Kategorie: Kaufen, Reisen & Co für Verbraucher (Seite 5 von 5)

Alles, was der Verbraucher so im Alltag erlebt, kaufen, reisen, Ferienwohnung mieten, Auto vom Nachbarn leihen usw.

Verkehrsunfall und Sie trifft keine Schuld? – Warum Sie bitte immer, ja immer eine Rechtsanwältin oder einen Rechtsanwalt bei einem Verkehrsunfall konsultieren sollten

Durch einen Kollegen wurde ich auf einen Beitrag des NDR zum Thema „Prüfbericht: Wie Versicherungen Schäden klein rechnen“ aufmerksam. Sie finden diesen interessanten und vor allem informativen Bericht hoffentlich noch lange in der NDR-Mediathek mit dem nachfolgenden Link:

https://www.ardmediathek.de/video/Y3JpZDovL25kci5kZS80ZmRiZDJkOC0xNTJlLTQyNmEtOTQyYy1iMWZiM2Q0ZmY1YzI

Dort heißt es einleitend zu dem TV-Bericht:

Auffällig oft stufen sogenannte Prüfdienstleister einen Versicherungsschaden viel geringer ein als unabhängige vereidigte Gutachter. Holger H. hatte einen Unfall mit dem Motorrad. Ein Autofahrer hatte ihm die Vorfahrt genommen. H. ließ einen Gutachter für das Kfz-Wesen sein kaputtes Motorrad untersuchen. Der Gutachter bezifferte den Schaden auf fast 7000 Euro. Der von der Versicherung in Auftrag gegebene Prüfbericht kam gerade mal auf die Hälfte: 3500 Euro. Teils gehen Versicherungen noch weiter: Sie lassen die Schadenssummen durch künstliche Intelligenz allein mittels Algorithmen bestimmen.1)


Ein alter Hut

Für einen Rechtsanwalt oder eine Rechtsanwältin ist das eigentlich ein „alter Hut“. Das machen Versicherer schon so lang, wie ich als Jurist denken kann! Aber warum können Sie das machen? Weil die Beteiligten Unfallopfer es mit sich machen lassen. So einfach ist das! Eines machen sich die Versicherer dabei meines Erachtens zunutze. In Deutschland haben viele Menschen bestimmten Institutionen gegenüber einfach zu viel Vertrauen. Für diese Menschen ist es einfach undenkbar, dass eine Versicherung „nur an sich denkt“. Sie haben das aus anwaltlicher Sicht freundliche, positive Vorurteil, dass sich derartige Institutionen, wie auch bspw. Ihre Bank zu 99,9 Prozent an Recht und Gesetz halten. Sie Ärmsten, sie kennen wirklich nicht Ihre Bank oder Ihre Versicherung!


Ablauf einer Unfallregulierung
Wie läuft so eine Unfallregulierung überhaupt ab? Stellen wir uns vor, Sie gehen tatsächlich nach einem Verkehrsunfall mit Ihrem Fahrzeug zu einem Rechtsanwalt oder einer Rechtsanwältin. Zunächst wird man sich von Ihnen den Sachverhalt genau schildern lassen, die Daten der Beteiligten aufnehmen usw. usf. In dem eigentlich ersten juristischen Schritt wird dann mit Ihnen geklärt, ob Sie tatsächlich 100 Prozent Ihres Schadens geltend machen können. Denn viele Fahrzeugführer wissen nicht, dass die sog. Betriebsgefahr stets wie ein Damoklesschwert über Ihnen schwebt. Die Betriebsgefahr besagt mit einfachen Worten, dass Sie allein wegen der Gefährlichkeit Ihres Fahrzeugs mit 20 bis 25 Prozent mithaften, auch wenn Sie im klassischen Sinne keine Schuld an dem Unfallgeschehen trifft! Es ist dann anwaltliche Kunst, den Sachverhalt so zu präsentieren oder Dinge des Sachverhalts zu ermitteln, dass diese Betriebsgefahr ausnahmsweise vollständig zurücktritt. Also, den vollen Schaden ersetzt zu bekommen, ist bei Verkehrsunfällen mit einem Fahrzeug gar nicht so einfach!

Erster Schritt ist also, Rechtslage und tatsächlichen Art und Umfang der Haftung der Gegenseite klären und eigene Mithaftung gegebenenfalls ausschließen.

Allein für diesen enorm wichtigen Punkt sollte man nach einem Verkehrsunfall, für den man sich nicht oder nicht allein verantwortlich fühlt, immer einen Rechtsanwalt oder eine Rechtsanwältin aufsuchen.

Wenn die Frage der Haftung oder einer etwaigen Mithaftung geklärt ist, kommen im zweiten Schritt die Klärung einzelner Schadenpositionen. Dieser Bereich zielt dorthin, worüber auch der oben erwähnte TV-Beitrag des NDR berichtet. An dieser Stelle zu diesem Teilbereich nur so viel. Allein das Anmieten eines Ersatzwagens führt immer wieder zu Streit mit der gegnerischen Versicherung. Es wird argumentiert, der Ersatz-PKW nur hätte 5 statt 9 Tagen angemietet werden dürfen. Und schon sind wieder 300 Euro Ihres Schadenersatzes weg! Oder der Einwand, dass man den Ersatzwagen viel zu teuer angemietet hat, kommt ebenfalls regelmäßig und wieder hat die gegnerische Versicherung ein Argument Ihnen 500 Euro bei der Schlusszahlung abzuziehen.
Deshalb, auch bei Klärung einzelner Schadenpositionen, ist der Experte und nicht Halbwissen gefragt.

Zweiter Schritt ist folglich, alle infrage kommenden Schadenpositionen zu klären.


Zuletzt möchte ich Ihnen noch verdeutlichen, dass sich die Kosten für die Einschaltung eines Rechtsanwalts oder einer Rechtsanwältin in vernünftigem Rahmen halten lassen.
Die Kosten berechnen sich nach dem sog. Gegenstands- oder Streitwert. Dieser wiederum ergibt sich aus der Forderung des Mandanten, also Ihrer Forderung. Wenn Sie also die Auffassung vertreten, dass Sie keine Schuld an dem Verkehrsunfall (VU) trifft, die Gegenseite zu 100 Prozent haftet und Sie davon ausgehen, dass Ihr gesamter Schaden 10.000 Euro beträgt, ist dies der Streitwert. Ergibt sich beispielsweise nach der Beratung mit Ihrem Rechtsanwalt oder Rechtsanwältin, dass Sie Schadenpositionen vergessen oder gar nicht erkannt haben und wollen auch diese geltend machen, erhöht sich der Streitwert um diese Positionen. Maßgeblich ist nämlich nicht nur, mit welcher Vorstellung des Schadens sie zu einem Kollegen am Anfang gehen, sondern was am Ende oder zwischenzeitlich maximal von Ihnen gefordert wird. Sagen wir, sie haben Schmerzensgeld für sich vergessen und auch nicht an Nutzungsausfall für Ihr beschädigtes Fahrzeug gedacht, zusammen 2.500 Euro. Dann beträgt der Streitwert inzwischen 12.500 Euro.

Bei diesem Streitwert beträgt die meist angewendete 1,3 Geschäftsgebühr eines Rechtsanwalts € 865,80 zuzüglich € 20,- Postgebührenpauschale zuzüglich Umsatzsteuer = € 1.054,10.  Ein dicker Brocken werden vielleicht viele sagen. ABER!

Bei Verkehrsunfällen können Sie wegen der komplizierten Materie, außer die Sache ist, wie fast nie, glasklar, praktisch immer einen großen Teil ihrer Anwaltskosten erstattet verlangen. Sie erhalten also in den allermeisten Fällen auch ohne eine Rechtsschutzversicherung oder Verzug der Gegenseite einen großen, erheblichen Teil Ihrer Rechtsanwaltskosten erstattet.

Damit dies deutlicher wird, ein Beispiel:
Wie oben bereits erwähnt, fordern Sie im Rahmen der vollen Haftung der Gegenseite von der Versicherung Ihres Unfallgegners € 12.500,-.
Die Frage, ob die Betriebsgefahr hier ausnahmsweise zurücktritt, ist strittig und Ihr Rechtsanwalt einigt sich für Sie mit der gegnerischen Versicherung darauf, dass diese 85 Prozent aller berechtigten Schadenspositionen erstattet. Diese Einigung löst neben der Geschäftsgebühr auch eine 1,5 Einigungsgebühr aus.

Damit schulden Sie Ihrem Rechtsanwalt für die komplette Unfallabwicklung nun ca. 2.250 Euro. Bitte weiterlesen, denn das sind am Ende nicht Ihre Kosten!

Sie einigen sich aber auch zur Höhe darauf, dass die Versicherung insgesamt 11.500 Euro an Sie zahlt. Viele gegnerische Versicherer zahlen dann aufgrund ständiger Übung auf Basis dieser Zahlung eine pauschale 1,8 Geschäftsgebühr als Erstattung (mehr ist u.U. auch möglich) für Ihre RA-Kosten. Bei einem Streitwert von 11.500 Euro und einer angenommenen 1,8 Gebühr erstattet die Versicherung dann 1.450,37 Euro Ihrer Rechtsanwaltskosten. Für Sie verbleiben damit eigene Kosten i.H.v.  799,63 Euro. Für manchen Mitbürger immer noch viel Geld. Aber Sie sollten bei dem Beispiel auch bedenken, dass Sie anfangs Schadenpositionen vergessen und nur 10.000 Euro Schaden gesehen hatten. Nun bekommen Sie effektiv 10.700,37 Euro (11.500 abzüglich 799,63 Euro restl. Anwaltskosten). Sie wollen wegen dieser Kosten von 799,63 Euro nicht zum Rechtsanwalt gehen, obwohl sie 700 Euro mehr bekommen, als anfangs von Ihnen gedacht? Okay, aber ohne Ihren Rechtsanwalt oder Ihre Rechtsanwältin hätte Ihnen die Versicherung bestimmt 25 Prozent Betriebsgefahr abgezogen (und nicht wie hier im Beispiel 15%). Und ausgehend von ihrer ersten Forderung i.H.v. 10.000 Euro hätten Sie dann ohne Rechtsanwalt oder Rechtsanwältin „nur“ 7.500 Euro erstattet bekommen. Zudem dürften Sie Ihrer Werkstatt bei vollständiger Reparatur noch 2.500 Euro aus eigener Tasche überweisen. Und dann kommt noch der Bericht des NDR ins Spiel. Welche Positionen Ihres Gutachters hätte man einfach gekürzt oder gestrichen, sodass Ihr errechneter Schaden vor Abzug Ihres 25-Prozent-Anteils erst einmal auf 7.000 Euro eingekürzt worden wäre? Wer sich jetzt immer noch den ganzen Papierkram inkl. erheblichen Zeitaufwand selbst antun möchte, bitte sehr. Ich schätze, dass dann ca. 80 bis 90 Prozent dieser „Selbstabwickler“ Geld in erheblichem Umfang verlieren.
Das Resümee ist jedenfalls, dass Sie am Ende, ohne selbst arbeiten zu müssen, mehr Geld erhalten, als wenn Sie den Unfall allein abgewickelt hätten. Dies auch bei Berücksichtigung der verbleibenden Rechtsanwaltskosten.

