Kategorie: Kaufen, Reisen & Co für Verbraucher (Seite 4 von 5)

Alles, was der Verbraucher so im Alltag erlebt, kaufen, reisen, Ferienwohnung mieten, Auto vom Nachbarn leihen usw.

Anzeige, Strafanzeige, Strafantrag – Anzeigen, aber richtig!

Vorbemerkungen

Wer kennt das nicht? Man zeigt an, man wird angezeigt und wenn es darauf ankommt, ist man doch etwas hilflos.

Ich erläutere Ihnen nachträglich die Begriffe, sage Ihnen, wie Sie alles richtig einordnen und zum Schluss gibt es noch einige wichtige Tipps aus der anwaltlichen Praxis und Erfahrung.

Und aufgepasst, dass jemand seinen Nachbarn beim Hausmeister anzeigt, weil der Nachbar wieder einmal auf dem Balkon grillt, soll hier kein Thema sein. Hier geht es nur um das Strafrecht!

Also, auf geht’s ….


Die Begriffe

Die Anzeige oder Strafanzeige betrifft immer das strafbare Verhalten einer oder mehrerer Personen.
Um etwas anzuzeigen, müssen Sie nicht zwangsläufig einen persönlichen Bezug zu dem Vorgang haben, also beispielsweise das Opfer sein. Stellen Sie sich vor, Sie sehen, wie eine Person auf der gegenüberliegenden Straßenseite einen Stein in die Glastür eines Blumenladens wirft und dann hineingeht. Sie sind nicht betroffen, weil es ist weder ihr Blumenladen, noch gehört Ihnen das Haus, in dem sich der Blumenladen befindet.
Dennoch können Sie diesen durchaus verdächtigen Vorgang anzeigen. Ihnen kann beispielsweise weder die Staatsanwaltschaft noch die Polizei (wenn Sie dort die Anzeige erstatten) einen Vorwurf machen, wenn sich später herausstellt, dass der Ladeninhaber selbst der vermeintliche Täter war, weil er sein Handy und seine Geldbörse im Laden vergessen hatte und er die Schlüssel nicht bei sich hatte. Es ist schließlich nicht verboten, sein eigenes Fenster, seine Ladentür oder das Schloss seiner Eingangstür zur zerstören oder zu beschädigen, um hineinzukommen. Ihnen könnte man nur einen Vorwurf machen, wenn Sie ganz genau wissen und erkannt haben, dass es der Ladeninhaber ist.

Was lernen wir daraus? Anzeigen oder besser eine Strafanzeige erstatten, kann grundsätzlich jeder. Sie müssen auch keine rechtlichen Schlussfolgerungen auf einen bestimmten Straftatbestand, beispielsweise Diebstahl, Körperverletzung oder etwas anders, erkennen. Es sollte sich mit normalem Menschenverstand eben nur um die vernünftige Möglichkeit handeln, dass es sich um eine Straftat handelt. Sie schildern nur Tatsachen, also alle Dinge, die Sie gesehen, gehört oder sonst wie in Erfahrung gebracht haben. Die rechtlichen Schlussfolgerungen überlassen Sie besser der Polizei bzw. der Staatsanwaltschaft.

Sollten Sie gleichzeitig auch Opfer sein, also der oder die Benachteiligte aus einem möglichen, strafbaren Verhalten, haben Sie natürlich umso mehr das Recht den Vorgang anzuzeigen.

Damit kommen wir auch gleich zum zweiten Begriff, dem Strafantrag. Um diesen stellen zu können, müssen Sie im weitesten Sinne das Opfer sein. Warum? Der Gesetzgeber möchte, dass bestimmte, grundsätzlich strafbare Handlungen nur verfolgt werden, wenn das Opfer ein Interesse an der Verfolgung zeigt. § 223 StGB (Strafgesetzbuch) und § 229 StGB regeln die einfache und die fahrlässige Körperverletzung. Nehmen wir an, der Friseur Ihres Vertrauens hat einen schlechten Tag und sticht versehentlich mit der Schere in ihre Kopfhaut. Es blutet leicht und nach 5 Minuten ist zum Glück alles vorbei. Wenn der Friseur diese Verletzung nicht absichtlich herbeigeführt hat, sondern es war ein Missgeschick (= Fahrlässigkeit), handelt es sich um eine fahrlässige Körperverletzung gemäß § 229 StGB. Eine derartige Bagatelle soll nicht dazu führen, dass jeder Polizist oder Staatsanwalt, der zufällig von diesem Delikt erfährt, tätig werden muss. Dies vielleicht, obwohl sie dem Friseur nicht mehr böse sind und er sich anständig entschuldigt und Ihnen den Preis für diesen Besuch erlassen hat. Denn § 230 StGB legt u.a. fest, dass die Taten des § 223 (einfache Körperverletzung) und § 229 (fahrlässige Körperverletzung) in der Regel nur auf Antrag verfolgt werden (§ 230 Abs. 1, Satz 1 StGB).
Wenn Sie ihren unachtsamen Friseur also doch anzeigen möchten, können Sie das tun, müssen dann aber zugleich erklären, dass Sie wegen der geschilderten Tat „Strafantrag“ stellen. Ansonsten kann die Staatsanwaltschaft in der Regel nichts unternehmen.

Polizei und Staatsanwaltschaft haben verschiedene Aufgaben. Diese im Einzelnen zu erläutern, würde zu weit führen. Aber grundsätzlich können Sie jede Straftat bei der Polizei zur Anzeige bringen. Eine bestimmte Form müssen Sie nicht einhalten. Sie können anrufen, es schriftlich oder per E-Mail machen oder dort vorbeigehen und ein Polizeibeamter nimmt Ihre Anzeige auf. Grundsätzlich bin ich bei möglichen Delikten, bei denen nicht besondere Eile geboten ist, für die schriftliche Anzeige bei der Staatsanwaltschaft. Beispiel Friseur und sein Missgeschick. Was soll Nachteiliges passieren, wenn Sie die Sache einen Tag überdenken und sich dann erst entscheiden, die Tat anzuzeigen und dann Strafantrag zu stellen? Richtig, nichts! Sie kennen den Friseur, seinen Namen und seine Adresse. Sie haben hoffentlich ein paar Zeugen, die auch im Salon waren, parat? Dann ist die schriftliche Anzeige, verbunden mit einem Strafantrag wohl die beste Idee. Sie können in Ruhe Ihre Gedanken zu Papier bringen und müssen nicht im Gang einer Polizeiwache lange warten. Wollen Sie dagegen im Beispiel „Stein in die Glastür des Blumenladens“ die mögliche Tat anzeigen, ist ausschließlich der Griff zum Mobiltelefon die richtige Wahl. Sie kennen den vermeintlichen Täter nicht, Ihnen ist nicht zuzumuten, dass Sie sich einmischen und wenn die Polizei erst am nächsten Tag kommt, macht es auch keinen Sinn, oder? Also, anrufen und schildern, was passiert ist. Die Polizei möchte in aller Regel zuerst Ihren Namen und Rufnummer wissen. Dann sollten Sie sagen, wo Sie sich befinden. Dann können Sie schildern, was gerade passiert und was Sie bisher beobachtet haben.

Die Regel lautet demnach, dass bei Eilbedürftigkeit die Polizei hinzugezogen wird. Bei bereits erledigten Sachen, wie der Verwundung am Kopf durch den Friseur, schreiben wir direkt an die Staatsanwaltschaft. Warum? Weil die Staatsanwaltschaft mögliche Straftaten verfolgt. Die Polizei ist nur Helfer und ermittelt als verlängerter Arm der Staatsanwaltschaft. Deshalb am besten bei Vorgängen, die bereits erledigt sind, die Anzeige dort erstatten, wo sie ehedem am Ende bearbeitet wird, nämlich bei der Staatsanwaltschaft.


Praxistipps

Erster Tipp:
Wenn Sie sich entschließen eine Anzeige zu erstatten, egal ob Sie Opfer oder nur Zeuge/Zeugin sind. Schreiben Sie ein Gedächtnisprotokoll! Sie glauben nicht, wie schnell die Erinnerung verblasst und man wichtige Details vergisst oder einfach ausblendet. Das kommt schon automatisch durch Ihre Verhalten nach der beobachteten Tat zustande. Für Sie ist die Beobachtung einer Straftat außergewöhnlich. Man redet also oft zeitnah mit Freunden und Bekannten darüber. Dadurch werden die Hinweise und Kommentare der Freunde ganz automatisch mit Ihren Beobachtungen vermischt. Und schon bekommt man keine objektiv präzise Aussage mehr zustande. Das Prinzip funktioniert eigentlich bei allen Menschen so. Nur der eine braucht weniger Input und der andere mehr, damit seine eigene Erinnerung verwässert wird. Deshalb ist ein Gedächtnisprotokoll, erstellt, bevor Sie mit Gott und der Welt über die Sache reden, die beste Methode, um seine eigene Wahrnehmung zu sichern.
Außerdem, wenn Sie beispielsweise am Folgetag zur Polizei gehen, um Anzeige zu erstatten oder diese bei der Staatsanwaltschaft schriftlich einreichen, fügen Sie einfach eine KOPIE des Gedächtnisprotokolls bei und schon ist fast alles erklärt.

