mutieren. So viel Ehrlichkeit muss sein.

Was hat Einfluss auf meine Rechtsanwaltsrechnung?

1. Die reine Beratung
Stellen Sie sich vor, Sie haben eine konkrete Frage zu Ihrem Mietverhältnis. Bis wann muss der Vermieter die Nebenkosten von 2021 abrechnen? Eine derart kurze Frage ist prädestiniert für die sog. Erstberatung. Hierbei handelt es sich um eine einmalige Beratung zu einem bestimmten, von Ihnen genannten Problem. Findet die Beratung in der Kanzlei eines Rechtsanwalts statt, gilt genau das, was der Name sagt! Erstberatung = einmalige Beratung! Rufen Sie nach dem Termin nochmals beim Rechtsanwalt an und stellen ergänzende oder weitere Fragen, ist es keine Erstberatung mehr und es kann die Fragen insgesamt verteuern.
Tipp: Nehmen Sie zur Erstberatung alle für Sie wichtigen Unterlagen, die das Problem betreffen, mit. Machen Sie sich eine Liste mit Stichpunkten über die Tatsachen, die sich nicht aus Ihren Unterlagen ergeben und erläutern Sie auch diese Tatsachen beim Rechtsanwalt. Formulieren Sie gezielte Fragen schon vorab und notieren Sie sich die Antworten.
Wollen Sie eine schriftliche Zusammenfassung ist das keine Erstberatung, sondern bestenfalls ein Gutachten zur Einschätzung der Rechtslage und das kann teuerer sein.
Also, eine zweite Chance gibt es bei der Erstberatung nicht.

Warum ist das so? Die Kosten der Erstberatung sind durch den Gesetzgeber begrenzt. Für Verbraucher darf die Gebühr gem. § 34 RVG für das erste Beratungsgespräch nicht höher als 190 Euro zuzüglich Mehrwertsteuer sein. Soll ein Gutachten zur Einschätzung der Rechtslage erstellt werden, dürfen maximal 250 Euro zuzüglich Mehrwertsteuer in Rechnung gestellt werden.

Umgekehrt heißt dies nicht, dass die Beratung € 226,10 kosten muss. Denn in § 34 RVG ist auch festgelegt, dass gem. Bürgerlichem Gesetzbuch abgerechnet werden muss, sofern nicht eine Vereinbarung über das Honorar getroffen wurde. Nähere Erläuterungen zum BGB und den dortigen Vorschriften würden hier zu weit führen. Aber, aus dem Hinweis auf „soweit keine Vereinbarung getroffen wurde“ können Sie als potenzieller Mandant natürlich für sich entnehmen, dass das Honorar für ein Beratungsgespräch von sagen wir 15 Minuten zuvor ausgehandelt werden kann und sollte. Also, fragen Sie nach den Vorstellungen des Rechtsanwalts für die von Ihnen kalkulierten 15 Minuten und machen eventuell einen Gegenvorschlag.
Tipp: Bleiben Sie aber bitte fair! Selbst wenn sich die kurze Frage in 15 Minuten klären lässt, seien Sie nicht so vermessen und erwarten, dass Ihr Rechtsanwalt dafür nur 10 Euro (inkl. Umsatzsteuer) nimmt, dann auch noch eine Rechnung schreibt  und  der sofort in bar bezahlte Betrag darauf quittiert wird. € 10,- können Sie sicher als Trinkgeld in die Kaffeekasse des Sekretariats werfen, aber nicht einem Rechtsanwalt als Honorar für eine noch so kurze Auskunft anbieten!

Wir merken uns: Die reine Erstberatung ist vom Honorar her übersichtlich und das Honorar kann oder sollte sogar zwischen Mandant und Rechtsanwalt vor der Beratung ausgehandelt werden. Dieses ist begrenzt auf € 226,10 brutto.