Also, bleiben Sie mir trotz aller Offenheit in diesem Bericht gewogen und vertragen Sie sich! 😉


Ihr Ralf Beckmann

1) Hier noch einmal der Link zum Beitrag des NDR:
https://www.ardmediathek.de/video/Y3JpZDovL25kci5kZS80ZmRiZDJkOC0xNTJlLTQyNmEtOTQyYy1iMWZiM2Q0ZmY1YzI

2) Beispielfoto mit Dank an Foto von Clark Van Der Beken auf Unsplash
https://unsplash.com/de/fotos/CSkriQWeTVs

Supermarkt überwacht Falschparker mit Gesichtserkennung und KI-Software! Wo ist der Fehler?

Die Computer-Bild meldet am 29.03.2023, dass ein Gelsenkirchener Supermarkt seine Kunden mittels Kameras und Gesichtserkennung überwachen würde.1) Die Kameras würden den potenziellen Supermarkt-Kunden an seinem Auto mittels Gesichtserkennung erfassen und sodann erneut beim Eintreten in den Supermarkt. Wer also einerseits parkt, anderseits dann nicht in den Supermarkt geht, soll anschließend ein Verwarnungsgeld von € 40, bekommen. Allerlei Einwände gegen diese Praxis werden vorgebracht, wie beispielsweise datenschutzrechtliche Gründe, unzureichende Überwachung und dabei passierende Fehler usw.

Screenshot Computer-Bild 29.03.2023


Was „stört“ den erfahrenen Praktiker, einen Rechtsanwalt, eigentlich zuerst an diesem Artikel? Weil der Eindruck erweckt wird, dass ein Supermarkt-Betreiber auf seinem Parkplatz, also einem reinen Privatgrund, berechtigt wäre, „Verwarnungsgelder“ auszusprechen. Quasi wie die Ordnungsbehörde mit ihren Politessen.  Diese absolut falsche Grundannahme wird noch dadurch verstärkt, dass der Autor die Höhe der „Strafe“ wohl als angemessen ansieht. Dabei übersieht er, dass kein Eigentümer eines Privatgrundstücks gegenüber irgendwelchen Störern eine „Strafe“ aussprechen kann. Ich meine, damit wird der interessierte Leser in die Irre geführt und auf die „falsche Fährte gelockt.“ Zumal es ja eigentlich um die Frage gehen soll, ob die Kameraüberwachung, verbunden mit einer intelligenten KI-Software und der Gesichtserfassung auf dem Parkplatz und vor dem Eingang des Supermarktes, rechtlich zulässig ist. Deshalb hat sich auch wohl die Computer-Bild des Themas angenommen, aber mit fehlendem Erkenntniswert für den Leser, zumindest aus meiner Sicht.

Also, zunächst einmal zur Frage der Überwachung, dem eigentlichen Thema der Computer-Bild. Wenn der Betreiber des Supermarktes und zugleich auch des Parkplatzes ausschließlich seinen privaten Parkplatz und Supermarkt überwacht, ist das zunächst rechtlich zulässig, sofern der Kunde am Eingang des Parkplatzes und des Supermarktes deutlich sichtbar auf die Kameraüberwachung hingewiesen wird. Denn dann hat der Kunde die Wahl. Darf ich per Kamera erfasst werden und habe damit kein Problem, dann fahre ich auf den Parkplatz und gehe in den Supermarkt. Passt mir das aus Gründen nicht, die niemand etwas angehen, zeige ich diesem Supermarkt einfach die „kalte Schulter“. Es gibt gerade in großen Städten nicht nur einen Supermarkt, oder?
Was die Verbindung von zwei Kameras mittels KI-Software zur Überprüfung des Einkaufs an der Zulässigkeit des Einsatzes der Kameras ändern soll, erschließt sich mir zumindest nicht sofort. Zumal, wenn die Software bspw. sicherstellt, dass nur die Daten eines Parkplatznutzers gespeichert werden, der nach dem Aussteigen aus dem Fahrzeug nicht anschließend auch zum Einkauf in den Supermarkt geht.
Warum der von der Computer-Bild zitierte Landtagsabgeordnete der SPD qualifiziert ist, die Frage des Einsatzes von KI-Software zu kritisieren, bleibt ebenfalls völlig offen. Ist er Jurist? Ist er nebenher Datenschutzbeauftragter? Also, der Erkenntniswert des Artikels ist in diesem Bereich eher zweifelhaft.

Völlig falsch läuft es dann im Artikel aus juristischer Sicht, wenn dort mögliche Fehler des KI-Systems kritisiert werden. Dabei wird stillschweigend unterstellt, dass derartige Probleme oder Fehler für den Kunden problematisch wären. Damit wird der Leser erneut auf eine falsche Fährte gelockt. Hier begibt sich die Computer-Bild auf das Feld der Juristerei, ohne die notwendige Sachkenntnis zu besitzen. Denn es entsteht der Eindruck, als hätte der Kunde nach Auffassung der Computer-Bild zu beweisen, dass er auch Einkaufen war, nachdem er auf den Parkplatz gefahren ist. Im Artikel wird eine Kundin zitiert, die meint, dass man schließlich seinen Kassenzettel nicht zwei Monate aufheben würde. Genau richtig! Diese Kundin meint aber damit, ebenso wie wohl die Computer-Bild, dass sie in Beweisnot sei. Also, dass Sie dem Supermarkt den Einkauf beweisen müsse. Dabei ist es genau andersherum. Die Kundin ist eben nicht in Beweisnot. Denn wenn der Supermarkt-Betreiber sein Verwarnungsgeld haben möchte, muss der Supermarkt beweisen, dass der Kunde unberechtigt seinen Parkplatz genutzt hat. Nicht der Kunde muss sich entlasten.

Andererseits geht es genau darum im Kern. Der Supermarkt-Betreiber möchte vermeiden, dass sein Parkplatz von Menschen benutzt wird, die gar nicht zum Einkaufen zu ihm kommen.

Gegen dieses Ansinnen ist auch zunächst einmal nichts einzuwenden. Aber rechtlich ist das eben nicht so einfach, wie gedacht. Und schon gar nicht, wie es sich der Autor in der Computer-Bild denkt.

Betrachten wir einmal, was rechtlich wirklich abläuft. Sie sind unmittelbar davor, auf den Parkplatz zu fahren und sehen ein Schild „Achtung, unser Parkplatz wird zur Parkplatzüberwachung durch Videoaufzeichnungen kontrolliert.“ Sie haben damit kein Problem und fahren auf den Parkplatz. Dann haben sie dem Angebot des Supermarktes, fahren sie nur auf den Parkplatz, wenn Sie mit der Video-Überwachung einverstanden sind, zugestimmt. Ebenso läuft es beim Betreten des Supermarktes ab, wenn ich vor der Tür erneute per Video erfasst werden. ABER! Diese Regelung durch Hinweisschilder und konkludent zu erteilendes Einverständnis stellen meiner Ansicht nach zugleich auch Allgemeine Geschäftsbedingungen dar. Dann kann der Supermarkt-Betreiber die Beweislast dafür, dass sie seinen Parkplatz unberechtigt genutzt haben, nicht so einfach auf sie abwälzen. Davon ist auf den Hinweisschildern zudem nicht die Rede! Wenn doch, wäre es eine unwirksame Überraschungsklausel. Vielmehr ist es so, dass der Supermarkt-Betreiber beweisen muss, dass sie seinen Parkplatz unberechtigt genutzt haben, also Parken ohne Einkauf.
Dieser Beweis wird schwer zu führen sein. Wie will der Supermarkt-Betreiber im Falle eines Rechtsstreits beweisen muss, dass seine eingesetzte KI-Software zum Abgleich zwischen Parkplatz und Eingang zu 100 Prozent fehlerfrei arbeitet. Zumindest der oder die Richter/in muss im Verfahren davon überzeugt werden, dass die KI-Software im konkreten Fall absolut richtig gearbeitet hat. ABer nicht einmal der Daumenscanner auf Ihrem Smartphone schafft bei jedem Entsperrversuch 100 Prozent richtige Ergebnisse.
Dann stellt sich auch die Frage, wie viel Zeit die Software dem Kunden gibt, um vom Parkplatz in den Supermarkt zu gehen? 5 Minuten, 10 Minuten? Was ist, wenn sie überraschend einen Freund oder Bekannten nach dem Einparken auf dem Parkplatz treffen und dann 40 Minuten quatschen, weil sie sich schon 6 Monate nicht mehr gesehen haben? Soll das etwa verboten sein? Wo steht das bitte in den AGB? Also, Fragen, die der Supermarkt-Betreiber in einem Prozess klären und erklären muss, nicht der Kunde!
Wie soll es bei einem angeblichen Verstoß weitergehen? Läuft ein Mitarbeiter zu dem Fahrzeug des Parksünders, nachdem ein Kunde auf den Parkplatz fuhr und dann nicht binnen 10 Minuten von der Eingangskamera erfasst wurde? Steckt er dann ein Knöllchen, also eine Zahlungsaufforderung hinter die Windschutzscheibe? Praktisch kann es wohl nur so laufen, dass der Supermarkt-Betreiber in derartigen Fällen eine Halterabfrage bei der Zulassungsstelle macht und dann dem Halter des Fahrzeugs sein Schreiben mit der Forderung nach Zahlung eines „Verwarnungsgelds“ übersendet.

Hier kommt dann allerdings die nächste Hürde. Der Halter haftet bislang nicht dafür, dass der oder die Fahrerin angeblich unberechtigt einen privaten Parkplatz genutzt hat. Verantwortlich ist in unserem Rechtssystem bislang zumindest der Fahrer. Allerdings muss man einschränkend darauf hinweisen, dass der Bundesgerichtshof (kurz: BGH) hier wohl einen Schwenk zugunsten der privaten Parkplatzbetreiber vollzieht und nun dem Halter die sog. sekundäre Darlegungslast aufbürdet. Dies hier zu erläutern, würde den Rahmen sprengen. Dies bedeutet jedenfalls, dass man als Halter nicht mehr einfach sagen kann „ich weiß von nichts.“ und die Sache ist erledigt.