Polizisten haben mit diversen Vorgängen und Straftaten täglich zu tun und vergessen die vielen hundert Vorgänge sehr schnell. Sind sie dann Zeuge in einem Strafprozess, nehmen Sie Ihre Notizen zur Hand. Dann erklären Sie, dass Sie sich nur noch blass oder gar nicht an den Vorgang erinnern. Aber sie haben die Notizen, die sie unmittelbar nach dem Hinzukommen angefertigt haben. Das akzeptieren Gerichte ständig. So können Sie es aber auch machen! Das ist kein exklusives Recht von Polizeibeamten.
Wenn Sie 1 Jahr nach einer Tat vor Gericht als Zeuge erklären, dass Sie sich nicht mehr an alle Details erinnern, aber Ihr Gedächtnisprotokoll vom Tag der Tat dabeihaben und zur Auffrischung Ihres Gedächtnisses dort hineinschauen, wird allenfalls der Rechtsanwalt/Verteidiger des Täters Einwände haben. Das Gericht und die Staatsanwaltschaft werden hocherfreut sein, glauben Sie mir.
Sie müssen in so einem Gedächtnisprotokoll am besten folgende Dinge notieren:
– wann haben Sie das Protokoll angefertigt
– wo war die Tat oder der beobachtete Vorgang
– Uhrzeit
– Anzahl der Beteiligten, am besten mit einer Beschreibung, wenn Sie die Person/en nicht mit Namen und Adresse kennen. Wenn Sie die Beteiligten kennen, Name und Adresse, soweit Ihnen bekannt
– kurze, sachliche Schilderung des Vorgangs ohne diesen zu werten

Und noch ein Tipp:
Wer nicht am PC oder Tablet eintippen will und bei der Beobachtung sein Smartphone zur Hand hat. Einfach eine Sprachaufzeichnung machen! Wenn Sie den Audiorecorder nicht finden, schicken Sie einfach eine Sprachnachricht an Ihren Ehemann/Ehefrau oder Freund/Freundin mittels WhatsApp. Die Audio-Datei können Sie dann der Polizei oder Staatsanwaltschaft auf Anforderung zur Verfügung stellen. Jedenfalls dürfte es die beste und glaubhafteste Methode sein, um das unmittelbar Gesehene irgendwie festzuhalten.
Aber Achtung:
Von Video oder Audioaufzeichnungen des eigentlichen Tatgeschehens rate ich aus mehreren Gründen ab. Erstens ist es verboten, Audioaufzeichnungen ohne Einwilligung der Beteiligten zu machen, wenn diese „nicht öffentlich sprechen“. Sie müssten also im Falle eines Videos ohne Ton filmen, § 201 StGB. Ja, ich weiß, liebe Kollegen, wer in der Öffentlichkeit/Fußgängerzone herumbrüllt, der spricht wohl öffentlich. ABER! Sobald Tatbeteiligte merken, dass sie gefilmt werden, kann sich das Blatt schnell wenden und Sie sind nicht mehr Zeuge, sondern plötzlich auch Opfer! Deshalb sollten Sie gut überlegen, ob Sie frisch und munter Ihr Smartphone hochhalten und filmen.


Letzter Tipp:
Natürlich kommt es vor, dass auch Sie in eine Auseinandersetzung im weitesten Sinne hineingezogen werden können. Wechselseitige Beleidigungen im Straßenverkehr, man hat einen Unfall oder streitet um die Parklücke. Ein Hund beißt den anderen und es geht hoch her.
Viele Menschen haben bei oder nach Auseinandersetzungen und Meinungsverschiedenheiten oftmals eine „Beißhemmung.“ Will sagen, man sagt sich: „Lass denn Id… doch machen, was er will. Ich geh‘ weiter und habe meine Ruhe.“ So mancher Mandant hat sich dann aber gewundert, dass ihm einige Tage später eine Vorladung der Polizei ins Haus flatterte, weil der Gegner einer verbalen Auseinandersetzung seine Ankündigung „Ich zeige Dich an!“ im Gegensatz zu Ihnen in die Tat umgesetzt hat. Dann ist, wie man so schön sagt, Holland in Not. Erster Reflex des angezeigten Mandanten war fast immer, den zeigen wir jetzt auch an. Dann steht es 1:1 und nix passiert. Ja, manchmal. Meine Erfahrung ist, dass der zuerst Anzeigende immer einen kleinen Vorsprung genießt. Meistens wird die Gegenanzeige als Versuch gewertet, von eigenem, strafbarem Verhalten abzulenken und so den Fall zu drehen. Man sollte sich also gut überlegen, ob man nicht besser der Schnellere bei der Anzeige sein sollte! Gerade im Straßenverkehr können einfachste Delikte, wie Beleidigungen, Nötigung usw. schnell zu einer unerbittlichen Staatsanwaltschaft führen. Und dann, wenn sich derartige Delikte auch noch im Zusammenhang mit dem Straßenverkehr abgespielt haben, wackelt womöglich auch noch die Fahrerlaubnis! Ja, im Supermarkt einem an der Kasse drängelnden Menschen kurz mal eine Beleidigung an den Kopf werfen, zieht meist keine großartigen Folgen nach sich. Probieren Sie das gern einmal aus, wenn Sie Fahrrad fahren, also auch etwas tun, was mit dem öffentlichen Verkehr zu tun hat. Ruckzuck kommt nach der Anzeige die Vorladung und selbst als Fahrradfahrer ist bei strafbarem Verhalten der Führerschein ein Thema.

Deshalb sollten Sie immer gut überlegen, ob Sie nicht besser in die Offensive gehen und selbst Anzeige erstatten, bevor es der „Gegner“ tut. Dies rate ich insbesondere bei Auseinandersetzungen im Straßenverkehr immer an. Sonst kann es ein böses Erwachen geben. Im Zweifel sollten Sie hier aber eine erfahrene Rechtsanwältin oder einen Rechtsanwalt aufsuchen und sich professionellen Rat holen. Die Kosten für eine strafrechtliche Verurteilung, möglicherweise inkl. Fahrerlaubnisentzug sind viel höher.

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Ihr Ralf Beckmann Das Beispiel-Foto wurde mit Dank von Bermix Studio auf Unsplash zur Verfügung gestellt.

Radfahrer frei – was heißt das?

Vorbemerkung
Neulich war ich wieder einmal mit dem Rad unterwegs. Da ich nicht gerade langsam fahre, befuhr ich die Straße auf der rechten Straßenseite auf der Fahrbahn der PKW. Auf der linken Straßenseite (in meiner Fahrtrichtung gesehen), befindet sich an der Stelle auch ein kombinierter Fuß-/Radweg, dachte ich!

Dann überholte mich ein Linienbus langsam. Der Fahrer rief durch das offene Seitenfenster, ich solle doch den Radweg benutzen und nicht die Fahrzeuge auf der Fahrbahn behindern. Er machte ein Gesicht, als sei ich zu dumm oder zu faul einen vorgeschriebenen Radweg zu nutzen. Ich war irritiert, da an der betreffenden Stelle sehr häufig Radfahrer mit dem Rennrad oder Mountainbike auf der Fahrbahn unterwegs sind.


Was gilt wirklich?
Die vom Busfahrer gerufene Mitteilung „nutze doch den Radweg“ ist definitiv falsch. Denn der vermeintliche Fuß- und/oder Radweg war mit dem oben ersichtlichen Verkehrszeichen und Zusatzzeichen gekennzeichnet.

Was bedeutet dies aber?

Zunächst bedeutet dies, dass es sich um einen Gehweg handelt. Ende der Geschichte, könnte man dem Busfahrer zurufen. Aber warum? Er meinte durch seinen Zuruf indirekt, dass es quasi eine Pflicht für Radfahrer gäbe, dort und nicht auf der Fahrbahn zu fahren. Falsch, denn es handelt sich eben um einen Gehweg. Natürlich dürfen dort auch Radfahrer fahren, aber sie sind quasi nur Gast auf dem Gehweg! Dies führt zu zwei Dingen. Erstens bleibt der Gehweg auch durch das Zusatzzeichen ein Gehweg. Zweitens dürfen Radfahrer dort, wenn sie den Gehweg nutzen, nur Schrittgeschwindigkeit fahren. Das war eigentlich nicht das, woran ich gedacht hatte. Drittens dürfen sie dort fahren, aber sie müssen nicht! Nur wenn ein echter Radweg vorhanden ist, führt das zur Pflicht diesen zu nutzen. An der betreffenden Stelle gibt es aber keinen Radweg, sondern eben nur einen Gehweg, auf dem Radfahrer in Schrittgeschwindigkeit geduldet sind.

Also, lieber Busfahrer. Das zeigt, dass ein langes Leben als Busfahrer mit wahrscheinlich erfolgreicher Fahrpraxis nicht zwingend dazu führt, dass man noch alle Verkehrsregeln parat hat und sicher beherrscht.

Deshalb mein Rat: ein toleranter und verständnisvoller Umgang aller Verkehrsteilnehmer untereinander hilft enorm. Bevor man belehrend und oberlehrerhaft den Zeigefinger hebt, sollte man sich lieber vergewissern, dass man die Verkehrsregeln wirklich beherrscht. Und viel wichtiger. Was macht es eigentlich auf einer wenig befahrenen Straße aus, wenn ich als PKW-, LKW- oder Busfahrer mal für 10 bis 30 Sekunden hinter einem „langsamen“ Radfahrer herfahre, um dann mit genügend Abstand überholen zu können? Meine Antwort: nichts!

