Vorbemerkungen
Eigentlich gehört diese Meldung in die Rubrik „Werklohnsachen“. Damit wissen aber sicher die meisten Verbraucher nichts anzufangen. Weil es hier letztendlich und mittelbar auch um Pferde geht, habe ich mich entschieden, die Sache auch unter „Tierrecht“ zu veröffentlichen.
Denn etwas kurios oder zumindest sehr ungewöhnlich ist die Beweisaufnahme der 17. Zivilkammer in dem hier behandelten Verfahren schon. Die Vorsitzende der Kammer ist selbst geritten. Warum? Weil sie es offenbar kann.
Verfahren vor dem Landgericht
Was beinhaltet nun das Verfahren des Landgerichts Hannover laut seiner Pressemitteilung vom 17.05.2023?
Eigentlich geht es um Werklohnansprüche. Dazu gehören diejenigen Ansprüche, die Unternehmer und Handwerker für ihre handwerklichen und baulichen Leistungen beanspruchen können. Im vorliegenden Fall hatte der/die Auftraggeber/in eingewandt, dass ein von der klagenden Partei zu erstellender Reitplatz mangelhaft sei und deshalb die Zahlung des Werklohnes abgelehnt.
In solchen Fällen, nämlich der Mangeleinrede eines Beklagten, ist praktisch immer die Einholung eines Sachverständigengutachtens die Folge. Der oder die Richter/in müssen schließlich wissen, was an den behaupteten Mängeln dran ist. Mangels eigener Sachkenntnis muss also fast immer eine Sachverständige oder ein Sachverständiger die Mängel untersuchen. So war es auch hier. Da der Sachverständige aber wohl die behauptete Mangelhaftigkeit des Reitplatzes nur bei einem tatsächlichen Beritt beurteilen konnte, griff die Vorsitzende ein. Diese ist wohl langjährige Reiterin und stellte sich und Ihr Reitpferd „für die gute Sache“ zur Verfügung. Nun ist es so, dass Richter (auch wenn Sie das oft tun 😉), einem Sachverständigen und seinem Gutachten nicht blindlings vertrauen dürfen. Vielmehr müssen Sie dies auf Logik und eine widerspruchsfreie Argumentation prüfen, um diesen Ausführungen dann letztlich folgen zu dürfen. Hier war es für die Kammer besonders einfach, denn die Vorsitzende konnte aufgrund eigener Sachkenntnis und konkreter Eindrücke beim Beritt auf dem Reitplatz, den Ausführungen des Sachverständigen umso besser folgen. Da der Eindruck war, der Platz ist in Ordnung, wurde der Klage überwiegend stattgegeben.
Der Fall ist insoweit sehr ungewöhnlich, als Richter ihre eigene „private“ Sachkenntnis ganz offen in ein Verfahren einbringen. Viele Richter und auch Kollegen schätzen nämlich das auch bekannte Beweismittel „richterlicher Augenschein“ und „gerichtsbekannt“ falsch ein. Entweder man ist mit einem „Urteil“ schnell bei der Sache, weil man sich auskennt. Falsch, denn das Auskennen muss Folge von gerichtlichen Verfahren sein und darf sich nicht vorrangig auf private Erkenntnisse und Erfahrungen gründen. Oder man gibt sich völlig ahnungslos, was auch ärgerlich ist, denn die Einholung von Sachverständigengutachten geht selten unter 1.500 Euro aus. 1.500 Euro ist also zumeist der Mindestbetrag, den Richter/innen einem Sachverständigen als Vorschuss für ein Gutachten zubilligen. Dabei wäre vor der Einholung eines solch teuren Gutachtens oftmals hilfreich, der einen oder anderen Partei aufgrund eigener Sachkenntnisse vorläufig zu sagen, wie man die Sache einschätzt. Zumal dann auch mit einem solchen Sachverständigengutachten ein erheblicher Zeitverlust für die klagende Partei einhergeht. Eine Verzögerung um 1 Jahr ist jedenfalls keine Seltenheit und für klagende Unternehmen manchmal sogar existenzbedrohend.
Insoweit hier ein ausdrückliches Lob für die Vorsitzende Richterin, sich so gut in das Verfahren eingebracht zu haben.
Bleiben Sie mir gewogen und vertragen Sie sich 😉
Ihr Ralf Beckmann
P.S. Das Beispielfoto wurde im Rahmen des Verfahrens erstellt und ausdrücklich für die Bearbeitung freigegeben.
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