Als Halter, das ist daher künftig wohl besser zu zahlen? Oder vielleicht doch nicht? Nicht vergessen, nur wenn nur es noch um die Frage geht, wer zahlen muss, dann greift eventuell die neue Regel des BGH!

An dem Umstand, dass der Supermarkt-Betreiber den Zusammenhang oder besser fehlenden Zusammenhang zwischen Parken und Einkauf wird beweisen müssen, ändert sich auch durch die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs jedenfalls nichts. Flattert Ihnen, wie ein Kritiker im Artikel zitiert wird, erst zwei Monate später ein Schreiben mit der Zahlungsaufforderung ins Haus, ist Ihnen nicht zumutbar, noch einen Kassenzettel zu Ihrer Entlastung vorweisen zu müssen.

An dem Beispiel des Falles, den der Bundesgerichtshof entschieden hat, wird auch deutlich, wie leicht sich Laien anhand eines Falles zu einer falschen Beurteilung in Ihrem eigenen Fall hinreißen lassen. Ich will das am Fall des BGH verdeutlichen. Dort ging es um einen privaten Parkplatz vor einem Krankenhaus. Der Krankenhausbetreiber hat den Parkplatz den Besuchern des Krankenhauses für zwei Stunden bei Nutzung einer Parkscheibe zur Verfügung gestellt. Wer keine Parkscheibe auslegt oder die Parkzeit überschreitet, muss ein erhöhtes Parkentgelt von 30 Euro zahlen. Wenn man alle anderen Aspekte des Falles hier einmal außer Acht lässt, ging es am Ende nur um die Frage, ob der Halter einfach sagen kann, ich war es nicht oder ich weiß nicht mehr, wer gefahren ist. Der BGH verweist hier auf die Wahrheitspflicht im Zivilprozess (ja, die gibt es, wenn sie auch häufig nicht beachtet wird 😉!) und die Tatsache, dass es sich um ein Massengeschäft handeln würde. Deshalb sei es dem Halter zumutbar und er sogar verpflichtet, andere, mögliche Fahrer zu benennen! Im Hinterkopf muss man aber haben. Es geht hier also nicht um die Frage, ob man den Parkplatz nur nutzen darf, wenn man auch in das Krankenhaus als Besucher geht! Im Gegensatz zu unserem Ausgangsfall verlangt der Krankenhausbetreiber hier ja keinen Nachweis darüber, dass man nach dem Aussteigen auch tatsächlich in das Krankenhaus gegangen ist. Das unterstellt er den Nutzern einfach. Es ging beim BGH also letztlich nur darum, dem Parkplatzbetreiber zu helfen, in seiner Not einen Verantwortlichen zu finden. Das ist durchaus nachvollziehbar. In unserem Fall geht es dagegen vorrangig darum, dass der Supermarkt nun möglicherweise Monate nach dem Einkauf einen Nachweis für den Zusammenhang zwischen Parken und Einkauf verlangt. Deshalb ist das BGH-Urteil hier für uns eigentlich nur nebensächlich. Der Supermarkt-Betreiber muss nach wie vor diesen fehlenden Zusammenhang beweisen. Erst, wenn er diesen Beweis führen kann (was ich aus den o.g. Gründen bezweifele) geht es um die Frage, ob auch der Halter oder nur der/die Fahrer/in verantwortlich ist.

Ich denke, der Artikel in der Computer-Bild hat zusammen mit meiner heutigen Kommentierung einen Nutzen. Zusammen zeigen beide Artikel auf, dass die Bewertung juristischer Sachverhalte sehr schwierig sein kann. Ferner wird deutlich, dass man sich nicht von vermeintlich einschlägigen Urteilen ins Bockshorn jagen lassen sollte. Einschlägig ist ein Urteil nämlich nur, wenn die Sachverhalte und die Kernprobleme tatsächlich identisch oder zumindest vergleichbar sind. Ich hoffe, ich konnte hier aufzeigen, dass dies nicht so einfach zu beurteilen ist.
Deshalb sind Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte da. Sie im konkreten Fall zu beraten und dann zu unterstützen. Und dann wären wir auch schon wieder bei der allseits beliebten Rechtsschutzversicherung. Natürlich macht es wirtschaftlich ohne Rechtsschutzversicherung keinen Sinn, sich anwaltlich, sagen wir für 130 Euro darüber beraten zu lassen, ob man dem Supermarkt-Betreiber nun 40 Euro zahlen soll oder muss. Wirtschaftlich haben Sie an der Stelle sofort verloren! Mit Ihrer Rechtsschutzversicherung im Rücken können Sie oftmals auch derartig wirtschaftlich sinnlose Fälle ausfechten 😉!

 Bleiben Sie mir gewogen und vertragen Sie sich 😉

Ihr Ralf Beckmann

1.) Computer-Bild 29.03.2023 –
https://www.computerbild.de/artikel/cb-News-Internet-Datenschutz-Supermarkt-ueberwacht-Parkende-per-Gesichtserkennung-35520649.html

2.) Beispielfoto am Anfang des Artikels mit Dank an Vlad Kutepov auf Unsplash
https://unsplash.com/de/fotos/tBcwA9QiOMA

Wann habe ich ein Wegerecht? – Streit am Gartenzaun – Ein Fall des Landgerichts Frankenthal mit einer Exkursion zum Umgang mit der eigenen Rechtsschutzversicherung

Das Landgericht hat in diesem Monat einen für Privatpersonen interessanten Fall durch ein inzwischen rechtskräftiges Urteil abgeschlossen.1) Warum ist der Fall interessant? Weil es einmal wieder um das von Rechtsanwälten heißgeliebte Nachbarrecht geht. Heißgeliebt deshalb, weil bei Nachbarstreitigkeiten regelmäßig die erworbene Fähigkeit zur Beruhigung der Mandanten angewandt werden muss. Die Emotionen kochen meist hoch.

Teil 1: Der Fall

Worum ging es im Fall des Landgerichts Frankenthal? Ein Ehepaar, Nachbarn der verklagten Eheleute, wollte die Errichtung eines Grenzzaunes nicht hinnehmen und macht ein sog. Notwegerecht geltend. Das Landgericht teilt dazu mit, dass das Notwegerecht verneint worden sei. Zwar haben die klagenden Eheleute über einige Zeit hinweg das Grundstück des beklagten Ehepaares nutzen dürfen, um mit Fahrrädern, Motorrädern oder auch der Mülltonne von der Straße zum eigenen Grundstück zu gelangen. Dieser „Zugang“ war den klagenden Eheleuten nun durch den Zaun versperrt.
Entscheidend für die Ablehnung des Notwegerechts war, dass die klagenden Eheleute auch auf einem anderen Weg, wenn auch beschwerlicher und umständlicher, zu Ihrem Grundstück gelangen konnten und weiterhin können. Die Tatsache, dass die Kläger jetzt bspw. ein Fahrrad über zwei Stufen hinweg tragen und durch den Hausflur gehen müssen, um zum Innenhof zu gelangen, wo das Fahrrad abgestellt wird, sei unerheblich. Das Notwegerecht frage eben nicht danach, ob andere Wege beschwerlicher seien, sondern andere Wege müssen fehlen.
Auch der Umstand, dass der Kläger gehbehindert ist, hat das Landgericht nicht als Ausnahme für die Bejahung des Notwegerechts gewertet. Auf dem umständlichen und beschwerlichen Weg zu seinem Haus oder Grundstück kann schließlich ein behindertengerechter Weg angelegt werden.
Also, keine Ausnahmen, weil das Notwegerecht eben nur besteht, wenn ein Grundstück eine Insellage aufweise, also nur bzw. ausschließlich über ein angrenzendes Grundstück erreichbar sei. Da das Grundstück der Kläger auch eine direkte Anbindung an die öffentliche Straße besitzt, wurde die Klage abgewiesen.