2. Die außergerichtliche Tätigkeit
Hier ist der Rechtsanwalt in der Sache konkret für Sie tätig, sei es durch Beratung im Hintergrund oder auch offen gegenüber einem Anspruchsgegner. Es gibt in bestimmten Angelegenheiten sog. Rahmengebühren, wie im Sozialrecht oder auch Strafrecht. Diese Bereiche hier abzuhandeln, würde zu weit führen und den Umfang eines Buches annehmen. Deshalb konzentrieren wir uns hier auf die üblichen Konstellationen des Zivilrechts; beispielsweise Fragen zum Mietrecht, Kaufrecht oder Eigentumsfragen, die allesamt mit Gegenstandswerten verbunden werden.

Für die außergerichtliche Tätigkeit (der Rechtsanwalt ist zunächst noch nicht vor Gericht für Sie tätig) fällt immer eine sog. Geschäftsgebühr an, deren Höhe variabel ist. Auch hier würden Einzelheiten Bücher füllen. Als Mandant sollten Sie aber davon ausgehen, dass eine derartige Gebühr mit dem Faktor 1,3 berechnet wird. Was der Faktor 1,3 der Höhe nach bedeutet, ist vom sog. Streit- oder Gegenstandswert abhängig.

Beispiele: Sie verkaufen auf einem einschlägigen Internetportal ein gebrauchtes Fahrrad für 130 Euro. Der Käufer macht 2 Wochen später Gewährleistungsrechte (Mängel) geltend, obwohl sie in der Anzeige gebraucht wie gesehen ohne Garantie und Gewährleistung geschrieben hatten. Sie kümmern sich nicht darum und eine Woche später haben Sie ein anwaltliches Schreiben auf dem Tisch, mit dem der Anwalt des Käufers den Rücktritt vom Vertrag erklärt. Wenn auch Sie sich dann ebenfalls einen Rechtsanwalt nehmen, wird dieser mit dem Gegenstandswert von € 130 seine Gebühren berechnen. Nach diesem Wert bemessen sich dann alle infrage kommenden Gebühren des Rechtsanwalts. Konkret beträgt die 1,3 Geschäftsgebühr bei diesem Gegenstandswert € 63,70 ohne Umsatzsteuer und der Postgebührenpauschale.
Im Verhältnis zu dem Kaufpreis ein hoher Betrag. Absolut für den Rechtsanwalt und den tatsächlichen Aufwand, nämlich sich im Gespräch Ihre Version der Dinge anhören, Akte anlegen, dem Gegner schreiben, Sie über das erst Ergebnis informieren usw., ein geringer Betrag.
Tipp-Hinweis: Die Gebühren steigen degressiv nach dem Streitwert. D.h. im Verhältnis zum Streitwert werden sie nach und nach immer günstiger. Deshalb ist es bei geringen Beträgen oftmals sinnlos, sich zu streiten. Nehmen wir das Beispiel Fahrrad für 130 Euro. Für Sie beträgt der Gesamtaufwand inkl. Umsatzsteuer und Postgebührenpauschale € 90,96 an Rechtsanwaltsgebühren. Für Ihren Gegner aber auch! Insgesamt sind die Kosten für beide Anwälte schon deutlich höher, als der Kaufpreis des Fahrrads. Andererseits sind diese Gebühren so niedrig, dass viele Kollegen sich scheuen, die Wahrheit zu sagen, nämlich „dafür arbeite ich nicht!“. Dann hat man eben keine Zeit, es ist nicht mein Spezialgebiet oder man ist einfach überlastet von so vielen Mandaten, dass man Ihren interessanten Fall einfach nicht annehmen kann! Deshalb sollten Sie gerade bei kleinen Beträgen aufpassen, dass Sie alles richtig machen und nicht in die unangenehme Situation kommen, einen Rechtsanwalt zu benötigen. Es könnte nämlich schwer für Sie werden.

