Autor: Ralf Beckmann (Seite 10 von 10)

Auch für den Beifahrer gilt, Blitzer-App muss aus sein, oder?

Das Oberlandesgericht Karlsruhe (kurz OLG) hat anders entschieden.1) Ein in erster Instanz verurteilter Kraftfahrer, dessen Beifahrer auf seinem Smartphone eine  Blitzer-App aktiv genutzt hatte, legte beim OLG Rechtsbeschwerde gegen die Entscheidung des Amtsgerichts ein und verlor!

 Was war genau passiert? Ein Kfz-Fahrer war von der Polizei angehalten worden, weil er auffällig fuhr. Bei der Kontrolle schob er  das in der Mittelkonsole liegende Smartphone seiner Beifahrerin auffällig zu dieser herüber. Die Kontrolle ergab dann, dass seine Beifahrerin eine sog. „Blitzer-App“ auf Ihrem Smartphone aktiv nutzte, diese also gerade in Betrieb war. Gegen das dann folgende Bußgeld setzte sich der betroffene PKW-Fahrer zur Wehr. Die Verurteilung des Amtsgerichts zu einem Bußgeld von 100 Euro nahm er nicht hin und ließ das Urteil mit der Rechtsbeschwerde beim OLG Karlsruhe überprüfen. Doch auch dieses ließ die Verurteilung zu einer Geldbuße unangetastet. Es führte in seinem Urteil aus:

„Das Oberlandesgericht hat außerdem ausgeführt, dass ein von § 23 Abs. 1c Satz 3 der Straßenverkehrsordnung (StVO) verbotenes Verhalten nicht nur dann vorliegt, wenn der Fahrer selbst eine App zur Warnung vor Verkehrsüberwachungsmaßnahmen aktiviert hat. Verboten und bußgeldbewehrt ist vielmehr auch die Nutzung der auf dem Mobiltelefon eines anderen Fahrzeuginsassen installierten und aktivierten „Blitzer-App“, soweit sich der Fahrer die Warnfunktion der App zunutze macht.“1)

Andere Medien erwecken den Eindruck, dass allein das geöffnete Vorhalten der Blitzer-App durch einen Beifahrer oder eine Beifahrerin der entscheidende Knackpunkt sei. Aus dem Zitat des OLG jedoch wird deutlich, dass das OLG sein Augenmerk darauf legt, dass der Fahrer sich die Warnfunktion der App zunutze macht.

Deshalb meine ich, dass die Nutzung durch einen auf der Rückbank sitzenden Beifahrer zumindest dann unschädlich für den Fahrer sein müsste, wenn bspw. der Ton des Smartphones auf „stumm“ geschaltet wurde. Dadurch wird sichergestellt, dass der Fahrer nicht durch den üblichen Warnton, den eine Blitzer-App abgibt, die App also nicht nutzt. Aber auch bei ausgeschaltetem Ton des Smartphones ist man vor dem Zugriff der Polizeibeamten und einem Bußgeld nicht zu 100 % sicher. Denn der auf der Rückbank sitzende Beifahrer könnte nach der „stummen Warnung“ auf seinem Smartphone den Fahrer immer noch persönlich vor dem Blitzer warnen.

Also, am besten fahren Sie der Situation angemessen und nicht schneller, als dies zulässig ist. Denn glauben Sie mir aus persönlicher Erfahrung mit mehr als 1 Million Kilometer im PKW, es ist unendlich schwer, sich im deutschen, dichten Straßenverkehr durch überhöhte Geschwindigkeit einen echten Zeitvorteil zu erarbeiten! Dafür, dass Sie vielleicht 30 Sekunden oder 1 Minute früher ankommen, wenn Sie 10 Kilometer durch eine deutsche Stadt fahren, geben Sie 30, 50 oder 70 Euro bei einer Geschwindigkeitsüberschreitung von bis zu 20 km/h? Gehen Sie lieber dafür lecker Essen oder nehmen das Geld für die Anzahlung zu einer vernünftigen Rechtsschutzversicherung, die Ihnen bei wirklich wichtigen, juristischen Problemen dann hilft!!