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Ihr Ralf Beckmann

Baustelle, Eltern haften für Ihre Kinder! Stimmt das? Ein Beispiel aus der Rechtsprechung: OLG Oldenburg, Pressemitteilung vom 22.05.2023

Vorbemerkungen
Häufig sieht man auf bzw. am Eingang zu Baustellen Schilder mit sinngemäß folgendem Text: „Achtung Baustelle – Eltern haften für Ihre Kinder“

Als Volljurist und ehemaliger Rechtsanwalt mit langer Prozesserfahrung im Schadenersatzrecht muss man da zumeist etwas schmunzeln. Warum, weil diese Hinweise niemanden binden und das Baustellenschild nur selten und dann nur halb zutreffend ist.


Warum haften Eltern für Ihre Kinder – Haften Kinder nicht selbst?
Zunächst einmal zu den Kindern. § 828 BGB legt fest, dass Kinder, das Gesetz sagt hier Minderjährige, bis zur Vollendung des 7. Lebensjahres überhaupt nicht haften; § 828 Abs. 1 BGB.

§ 828 Abs. 2 BGB legt fest, dass ein Kind mit vollendetem 7. Lebensjahr, das aber noch nicht das 10. Lebensjahr vollendet hat, für den Schaden, den es einem anderen zufügt, nicht haftet, wenn dies im Zusammenhang mit einem Kraftfahrzeug, einer Schienen- oder Schwebebahn steht. Ausnahme, dass Kind begeht die Tat vorsätzlich!

Und Abs. 3 von § 828 BGB bestimmt, dass alle anderen Minderjährigen (also bei Tatbegehung oder zum Unfallzeitpunkt unter 18-jährigen), deren Haftung nicht nach Abs. 1 oder 2 ausgeschlossen ist, nur haften, wenn er oder sie bei Begehung des Schadens die erforderliche Einsichtsfähigkeit hatten. Oder umgekehrt ausgedrückt: Minderjährige, die bei der Begehung der schädigenden Handlung nicht die zur Erkenntnis der Verantwortlichkeit erforderliche Einsicht hatten, haften nicht.

Damit ist zunächst einmal klar, dass ein Kind, so nenne ich die Minderjährigen jetzt hier der Einfachheit halber, nur beim Erreichen eines bestimmten Alters haften.
Anders ausgedrückt sagt § 828 BGB, dass Kinder unter sieben Jahren nie haften! Steht die Schädigung im Zusammenhang mit einem Kfz, Schienen- oder Schwebebahn, wird die Haftungsfreistellung bis zum vollendeten 10. Lebensjahr angehoben, sofern kein Vorsatz vorliegt. Ansonsten haften alle Kinder ab dem vollendeten 7. Lebensjahr, wenn sie die bei Begehung der schädigenden Handlung erforderliche Einsicht zur Verantwortlichkeit hatten.
Hierzu ein Beispiel: Einem 14-jährigen, der mit Pfeil und Bogen in einem öffentlichen, belebten Park Schießübungen macht und dabei einen Passanten verletzt, wird man in aller Regel die Einsichtsfähigkeit in sein gefährliches Tun unterstellen dürfen. Also haftet dieses Kind oder Jugendliche persönlich.

Nun kommt das große ABER in Form von § 832 BGB. Denn beispielsweise die Eltern können für die Verletzung der sog. Aufsichtspflicht haften. Haftet das Kind aus einem der o.g. Gründe wegen § 828 BGB nicht, kann der Geschädigte von den Eltern als „Aufsichtspflichtigen“ Schadenersatz verlangen. Ob jetzt die Eltern haften, wenn der 6-jährige mit einem Nagel die Autotür des Nachbarn zerkratzt, hängt vom Einzelfall ab. Jedenfalls müssen sich die Eltern dann entlasten. Also nachweisen, wie Sie die Aufsicht über den Sohnemann geführt haben. Hier sollten Sie sich im Fall der Fälle auf jeden Fall anwaltlich beraten lassen, denn jeder Fall liegt anders.  Ich kann Ihnen nur sagen: Wenn der Sohnemann zuvor schon dreimal mit einem Nagel an den Autotüren anderer Nachbarn hantiert hat, wird es extrem schwer nachzuweisen, dass man seiner Aufsichtspflicht nachgekommen ist.


Und das OLG Oldenburg?
Das hatte den Fall einer Großmutter zu verhandeln, die von Ihrem 2½-jährigem Enkel mit dem PKW der Mutter angefahren und verletzt wurde. Wie war das möglich? Die Mutter setzte den Sohn in den Kindersitz auf dem Beifahrersitz, schnallte ihn aber noch nicht an. Den Autoschlüssel hatte sie auf das Armaturenbrett gelegt. Der Filou krabbelte aus dem Kindersitz, steckte den Schlüssel in das Schloss und startete den Wagen. Dieser machte einen Satz nach vorn und verletzte die Großmutter. Die Krankenkasse und nicht die Großmutter verlangte nun von der Mutter wegen der Verletzung der Aufsichtspflicht die ärztlichen Behandlungskosten für die Großmutter erstattet.

Wir wissen bereits, der kleine Mann ist nicht deliktsfähig und haftet nicht für seine Tat, weil unter sieben Jahren alt. Aber hatte die Mutter der Aufsichtspflicht genügt? Das Landgericht hatte die Klage noch abgewiesen, weil die sog. Kausalkette derart ungewöhnlich und unvorhersehbar war, dass die Mutter nicht mit einer Verletzung der Großmutter rechnen musste. Das OLG sah dies anders. Kleinkinder bedürften der ständigen Aufsicht, meinte das OLG. Erfahrungsgemäß griffen Kinder zu umherliegenden Gegenständen wie Schlüsseln und versuchten sie dann in Schlösser zu stecken. Also, hätte die Mutter das Kind anschnallen und die Fahrzeugschlüssel mitnehmen müssen. Andernfalls hätte sie die Aufsicht einer anderen Person (die Großmutter?) übertragen müssen.
Ich sehe die Argumente des OLG eher kritisch. Einfach mal so in den Raum stellen, dass 2½-jährige Kinder nach Schlüsseln greifen und diese dann zielsicher in das Schloss des Fahrzeugs stecken? Aber musste man damit rechnen? Ich denke dann andererseits, wer Kinder hat weiß, dass man mit allem Blödsinn dieser Welt rechnen muss. Also, die Mutter hat vielleicht ein Ding zu viel falsch gemacht. Das Kind nicht angeschnallt, keine Aufsicht und dann noch die Schlüssel im PKW zurückgelassen? Wie man sieht, kann man es wohl so oder so sehen. Denn das OLG war die Berufungsinstanz. Das Landgericht hatte die Klage der Krankenkasse zuvor noch abgewiesen.

Aber, aus dem Fall wird die finanzielle Gefahr für die Mutter deutlich. Es reicht eben nicht, wenn verletzte Mutter/Großmutter sich sagt, ich verklage  doch nicht meine eigene Familie. Denn die Ansprüche der Mutter/Großmutter wegen der ärztlichen Behandlungskosten gehen kraft Gesetzes auf die Krankenkasse über. Die Großmutter mag ihren Enkel und die Tochter vielleicht nicht verklagen. Die Krankenkasse hat da weniger Mitleid.

Deshalb sollten wir stets gut auf die kleinen Racker achtgeben. Wo kein Schaden, da kein Kläger!
Und zu guter Letzt wissen wir auch noch, „Eltern haften für Ihre Kinder“ gilt nur manchmal. Das Baustellenschild hat also nur zeitweilig recht. 

Bleiben Sie mir gewogen und vertragen Sie sich 😉

Ihr Ralf Beckmann

OLG Oldenburg, die Pressemitteilung vom 22.05.2023

Das Beispiel-Foto wurde mit Dank an Silvia Brazzoduro zur Verfügung gestellt auf Unsplash.com

Pressemitteilung Landgericht Frankfurt – Klage gegen Impfstoffhersteller

05.04.2023 Landgericht Frankfurt am Main Pressemitteilung

Das Landgericht Frankfurt teilt in einer Presseerklärung vom 05.04.2023 mit, dass eine Privatperson in einem Zivilprozess gegen den Hersteller eines Impfstoffes gegen das SARS-CoV-2-Virus klagt. Die Klägerin behauptet, sie habe durch die Verabreichung des Vakzins einen Herzschaden erlitten. Außerdem leide sie seit der Impfung an Leistungseinbußen und Konzentrationsstörungen. Das Aktenzeichen des Landgerichts Frankfurt in diesem Verfahren lautet: 2-12 O 264/22.

Das Landgericht hat den Termin zur mündlichen Verhandlung für

Freitag, den 07. Juli 2023, 10 Uhr,

angesetzt. Nach Mitteilung des Gerichts sind keine Zeuginnen oder Zeugen geladen worden. Die zuvor bestimmten Termine am 15. März 2023 und 28. April 2023 wurden aufgehoben. Wie das Landgericht weiter mitteilt, ist am nunmehr angesetzten Verhandlungstag noch nicht mit einem Urteil zu rechnen.