Gerade haben wir von dem 130-Euro-Fahrrad gesprochen. Stellen Sie sich nun vor, es handelt sich bei dem gebrauchten Rad nun um eine absolut hochwertige Rennmaschine aus Carbon, Neupreis 12.000 Euro, die sie nun ebenfalls gebraucht und ohne Gewährleistung für € 6.000 verkaufen. Alles ist ansonsten identisch. Dann beträgt die 1,3 Geschäftsgebühr € 507,-, also nichtmals 10% des Kaufpreises. Im Verhältnis zum Wert „lohnt“ es sich jetzt zu kämpfen, wenngleich die Gebühr absolut für Sie mehr als deutlich gestiegen ist.

Tipp: Aus den unterschiedlichen Gebührenhöhen können wir auch die „Ungerechtigkeit“ des gesetzlichen Gebührensystems erkennen.  Sie werden die Umstände des Verkaufs, die Vertragsunterlagen usw. nicht zwangsläufig kürzer gestalten, schneller und kürzer erzählen, nur weil es sich um einen 500-Euro-Verkauf oder um einen 5.000-Euro-Verkauf handelt. Der Rechtsanwalt verdient einfach mehr, weil hinten eine Null mehr dranhängt oder eben weniger, weil eine Null fehlt. Der zeitliche Aufwand ist deshalb nicht automatisch unterschiedlich hoch. Deshalb sind Sie auch ein gerngesehener Mandant, wenn Sie Ihren Autounfall mit dem 30.000-Euro-Schaden komplett beim Rechtsanwalt abwickeln lassen (was häufig wegen der Erstattungspflicht des Unfallgegners nichts kostet!), anstatt erst selbst oder durch Ihre Werkstatt daran herumzudoktern und dann den fehlenden Restbetrag von 1.200 Euro durch einen Rechtsanwalt einzufordern. Der Verkehrsanwalt muss sich dennoch den ganzen Fall ansehen, alle Schadenpositionen prüfen um dann den gegnerischen Versicherer die restlichen € 1.200 abzuringen. Will sagen, der zeitliche Aufwand für den Rechtsanwalt, der nur den Restbetrag einfordert ist fast genau so hoch, wie für den Rechtsanwalt, der von Anfang an den Unfall abwickelt. ABER! Das Honorar unterscheidet sich gewaltig!

Wenn sich der Wert der Sache, um die Sie sich streiten (müssen), nicht unmittelbar ergibt, Kaufpreis oder Wert der Sache am Markt (beispielsweise für einen Goldring), dann gibt es durch die Gerichte festgelegte Anhaltspunkte, was etwas in Geld für die Gebührenberechnung „wert“ ist. Beispielsweise der Streit darum, ob Ihr Hund gefährlich ist oder nicht, wird  regelmäßig von den Verwaltungsgerichten mit einem „Streitwert“ von 5.000 Euro bemessen. Der Streitwert für die Kündigung einer Wohnung wird nicht nach dem Marktwert der Wohnung, sondern zumeist mit 12 Nettokaltmieten bemessen. Es gibt unzählige andere Beispiele, deren Aufzählung hier zu weit führen würde. Manchmal kann man es einfach mittels Google herausfinden oder Sie fragen Ihren Rechtsanwalt.


3. Die gerichtliche Tätigkeit
Gehen wir davon aus, dass der Streit um das gebrauchte 6.000-Euro-Fahrrad nun vor Gericht geht. Für die gesamte gerichtliche Tätigkeit kommt jetzt zur o.g. Geschäftsgebühr eine Verfahrensgebühr mit dem Faktor 1,3 hinzu. Wenn der Streitwert weiterhin € 6.000 beträgt, wären dies € 507 zuzüglich Umsatzsteuer. Allerdings reduziert sich dann die Geschäftsgebühr auf die Hälfte, sofern Sie weiterhin mit Anwalt A kämpfen. Haben Sie nach der außergerichtlichen Tätigkeit „die Pferde gewechselt“, bleibt es bei Anwalt A bei der vollen Geschäftsgebühr und Anwalt B, jetzt für Sie vor Gericht tätig, bekommt ebenfalls die volle Verfahrensgebühr. Sobald der Rechtsanwalt auch einen Termin vor Gericht für Sie wahrnimmt, entsteht noch eine 1,2 Terminsgebühr. Dies beträgt bei einem Streitwert von € 6.000 dann € 468,- zuzüglich Umsatzsteuer.