Teil 2: Hintergründe für eine von Anfang an schwierige Klage

Warum dann aber überhaupt klagen? Der die Kläger vertretende Rechtsanwalt oder die Rechtsanwältin hätte das Ergebnis doch kommen sehen müssen, oder?
Erstens sollte man nicht die Macht der Sturheit der eigenen Mandanten unterschätzen. Es ist heute einfach so, dass eine Vielzahl von Menschen vorgegebene Regeln des Staates, die sie selbst nicht so ganz verstehen, einfach nicht akzeptieren will. Nach dem Motto: „Für mich muss es doch eine Ausnahme geben.“ Oder: „Das kann doch nicht richtig sein. Das müssen wir überprüfen!“ Mit  derartigem Schwung und einem klagefreudigen Rechtsanwalt schafft man es dann eben doch zum Gericht und zum ungeliebten, aber absehbaren Ergebnis.
Ein zweiter Faktor ist die vorhandene Rechtsschutzversicherung. Der Glaube, auch unter Rechtsanwälten, ist groß, dass die Rechtsschutzversicherung das Recht habe, den Fall vorab durchzuprüfen und ein mit hoher Wahrscheinlichkeit negatives Ergebnis könne dann zur Ablehnung des Falles führen. Nein, so ist es eben nicht! Die Rechtsschutzversicherung darf  zunächst lediglich prüfen, ob der Fall zum versicherten Risiko gehört. Was heißt das? Natürlich kann ich nicht die Übernahme der Kosten von meiner Versicherung verlangen, wenn ich ausdrücklich nur den Bereich „Verkehrsrecht“ versichert habe, aber wie hier meine Nachbarn wegen der Beseitigung eines Zaunes verklagen will. Im zweiten Schritt wird dann geprüft, ob die Inanspruchnahme nicht mutwillig ist. Mutwillig sind nur absolut unsinnige, von völliger und sicherer Erfolglosigkeit gekrönte, Fälle. Beispielsweise tippe ich in das örtliche Telefonbuch auf einen beliebigen Namen und bezichtige diese Person der Sachbeschädigung an meinem Fahrzeug, welches letzte Woche auf dem Supermarkt-Parkplatz eine Parkdelle bekommen hat. Auf diese Art eine Person in einen Prozess hineinziehen, das ist mutwillig. Aber die Aussicht, dass meine Klage nur äußerst geringe Erfolgschancen hat, das ist Alltagsgeschäft für Ihre Rechtsschutzversicherung und nicht mutwillig. Ein anderes, vielleicht nicht so krasses Beispiel, das ich früher gern bei Mandanten erzählt habe, ist: Sie leihen Ihrem Kumpel oder Ihrer Freundin einen Geldbetrag, sagen wir 500 Euro. Weil man befreundet ist, wird das Darlehen (so nennt man das als Jurist) eben nicht schriftlich fixiert und auch die Aushändigung des Geldes wird nicht quittiert. Man hat außer dem Wort seiner Freundin oder seines Freundes statt Geld nun nur salbungsvolle Wort „in der Hand.“ Es kommt, wie es kommen muss. Trotz mehrfacher Mahnung und mehreren Ermahnungen erfolgt keine Rückzahlung. Ihr Rechtsanwalt oder Ihre Rechtsanwältin schreibt Ihren Freund/Freundin an und siehe da, die Antwort lautet: „Ich habe nie ein Darlehen erhalten!“ Da niemand die Übergabe des Geldes beobachtet hat, stehen Sie völlig ohne Beweismittel da. Die Erfahrung sagt, dass bei einem derartigen Verhalten auch in einem Prozess der Freund/die Freundin einfach weiter behaupten wird, dass er/sie kein Geld erhalten habe. Sie werden den Prozess aller Erfahrung nach mit einer Wahrscheinlichkeit von 99 Prozent verlieren. ABER! Nun kommt Ihre Rechtsschutzversicherung. Diese muss (nicht darf!) Ihren Sachvortrag, also die Behauptung „ich habe Geld verliehen“ bis zum Beweis des Gegenteils als wahr und richtig hinnehmen. Ist das aber so, kann Ihre Rechtsschutzversicherung eben nicht argumentieren, dass Sie im Prozess vermutlich in Beweisnot sein werden! Klar, zu 99 Prozent wird das so sein. Aber das eine Prozent zählt eben und man hat schon „Pferde vor der Apotheke ….“ Sie wissen schon! Was also einzig zählt, ist die Wahrheit, Ihre Wahrheit und die Rechtsschutzversicherung muss in dem Beispielfall die sog. Deckungszusage gegenüber Ihrem Rechtsanwalt erteilen. Ich habe dazu früher immer gesagt: Dazu ist die Rechtsschutzversicherung da. Nämlich, die unsicheren Prozesse sorgenfrei führen zu können. Wissen Sie mit absoluter Sicherheit, dass Sie ihren Fall gewinnen, dann muss der Gegner Ihnen alle Kosten inkl. der Kosten für Ihren Rechtsanwalt erstatten. Wozu brauchen Sie bei dieser Gewissheit noch eine Rechtsschutzversicherung? Absolut sichere Fälle sind aber eher die Ausnahme in vielen Rechtsbereichen und deshalb macht die Rechtsschutzversicherung vielleicht für Sie Sinn.

Bleiben Sie mir gewogen und vertragen Sie sich 😉

Ihr Ralf Beckmann

  1. Pressemeldung des Landgerichts Frankenthal vom 27.03.2023 https://lgft.justiz.rlp.de/de/startseite/detail/news/News/detail/entscheidung-des-monats-maerz-2023-2/
  2. Wer mehr über Richter und Ihre Denk- und Arbeitsweise erfahren möchte, dem empfehle ich:


Beispielfoto mit Dank an Annie Spratt auf Unsplash

https://unsplash.com/de/fotos/lDZo3_Cmj0M

Leseraufruf zum Maklerrecht – Umgang mit Maklern und Erfahrungen in Theorie und Praxis zur neuen Verpflichtung zur Courtageteilung bei Immobilienverkäufen

Seit geraumer Zeit befasse ich mich bereits mit Fragen zum Maklerrecht. Vorrangig geht es natürlich – wie so oft  im Leben – um das liebe Geld, also die Courtage oder Maklerprovision.

Seit 2020 ist es nun so, dass die Anbieter/Verkäufer von Häusern oder auch Eigentumswohnungen zwar weiterhin – aus welchen Gründen auch immer – einen Makler einschalten. Der Jurist würde hier sagen, sie sind Besteller. Aber die große Neuerung ist, dass nach dem Willen des Gesetzgebers Schluss damit sein soll, dass der oder die Käufer oder Käuferin die Zeche allein zahlt. Vielmehr soll der Besteller, also der Verkäufer oder die Verkäuferin mindestens 50 % der vereinbarten Maklercourtage selbst zahlen. Und damit fängt das Dilemma auch schon an. Die Informationen sind oftmals irreführend und gehen an der Lebenswirklichkeit und den Tricksereien erfahrener Makler und Verkäufer vorbei! So meint das Maklerportal „Aroundhome“ in einem ihrer Beiträge1), dass der Besteller höchstens 50 % der Provision/Courtage oder die Hälfte auf den Käufer oder die Käuferin abwälzen dürfe. Da kann man als Jurist einerseits noch mitgehen. Wobei Abwälzen ist eben etwas anderes, als eine Pflicht zur Übernahme anteiliger Provision.

Schauen wir uns bspw. in dem oben erwähnten Beitrag von Aroundhome1) an, was diese zu der Höhe der Provision im Falle von Immobilienverkäufen sagen und aufzeigen. Die Provisionssätze sollen je nach Ort und Bundesland zwischen 4 und 7 Prozent betragen. Das wird anschaulich dargestellt. Doch erst einmal ist es so, dass der Makler in der Praxis Ihnen einen Vertrag vorlegen und einen bestimmten Provisionssatz verlangen wird. Ob das dann auch ortsüblich ist, steht auf einem anderen Blatt. Es wird auch behauptet, dass bei einer sog. Mischprovision, beide Parteien einen Anteil der Provision zahlen. Aber, dass dann beide Parteien einen Maklervertrag mit dem Makler schließen würden und müssen (?) und sich eben daraus die Provision ableitet? Spätestens an dieser Stelle schrillen bei mir als erfahrenem Rechtsanwalt alle Alarmglocken! Beide Parteien schließen einen Maklervertrag mit dem Makler? Ja, das ist wohl aus Unwissenheit der Makler so üblich! Die Makler will damit wohl zuallererst erreichen, dass er auch einen Anspruch auf Bezahlung beim Käufer durchsetzen kann. Das ist ja zunächst ein berechtigtes Interesse. Aber! Auch Aroundhome und eben viele Makler haben offensichtlich nicht an § 654 BGB gedacht. Demnach verliert der Makler seinen Anspruch auf Provision und den Ersatz von Aufwendungen, wenn er dem Vertragsinhalt zuwider auch für den anderen Teil tätig geworden ist. Logisch, oder? Wie soll das auch gehen? Wenn Sie verkaufen wollen, möchten Sie den festgelegten Preis möglichst ohne Abstriche durchsetzen. Das muss der Makler im Zweifel für Sie bestmöglich aushandeln. Damit das gelingt, muss der Makler die Immobilie gut anpreisen und nachteilige Dinge, sofern er zu deren Offenlegung nicht verpflichtet ist, unter den Tisch fallen lassen und die Vorteile eher überbetonen. Natürlich ist diese Tätigkeit, das wird noch unten näher erläutert, nicht die eines Nachweis-, sondern eines Vermittlungsmaklers. Der Kaufinteressent wird berechtigt darauf bestehen, dass der Makler sein Interesse an einem möglichst günstigen Einkauf und auch ansonsten bestmöglichen Konditionen wahrnimmt. Natürlich kann er das nur verlangen, wenn auch hier der Makler als Vermittlungsmakler und nicht als bloßer Nachweismakler tätig ist. Das sind dann eben widerstreitende Interessen, die der Makler gar nicht pflichtgemäß wahrnehmen kann! Und dann soll es ausreichen, dass der Makler dem Verkäufer in seinem Maklervertrag mitteilt, ich bin auch für den Verkäufer tätig? Ein derartiger, kurzer Hinweis soll ausreichen und dann sicherstellen, dass der Makler auch wirklich bestmöglich für den Kaufinteressenten handelt? Die Idee ist meiner Meinung nach geradezu grotesk. Denn in Praxis läuft es doch so. Der Makler kann Immobilien nur anbieten und eine Courtage erwirtschaften, wenn er den Verkäufer bei Laune hält. Dieser hat das Objekt der Begierde und nicht die Kaufinteressenten. Verliert er den Verkäufer, verliert er alles. Verliert der Makler dagegen einen Kaufinteressenten, na und? Es gibt vielleicht noch 100 andere Interessenten. Wessen Interessen wird der Makler daher wohl in der Praxis vertreten? Und dieses daraus erwachsende, überwiegende Interesse dem Verkäufer zu dienen, soll durch einen kurzen Hinweis, möglicherweise als AGB einzustufen, „ich bin auch für den/die Verkäufer tätig“, den Anforderungen von § 654 BGB genügen, um den Provisionsanspruch zu erhalten? Natürlich werden sich dann am Ende des Tages so manche Makler gegenüber dem Kaufinteressenten/Käufer darauf hinausreden wollen, dass sie ihnen gegenüber nur Nachweismakler waren. Aber gibt der vorgelegte Maklervertrag das auch her? Wird oftmals nicht ein völlig anderer Eindruck erweckt?

Sie sehen, vieles hängt zusammen mit der Art der Maklertätigkeit, nämlich ob der Makler auch für den Kaufinteressenten als Nachweis- oder sog. Vermittlungsmakler tätig wird.2)

Aus all diesen Überlegungen ist erkennbar, dass die Abgrenzung und sichere Bejahung der Verwirkung des Maklerlohns gem. § 654 BGB auch für erfahrene Juristen enorm schwierig sind. Es ist immer eine Frage des Einzelfalles. Aber man sollte auf jeden Fall als Kaufinteressent im Auge behalten, dass der Makler nicht vertragswidrig doppelt tätig wird. Im obigen Beispiel bin ich wie selbstverständlich davon ausgegangen, dass der Makler auf beiden Seiten als Vermittlungsmakler tätig ist. Dort ist die Sache, wie angesprochen, äußerst problematisch. Sie sollten daher Ihren Vertrag genau prüfen und dokumentieren, was der Makler eigentlich für zumeist 50 % einer Gesamtcourtage für sie tun will und vor allem, was er dafür tun muss!