Eigene Anmerkungen:

Sofern es sich bei dem Termin am 7. Juli um den ersten Termin zur mündlichen Verhandlung handelt, ist völlig normal, dass noch kein Urteil zu erwarten ist. Nach meiner Erfahrung wird der beklagte Hersteller naturgemäß das Vorhandensein eines Herzschadens und die Leistungseinbußen und Konzentrationsstörungen der Klägerin bestreiten. Diese wird in dem weiteren Verlauf des Verfahrens zunächst diese Einschränkungen gesundheitlicher Art beweisen müssen. Dies geschieht vermutlich und wie üblich mittels eines Sachverständigengutachtens. Der beklagte Hersteller wird aber auch einen kausalen Zusammenhang zwischen den gesundheitlichen Einschränkungen der Klägerin und der Verabreichung des Vakzins bestreiten. An dieser Stelle wird es dann für den informierten Juristen spannend. Sieht das Gericht die volle Beweislast für diesen Zusammenhang bei der Klägerin, oder lässt es gelten, dass nur erste Beweise oder Beweisanzeichen durch die Klägerin zu erbringen sind und es dann Sache des Beklagten Herstellers ist, diese ersten Vermutungen zu widerlegen? Im ersten Fall müsste ein Sachverständiger zur Überzeugung des Gerichts darlegen und bestätigen, dass die Klägerin die behaupteten gesundheitlichen Einschränkungen hat, diese vor der Verabreichung des Vakzins frei von diesen Einschränkungen war und ein ursächlicher Zusammenhang zwischen der Verabreichung des Vakzins und den Gesundheitsschäden besteht. Mithin, diese Gesundheitseinschränkungen auf das Vakzin zurückzuführen sind. Sollte das Gericht die volle Beweislast bei der Klägerin sehen, wird es für diese enorm schwer ein positives Urteil zu erstreiten.
Selbst wenn dies zugunsten der Klägerin geschehen sollte, ist m.E. mit der Einlegung der Berufung durch den beklagten Hersteller zu rechnen. Da muss man keine bösen Absichten dahinter vermuten. Nur, dürfte ein positives Urteil für die Klägerin im Falle der Rechtskraft derartige Signalwirkung ausstrahlen, dass der Hersteller gar nicht anders kann als alle rechtlichen Mittel auszuschöpfen.

Ich werde versuchen, über den weiteren Verlauf des Verfahrens zu berichten.

Bleiben Sie mir gewogen.

Ihr

Ralf Beckmann

Pressemitteilung des Landgerichts Frankfurt zur Klage gegen Impfstoffhersteller

Beispielfoto von Daniel Schludi auf Unsplash – Vielen Dank!

Sie haben Gläubiger, die bei Ihnen oder einem Familienmitglied pfänden möchten? – Dann sind die neuen Pfändungstabellen für Sie wichtig!

Was sind überhaupt „Pfändungstabellen“ und wozu benötigt man sie? Grundsätzlich muss man wissen, dass der Gesetzgeber in Deutschland ein Grundprinzip verfolgt. Durch die privaten Angelegenheiten zwischen einem Gläubiger und einem Schuldner (hier sind natürlich auch weibliche Schuldner und weibliche Gläubiger gemeint), soll es nicht zu einer derartigen Geldnot beim Schuldner kommen, dass der Staat für den Unterhalt des Schuldners aufkommen muss. Allein zu diesem Thema könnte man sicher ein Buch schreiben. Weil der Staat aber möchte, dass es aus diesem Grund nur zu Pfändungen oberhalb der notwendigen Mittel zur Lebenshaltung kommt, gibt es § 850c ZPO (dieser Link verweist bis zum 01.07.2023 auf die bis dahin geltende Version des § 850c ZPO). Dieser legt die Grenzen dessen fest, was unpfändbar ist bzw. dem Schuldner pro Tag, pro Woche oder pro Monat noch von seinem Einkommen verbleiben muss. Dabei kommt es darauf an, ob der Schuldner nur sich allein oder weitere Personen zu versorgen hat. Wer also mit seinem Einkommen zwei Kinder und eine Ehefrau unterhalten muss, dem verbleibt ein deutlich höherer Betrag, als einem alleinlebenden Schuldner ohne Unterhaltspflichten.

Diese Grenzen dessen, was einem Schuldner bei einer Pfändung verbleiben darf, sind verbal mit einzelnen Beträgen in § 850c ZPO erläutert. Damit man nicht ständig rechnen muss, gibt es dazu eine passende Tabelle, in die diese Beträge bereits errechnet aufgenommen wurden; eben die sog. Pfändungstabellen.


Welche neuen Pfändungsfreigrenzen gelten nun ab dem 01.07.2023?

Bitte beachten Sie. Die hier übermittelten Zahlen sind dem Bundesgesetzblatt entnommen. Dennoch kann und werde ich keine Haftung für eventuell fehlerhaft übermittelte Zahlen übernehmen.

Zunächst einmal gilt, dass eine Person oder ein Schuldner, der sein Einkommen nur für sich zur Verfügung hat, bis zu einem monatlichen Nettolohn von 1.409,99 Euro pfändungsfrei ist. Damit ist gemeint, dass ein Arbeitgeber, bei dem als sog. „Drittschuldner“ der Lohn des Schuldners gepfändet wird, dem Gläubiger bis einschließlich einem Nettolohn von € 1.409,99 keinen Cent abführen muss. Zeigt Ihre Lohnabrechnung dagegen einen Endbetrag von € 1.410,00, also einen CENT mehr als bei dem o.g. Freibetrag, muss der Arbeitgeber davon € 5,40 monatlich an den Gläubiger abführen.

Haben Sie dagegen eine weitere Person, sei es die Ehefrau oder den Ehemann oder ein Kind wirtschaftlich mitzuversorgen, erhöht sich der Freibetrag auf € 1.939,99. D.h., bis zu diesem Betrag wird kein Lohn von Ihrem Arbeitgeber an den Gläubiger abgeführt. Erst ab einem Nettoverdienst von € 1.940,- wird ein Betrag von € 4,98 einbehalten und an den pfändenden Gläubiger abgeführt.

Letztes Beispiel, Sie haben einen Ehepartner und ein Kind zu versorgen, dann erhöht sich der Freibetrag auf € 2.229,99 und ab einem Nettolohn von € 2.230 wird erstmals ein Teilbetrag von € 2,38 von Ihrem Arbeitgeber an den Gläubiger abgeführt.

Ich habe die Tabelle aus dem Bundesanzeiger mit allen Beträgen nachfolgend eingekürzt und nur die Beträge aufgeführt, für die noch bis zur nächsten Stufe auf pfändungsfreie Beträge verweisen.

Pfändungstabelle Juli 2023 kurz

Mein Tipp, wenn Sie Lohn beziehen, der sich aus verschiedenen Komponenten zusammensetzt, beispielsweise neben dem eigentlichen Lohn noch Auslöse für die Übernachtung außerhalb, Spesen etc. pp., sollten Sie sich genau erkundigen, ob nicht bestimmte Lohnanteile dem Pfändungsschutz unterliegen. Auch können Sie Ihren Arbeitgeber nicht dazu zwingen, in Ihrem Sinne zu rechnen. Sie müssen als Schuldner eigene Rechtsmittel gegen die „fehlerhafte“ Abrechnung ergreifen.

Unten finden Sie noch den Link zum Bundesgesetzblatt, wo Sie den Gesetzestext und die vollständige Tabelle finden. Bleiben Sie mir gewogen und vertragen Sie sich 😉

Ihr Ralf Beckmann

Bundesgesetzblatt 850c ZPO


Bundesgerichtshof entscheidet: kein staatlicher Schadenersatz für Friseurgeschäfte anlässlich von Schließungen in der Corona-Pandemie (COVID-19-Pandemie)

Vorbemerkungen
Sie sind Friseur oder Friseurin und sind stolzer Besitzer eines eigenen Friseurgeschäfts oder arbeiten selbstständig als Friseur? Dann sollten Sie das neueste Urteil des Bundesgerichtshofs (kurz: BGH) vom 11.05.2023 – Az. III ZR 41/22 – kennen. Es verwehrt bzw. schließt staatlichen Schadenersatz für getroffene Maßnahmen nämlich konsequent aus.


Hintergrund des Urteils
Es geht um eine Frau, die einen Frisörsalon betreibt und zunächst wohl 9.000 Euro Soforthilfe vom Land bekam, die sie allerdings nun wohl zurückzahlen muss. Deshalb klagte sie auf Schadenersatz, weil ihr Geschäft vom 23. März bis zum 4. Mai 2020 geschlossen war. Mit ihrer Klage fordert sie insgesamt 8.000 Euro Schadenersatz vom beklagten Bundesland.

Da sie in den Vorinstanzen wohl scheiterte, gelangte der Fall zum Bundesgerichtshof.


Argumente des BGH
Leider ist der vollständige Text des Urteils noch nicht in der Datenbank des BGH abrufbar. Einige Einzelheiten aus der Argumentation des BGH sind aber bekannt geworden:

Grundsätzlich sollen Gewerbetreibende, die im Rahmen der Bekämpfung der COVID-19-Pandemie durch eine rechtmäßig angeordnete Schutzmaßnahme, insbesondere die der Betriebsschließung oder Betriebsbeschränkung, wirtschaftliche Einbußen erlitten haben, weder nach Vorschriften des Infektionsschutzgesetzes, noch nach allgemeinen Polizei- und Ordnungsrecht und auch nicht kraft Richterrechts Anspruch auf Entschädigung haben.

Die sechswöchige Betriebsuntersagung für Frisöre sei auch unter Berücksichtigung von Art. 12 und 14 des Grundgesetzes verhältnismäßig gewesen.