Mein Resümee
Die oben unter 1.) bis  3.) dargestellten Umstände nennen wir Verfahrensabschnitte. Für jeden Verfahrensabschnitt fallen erneut Gebühren an, unabhängig davon, ob gegebenenfalls vorherige Gebühren zu reduzieren sind.

Da die Gebühren „im Prinzip feststehen“, sobald Sie eine Kollegin oder einen Kollegen beauftragen, muss kein Rechtsanwalt Ihnen vorher ungefragt sagen, was es kosten wird. Also, Sie müssen schon fragen und diese Frage sollten Sie auch stellen. Wer an dieser Stelle als Rechtsanwalt „herumeiert“, der ist m.E. ein „schlechter“ Rechtsanwalt; Ausnahmen mag es geben. Denn unabhängig davon, wie hoch Gebühren auch immer sein mögen. Wollen Sie für das Geld, das Sie investieren, einen „schlechten“ Anwalt oder eine „schlechte“ Anwältin? Sicher nicht, oder?
Einer meiner Lieblingsfilme ist „Spiel mir das Lied vom Tod.“ Der Bösewicht Frank merkt dort süffisant an: „Ich soll also einem Mann mit Hosenträgern trauen, einem Mann, der noch nicht mal seinen eigenen Hosen vertraut…“
Auf das Anwaltshonorar übertragen bedeutet dies: „Wer als Rechtsanwalt seine eigene Sache nicht richtig vertreten kann und die eigene Sache ist nun einmal vorrangig das Honorar, der soll dann Ihre Sache sehr gut vertreten, Biss haben und durchsetzungsstark sein? Nein, ein guter Anwalt wird ohne Zögern und ohne Zweifel sein Honorar aussprechen und fordern, sei es noch so hoch!“ Der gute Anwalt und die gute Anwältin wissen ja, dass Sie im Gegenzug eine sehr gute Gegenleistung bekommen!

Deshalb ist meine Meinung: Wer ungefragt Rabatt anbietet, wird nur selten ein guter Rechtsanwalt oder eine gute Rechtsanwältin sein!

Und wenn Sie eine Vorstellung davon haben, wie hoch Ihr Streitwert ist, um wie viel Sie also kämpfen wollen oder müssen, der kann sich auch über die außergerichtlichen und gerichtlichen Kosten schnell bei diversen Gebührenrechnern im Internet einen Überblick verschaffen.
Mein bevorzugter Gebührenrechner ist der von ANWALT.DE. Hier geht es zum Gebührenrechner auf ANWALT.DE. Wenn Sie meinen Artikel aufmerksam gelesen haben, können Sie den Rechner bedienen und werden für jeden Streitwert die ungefähr anfallenden Rechtsanwaltskosten ermitteln können.

Zum Schluss noch eine Bitte. Wenn Sie sich am Ende des  Artikels ärgern, weil eine spezielle Frage offengeblieben ist, Sie etwas nicht richtig verstanden haben o.ä., dann schreiben Sie mir! Das anwaltliche Gebührenrecht ist trocken und außerdem sehr komplex. Es ist wirklich nicht leicht, dies allgemeinverständlich für Menschen, die keinerlei Vorkenntnisse haben, zu erläutern. Ob mir das gelungen ist, erfahren ich frühestens durch Ihre Rückmeldung. Deshalb bin ich gern bereit Anregungen entgegenzunehmen und meinen Artikel von Zeit zu Zeit anzupassen und zu verbessern. Helfen Sie mir, damit ich Ihnen helfen kann!

Vertragen Sie sich und bleiben Sie mir gewogen!