Deshalb meine erste Frage an diejenigen meiner Leser, die gekauft haben: Welche Erfahrungen haben Sie gemacht mit der Vorlage eines Maklervertrags, um von Ihnen die Zahlung einer (anteiligen) Provision zu verlangen? Haben Sie einen derartigen Vertrag im Nachgang anwaltlich prüfen lassen oder sind sogar gerichtlich gegen die angebliche Zahlungsverpflichtung vorgegangen? Wenn ja, mit welchem Ergebnis? Hat man Ihnen einen Vertrag als Nachweismakler vorgelegt und wurde das so bezeichnet, oder wurde die Bezeichnung der Maklertätigkeit vielleicht offengelassen und man sprach ganz allgemein von einer Maklertätigkeit?

Eine andere Problematik mit dem neuen Maklerrecht ergibt sich ebenfalls aus dem Umstand, dass die Käufer höchstens 50 % der Gesamtcourtage zahlen müssen. Bislang war es in der Praxis so, dass Verkäufer den Makler als Vermittlungsmakler bestellt hatte, aber mit ihm die Vereinbarung getroffen hatte, dass er seine Provision/Courtage beim Käufer geltend machen müsse. Das steckt meiner Meinung nach derartig tief in den Köpfen der Beteiligten drin, dass viele, wenn nicht gar der überwiegende Teil der Verkäufer alles, ja wirklich alles unternimmt, um von einer eigenen Zahlungsverpflichtung herunterzukommen.
Deshalb sind jetzt viele Möglichkeiten denkbar, wie Makler und Verkäufer im kollusiven Zusammenwirken den Kaufinteressenten ausbremsen und das auch in vielen Fällen tun. Zunächst einmal ist denkbar, dass der Makler und Verkäufer eine zweite Absprache treffen, „Du (Verkäufer) musst mir gar nicht die behauptete Provision bezahlen. Ich begnüge mich mit den 3,7 % des Käufers!“ Ich meine, dem kann man noch relativ leicht dadurch begegnen, wenn man die Auffassung vertritt, dass die Zahlungspflicht des Käufers für seinen Anteil an der Provision erst dann fällig wird, wenn auch der Verkäufer nachweislich seine Pflicht zur Zahlung der Provision erfüllt hat. Man hat also ein Zurückbehaltungsrecht gegenüber dem Makler seine Provision erst dann zu bezahlen, wenn Makler nachweist, dass auch der Verkäufer seinen Anteil nicht nur in Rechnung gestellt bekommen hat, sondern diesen auch tatsächlich und nachweislich bezahlt hat.
Aber was, wenn der Makler dem Verkäufer nach Überweisung der Courtage durch den Käufer seinen Anteil einfach wieder erstattet? Rechtlich und in der Buchhaltung bekommt man dies dadurch in den Griff, dass der Verkäufer zugleich Tippgeber für die Immobilie war und deshalb eine Entlohnung erhält, oder dessen Ehefrau oder Sohn oder Tochter usw. Geben Sie sich doch mal als potenzieller Verkäufer aus und deuten bei jedem Makler, der Ihnen behilflich sein will an, sie würden nicht gern die vollen 50 % Courtage als Verkäufer zahlen wollen. Was der Makler Ihnen da anbieten könne! Sie werden staunen! Da bin ich mir sicher.

Zu dieser Frage nun meine zweite Frage an die Leser: Haben Sie erfolgreich gegenüber Ihrem Makler als Käufer eingewandt, dass zunächst der Nachweis der Zahlung durch den Verkäufer zu erbringen sei? Wurde ein derartiger Einwand ggfls. von Ihnen auch gerichtlich geltend gemacht und waren sie damit erfolgreich, oder sind Sie gescheitert?

Ich wäre Ihnen dankbar, wenn Sie zur Beantwortung der einen oder anderen Frage mir eine E-Mail zukommen lassen würden. Schreiben Sie an:
ra-beckmann@t-online.de
Ich sichere Ihnen absolute Vertraulichkeit zu. Wenn Sie im Zweifel sind, mir aber dennoch eine Nachricht zukommen lassen möchten, senden Sie Ihre Nachricht gern anonym und fügen Sie Dokumente wie Schriftwechsel oder gerichtliche Urteile gern mit geschwärztem Namen und Adresse zu. Mein Interesse gilt vorrangig der Beantwortung der Fragen und dem Umstand, ob eine Tendenz in der praktischen Handhabung des erneuerten Maklerrechts erkennbar ist.
Aber auch ansonsten bin ich an Ihren Erfahrungen im Umgang mit Immobilienmaklern interessiert. Schreiben Sie mir!

Bleiben Sie mir gewogen und vertragen Sie sich 😉

Ihr Ralf Beckmann

FN 1)
https://www.aroundhome.de/immobilienverkauf/maklerprovision/?utm_source=google&utm_medium=sea_non_brand&prid=566&meco=de&utm_id=ga_167-833-1765_10591390211_102725076897_449794683096&vendor_id=ga&account_id=167-833-1765&ad_mt=b&ad_mo=&ad_pm=&ad_pos=&campaign_id=10591390211&adgroup_id=102725076897&ad_id=449794683096&click_id=CjwKCAiA1eKBBhBZEiwAX3gql7jZS-zslslZC9EeA0XGsPt8hdppnd-xoVvYWHTQ8RP5lCxScrogpRoCYvsQAvD_BwE&ad_kw=&ad_nw=g&ad_dev=c&ad_devmod=&utm_campaign=10591390211&utm_term=&utm_content=449794683096&gclid=CjwKCAiA1eKBBhBZEiwAX3gql7jZS-zslslZC9EeA0XGsPt8hdppnd-xoVvYWHTQ8RP5lCxScrogpRoCYvsQAvD_BwE

FN 2)
https://openjur.de/u/125911.html

Beispielfoto mit freundlicher Unterstützung von https://unsplash.com/de/fotos/05XcCfTOzN4


Hund, Katze oder Pferd – ist das kranke Tier auch mangelhaft?

Ein Artikel von Gastautor Rechtsanwalt Armin Müller
Foto von charlesdeluvio unsplash.com

Es kommt immer wieder vor. Sie kaufen einen jungen Welpen und kurz nach dessen Übergabe zeigt sich, dass das Tier krank ist. Dies kann natürlich genauso auch bei Ihrer gerade gekauften Katze oder einem Pferd vorkommen. Als Züchter eines Hundes wird der erste Reflex sein, eine Verantwortung für die Krankheit des Tieres abzustreiten. Als Käufer eines Pferdes fragt man sich dann berechtigt: Haftet der Verkäufer oder Züchter für die tierärztlichen Kosten, eine Kaufpreisminderung usw.?

Man kann viel Streit vermeiden, wenn man zunächst die Sicherheit hat, zu wissen, wofür man als Züchter und Verkäufer haftet oder wo man als Käufer selbst für den Schaden in Form von tierärztlichen Kosten aufkommen muss. Dies soll hier anhand praktischer Überlegungen aus meiner anwaltlichen Praxis dargestellt werden.

Ein erster, wichtiger Punkt ist immer der Zeitpunkt der Übergabe. Sie können einen Kaufvertrag über ein Pferd mündlich oder schriftlich schließen. Dies bedeutet nicht, dass an dem Tag des Vertragsschlusses auch das Tier übergeben wird. Der Tag, an dem dies geschieht, ist der Zeitpunkt der Übergabe. Ab diesem Zeitpunkt beginnt die sog. Gewährleistung zu laufen. Genau zu diesem Zeitpunkt muss die Kaufsache aber auch frei von Mängeln sein. Bezogen auf den Verkauf eines Tieres bedeutet dies, dass das Pferd, der Hund oder die Katze am Tag der Übergabe eben keine Krankheit aufweisen darf.

Tipp: Lassen Sie sich als Käufer eines Tieres immer den Zeitpunkt der Übergabe des Tieres auf Ihrem Exemplar des schriftlichen Kaufvertrags bestätigen.

Wir wollen zunächst einmal von dem Fall ausgehen, dass im Zeitpunkt der Übergabe das Tier äußerlich gesund war. Erst 8 Tage nach der Übergabe zeigen sich deutliche Krankheitssymptome und der Tierarzt stellt am 10. Tag nach Übergabe die Krankheit X fest. Es handelt sich bei X um eine Infektionskrankheit. Dann stellt sich natürlich die Frage: Haftet der Verkäufer oder muss ich die Krankheit und deren Kosten hinnehmen?

Im Falle einer Infektionskrankheit ist dabei die sog. Inkubationszeit zu beachten. Wenn diese im vorgenannten Beispiel mindestens drei Wochen beträgt, muss sich das Tier folglich noch beim Züchter mit der Krankheit X angesteckt haben. Beträgt die Inkubationszeit lediglich ein paar Stunden bis zu 3 Tagen (bspw. Influenza = echte Grippe), dann zeigt bereits der Zeitablauf in meinem Beispiel, dass im Zeitpunkt der Übergabe das Tier diese Krankheit noch nicht hatte.

Die Frage der Inkubationszeit kann dem Züchter als Verkäufer und dem Käufer eines Tieres daher einen ersten Anhaltspunkt dazu geben, ob eine Haftung im Sinne der Gewährleistung infrage kommt.

Tipp: Lassen Sie sich als Käufer eines erkrankten Tieres vom behandelnden Tierarzt nicht nur Rechnungen/Belege für die Behandlung ausstellen, sondern bitten Sie auch um eine schriftliche Bestätigung der Diagnose, die auch die gewöhnliche Inkubationszeit der Erkrankung bestätigt.

Als Verkäufer sollten Sie darauf bestehen, dass eine derartige Bestätigung vom Käufer vorgelegt wird, damit Sie die Berechtigung der Ansprüche des Käufers prüfen können.

Die Beurteilung der Verantwortlichkeit des Züchters/Verkäufers hängt aber nicht nur von der Art und der Inkubationszeit einer Krankheit ab. Viele Züchter/Verkäufer wissen nicht, dass Züchter in Zivilprozessen vom Gericht häufig als „Unternehmer“ angesehen werden. Diese zivilrechtliche Einstufung ist nicht zwangsläufig mit der Frage einer Gewerbeanmeldung, also gewerblicher Tätigkeit als Züchter, identisch. Die Einstufung als Unternehmer ist auch bei Hobbyzüchtern gerichtlich nach meiner Erfahrung eher die Regel als die Ausnahme.

Diese Einstufung führt für den Verkäufer zu der für ihn unangenehmen Folge, dass bei dem Verkauf eines Tieres an eine Privatperson die Beweislast für die Mangelfreiheit des Tieres im Zeitpunkt der Übergabe in den ersten 6 Monaten beim ihm als Verkäufer liegt. Nicht der Käufer muss also das Vorhandensein einer Krankheit im Zeitpunkt der Übergabe beweisen, sondern der Verkäufer muss beweisen, dass eine beim Tier vorhandene Krankheit im Zeitpunkt der Übergabe nicht vorhanden war. Dass überhaupt eine Erkrankung des Tieres vorliegt, muss weiterhin der Käufer beweisen. Für den Käufer ergibt sich aus diesen Überlegungen ein klarer Vorteil für den Fall, dass eine Krankheit innerhalb der ersten 6 Monate auftritt.