Da die landesrechtlichen Regelungen den Gesundheitsschutz der Bevölkerung und die Überlastung des Gesundheitssystems zum Ziel gehabt hätten, erfülle der Staat seine Schutzpflicht für Leben und Gesundheit der Bürger als legitimen Zweck.

Weiterhin taucht das Argument auf, dass die finanzielle Leistungspflicht des Staates begrenzt sei.


Und was heißt das für uns, die Bürger, die Gewerbetreibenden und die Friseure?
Natürlich sollte man, bevor man den ganz großen Hammer der Urteilsschelte hervorholt, wenigstens das Urteil einmal komplett gelesen haben. ABER! Wenn sich die o.g. und mehrfach in der Presse durchgesickerten Argumente bewahrheiten, gibt und wird es eine Menge zu dem Urteil zu sagen geben.

Dass Schadenersatz weder durch das Infektionsschutzgesetz, noch durch Polizei- und Ordnungsrecht, noch durch Richterrecht möglich sein soll, ist kein echtes Argument, sondern allenfalls eine richterliche Feststellung.

Das Argument, dass die landesrechtlichen Regelungen zur Betriebsschließung gerechtfertigt gewesen sein sollen, weil man damit die Gesundheit der Bürger (Bevölkerung) und das Gesundheitssystem vor Überlastung schützen wollte, sind ebenfalls zweifelhafte Argumente. Ich möchte die Bürger/Bevölkerung schützen und schon ist unter diesem Aspekt alles möglich? Da muss schon im Rahmen einer einwandfreien, juristischen Prüfung mehr hinzukommen, als der bloße Schutzgedanke des Gesetzgebers, bevor man überhaupt in eine verfassungsrechtliche Prüfung eintritt. Das heißt, sind zuvor erst einmal sinnvolle Maßnahmen bei genauerer Betrachtung in Ordnung? Hier und mit dem heutigen Wissen ist in dem Verfahren nicht nachgewiesen, dass Maßnahmen notwendig, oder dass sie angesichts der möglichen Gefahren auch verhältnismäßig waren.

Aus den vorgenannten Gründen sollten Gewerbetreibende, die Schadenersatz von ihrem jeweiligen Bundesland für Betriebsschließungen oder Betriebseinschränkungen wollen, jedenfalls ein prall gefülltes Portemonnaie mitbringen. Zunächst muss man sich durch zwei Instanzen kämpfen, die es sich mit dem Urteil des BGH im Rücken vermutlich leicht und einfach machen können und die Klage abweisen werden. Ob bei dem BGH dann ein Umdenken nach so kurzer Zeit einsetzt, ist ebenfalls nicht zu erwarten. Man sollte sich also darauf einstellen, dann zu guter Letzt auch noch das Bundesverfassungsgericht anrufen zu müssen. Nur, wenn man einen langen Atem hat, wird man diesen Weg gehen können oder wollen. Alle anderen sollten sich gut überlegen, ob sie Geld in einen Rechtsstreit investieren, der erheblichen persönlichen Einsatz und Geldmittel erfordert.

Bleiben Sie mir gewogen und vertragen Sie sich 😉

Ihr Ralf Beckmann

Beispielfoto mit Dank an Markus Spiske auf Unsplash.com
https://unsplash.com/de/fotos/5ofD_71Qano

Anwalt – Tierrecht – kostenlos!

Eine Meinung und Tipps

Neulich habe ich geschaut, was im Zusammenhang mit meinem Blog für Suchanfragen bei Google relevant sind. Ich war wirklich erstaunt:

„Anwalt – Tierrecht – kostenlos“

Diese wohl zusammenhängende Suchanfrage hat den Spitzenplatz eingenommen. Ja, wirklich wahr!

Ich frage mich, was sich tierliebe Menschen bei einer derartigen Anfrage denken. Natürlich brennt Ihnen ein Problem im Zusammenhang mit Ihrem geliebten Tier auf den Nägeln. Aber hey, hat irgendjemand versprochen, dass die Haltung eines oder mehrerer Tiere kostenlos ist? Hat wirklich jemand versprochen, dass auftretende Probleme im  Zusammenhang mit Tieren und deren Beseitigung deshalb kostenlos sind, weil der Problemlöser auch tierlieb ist? Wird dann auch von den betroffenen Menschen nach „Tierarzt kostenlos“ gesucht? Ist das Tierfutter im Supermarkt kostenlos? Kostet der Käfig, die Leine, die Katzentoilette etwa nichts?

Aber mal der Reihe nach:
Wer verspricht, dass hoch qualifizierte Leistungen regelmäßig kostenlos erbracht werden, macht den Menschen etwas vor. Ich habe zwar sehr viel Spaß an diesem Blog, aber auch ich lasse Werbeeinblendungen durch „Big G“ zu, um wenigstens Kosten für die Unterhaltung des Blogs einzufahren. Also, kostenlos ist im Leben selten etwas. Und auch die freiwillige Hilfe eines Freundes beim Umzug löst eine Art von Kosten aus. Ich bin demjenigen nämlich etwas schuldig. Sei es Dank oder andere Werte.

Natürlich gibt es Anwaltskanzleien, die zunächst eine kostenlose „Ersteinschätzung“ anbieten. Aber mehr, als „da können wir helfen, da haben Sie Chancen“ oder „Sie haben keine Chance“ wird bei einer solchen kostenlosen, ersten Tätigkeit wohl nicht herausspringen. Oder erwarten Sie wirklich, dass ein wildfremder Mensch, den Fall um Ihr mangelhaftes Pferd, für das Sie 10.000 Euro bezahlt haben, kostenlos mit teilweise über Monate andauernder Arbeit für Sie löst?

Bitte bedenken Sie, allein die Ausbildung zum Rechtsanwalt oder zur Rechtsanwältin dauert Jahre. Nicht weil die Studenten faul und langsam sind, sondern weil bestimmte Dinge im Studium erledigt und erreicht werden müssen und eine bestimmte Dauer so vorgeschrieben ist. Nach dem Studium dann noch die Referendarzeit. Damit Sie diesen Beruf studieren können, mussten die meisten von uns das Abitur machen, während sie vielleicht als hochverdienter Handwerker mit Realschule – dagegen ist überhaupt nichts einzuwenden, auch ich war zunächst auf der Realschule – bereits viele Jahre gutes Geld verdienen. Wir haben in der Zeit viel, ja sehr viel Geld in unser Studium hineingesteckt, bspw. in Form von Bücherkauf, Kosten für die Uni, das Repetitorium und Verdienstausfall. Ähnlich ergeht es ja auch durchaus Tierärzten. Aber sucht jemand, der ein krankes Tier hat, anstatt nach dem bestmöglichen Tierarzt nach „Tierarzt kostenlos“? Und entschuldigen Sie, wer tatsächlich in derartigen Bereichen ständig seine Leistung kostenlos anbietet, der ist vielleicht auch nichts wert?

Also seien Sie bitte fair und machen Sie Ihr Problem nicht zum Problem der Menschen, die Ihnen mit ihrem Wissen und ihrer Qualifikation hilfreich zur Seite stehen. Im Falle, dass Ihnen ein krankes Tier verkauft wurde, ist max. der Züchter verantwortlich, nicht Sie, aber auch nicht Ihr künftiger Rechtsanwalt.

Deshalb, nutzen Sie gern meine Expertise, machen sich auf anderen Seiten schlau. Aber erliegen Sie bitte nicht dem Irrtum, dass Sie durch das Lesen eines Artikels und einem oder zwei schnellen Tipps besser mit einem hochkomplexen juristischen Problem umgehen können, als Menschen mit einer über viele Jahre dauernden Ausbildung und anschließender, jahrelanger Berufspraxis. Selbst, wenn Sie einen IQ wie Einstein haben, bekommen Sie es nur mit erheblich viel Glück und Zufall hin! Wollen Sie sich darauf verlassen? Selbst Einstein hat eingeräumt, dass er seine Steuererklärung nicht versteht und wohl einen Fachmann, den Steuerberater, hinzugezogen. Wenn Sie der fehlerhaften Selbsteinschätzung „ich schaffe das allein“ unterliegen, werden Sie das Problem nur vergrößern oder dessen Lösung erheblich erschweren. Meine Artikel dienen dazu, Ihnen ein Gespür dafür zu vermitteln, wo die Reise mit Ihrem Problem hingeht oder Sie zunächst einmal auf eine bestimmte Problematik hinzuweisen. Da kann ich immer nur allgemein aus meiner Erfahrung und mit meinem Wissen berichten. Rechtsberatung, um einen konkreten Fall zu lösen, geht anders.

Bitte nehmen Sie mir meine offenen Worte nicht übel. Ich versuche nur, Ihnen den Aberglauben zu nehmen, dass Sie hoch qualifizierte Arbeit im Wert von mehreren Hundert oder gar Tausend Euro geschenkt bekommen. Entschuldigen Sie, aber das ist der Preis, den Sie zahlen müssen, wenn Sie sich ein Tier anschaffen. Und wenn Sie auf den falschen Internethändler hereingefallen sind oder ein Auto bei einem Spitzbuben erworben haben, der getarnt als Privatverkäufer unterwegs ist, verhält es sich im Ergebnis nicht anders. Sie haben sich Ihre Geschäftspartner ausgesucht und Sie müssen dafür zunächst auch den Preis bezahlen.