Ihr
Ralf Beckmann

Wie lang muss man lernen, damit es Ihnen etwas „wert“ ist? – Ein Statement für Fairness bei der Honorarfindung!

Bitte Vorsicht! In diesem Artikel werde ich Ihnen so manche Denkweise von Rechtsanwälten zu Honorarfragen schonungslos eröffnen. Also, seien Sie stark und lesen Sie, wie es um anwaltliches Honorar heute wirklich bestellt ist und welches Verhalten von Mandanten kontraproduktiv ist. Alles ohne Garantie für Vollständig- und absolute Richtigkeit!

Um ständig für meine Leser auf dem Laufenden zu sein, abonniere ich u.a. Pressemitteilungen verschiedenster Gerichte. Hier gelangen Sie zur Pressemitteilung des Landgerichts Osnabrück vom 01.09.2023 (Pressemitteilung 35/23).
Natürlich gratuliere ich dem jungen Kollegen, Herrn Richter am Landgericht Storck recht herzlich zu seiner Ernennung.

Zum Glück müssen Richter nach Ihrer endgültigen Ernennung nie mehr um Geld oder Anerkennung aus der Bevölkerung, also denjenigen, denen Sie „dienen“ sollen, kämpfen. Das ist auch gut so, denn Sie sollen ja frei von Zwängen entscheiden können. Das ist so gewollt und richtig!

Aber, sind Rechtsanwälte auch so frei von jedem Zwang? Was hat die Ernennung eines Richters mit den Rechtsanwälten zu tun? Ich bin als Jurist schon so alt, dass ich noch werbefreie Zeiten von Rechtsanwälten erlebt habe. Werbeverbot hieß das Zauberwort! Obwohl ich immer ein Verfechter der sozialen Marktwirtschaft war und bin, bin ich mir nicht mehr wirklich sicher, ob sich ein Erlauben von Werbung auf der einen Seite und ein Reglementieren der Honorare auf der anderen Seite miteinander vertragen. Ich glaube inzwischen an ein ungutes Zusammenspiel dieser beiden Faktoren.

Was ist ein angemessenes Honorar?
Lesen Sie bitte weiter unten im Artikel, wie lang die Ausbildung eines Rechtsanwalts oder eines Richters dauert. Sind dann 50,- Euro pro Stunde, von denen noch Kanzleiräume, eine Sekretärin, Steuern, Papier, Strom etc. bezahlt werden müssen, in Ordnung? Ihr Rechtsanwalt rechnet vielleicht nach den gesetzlichen Gebühren ab, Gegenstandswert 400 Euro. Ich beziehe mich hier auf das unten beispielhaft erwähnte Darlehen unter Freunden. Sind dann 90,96 Euro inkl. Umsatzsteuer für die außergerichtliche Tätigkeit und 131,67 Euro inkl. Umsatzsteuer für die Klage angemessen, wenn Sie vor der ersten Besprechung ein zweiseitiges Begleitschreiben schicken und die erste Besprechung eine Stunde dauert? Danach natürlich mindestens ein Schreiben an die undankbare Ex-Freundin seitens Ihres Anwalts und eine weitere Besprechung nach deren Antwort mit Ihnen. Dann Schriftsätze, Klage einreichen und der Gerichtstermin. Dies alles nimmt weitere 4 Stunden in Anspruch. Netto, d.h. ohne Umsatzsteuer, ergeben die oben erwähnten Teilhonorare ca. 187,- Euro für sagen wir 5 bis 6 Stunden Arbeit. Wundern Sie sich also bitte nicht, wenn der „Top-Experte“ für Darlehensrecht sagt, dass er keine Kapazitäten mehr hat, um Ihren Fall zu bearbeiten. Denn meiner Meinung nach hat ein derartiges Honorar nicht einmal mehr ansatzweise mit einem „fairen“ Honorar zu tun. Und das geht ja nicht nur zulasten der Rechtsanwälte. Nein, auch Sie als potenzielle Mandaten haben das Nachsehen, wenn Sie trotz intensiver Suche keinen Rechtsanwalt für Ihren Fall finden.