Tipp: Als Käufer sollten Sie sich nicht von Formulierungen im Kaufvertrag blenden lassen, die aussagen, dass der Verkäufer/Züchter sich als Hobbyzüchter bezeichnet und deshalb die Gewährleistung für ein Tier grundsätzlich ablehnt.

Achtung: Die Frage, ob ein Fall von Gewährleistung vorliegt oder nicht, hängt von weiteren Faktoren ab, deren Prüfung sie besser einem Rechtsanwalt überlassen sollten.

Wenn Sie sich als Verkäufer bei einer feststehenden Erkrankung auf reine Hobbyzucht berufen wollen, um die o. g. Beweislastumkehr zu vermeiden, fragen Sie ebenfalls bei einem Rechtsanwalt um Rat. Die meisten Züchter/Verkäufer verschlechtern nach meiner Erfahrung ihre rechtliche Ausgangssituation durch eigene Argumentation massiv.

Ferner ist bei erkrankten Tieren zu beachten, dass nicht alle Krankheiten juristisch betrachtet auch Gewährleistungsfälle sind. Eine bei Hunden weit verbreitete Erkrankung wie Hüftgelenksdysplasie (kurz HD) zeigt sich erst nach mehreren Monaten, bspw. im Alter von 12 oder 14 Monaten. Bei einem zwei oder drei Monate alten Tier ist die Krankheit im engeren Sinne noch gar nicht vorhanden. Viele Tierärzte vertreten die Auffassung, dass die HD zumindest überwiegend genetisch bedingt ist. Eine derartige Erkrankung ist aber im Zeitpunkt der Übergabe des Tieres dann juristisch noch nicht vorhanden gewesen. Das Tier war also juristisch im Zeitpunkt der Übergabe mangelfrei. Dass die Krankheit genetisch bedingt angelegt ist, zählt demnach bei der Frage nach Gewährleistung nicht.

Gleichwohl hat der Käufer hier ggf. Anspruch auf Schadenersatz, der sich bspw. in Erstattung von Operationskosten und tierärztlicher Behandlung realisieren kann.

Tipp: Die Durchsetzung von Schadenersatzansprüchen bei genetisch bedingten Krankheiten wie HD oder Patellaluxation ist ungleich schwieriger als die Durchsetzung von Gewährleistungsansprüchen, die auf Infektionskrankheiten beruhen. Als Käufer und Verkäufer sollten Sie sich deshalb unbedingt anwaltlichen Rat einholen, wenn es um derartige Erkrankungen geht.

Beachten Sie unbedingt: Wenn Schadenersatz wegen genetisch bedingter Erkrankungen geltend gemacht wird oder droht, geht es oftmals um sehr hohe Tierarztkosten.

Im Schadenersatz- und Gewährleistungsrecht für Tiere gilt die aus dem Verkehrsunfallrecht bekannte Regel des „wirtschaftlichen Totalschadens“ nicht uneingeschränkt. Bei Tieren kann man nicht erfolgreich argumentieren, dass der Hund nur 1.000 Euro wert sei und deshalb alle 1.000 Euro übersteigenden Kosten nicht zu ersetzen sind. Die meisten Gerichte ziehen die Grenze frühestens bei 5.000 Euro. Umgekehrt bedeutet dies, dass beim gelungenen Nachweis auf Schadenersatz wegen einer genetisch bedingten Erkrankung mindestens 5.000 Euro drohen, sofern diese Kosten angefallen sind oder noch anfallen sollen. Die Grenze wurde aber von einzelnen Gerichten auch höher angesetzt, sodass Klägern durchaus noch höhere Beträge auf Schadenersatz zugesprochen wurden.

Die obigen Ausführungen sollen und können Ihnen nur einen ersten Überblick bei auftretenden Problemen beim Kaufvertrag über Tiere geben. Ist ein Tier krank und die vom Käufer geforderten Kosten für dessen Heilbehandlung „noch“ gering, sollte man überlegen, ob ein Streit auch wirtschaftlich wirklich Sinn ergibt. Auch hier kann eine anwaltliche Erstberatung oftmals helfen, die tatsächliche Rechtslage nüchtern einzuschätzen, um dann zu entscheiden, ob ein Streit juristisch und wirtschaftlich sinnvoll ist.

Es grüßt sie herzlich


Armin Müller
Rechtsanwalt Mönckebergstraße 27
20095 Hamburg
Mail: muellerra@web.de
Internet: https://www.anwalt.de/armin-mueller

Dieser Beitrag erschien zuerst im Jahr 2018 auf der Plattform anwalt.de unter

https://www.anwalt.de/rechtstipps/ist-der-kranke-hund-oder-die-kranke-katze-auch-mangelhaft_144093.html

Ist mein Hund, meine Katze oder mein Pferd richtig versichert? Brauche ich eine Haftpflicht- oder eine Tierhalter-haftpflichtversicherung?

Ein Artikel von Gastautor Rechtsanwalt Armin Müller

Es gibt viele Arten von Versicherungen. Welche benötige ich und gehört eine Haftpflichtversicherung dazu? Muss ich eine spezielle Versicherung haben, wenn ich ein Tier, bspw. eine Katze, Hund oder Pferd halte? Was ist mit meinem Meerschweinchen? Auch das kann Schäden verursachen. Fragen über Fragen, bei deren Beantwortung ich Ihnen heute behilflich sein möchte.

Zunächst einmal zur Unterscheidung. Die private Haftpflichtversicherung deckt alle möglichen Schäden ab, die Sie persönlich oder eines Ihrer Familienmitglieder verursachen können. Dies sind Sach-, Personen- und Vermögensschäden. Nach dem Motto „kleine Ursache, große Wirkung“ empfehle ich aus anwaltlicher Sicht dringend das Vorhalten oder den Abschluss einer privaten Haftpflicht-versicherung. Warum? Fahren Sie mit Ihrem PKW, sind Sie gesetzlich verpflichtet, eine (Kfz-)Haftpflichtversicherung zu unterhalten. Das macht Sinn, denn durch einen kleinen, von Ihnen verursachten Unfall, können erhebliche Werte zerstört werden. Wer hat schon das notwendige Geld auf dem Sparbuch, damit man dem Unfallgegner lebenslang eine Rente zahlt oder auch nur 50.000 Euro Schaden am PKW des Unfallgegners? Es stehen also hohe, finanzielle Risiken auf dem Spiel. Das  ändert sich leider nicht, wenn Sie aus dem PKW aussteigen und als Fußgänger oder Fahrradfahrer unterwegs sind. Ohne eine private Haftpflichtversicherung liegen diese finanziellen Risiken allein bei Ihnen. Da eine derartige Versicherung schon für unter 100 Euro jährlich zu bekommen ist, macht diese Versicherung eindeutig Sinn.

Was bekommen Sie im Gegenzug für Ihr Geld? Die Versicherung versucht, sofern dies Sinn macht, die Ansprüche außergerichtlich abzuwehren oder, wenn Sie berechtigt sind, nur in der Höhe anzuerkennen, wie sie berechtigt sind. Denn auch wenn man grundsätzlich einen Anspruch auf Entschädigung von Ihnen hat, sind nicht alle geltend gemachten Teilforderungen berechtigt oder in voller Höhe berechtigt.
Sollte der Anspruchsteller, so nennt Ihre Versicherung Ihren „Gegner“, nicht mit deren Einschätzung einverstanden sein, steht es ihm frei, seine Ansprüche durch eine Klage gegen Sie geltend zu machen. Anders als bei einer Kfz-Haftpflichtversicherung bleiben Sie allerdings nach außen hin der Anspruchsgegner, d.h. Sie erhalten eine Klage direkt zugestellt und nicht etwa Ihre Haftpflichtversicherung! Aber, keine Angst. Sie leiten die Klage an Ihre Haftpflichtversicherung weiter und diese wird Ihnen dann einen Rechtsanwalt oder eine Rechtsanwältin zur Seite stellen und auch die Kosten dafür übernehmen. Deshalb sind auch in allen privaten Rechtsschutzversicherung Klauseln enthalten, dass diese nicht die Kosten für Ihren Rechtsanwalt übernimmt, sofern es um die Abwehr von Ansprüchen geht. Dafür ist die Haftpflichtversicherung zuständig, die Sie auch aus diesem Grund haben sollten.
Für den Fall, dass Sie die Klage verlieren sollten, wird Ihre Versicherung dann auch alle Kosten der Gegenseite tragen und auch den Betrag, zu dem Sie das Gericht verurteilt, für Sie übernehmen.

Selbiges gilt im Grunde genommen von den Abläufen her auch für eine Tierhalterhaftpflichtversicherung. Aber wann brauche ich die? Benötige ich eine derartige Versicherung, wenn ich eine Katze, einen Wellensittich oder ein Meerschweinchen anschaffe? Die Antwort ist in diesem Fall nein! Sog. zahme Haustiere wie Katze, Meerschweinchen oder Wellensittich benötigen keine gesonderte Versicherung, da diese in der privaten Haftpflichtversicherung mitversichert sind.

Tipp: Wenn Sie Zweifel haben, fragen Sie bei Ihrer privaten Haftpflichtversicherung schriftlich (am einfachsten per E-Mail) nach.

Wenn Sie bspw. noch keine private Haftpflichtversicherung unterhalten, aber bspw. die Anschaffung einer Katze planen, immerhin sind Katzen unsere beliebtesten Haustiere noch vor den Hunden, dann sollten Sie spätestens jetzt auch eine Privathaftpflichtversicherung abschließen. Denn auch die Katze als Freigänger kann durchaus erhebliche Schäden anrichten. Und selbst der sog. Stubentiger kann Schäden anrichten. Oder haben Sie nie Besuch, der von Ihrer Katze empfindlich gekratzt werden könnte? Oder es wird Ihrer Katze die Verursachung eins veritablen Schadens nur vorgeworfen. Ein Beispiel: in meiner anwaltlichen Praxis kommt es immer wieder vor, dass Nachbarn der Katze einer Mandantin oder eines Mandanten vorwerfen, Kratzer im Auto hinterlassen zu haben. Dabei laufen diverse Katzen in der Nachbarschaft frei herum. Also, auch den vermeintlichen (behaupteten) Schaden sollten oder müssen Sie sogar Ihrer privaten Haftpflichtversicherung melden.