Bleiben Sie mir gewogen und vertragen Sie sich 😉

Ihr Ralf Beckmann

1) = https://oberlandesgericht-karlsruhe.justiz-bw.de/pb/,Lde/Startseite/Medien/Geldbusse+auch+bei+Nutzung+einer+_Blitzer-App_+durch+eine+Beifahrerin/?LISTPAGE=7373457

Wenn der Friseur pfuscht und die Frisur völlig daneben ist – Beispielfall des Amtsgerichts Brandenburg Havel vom Dezember 2022

Das passiert leider. Die Haare sind nach dem Färben mehr lila als blond, die Frisur ist völlig verschnitten oder der Friseur verletzt Sie durch seinen ungeschickten Umgang mit Schere oder fehlerhaftem Einsatz von Chemikalien? Zu diesem Thema hat das Amtsgericht Brandenburg an der Havel im Dezember 2022 ein Urteil gefällt.

Was war passiert? Eine Kundin hatte sich eine neue Haarfarbe gewünscht, aber vor der Behandlung erwähnt, dass Sie auf Ammoniak und Henna allergisch reagieren würde. Den Friseur hat das nicht weiter interessiert, denn er hatte die Kundin in der Folge nicht aufgeklärt, dass derartige Inhaltsstoffe zum Einsatz kommen würden oder im Färbemittel enthalten sein können. Es kam, wie es kommen musste. Das Färbemittel hat allergische Reaktionen bei der Kundin ausgelöst.

Wegen der nicht durchgeführten Aufklärung hat das Gericht eine Schadenersatz- und Schmerzensgeldpflicht zulasten des Friseurs bestätigt. Denn der Friseur hatte es nach den Feststellungen des Gerichts unterlassen, die Kundin nach Ihrem Hinweis auf eine Allergie über Risiken des Einsatzes von Haarfärbemitteln aufzuklären. Der Friseur hätte das Färben grundsätzlich ablehnen müssen. Alternativ  hätte er sich eine schriftliche Einverständniserklärung der Klägerin zur Absicherung möglicher Konsequenzen hätten geben lassen können. Beides  war nicht geschehen.

Deshalb hat das Gericht der Kundin sodann ein Schmerzensgeld von 2.000 Euro zugebilligt, weil diese eine schmerzhafte allergische Reaktion in Form einer Gesichts- und Augenschwellung, sowie ekzematöse Hauterscheinungen im Kopfbereich erlitt.

Ich persönlich halte das Schmerzensgeld für angemessen, wenn man praktische Gerichtserfahrung in diesem Bereich hat. Der Laie ruft „viel zu gering“ angesichts horrender Summen, die Jurys in amerikanischen Serien den Opfern zusprechen. Auch in Köln erging es einer Friseurkundin, die während des Färbevorgangs über ein Brennen auf der Haut klagte, nicht gut. Die Friseurin tat diesen Hinweis mit „das muss so sein“ ab. Tatsächlich hatte die Friseurin die Blondiercreme zu lang einwirken lassen und nach dem Hinweis der Kundin, nochmals 30 Minuten zusätzlich einwirken lassen. Dadurch kam es zu einer Hautverletzung mit starken Schmerzen und einer Infektion, deren Behandlung sich über Monate hinzog. Die schlimmste Folge aber war, dass an einer Hautpartie der Kundin auf natürliche Weise kein Haar mehr nachwächst. Das Gericht war allerdings der Auffassung, dass die kahle Stelle durch das Darüberlegen mit dichtem Haar der Kundin ausreichend verdeckt werden könne und sprach der Klägerin ein Schmerzensgeld von 4.000 Euro zu.