Hinzu kommen von Zeit zu Zeit Mandanten, die sich und Ihren Fall einfach maßlos wichtig nehmen. Das hängt vielleicht auch stark mit dem aufgehobenen Werbeverbot zusammen. Viele Menschen meinen, sie hätten „ein Recht“ auf kostenlose erste Beratung, ein Recht auf möglichst niedrige Honorare, ein Recht auf Hilfe schlechthin und auf der anderen Seite natürlich darauf, dass Ihnen der „Topjurist“ oder die „Topjuristin“ möglichst uneingeschränkt und ohne jegliche Wartezeit zur Verfügung steht. Warum, denn schließlich hat man einen einzigartigen und vor allem enorm wichtigen Fall. Dieses Vorurteil wird noch von Anwälten mit Werbung befördert. Also Asche hier auch auf das Haupt der um Mandate kämpfenden Berufskollegen. In 90 Prozent aller Fälle sind die Mandate aber einfach zu lösende, juristische Alltagskost und keine enorm komplizierten Fälle. Schilder Sie also einfach, möglichst kurz und knapp Ihren Fall und bitten um Hilfe. So einfach kann das sein. Denn nicht jeder Anwalt stürzt sich bei jedem Fall nur auf Ihr Geld! Nein, so ist das auch nicht. Manchmal entwickelt man Sympathie für das Anliegen des Mandanten und ist gern bereit, für ein viel zu niedriges Honorar ausnahmsweise zu arbeiten. Die Betonung liegt aber auf ausnahmsweise und nicht ständig!

Durch die Pressemitteilung wurde es mir bewusst. Noch ist es so, dass Richter und Richterinnen von den Examensnoten her die „Top-Juristen“ in Deutschland sind. Schauen Sie sich einmal die in der Presseerklärung genannte Ausbildungszeit des Richters an. Im Oktober 2011 Studienbeginn und im November 2019 dann endlich der Eintritt in den Staatsdienst als Richter. Das sind satte 8 Jahre Ausbildung! Und das ist realistisch und war kaum mit Herumtrödeln beim Studium verbunden.
Hätte sich Herr Storck wie viele andere Juristen und Juristinnen dafür entschieden, die Anwaltslaufbahn einzuschlagen, wäre das ebenfalls im Jahr 2019 gewesen. Bis dahin ist die Ausbildung und das Studium nämlich völlig identisch, egal ob Rechtsanwalt oder Richter! Also, man ist schnell und hat dennoch gut 8 Jahre Ausbildung ohne nennenswertes Einkommen hinter sich!

Und dann kommen Mandanten und lassen sich 1 Stunde beraten und erwarten, dass das nicht mehr als 50 Euro kostet oder sogar als erstes, unverbindliches „Kennenlerngespräch“ kostenfrei war. Sie ahnen, wo der Zug hinfährt? Das ist weniger, als der Klempner nehmen würde, wenn er die Armatur an der Spüle repariert. Ich bin immer wieder völlig erstaunt, was Menschen als potenzielle Mandanten für Ansprüche einerseits haben (Stichwort: Ich will den Top-Juristen, den absoluten Fachmann auf seinem Rechtsgebiet) und andererseits erwartet man, dass dieser Top-Jurist am besten kostenlos für mich arbeitet. Gehen Sie auch mit einer derartigen Erwartung zum Schönheitschirurgen? Sicher nicht, oder? Nicht einmal im Taxi kommen Sie für 50 Euro quer durch Hamburg oder München. Und Ihr Top-Rechtsanwalt soll für diesen Betrag in Hochform arbeiten?