Tipp: Grundsätzlich gilt für alle Arten von Haftpflichtversicherungen, es ist nicht Ihre Sache als Versicherungsnehmer, zu prüfen, ob ein Anspruch berechtigt ist oder nicht. Sie riskieren sogar Ihren Versicherungsschutz, wenn Sie sich überlang und mit nachteiligen Folgen selbst an dieser Frage versuchen! Einfach ausgedrückt: wenn jemand an Sie herantritt und meint, dass Sie, ihr Kind oder Ihr Hund oder die Katze einen Schaden verursacht hat, dann melden Sie diesen vermeintlichen Schaden unverzüglich Ihrer Versicherung! Dann und nur dann sind Sie auf der sicheren Seite.

Zurück zur Tierhalterhaftpflichtversicherung. Erst wenn es um Hund oder Pferd geht, dann gibt es eine spezielle Haftpflichtversicherung, die sog. Tierhalterhaftpflichtversicherung. Diese sollte man ebenfalls aus den o.g. Gründen tunlichst abschließen, denn einerseits sind Hund und Pferd eben nicht in der privaten Haftpflichtversicherung mitversichert, aber die Risiken eines erheblichen finanziellen Schadens sind nochmals wahrscheinlicher, als beim Halten einer Katze oder eines Meerschweinchens.  Weil das so ist, gibt es bspw. in einigen Bundesländern inzwischen auch die Verpflichtung, beim Halten eines Hundes eine Tierhalterhaftpflichtversicherung oder Hundehaftpflichtversicherung nachzuweisen.

Nicht, dass wir uns falsch verstehen. Ich bin nicht nebenberuflich für eine Versicherung tätig. Aber das Thema und die daraus erwachsenden finanziellen Folgen wird leider von vielen Menschen immer wieder unterschätzt. Ich habe schon mehrere Mandanten im Laufe meines Berufslebens gehabt, die sich die Kosten für eine Tierhalterhaftpflichtversicherung „erspart“ haben und das bis heute bitter bereuen.

Deshalb möchte ich Ihnen auch noch einen letzten Tipp mit auf den Weg geben. Niemand oder nur wenige Tierhalter denken beim Kauf eines Hundes daran, schon vor der Abholung des Welpen eine Tierhalterhaftpflichtversicherung vorweg abzuschließen. Weil dies so ist, ist bspw. der neu gekaufte Hund eine kurze Zeitspanne oder Übergangszeit in Ihrer privaten Haftpflichtversicherung mitversichert. Sollte der Welpe also  gleich zwei Tage nach der Ankunft bei Ihnen einen Schaden verursachen und noch keine eigene Hundehaftpflichtversicherung haben, besteht die Möglichkeit, dass dieser Schaden noch durch ihre Privathaftpflichtversicherung übernommen wird.

Wenn Sie betroffen sind, holen Sie gern fachmännischen Rat bei mir ein. Ansonsten wünsche ich Ihnen eine möglichst schadenfreie Zeit!

Es grüßt Sie recht herzlich

Armin Müller
Rechtsanwalt

Mönckebergstraße 27
20095 Hamburg Mail: muellerra@web.de
Internet: https://www.anwalt.de/armin-mueller

Wenn der Friseur pfuscht und die Frisur völlig daneben ist – Beispielfall des Amtsgerichts Brandenburg Havel vom Dezember 2022

Das passiert leider. Die Haare sind nach dem Färben mehr lila als blond, die Frisur ist völlig verschnitten oder der Friseur verletzt Sie durch seinen ungeschickten Umgang mit Schere oder fehlerhaftem Einsatz von Chemikalien? Zu diesem Thema hat das Amtsgericht Brandenburg an der Havel im Dezember 2022 ein Urteil gefällt.

Was war passiert? Eine Kundin hatte sich eine neue Haarfarbe gewünscht, aber vor der Behandlung erwähnt, dass Sie auf Ammoniak und Henna allergisch reagieren würde. Den Friseur hat das nicht weiter interessiert, denn er hatte die Kundin in der Folge nicht aufgeklärt, dass derartige Inhaltsstoffe zum Einsatz kommen würden oder im Färbemittel enthalten sein können. Es kam, wie es kommen musste. Das Färbemittel hat allergische Reaktionen bei der Kundin ausgelöst.

Wegen der nicht durchgeführten Aufklärung hat das Gericht eine Schadenersatz- und Schmerzensgeldpflicht zulasten des Friseurs bestätigt. Denn der Friseur hatte es nach den Feststellungen des Gerichts unterlassen, die Kundin nach Ihrem Hinweis auf eine Allergie über Risiken des Einsatzes von Haarfärbemitteln aufzuklären. Der Friseur hätte das Färben grundsätzlich ablehnen müssen. Alternativ  hätte er sich eine schriftliche Einverständniserklärung der Klägerin zur Absicherung möglicher Konsequenzen hätten geben lassen können. Beides  war nicht geschehen.

Deshalb hat das Gericht der Kundin sodann ein Schmerzensgeld von 2.000 Euro zugebilligt, weil diese eine schmerzhafte allergische Reaktion in Form einer Gesichts- und Augenschwellung, sowie ekzematöse Hauterscheinungen im Kopfbereich erlitt.

Ich persönlich halte das Schmerzensgeld für angemessen, wenn man praktische Gerichtserfahrung in diesem Bereich hat. Der Laie ruft „viel zu gering“ angesichts horrender Summen, die Jurys in amerikanischen Serien den Opfern zusprechen. Auch in Köln erging es einer Friseurkundin, die während des Färbevorgangs über ein Brennen auf der Haut klagte, nicht gut. Die Friseurin tat diesen Hinweis mit „das muss so sein“ ab. Tatsächlich hatte die Friseurin die Blondiercreme zu lang einwirken lassen und nach dem Hinweis der Kundin, nochmals 30 Minuten zusätzlich einwirken lassen. Dadurch kam es zu einer Hautverletzung mit starken Schmerzen und einer Infektion, deren Behandlung sich über Monate hinzog. Die schlimmste Folge aber war, dass an einer Hautpartie der Kundin auf natürliche Weise kein Haar mehr nachwächst. Das Gericht war allerdings der Auffassung, dass die kahle Stelle durch das Darüberlegen mit dichtem Haar der Kundin ausreichend verdeckt werden könne und sprach der Klägerin ein Schmerzensgeld von 4.000 Euro zu.

Wenn man nun die beiden Fälle gegenüberstellt und das Schmerzensgeld im ersten Fall für angemessen hält, dürfte m.E. das Schmerzensgeld im zweiten Fall zu gering bemessen sein. Der Hinweis, dass die Kahlstelle am Kopf durch das dichte Haar ausreichend verdeckt wird, ist subjektiv. Das sagt zudem nichts darüber aus, ob das für die weitere Lebenszeit der Kundin auch so bleiben wird, denn Haare können im Alter durchaus dünner werden und die früher gut verdeckte kahle Stelle wird sichtbar. Im Gegensatz zum ersten Fall, ist hier m.E. eine entstellende Dauerfolge eingetreten, die allein eine angemessene Kompensation erfordert.  Also, wenn man die beiden Fälle unter dem Aspekt vergleicht, müsste das Schmerzensgeld im zweiten Fall m.E. um 1.000 bis 1.500 Euro höher liegen.

Aber aus beiden Urteilen können wir lernen, dass man die Leistungen seines Friseurs nicht immer klaglos hinnehmen sollte. Denn grundsätzlich ist das Schneiden der Haare durch den Friseur als Körperverletzung einzustufen, für die der Kunde oder die Kundin im Rahmen des Üblichen seine Einwilligung gegeben hat. Schießt der Friseur über das Ziel hinaus, ist die Körperverletzung als rechtswidrige Handlung des § 823 BGB einzustufen, die nicht mehr von der Erlaubnis gedeckt wird. Jeder wird verstehen, dass die Aufforderung an den Friseur „Bringen Sie bitte wieder Form in die Reste meiner Frisur“ nicht beinhaltet, dass dieser dann mit seiner Schere versehentlich in meine Kopfhaut oder das Ohr hineinsticht. Aber auch die Aufforderung „bitte nur die Spitzen schneiden“ ist zwar nicht eindeutig. Aber aus einer Langhaarfrisur, bei der die Haare bis zwischen die Schulterblätter reichen, dann einen Pagenkopf zu schneiden, sei er auch noch so schön, ist eben nicht von der Einwilligung „nur die Spitzen schneiden“ gedeckt.

Mit derlei Fehlleistungen macht sich der Friseur immer schadenersatz- und schmerzensgeldpflichtig.

Ich wünsche Ihnen jedenfalls allzeit einen Friseurbesuch mit für Sie guten Ergebnissen. Bleiben Sie mir gewogen und vertragen Sie sich 😉

Ihr Ralf Beckmann

Die Garantie oder Gewährleistung. Ist doch eh Jacke wie Hose, oder? Wann ist eigentlich Gewährleistung und wann Garantie der richtige Weg? – Teil 1

Das kommt häufig und bevorzugt bei Online-Käufen vor. Die Ware ist Schrott, funktioniert nicht oder stellt irgendwann nach einem Monat die Funktion ein und der Verkäufer spielt nicht richtig mit? Was ist zu tun und wann ist Gewährleistung und wann Garantie das Mittel der Wahl? Oder ist beides identisch und es gibt nur verschiedene Ausdrücke für ein und dieselbe Sache?

Zunächst einmal die einfachste Antwort. Garantie und Gewährleistung sind nicht identisch und rechtlich etwas völlig Unterschiedliches!