Wenn man nun die beiden Fälle gegenüberstellt und das Schmerzensgeld im ersten Fall für angemessen hält, dürfte m.E. das Schmerzensgeld im zweiten Fall zu gering bemessen sein. Der Hinweis, dass die Kahlstelle am Kopf durch das dichte Haar ausreichend verdeckt wird, ist subjektiv. Das sagt zudem nichts darüber aus, ob das für die weitere Lebenszeit der Kundin auch so bleiben wird, denn Haare können im Alter durchaus dünner werden und die früher gut verdeckte kahle Stelle wird sichtbar. Im Gegensatz zum ersten Fall, ist hier m.E. eine entstellende Dauerfolge eingetreten, die allein eine angemessene Kompensation erfordert.  Also, wenn man die beiden Fälle unter dem Aspekt vergleicht, müsste das Schmerzensgeld im zweiten Fall m.E. um 1.000 bis 1.500 Euro höher liegen.

Aber aus beiden Urteilen können wir lernen, dass man die Leistungen seines Friseurs nicht immer klaglos hinnehmen sollte. Denn grundsätzlich ist das Schneiden der Haare durch den Friseur als Körperverletzung einzustufen, für die der Kunde oder die Kundin im Rahmen des Üblichen seine Einwilligung gegeben hat. Schießt der Friseur über das Ziel hinaus, ist die Körperverletzung als rechtswidrige Handlung des § 823 BGB einzustufen, die nicht mehr von der Erlaubnis gedeckt wird. Jeder wird verstehen, dass die Aufforderung an den Friseur „Bringen Sie bitte wieder Form in die Reste meiner Frisur“ nicht beinhaltet, dass dieser dann mit seiner Schere versehentlich in meine Kopfhaut oder das Ohr hineinsticht. Aber auch die Aufforderung „bitte nur die Spitzen schneiden“ ist zwar nicht eindeutig. Aber aus einer Langhaarfrisur, bei der die Haare bis zwischen die Schulterblätter reichen, dann einen Pagenkopf zu schneiden, sei er auch noch so schön, ist eben nicht von der Einwilligung „nur die Spitzen schneiden“ gedeckt.

Mit derlei Fehlleistungen macht sich der Friseur immer schadenersatz- und schmerzensgeldpflichtig.

Ich wünsche Ihnen jedenfalls allzeit einen Friseurbesuch mit für Sie guten Ergebnissen. Bleiben Sie mir gewogen und vertragen Sie sich 😉

Ihr Ralf Beckmann

Die Garantie oder Gewährleistung. Ist doch eh Jacke wie Hose, oder? Wann ist eigentlich Gewährleistung und wann Garantie der richtige Weg? – Teil 1

Das kommt häufig und bevorzugt bei Online-Käufen vor. Die Ware ist Schrott, funktioniert nicht oder stellt irgendwann nach einem Monat die Funktion ein und der Verkäufer spielt nicht richtig mit? Was ist zu tun und wann ist Gewährleistung und wann Garantie das Mittel der Wahl? Oder ist beides identisch und es gibt nur verschiedene Ausdrücke für ein und dieselbe Sache?

Zunächst einmal die einfachste Antwort. Garantie und Gewährleistung sind nicht identisch und rechtlich etwas völlig Unterschiedliches!

Damit wir uns dem Kern der Sache nähern können, zunächst einmal eine hoffentlich verständliche und verbraucherfreundliche Definition und Erläuterung der Garantie:

Die Garantie beim Verkauf von Waren aus dem Internet oder auch im örtlichen Handel meint zu 99 % ein Versprechen des Herstellers der Ware dem Kunden gegenüber. Meist gilt dieses Versprechen nur, sofern es sich um eine Privatperson handelt, also einen sog. Verbraucher, wie ihn das Bürgerliche Gesetzbuch (kurz BGB) bezeichnet. Es handelt sich dann zumeist um Neuware, die von einem Händler an Sie veräußert, also verkauft wird. Ist das der Fall, kommt grundsätzlich die Garantie (das Garantieversprechen) zum Tragen. Denn, was die Garantie Ihnen für Versprechen oder Leistungen im Fall der Fälle gewährt, ist gesetzlich nur teilweise festgelegt und der Hersteller bestimmt in weiten Teilen seiner Garantieerklärung einseitig, wann und unter welchen Umständen er Ihnen bestimmte Rechte einräumt. Sie sollten daher immer genau in den Verkaufs­unterlagen, die Sie bspw. für Ihren Fernseher bekommen haben, nachsehen, welche Rechte Ihnen der Hersteller für den Fall einräumt, dass das Gerät einen Schaden oder auch Mangel nach dem Kauf hat. Lesen Sie daher die zu Ihrem Gerät gehörende Garantieerklärung des Herstellers aufmerksam. Der große Vorteil der meisten Garantieversprechen der Hersteller sind, dass diese gelten, sofern ein Mangel oder Fehler am Gerät innerhalb der vereinbarten Garantiezeit auftritt. Ist die Garantiezeit bspw. mit zwei Jahren ab Kaufdatum vom Hersteller festgesetzt und innerhalb dieser Zeit tritt ein Fehler auf, können Sie die Garantie gegenüber dem Hersteller geltend machen.
Ein weiterer, großer Vorteil der Garantie des Herstellers ist, dass diese sich zumeist nicht auf den Zeitpunkt der Übergabe der Ware bezieht, sondern Fehler in der gesamten Garantiezeit auftreten können bzw. dürfen. Hier werden viele Laien denken: „Wie, bei meinem Händler habe ich doch zwei Jahre Gewährleistung …“ und interpretieren das so, dass nur innerhalb von zwei Jahren ein Mangel/Fehler an der Ware auftreten muss und schon haftet der Händler. Dies ist leider falsch! Der Zeitraum ist zwar richtig, wenn es sich um Waren (also nicht ein Grundstück oder eine Bauleistung) handelt, nämlich zwei Jahre; § 438 Abs. 1, Nr. 3 BGB. Aber, im Rahmen der Gewährleistung kommt es vorrangig nicht darauf an, wann Sie einen Fehler/Mangel entdecken oder dieser auftritt. Vielmehr muss der Käufer, also Sie, grundsätzlich nachweisen (beweisen), dass der Mangel/Fehler schon bei Übergabe der Sache vorlag; § 434 BGB! Dies nennt man auch Zeitpunkt des Gefahrübergangs. Dazu später noch mehr unter Gewährleistung. Aber bei der Garantie müssen Sie diesen Beweis eben nicht erbringen, sondern es reicht, dass der Fehler während der Garantiezeit auftritt bzw. sich zeigt! Also, ein großer Vorteil für Sie als Kunde.


Die Gewährleistung ist dagegen ein Bündel von Rechten, welches Ihnen das Bürgerliche Gesetzbuch (kurz BGB) als Käufer der Ware gegenüber dem Verkäufer einräumt. Rechte, die sich aus der Gewährleistung ergeben, sind bspw. das Recht auf Minderung oder der Rücktritt vom Vertrag. Dazu verfasse ich noch einen gesonderten Artikel, denn eine Abhandlung über verschiedene Rechte aus der Gewährleistung würde hier den Rahmen sprengen.