Aber, das wünsche ich Ihnen von Herzen. Oftmals kommt die Hilfe am Ende der Kette dann doch „kostenlos“. Wenn Sie frühzeitig eine qualifizierte Kollegin oder einen qualifizierten Kollegen aufsuchen, gewinnen Sie nämlich oftmals Ihren Prozess gegen den unseriösen Verkäufer. Dann muss der Verkäufer Ihre Kosten für den Rechtsanwalt erstatten. Dann und nur dann war die Hilfe am Ende eben doch kostenlos! Oder Sie schließen eine Rechtsschutzversicherung ab. Dann haben Sie als Kosten nur eine kleine Selbstbeteiligung und die erste, wirklich richtig qualifizierte Erstberatung ist bei vielen Versicherern auch trotz Selbstbeteiligung vollständig abgedeckt.
Das wären meine Tipps zum Thema „Anwalt – kostenlos“.

Bleiben Sie mir gewogen und vertragen Sie sich 😉

Ihr Ralf Beckmann

P.S. Wem das Lesen meiner Beiträge etwas wert ist, der kann gern unter der Rubrik Empfehlungen schauen, was es außer meiner Meinung zu Jura sonst noch im Leben gibt und ohne Zusatzkosten auf diesem Weg bestellen. Ich erhalte lediglich eine kleine Provision, ohne Extrakosten für Sie.
Oder Sie lassen mir eine Spende per PayPal zukommen. Auf Anfrage sende ich gern die Adresse. Dafür danke ich bereits jetzt herzlichst.

Auf dem Beispielfoto sehen Sie ein Bild meines geliebten Charty, der mich bis kurz nach seinem 11. Geburtstag immer treu begleitet hat!

Radfahrer genießen die Privilegien der Vorfahrtstraße – Auto immer vor Fahrrad gibt es nicht!

Vorbemerkungen
Sie fahren gern Auto und fühlen sich manchmal unsicher, wenn sich Fahrradfahrer um Sie und Ihr Fahrzeug tummeln?

Sie sind sich unsicher, wer darf jetzt eigentlich was oder denken vielleicht, dass das motorisierte Fahrzeug vor dem mit Muskelkraft tretenden Fahrradfahrer Vorrang hat? Weit gefehlt. Dies hat nunmehr das Landgericht Frankenthal erneut klargestellt.


Was war passiert?
Ein Verkehrsunfall ereignete sich auf einer Landstraße. Ein Pkw kam aus einem Feldweg und wollte in die Landstraße einbiegen. Parallel zur Landstraße verläuft ein Radweg, den das Fahrtzeug überqueren musste, um auf die Landstraße zu gelangen. Beim Überqueren stieß das Fahrzeug mit einem von links kommenden Radfahrer zusammen. Die PKW-Fahrerin vertrat die Ansicht, der von links kommende Radfahrer hätte ihr die Vorfahrt genommen. Sie verklagte ihn und wollte von ihm die Schäden an ihrem Pkw ersetzt bekommen.

Entscheidung Landgericht Frankenthal
Das Landgericht hat jedoch die Klageabweisung des zuvor zuständigen Amtsgerichts in der Berufung bestätigt. Zunächst hat das Landgericht darauf hingewiesen, dass die Landstraße zur Vorfahrt gegenüber Fahrzeugen berechtigt, die aus dem Feldweg in die Landstraße einbiegen. Dann stellte sich die Frage, für wen diese Vorfahrt gilt und ob auch nicht unmittelbar auf der Landstraße fahrende Fahrzeuge dieses Vorfahrtsrecht genießen, also der Fahrradfahrer. Das Landgericht erläuterte, dass der parallel zur Landstraße verlaufende und somit „fahrbahnbegleitende“ Radweg insoweit zur Landstraße gehöre. Deshalb nehme dieser Radweg auch an dem Vorfahrtsrecht der Landstraße teil. „Entgegen der Ansicht der Pkw-Fahrerin sei die Zugehörigkeit des Radweges zu der Landstraße durch dessen Beschaffenheit und seinem Verlauf klar erkennbar und eindeutig. Unerheblich sei es, dass er durch eine schmale bewachsene Fläche von der Straße getrennt sei. Auch wenn der Radweg in einiger Entfernung von der Landstraße weggeleitet würde, rechtfertige dies keine andere Beurteilung. Es komme nur auf die örtlichen Verhältnisse am Unfallort an.“

Wie wende ich die vom Landgericht angewandte Regel praxisgerecht an?
Zunächst einmal sollte man sich als Verkehrsteilnehmer und als Fahrzeugführer über die Vorfahrtsverhältnisse zwischen den aufeinander treffenden Straßen klar werden. Gilt rechts vor links, oder weisen Verkehrszeichen auf mein Vorfahrtsrecht oder das Vorfahrtsrecht anderer hin? Im Falle des Feldwegs im Verhältnis zu einer Landstraße muss man einfach wissen, dass der Feldweg kein Vorfahrtsrecht im Sinne von rechts vor links genießt, sondern die vorbeiführende Landstraße. Wenn man das Vorfahrtsrecht grundsätzlich erkannt hat, ich habe aus der Seitenstraße oder dem Feldweg kommend, keine Vorfahrt, sollte man meine persönliche „Bauernregel“ anwenden. Egal, aus welcher Richtung ein Fahrzeug kommt, egal um welches Fahrzeug es sich handelt, egal auf welcher Fahrbahnseite das Fahrzeug fährt, Hauptsache das Fahrzeug bewegt sich irgendwie im Sinne der vorfahrtberechtigten Straße, die Vorfahrt verbleibt bei den Fahrzeugen der vorfahrtberechtigten Straße! Man könnte auch kurz und knapp sagen: Im Zweifel gilt die Vorfahrt immer über die gesamte Straßenbreite für alle dort fahrenden Fahrzeuge! Was bedeutet das konkret?
Einige Beispiele: Unmittelbar neben der Fahrbahn der vorfahrtberechtigten Straße verläuft ein Radweg. Dieser ist nur in der Höhe und durch eine sog. Bordsteinkante von der Fahrbahn abgesetzt. Der oder die Radfahrer/in haben Vorfahrt!
Der Radfahrer fährt auf der „falschen Seite“, weil auf der gegenüberliegenden Straßenseite auch ein Radweg verläuft und der Radfahrer nicht auf dem rechts in seiner Fahrtrichtung verlaufenden Radweg fährt? Er hat trotzdem Vorfahrt! Man kann über ein Mitverschulden des Radfahrers nachdenken, wenn er auf der „falschen Seite“ fährt. Aber zunächst hat er trotzdem Vorfahrt und sie müssen die Vorfahrt gewähren!
Ein PKW fährt kurz vor der Einmündung zu Ihrer Straße auf der falschen, linken Fahrbahn? Er hat trotzdem Vorfahrt! Auch hier kann man über Mitverschulden nachdenken, aber erst einmal haben Sie nicht plötzlich Vorfahrt, nur weil ein Verkehrsteilnehmer auf der falschen Fahrbahnseite der vorfahrtberechtigten Straße fährt.

Nach all den Beispielen sollte man vielleicht sagen: einmal Vorfahrt, immer Vorfahrt!

Bleiben Sie mir gewogen und vertragen Sie sich 😉

Ihr Ralf Beckmann


Landgericht Frankenthal, Urteil vom 24.03.2023, Az. 2 S 94/22

Das Beispiel-Foto wurde mit Dank von Foto von Dovile Ramoskaite auf Unsplash zur Verfügung gestellt:
https://unsplash.com/de/fotos/x8rDSFN2DpY

Privatverkauf oder kaufe ich vom Unternehmer? Der getarnte Privatverkäufer

Vorbemerkungen
Sie kaufen gern auf einer der diversen Internetplattformen? Dann Achtung, denn Ihr Verkäufer/in ist schneller Unternehmer oder gar Gewerbetreibender, als man denkt! Wobei, dies liegt nicht an der Plattform, sondern daran, dass heute fast niemand mehr Waren per Zeitungsanzeige anbietet.

Ich möchte mich in diesem Artikel vorrangig mit Ihnen und Ihrer Warte als möglicher Käufer/in beschäftigen. Die Frage, was die anderen Blickwinkel, beispielsweise den der Ordnungsbehörde, die Sie zur Anmeldung eines Gewerbes zwingt oder des Finanzamtes ergeben, soll hier nur Thema sein, wenn es zum Verständnis Ihrer Situation dient.


Erläuterung privat – gewerblich – Unternehmer
Was ist eigentlich privat, bzw. ein Privatverkauf? Am besten, man erklärt es mit dem Gesetz. In § 13 des Bürgerlichen Gesetzbuches (nachfolgend BGB) steht:
„Verbraucher ist jede natürliche Person, die ein Rechtsgeschäft zu Zwecken abschließt, die überwiegend weder ihrer gewerblichen noch ihrer selbständigen beruflichen Tätigkeit zugerechnet werden können.“
Für Laien hoffentlich einfach ausgedrückt heißt dies übersetzt: Wenn ein Mensch an einem Kauf, Miete o.ä. (= Rechtsgeschäft) beteiligt ist und er dieses Geschäft zu privaten Zwecken tätigt, dann ist er (für dieses Rechtsgeschäft!) Verbraucher im Sinne des Gesetzes; auch wenn er seinen Lebensunterhalt als Inhaber einer Kneipe, eines Kiosks, oder als Rechtsanwalt oder Steuerberater verdient (Gewerbetreibender/Selbstständiger). Denn als Mensch kann ich sowohl Inhaber eines Cafés sein und damit Unternehmer, Selbstständiger oder Gewerbetreibender. Jedoch auch Privatperson, die für die private Lebensführung Geschäfte abschließt.