Damit wir uns dem Kern der Sache nähern können, zunächst einmal eine hoffentlich verständliche und verbraucherfreundliche Definition und Erläuterung der Garantie:

Die Garantie beim Verkauf von Waren aus dem Internet oder auch im örtlichen Handel meint zu 99 % ein Versprechen des Herstellers der Ware dem Kunden gegenüber. Meist gilt dieses Versprechen nur, sofern es sich um eine Privatperson handelt, also einen sog. Verbraucher, wie ihn das Bürgerliche Gesetzbuch (kurz BGB) bezeichnet. Es handelt sich dann zumeist um Neuware, die von einem Händler an Sie veräußert, also verkauft wird. Ist das der Fall, kommt grundsätzlich die Garantie (das Garantieversprechen) zum Tragen. Denn, was die Garantie Ihnen für Versprechen oder Leistungen im Fall der Fälle gewährt, ist gesetzlich nur teilweise festgelegt und der Hersteller bestimmt in weiten Teilen seiner Garantieerklärung einseitig, wann und unter welchen Umständen er Ihnen bestimmte Rechte einräumt. Sie sollten daher immer genau in den Verkaufs­unterlagen, die Sie bspw. für Ihren Fernseher bekommen haben, nachsehen, welche Rechte Ihnen der Hersteller für den Fall einräumt, dass das Gerät einen Schaden oder auch Mangel nach dem Kauf hat. Lesen Sie daher die zu Ihrem Gerät gehörende Garantieerklärung des Herstellers aufmerksam. Der große Vorteil der meisten Garantieversprechen der Hersteller sind, dass diese gelten, sofern ein Mangel oder Fehler am Gerät innerhalb der vereinbarten Garantiezeit auftritt. Ist die Garantiezeit bspw. mit zwei Jahren ab Kaufdatum vom Hersteller festgesetzt und innerhalb dieser Zeit tritt ein Fehler auf, können Sie die Garantie gegenüber dem Hersteller geltend machen.
Ein weiterer, großer Vorteil der Garantie des Herstellers ist, dass diese sich zumeist nicht auf den Zeitpunkt der Übergabe der Ware bezieht, sondern Fehler in der gesamten Garantiezeit auftreten können bzw. dürfen. Hier werden viele Laien denken: „Wie, bei meinem Händler habe ich doch zwei Jahre Gewährleistung …“ und interpretieren das so, dass nur innerhalb von zwei Jahren ein Mangel/Fehler an der Ware auftreten muss und schon haftet der Händler. Dies ist leider falsch! Der Zeitraum ist zwar richtig, wenn es sich um Waren (also nicht ein Grundstück oder eine Bauleistung) handelt, nämlich zwei Jahre; § 438 Abs. 1, Nr. 3 BGB. Aber, im Rahmen der Gewährleistung kommt es vorrangig nicht darauf an, wann Sie einen Fehler/Mangel entdecken oder dieser auftritt. Vielmehr muss der Käufer, also Sie, grundsätzlich nachweisen (beweisen), dass der Mangel/Fehler schon bei Übergabe der Sache vorlag; § 434 BGB! Dies nennt man auch Zeitpunkt des Gefahrübergangs. Dazu später noch mehr unter Gewährleistung. Aber bei der Garantie müssen Sie diesen Beweis eben nicht erbringen, sondern es reicht, dass der Fehler während der Garantiezeit auftritt bzw. sich zeigt! Also, ein großer Vorteil für Sie als Kunde.


Die Gewährleistung ist dagegen ein Bündel von Rechten, welches Ihnen das Bürgerliche Gesetzbuch (kurz BGB) als Käufer der Ware gegenüber dem Verkäufer einräumt. Rechte, die sich aus der Gewährleistung ergeben, sind bspw. das Recht auf Minderung oder der Rücktritt vom Vertrag. Dazu verfasse ich noch einen gesonderten Artikel, denn eine Abhandlung über verschiedene Rechte aus der Gewährleistung würde hier den Rahmen sprengen.

Nun noch einmal zurück auf den Zeitpunkt des Gefahrübergangs. Das hatte ich bereits oben kurz unter der Garantie erwähnt. Die meisten Menschen verstehen bereits nicht, dass ein normaler Kauf aus zwei Elementen besteht, dem Grundgeschäft und der Erfüllung. Sie haben zum Beispiel ein TV-Gerät von einem privaten Anbieter gekauft. Zuvor hatte dieser in einem Internetportal eine Anzeige geschaltet. Sie besuchen den Verkäufer in seiner Wohnung und sagen, ich nehme ihn (den Fernseher) für 300 Euro. Der Verkäufer sagt: „ …einverstanden“. Damit ist das Grundgeschäft zustande gekommen. Jetzt geht es an die sogenannte Erfüllung. Sie müssen dem Verkäufer auch 300 Euro geben, so wie vereinbart. Theoretisch hätte man ja auch im Grundgeschäft vereinbaren können, ich komme morgen das TV-Gerät abholen und bezahle dann. Der Verkäufer sagt wieder „einverstanden“.  Dann hat er keinen Anspruch auf das Geld am Tag Ihrer Besichtigung/des Vertragsschlusses, sondern erst am Tag der Abholung! Also, das Grundgeschäft und das Geschäft zur Erfüllung müssen nicht zwangsläufig am selben Tag stattfinden. Im Beispiel wird heute das (Grund-)Geschäft geschlossen und die Erfüllung soll morgen erfolgen.
Da bei Ihrem oben geschilderten Sofortkauf nichts dergleichen vereinbart ist, schulden Sie dem Verkäufer das Geld sofort und umgekehrt schuldet er Ihnen sofort das TV-Gerät! Den Moment, wo die Ware vereinbarungsgemäß den Besitzer wechselt, nämlich vom Verkäufer zu Ihnen, nennen wir auch Übergabestichtag, Übergabezeitpunkt oder den Zeitpunkt des Gefahrübergangs, wie es im Gesetz in § 434 BGB jetzt heißt. Warum nennen wir diesen Zeitpunkt Gefahrübergang? Stolpern Sie auf der Treppe mit dem TV-Gerät und haben es zuvor in der Wohnung des Verkäufers übernommen (Übergabe), dann tragen Sie die Gefahr und das Stolpern und die Zerstörung des TV-Geräts, vielleicht 30 Sekunden nach Übergabe, geht auf Ihre Kappe! Deshalb Gefahrübergang.
Dieser eine, kurze Moment, ist also der entscheidende Zeitpunkt, an dem das Gerät bereits einen Fehler/Defekt/Sachmangel haben muss!
Also anders, als bei der Garantie, wo der Fehler irgendwann innerhalb der vereinbarten Garantiezeit auftreten muss.

Dazu ein weiteres Beispiel: Stellen wir uns vor, Sie haben ein TV-Gerät beim bekannten M-Markt gekauft, bezahlt und in Ihren PKW geladen. Zu Hause angekommen, packen Sie das Gerät aus, stellen es auf, stecken den Netzstecker in die Steckdose, schließen das Antennenkabel an und was passiert? Nichts! Der berühmte Zeitpunkt des Gefahrübergangs war, als der Service-Mitarbeiter Ihnen an der Rampe das Paket mit dem TV-Gerät in die Hände gedrückt hat. Sie müssen nun also beweisen, dass genau in dem Moment das TV-Gerät schon defekt war! Das ist fast unmöglich. Sie wissen Zuhause ja nicht einmal, wieso die blöde Kiste überhaupt dunkel bleibt. Und anders als Sie denken, weiß der Jurist, dass es zumindest möglich ist, dass das Gerät durch einen unsachgemäßen Transport ihrerseits einen Schaden erlitten haben könnte. Beweisen Sie doch bitte, dass Sie das TV-Gerät ganz sanft transportiert haben und deshalb ein Fehler am Gerät unmöglich von Ihnen verursacht sein kann. Folglich das Gerät schon defekt im Karton gelegen haben muss, als der Service-Mitarbeiter Ihnen das Gerät ausgehändigt hat. Auch dies ist nahezu ein Ding der Unmöglichkeit. Wenn sich der M-Markt Ihnen gegenüber also taub gestellt hätte, dann wäre er rein rechtlich gesehen auf ziemlich sicherem Posten gewesen. Zum Glück hat das der Gesetzgeber jedoch bemerkt und schon vor einigen Jahren reagiert. Deshalb gibt es nun § 477 BGB. Kurz gesagt hilft dieser Paragraf Ihnen wie folgt:
Erstens muss es sich um einen Verbrauchsgüterkauf handeln. Wenn der Verkäufer also gewerblicher Händler (Unternehmer im Sinne des BGB) ist und sie als Privatperson gekauft haben, handelt es sich um einen Verbrauchsgüterkauf. Haben Sie beruflich eine Gastwirtschaft und haben das Gerät für die samstägliche Fußballrunde gekauft, haben Sie Pech gehabt, zumindest was die Beweiserleichterung des § 477 BGB anbelangt. Dann fand der Verkauf zwischen Unternehmern statt und nichts ist es, mit der Beweiserleichterung.
Zweitens muss sich der Mangel binnen Jahresfrist (seit dem Kauf) zeigen, was ja bei Ihrer Ankunft direkt nach dem Einkauf beim M-Markt der Fall wäre.
Wenn diese Voraussetzungen vorliegen, wird zulasten des Verkäufers vermutet, dass das Gerät schon bei Übergabe defekt war. Sie müssen folglich nicht mehr beweisen, dass sie sehr vorsichtig gefahren sind und das Gerät einwandfrei transportiert haben. Der Händler muss nun beweisen, dass das Gerät bei Übergabe in Ordnung war, die gesetzliche Vermutung also widerlegen. Kann oder tut der Händler das nicht, gilt die Vermutung und Sie haben Ihre Gewährleistungsrechte. Dann muss der Händler bspw. reparieren (Nacherfüllung) oder später die von Ihnen verlangte Minderung akzeptieren.

Der einfachste und sicherste Weg, seine Rechte als Verbraucher geltend zu machen, ist meiner Ansicht nach der Weg über den Händler/Verkäufer der Ware. Die Rechte sind sicher und  vor allem umfassender. Nur bei äußerst günstigen Bedingungen ist meiner Meinung nach die Garantie des  Herstellers der bessere Weg. Oder für den Fall, dass Ihr Händler nicht mehr existiert oder auffindbar ist, was ja durchaus bei vielen kleinen Online-Händlern vorkommen soll.

Deshalb mein letzter Tipp, wenn Sie bei einem kleinen Händler kaufen, möglicherweise sogar im Internet, sollten Sie immer darauf achten, dass Sie mit der Ware auch die Garantie­erklärung des Herstellers erhalten. Alle großen Hersteller geben solche Garantieerklärungen ab. Verwahren Sie diese zusammen mit Ihrem Kaufbeleg (ja, auch den benötigen Sie häufig für die Geltendmachung der Garantie!) gut und mindestens so lang, wie die Gewährleistung und/oder Garantie andauert. Dann sind Sie auf der sicheren Seite für den Fall, dass nach 18 Monaten Ihr Händler bereits den Geschäftsbetrieb wieder eingestellt hat oder verschwunden ist. Dann haben Sie sozusagen Ihr zweites Standbein, die Garantie des Herstellers. Also, auf jeden Fall besser als ein verschwundener Händler und nur noch theoretisch durchsetzbare Rechte.

Bleiben Sie mir gewogen und vertragen Sie sich 😉

Ihr Ralf Beckmann

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