Sie als Mandanten können nichts dafür, wenn Vater Staat beim Bemessen der anwaltlichen Honorare immer noch von der inzwischen altertümlichen Vorstellung ausgeht, dass Mandant X einmal mit einem finanziell lukrativen Mandat, dann wieder mit einem etwas schlechteren Mandat Y zum gleichen Rechtsanwalt kommt. Nein, das macht er nicht mehr. Denn Sie gehen heute natürlich für die Sache X zum Anwalt A und für die Sache Y zum Anwalt B, weil A und B sich für völlig verschiedene Rechtsgebiete als Experten positionieren. Das ist auch auf den ersten Blick okay. Aber, es führt auch dazu, dass man mit bestimmten Rechtsgebieten Geld verdient und mit anderen deutlich schlechter. Hinzu kommt, dass Sie als Mandant überhaupt nicht einschätzen können, ob Sie für Ihre Sache X wirklich „den Experten“ benötigen und nicht eine gute Rechtsanwältin, die als Allrounderin unterwegs ist, völlig ausreichend ist. Es ist nämlich auch eine Unsitte und Selbstüberschätzung von Mandaten, Ihren Fall für den „Ausnahmefall“ zu halten, der einfach den „Super-Experten“ benötigt. Dass dieser Fall in den meisten Fällen banaler Durchschnitt ist, kommt gedanklich nicht infrage.

Deshalb liebe Mandanten und Leser! Wenn Sie in Ihrer Scheidungssache mit Ihrer Rechtsanwältin hochzufrieden waren und nun eine Freundin das Darlehen nicht zurückzahlt, rufen Sie doch die Ihnen bekannte Rechtsanwältin an. Zeigen Sie einfach einmal etwas Treue. Wenn diese Rechtsanwältin Ihnen sagt, dass Sie auch diesen Fall übernehmen kann, glauben Sie Ihr doch einfach, dass Sie auch das beherrscht. Denn Ihr Darlehensfall ist keine große juristische Hürde! Vielmehr ist hier oftmals nur Engagement des beauftragten Rechtsanwalts gefragt und nicht ein „Doktortitel“ in Darlehensrecht. Wenn Sie die Armatur an der Spüle reparieren lassen wollen, suchen Sie doch auch nicht nach einem Betrieb mit Zertifizierung für den Einbau von Wärmepumpen, oder? Wenn Sie sich in den Finger geschnitten haben, verlangen Sie auch nicht den führenden Herzchirurgen Europas, oder? Und wenn doch, dann bezahlen Sie ihn auch bitte so fürstlich, wie es sich gehört! Oder rechnen dann zumindest nicht damit, dass er Ihre Entstellung (ja, ich meine den Schnitt im Finger!) pro bono chirurgisch rückgängig macht.

Und vor allem seien Sie fair. Unser Gebührenrecht in Deutschland, an das sich alle Rechtsanwälte halten müssen, sieht für geringe Gegenstands- oder Streitwerte leider oftmals sehr niedrige Gebühren vor. Ja, aus Sicht eines selbständigen Rechtsanwalts oder einer Rechtsanwältin ist ein Honorar von 300 oder 400 Euro sehr niedrig, wenn damit ein Zeitaufwand von zwei, vier oder noch mehr Stunden verbunden ist. Feilschen Sie nicht auch noch nach dem gewonnenen Prozess um die Rechnung, nur weil der Gegner die Kosten noch nicht erstattet hat. Es war ja schließlich Ihre Entscheidung, der ehemaligen Freundin ein Darlehen zu gewähren und nicht Ihr Rechtsanwalt hat Sie dazu animiert, oder?

Ich hoffe, Sie nehmen mir meine Offenheit nicht übel, sondern stellen sich im Fall der Fälle vielmehr die Frage, wie man ein gerechtes, faires Honorar mit seinem Rechtsanwalt/Rechtsanwältin verhandelt. Dazu sind nämlich meiner Erfahrung nach viele nette, kompetente und engagierte Kollegen und Kolleginnen bereit.

Bleiben Sie mir gewogen und vertragen Sie sich!

Ihr


Ralf Beckmann

Das Beispielfoto wurde von Christian Dubovan auf Unsplash zur Verfügung gestellt. Mein Dank dafür!

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