Jeder Gewerbetreibende oder Selbstständige ist zugleich auch Unternehmer im Sinne des § 14 BGB, wenn er als Einzelperson oder mit mehreren natürlichen Personen zusammen ein „Unternehmen“ betreibt und zu diesem Zweck ein Geschäft abschließt, sei es ein Kauf, Verkauf oder die Anmietung von Räumen.
Aber, die Frage, ob ein Unternehmer oder ein Verbraucher vor einem steht, stellt sich eben immer nur bei natürlichen Personen. Es kann ja kein Verkäufer im M-Markt wissen, wenn Rechtsanwalt Meier vor ihm steht, ob dieser privat oder als Rechtsanwalt unterwegs ist. Darum wird es hier im Weiteren gehen, denn beispielsweise die  GmbH ist immer Unternehmer und deshalb müssen wir uns nicht damit gesondert befassen.


Abgrenzung Verbraucher oder Unternehmer

Wie grenze ich also ab, ob mir gerade Rechtsanwalt Meier gegenübersteht oder der Privatmann Herr Meier?
Das ist einfach für den Juristen mit seinen vielen Definitionen: Ein privater Verkauf oder auch Kauf ist immer dann gegeben, wenn eine natürliche Person (also ein Mensch! 😉) am Kauf oder Verkauf beteiligt ist und der Kauf oder Verkauf weder einer gewerblichen, noch selbstständigen Tätigkeit zugeordnet werden kann. Hört sich sperrig an, steht aber so im Gesetz.
Deshalb hier einige Beispiele für Sie zur Erläuterung, damit Sie ein Gefühl für die Sache bekommen:
Sie sind Inhaber eines schönen Gasthauses, einer Kneipe oder sind Einzel-Rechtsanwalt, freiberuflicher Journalist oder haben einen kleinen Kiosk am Bahnhof. Dann sind Sie eine „natürliche Person“, aber eben auch selbstständig oder gewerblich tätig. Sie können daher auch als Unternehmer für ein bestimmtes Rechtsgeschäft auftreten. Kauft der Rechtsanwalt oder der Inhaber des Kiosks nun ein Radio, um dies im „Betrieb“ aufzustellen, handelt derjenige als Selbstständiger/Gewerbetreibender und damit als Unternehmer im Sinne des BGB. Kauft der Rechtsanwalt oder der Kioskbesitzer dagegen ein Radio, um es in der privaten Küche aufzustellen, handelt es sich um den Kauf eines Verbrauchers.
Gehen Sie in eine Bäckerei oder ein Lebensmittelgeschäft, um Brötchen oder Lebensmittel zu kaufen, denkt man, das ist jetzt einfach. Das macht man doch privat, oder? Das ist sicher häufig richtig, aber der Rechtsanwalt kann auch für eine große Besprechung mit Mandanten in seiner Kanzlei Brötchen und Aufschnitt kaufen, um diese Personen zu bewirten und schon ist er als Unternehmer an dem Geschäft  „Brötchen kaufen“ beteiligt. In dem Beispiel ist der Rechtsanwalt aber Käufer. Für uns ist dies nicht so interessant, weil sich daraus zunächst für den Verkäufer meist keine Probleme ergeben.
Sie sollten aber wissen, dass bei Kaufleuten immer vermutet wird, dass das Rechtsgeschäft für seinen Betrieb bestimmt war; § 344 I Handelsgesetzbuch. Der Kaufmann muss deshalb beweisen, dass er „ausnahmsweise“ für sich privat gekauft hat! Die anderen Selbstständigen eben nicht!


Sie sind Verbraucher und Käufer und der Verkäufer ist scheinbar Verbraucher

Interessant wird es für Sie als Verbraucher aber dann, wenn eine Person, die als Einzelunternehmer im weiteren Sinne tätig ist, auf der Verkäuferseite steht und Sie zunächst von einem Privatverkäufer (Verbraucher) ausgehen.
Ich kann mich noch erinnern, als großes Wehklagen bei einer BGB-Reform losging. Der Rechtsanwalt, der seinen treuen Weggefährten, nämlich seinen schönen Mercedes verkaufte, war plötzlich Unternehmer im Sinne des BGB und musste nun mit Gewährleistung an private Erwerber (Verbraucher) verkaufen. Denn zuvor war man als Verkäufer von gebrauchten PKW gewohnt, dass man nur die Gewährleistung übernehmen musste, wenn man mit Fahrzeugen handelte. Also, ein Kfz-Händler musste auch für Gebrauchtfahrzeuge die Gewährleistung übernehmen. Das war auch in Ordnung so, denn der Kfz-Händler hat ja Kenntnisse über die Beschaffenheit des Fahrzeugs. Der Rechtsanwalt oder Arzt oder Architekt dagegen nicht. Und dann trotzdem für die Fehlerfreiheit eines fünf Jahre alten Fahrzeugs einstehen? Das war ungewohnt.

Aber genau das ist heute der Fall. Der Rechtsanwalt oder Steuerberater oder auch jeder Einzelunternehmer,  gleich welcher Branche, der ein zuvor geschäftlich genutztes Fahrzeug veräußert, kann die Gewährleistung nicht ausschließen, weil er bei diesem Geschäft als Unternehmer handelt!

Weil das Fahrzeug umgangssprachlich in den Büchern stand, hatte der Verkäufer beim Kauf seines Fahrzeugs als Unternehmer gehandelt. Dann kann er nicht diese Vorteile (er erspart sich Umsatzsteuer und kann das Fahrzeug abschreiben) in Anspruch nehmen und beim Verkauf des Fahrzeugs privat handeln.

Daher aufgepasst, wenn Sie von einem privaten Verkäufer ein Fahrzeug erwerben und mitbekommen, dass dieser selbstständig arbeitet oder ein Gewerbe als Einzelunternehmer hat.

Natürlich ist es nicht verboten als Unternehmer auch privat ein Fahrzeug zu verkaufen. Aber es ist eben nicht in Ordnung, wenn der angebliche Privatverkauf mit einem Fahrzeug erfolgt, welches der Unternehmer nicht ausschließlich privat genutzt hat.

Aus meiner anwaltlichen Praxis kann ich auch immer wieder nur dazu raten, beim Kauf von Tieren sich nicht von Gewährleistungsausschlüssen, gekauft wie gesehen und übernommen etc. pp. in den schriftlichen Kaufverträgen blenden zu lassen. Warum? Weil meiner Erfahrung nach im Bereich der hobbymäßigen Zucht von Katzen und Hunden, häufig aber auch bei Pferden die Züchter eben nicht privat verkaufen. Viele mögen dies gutgläubig denken. Aber Gerichte stufen diese Züchter sehr, sehr häufig als Unternehmer ein. Dies hat dann zur Folge, dass Sie bei einem kranken, mangelhaften Tier eben diverse Gewährleistungsrechte als Käufer geltend machen können. Zudem sind die Kaufverträge praktisch immer zugleich auch Allgemeine Geschäftsbedingungen (AGB). In AGB können Verkäufer nicht so einfach Käufern Rechte aberkennen, wie dies bei einem individuell ausgehandelten Vertrag der Fall wäre.

Also, das Tier stellt sich nach dem Kauf als mangelhaft und krank dar? Dann sollten Sie unbedingt die Situation rechtlich prüfen lassen. Nämlich, ist der Verkäufer nicht Unternehmer und beinhaltet mein Vertrag nicht AGB?


Kriterien die für die Einordnung Unternehmer sprechen

Die Einordnung als Unternehmer ist grundsätzlich von dem Vorhandensein von bestimmten Kriterien abhängig, die aber nicht im Gesetz einzeln definiert sind, sondern von den Gerichten von Fall zu Fall in einer Gesamtschau betrachtet werden. Ich kann nur versuchen, Ihnen durch die folgenden Beispiele ein Gefühl zu vermitteln, denn ohne konkreten Fall ist es schwer eindeutige, und verbindliche Regeln aufzustellen.

Wie ich bereits bei Tierzüchtern erwähnte, kann für Züchter u.a. das Kriterium „Homepage“ zur Einordnung als Unternehmer, aber eben nicht allein, führen. Die Homepage ist u.a. relevant, weil man damit nach außen hin kundtut, dass es eine auf Dauer angelegte Tätigkeit, nämlich der Verkauf gezüchteter Hunde, Katzen oder auch Pferde ist. Das ist das eigentliche Kriterium.
Hinzu kommt das Kriterium gegen Entgelt. Das ist natürlich immer gegeben, weil niemand seine Welpen, Kitten oder Fohlen verschenkt. Aber auf eine Gewinnerzielungsabsicht kommt es wiederum nicht an. Das Argument, ich verdiene ja nichts mit meiner Zucht, die Zucht deckt nur die Kosten, ist juristisch unerheblich.

Wenn Sie nun Ihren Dachboden aufräumen und ein paar Dinge von Oma und Opa veräußern wollen, ist auch dies einerseits in 95 Prozent aller Fälle unbedenklich, aber eben möglicherweise nicht in den letzten 5 Prozent der Fälle. Denn beim sog. Privatverkauf können hohe Preise für die angebotenen Waren und die Anzahl, eines von mehreren Kriterien sein, die die Einstufung als „Unternehmer“ herbeiführen. Sie finden auf Omas Speicher eine alte Truhe aus Holz und bieten Sie für 50 Euro an? Kein Problem. Sie finden noch 30 andere Möbelstücke aus vergangenen Tagen, die am Ende alle zwischen 250 und 1.000 Euro VB kosten sollen? Dann ist bereits m.E. äußerste Vorsicht geboten. Denn maßgeblich sind u.a. Art und Anzahl der angebotenen Artikel. Wäre ich der Anwalt eines Käufers und wüsste, dass „Herr Meier“ im Laufe eines Jahres 30 mehr oder weniger wertvolle Möbelstücke veräußert hätten, würde ich meinem Klienten raten, es mit einer Klage gegen ihn zu versuchen, beispielsweise wenn sich ein von ihm gekauftes Möbelstück als mangelhaft herausstellt.

Die richtig krassen Fälle – Händler tarnen sich als Privatverkäufer

Ein Beispiel: Sie kaufen ein Auto und „Herr Arglistig“ bietet das Fahrzeug gebraucht als Privatverkäufer für 8.000 Euro an. Sie vereinbaren, wie üblich, einen Gewährleistungsausschluss. Also, gebraucht gekauft wie gesehen und Probe gefahren. Im schönen Kaufvertragsmuster des ADAC steht auch noch „von privat an privat“. Nun stellt sich nach wenigen Tagen heraus, dass das Fahrzeug diverse Mängel hat, die sich auf Reparaturkosten von 3.500 Euro summieren. Sie fragen beim Verkäufer an, aber der beruft sich auf erstens auf „ich weiß nix“ und zweitens „wir haben einen Gewährleistungsausschluss vereinbart“. Dann erfahren Sie durch Zufall von weiteren privaten PKW-Verkäufen des „Herrn Arglistig“. Sie recherchieren und finden heraus, in diesem Jahr bereits acht Fahrzeuge „privat“ verkauft hat. Hat er tatsächlich privat verkauft? Nein, acht Fahrzeuge in einem Jahr, alle beginnend mit mindesten 3.000 Euro Kaufpreis und höher. Wer kann denn, wenn er nicht verdeckt Händler ist, acht Fahrzeuge im Jahr kaufen, auf sich anmelden, dann eine gewisse Zeit fahren und dann wieder verkaufen? Das glaubt „Herrn Arglistig“ weder das Finanzamt, noch ich. Also, auch hier spielt wieder die Art der angebotenen Artikel (nämlich acht gleichartige Artikel) und der Preis eine Rolle. Dann kommt hinzu, dass die Preise sich in einem relativ niedrigen Preissegment für PKW, nämlich zwischen 3.000 bis 8.000 Euro, bewegen. Man sucht als verdeckter Händler bewusst u.a. ein halbwegs niedriges Preissegment für Fahrzeuge, um an Kunden zu gelangen, die nicht viele „Anforderungen“ stellen. Alle diese Umstände zusammen machen „Herrn Arglistig“ aus meiner Sicht zum klassischen Fall des Unternehmers im Sinne von § 14 BGB, auch wenn behauptet, privat verkauft zu haben. In diesem Beispiel würde ein versierter Richter zumindest anzweifeln, dass die Beweislast für die Behauptung „sie sind Unternehmer“, nach wie vor beim Käufer als Verbraucher liegt. Vielmehr wäre zu erwarten, dass er den Beklagten „Herrn Arglistig“ darauf hinweist, dass die Argumente gegen ihn als Privatverkäufer derart überzeugend sind, dass er sich entlasten muss. Das würde dann dazu führen, dass „Herr Arglistig“ dem Gericht erläutern und gegebenenfalls auch beweisen müsste, warum er als Verbraucher in einem Jahr acht Fahrzeuge erworben und wieder verkauft hat. Kann er das nicht überzeugend tun, wird das Gericht ihn als Unternehmer ansehen und er muss für das mangelhafte Fahrzeug einstehen.

Ähnliche Fälle gibt es eigentlich in allen anderen Handelsbereichen auch. Die tollen, neuen Adidas-Sneaker werden günstig angeboten, super Markenklamotten, hochpreisige, gebrauchte Designermode usw. usf. In allen diesen Bereichen tummeln sich ohne Ende private Verkäufer, die sich eben nur als „privat“ tarnen und tatsächlich Händler sind. Natürlich kann man die Auffassung dazu haben, das tut doch keinem weh. Und wenn sich jemand abends ein paar Euro zusätzlich verdient, was soll das schon? Aber, stellen Sie sich vor, der günstig erworbene Artikel weist nach 3 Monaten plötzlich einen Fehler auf. Schmeißen Sie dann gern 200 Euro in den Mülleimer oder hätten Sie lieber ein Ersatzgerät? Oder Ihr tolles Gebrauchtfahrzeug, auf das Sie angewiesen sind, lässt Sie bereits nach wenigen Tagen im Stich.

Sie sehen, es ist sehr wichtig zu wissen, dass auch vermeintliche Privatverkäufer Unternehmer sein könne und sich daraus für Sie Rechte ergeben, die Ihnen im Fall der Fälle sehr helfen.

Bleiben Sie mir gewogen und vertragen Sie sich 😉

Ihr Ralf Beckmann

Das Beispiel-Foto mit Dank von Cytonn Photography auf Unsplash

https://unsplash.com/de/fotos/n95VMLxqM2I

Also doch, der Bundesgerichtshof entscheidet, dass in AGB verankerte Zahlungspflichten für die Reservierung einer Immobilie unwirksam sind

Wie die Pressestelle des Bundesgerichtshofs (auch kurz BGH) heute, am 20.04.2023 mitteilt (Nr. 070/2023 vom 20.04.2023), können Makler Reservierungsgebühren in Allgemeinen Geschäftsbedingungen nicht wirksam vereinbaren.

Was war passiert?
Die Kläger wollten über eine Immobilienmaklerin ein Einfamilienhaus erwerben. Die Kläger schlossen deshalb einen Maklervertrag mit der Immobilienmaklerin (Beklagte) und im Nachgang dazu noch einen Reservierungsvertrag. Darin verpflichtete sich die verklagte Maklerin, das Grundstück gegen Zahlung einer Reservierungsgebühr bis zu einem festgelegten Datum exklusiv für die Kläger zu reservieren. Die Kläger nahmen später vom Kauf Abstand und verlangen von der Maklerin die Rückzahlung der Reservierungsgebühr.

Das erstinstanzlich zuständige Amtsgericht hatte die Klage abgewiesen. Das Landgericht als Berufungsinstanz hatte die Berufung der Kläger mit der Begründung zurückgewiesen, dass der nachträglich geschlossene Reservierungsvertrag wirksam sei. Auch das Landgericht folgte damit letztlich nicht dem Antrag auf Rückzahlung der Provision.

Sicht des Bundesgerichtshofs
Der Bundesgerichtshof hat die Maklerin nun jedoch auf die Revision der Kläger zur Rückzahlung der Reservierungsgebühr verurteilt.
Der Reservierungsvertrag unterliegt nach Auffassung des BGH der AGB-rechtlichen Inhaltskontrolle, weil es sich bei dem Reservierungsvertrag nicht um eine eigenständige Vereinbarung, sondern um eine den Maklervertrag ergänzende Regelung handele (AGB = Allgemeine Geschäftsbedingungen). Dass der Reservierungsvertrag nachträglich durch ein gesondertes Schriftstück bzw. Vertragsdokument geschlossen wurde, sei unerheblich und stünde dem Ergänzungscharakter der Vereinbarung nicht entgegen.

Der BGH vertrat weiterhin die Auffassung, dass der sog. Reservierungsvertrag die Kunden der Maklerin unangemessen benachteilige und daher unwirksam sei. Die Unwirksamkeit ergäbe sich daraus, weil die Rückzahlung der Reservierungsgebühr ausnahmslos nicht vorgesehen war. Ferner ergäben sich aus dem Reservierungsvertrag für die Kunden keine nennenswerten Vorteile und der Immobilienmakler müsse zudem keine geldwerte Gegenleistung erbringen. Schlussendlich käme dem Reservierungsvertrag die Vereinbarung einer erfolgsunabhängigen Provision zugunsten der Immobilienmaklerin gleich. Das aber widerspräche dem Leitbild der gesetzlichen Regelung des Maklervertrags. Danach ist eine Provision nur geschuldet, wenn die Maklertätigkeit ursächlich zum Erfolg geführt hat.

Aus diesen Gründen hat der Bundesgerichtshof die Immobilienmaklerin letztinstanzlich zur Rückzahlung der Provision verurteilt.

Empfehlung
Sollten Sie als Kaufinteressent/in kürzlich mit einer Reservierungsgebühr belastet worden sein, sollten Sie auf jeden Fall prüfen lassen, beispielsweise durch eine prinzipiell preiswerte, sog. Erstberatung (max. Kosten beim RA € 226,10) prüfen lassen, ob das BGH-Urteil auch auf Ihre Reservierungsgebühr anwendbar ist. Sollte dies der Fall sein, dürften Sie beste Chancen haben, eine kürzlich bezahlte Reservierungsgebühr zurückzuerhalten.

Bleiben Sie mir gewogen und vertragen Sie sich 😉

Ihr Ralf Beckmann

Foto mit Dank an Markus Spiske auf Unsplash.com
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