Nun noch einmal zurück auf den Zeitpunkt des Gefahrübergangs. Das hatte ich bereits oben kurz unter der Garantie erwähnt. Die meisten Menschen verstehen bereits nicht, dass ein normaler Kauf aus zwei Elementen besteht, dem Grundgeschäft und der Erfüllung. Sie haben zum Beispiel ein TV-Gerät von einem privaten Anbieter gekauft. Zuvor hatte dieser in einem Internetportal eine Anzeige geschaltet. Sie besuchen den Verkäufer in seiner Wohnung und sagen, ich nehme ihn (den Fernseher) für 300 Euro. Der Verkäufer sagt: „ …einverstanden“. Damit ist das Grundgeschäft zustande gekommen. Jetzt geht es an die sogenannte Erfüllung. Sie müssen dem Verkäufer auch 300 Euro geben, so wie vereinbart. Theoretisch hätte man ja auch im Grundgeschäft vereinbaren können, ich komme morgen das TV-Gerät abholen und bezahle dann. Der Verkäufer sagt wieder „einverstanden“.  Dann hat er keinen Anspruch auf das Geld am Tag Ihrer Besichtigung/des Vertragsschlusses, sondern erst am Tag der Abholung! Also, das Grundgeschäft und das Geschäft zur Erfüllung müssen nicht zwangsläufig am selben Tag stattfinden. Im Beispiel wird heute das (Grund-)Geschäft geschlossen und die Erfüllung soll morgen erfolgen.
Da bei Ihrem oben geschilderten Sofortkauf nichts dergleichen vereinbart ist, schulden Sie dem Verkäufer das Geld sofort und umgekehrt schuldet er Ihnen sofort das TV-Gerät! Den Moment, wo die Ware vereinbarungsgemäß den Besitzer wechselt, nämlich vom Verkäufer zu Ihnen, nennen wir auch Übergabestichtag, Übergabezeitpunkt oder den Zeitpunkt des Gefahrübergangs, wie es im Gesetz in § 434 BGB jetzt heißt. Warum nennen wir diesen Zeitpunkt Gefahrübergang? Stolpern Sie auf der Treppe mit dem TV-Gerät und haben es zuvor in der Wohnung des Verkäufers übernommen (Übergabe), dann tragen Sie die Gefahr und das Stolpern und die Zerstörung des TV-Geräts, vielleicht 30 Sekunden nach Übergabe, geht auf Ihre Kappe! Deshalb Gefahrübergang.
Dieser eine, kurze Moment, ist also der entscheidende Zeitpunkt, an dem das Gerät bereits einen Fehler/Defekt/Sachmangel haben muss!
Also anders, als bei der Garantie, wo der Fehler irgendwann innerhalb der vereinbarten Garantiezeit auftreten muss.

Dazu ein weiteres Beispiel: Stellen wir uns vor, Sie haben ein TV-Gerät beim bekannten M-Markt gekauft, bezahlt und in Ihren PKW geladen. Zu Hause angekommen, packen Sie das Gerät aus, stellen es auf, stecken den Netzstecker in die Steckdose, schließen das Antennenkabel an und was passiert? Nichts! Der berühmte Zeitpunkt des Gefahrübergangs war, als der Service-Mitarbeiter Ihnen an der Rampe das Paket mit dem TV-Gerät in die Hände gedrückt hat. Sie müssen nun also beweisen, dass genau in dem Moment das TV-Gerät schon defekt war! Das ist fast unmöglich. Sie wissen Zuhause ja nicht einmal, wieso die blöde Kiste überhaupt dunkel bleibt. Und anders als Sie denken, weiß der Jurist, dass es zumindest möglich ist, dass das Gerät durch einen unsachgemäßen Transport ihrerseits einen Schaden erlitten haben könnte. Beweisen Sie doch bitte, dass Sie das TV-Gerät ganz sanft transportiert haben und deshalb ein Fehler am Gerät unmöglich von Ihnen verursacht sein kann. Folglich das Gerät schon defekt im Karton gelegen haben muss, als der Service-Mitarbeiter Ihnen das Gerät ausgehändigt hat. Auch dies ist nahezu ein Ding der Unmöglichkeit. Wenn sich der M-Markt Ihnen gegenüber also taub gestellt hätte, dann wäre er rein rechtlich gesehen auf ziemlich sicherem Posten gewesen. Zum Glück hat das der Gesetzgeber jedoch bemerkt und schon vor einigen Jahren reagiert. Deshalb gibt es nun § 477 BGB. Kurz gesagt hilft dieser Paragraf Ihnen wie folgt:
Erstens muss es sich um einen Verbrauchsgüterkauf handeln. Wenn der Verkäufer also gewerblicher Händler (Unternehmer im Sinne des BGB) ist und sie als Privatperson gekauft haben, handelt es sich um einen Verbrauchsgüterkauf. Haben Sie beruflich eine Gastwirtschaft und haben das Gerät für die samstägliche Fußballrunde gekauft, haben Sie Pech gehabt, zumindest was die Beweiserleichterung des § 477 BGB anbelangt. Dann fand der Verkauf zwischen Unternehmern statt und nichts ist es, mit der Beweiserleichterung.
Zweitens muss sich der Mangel binnen Jahresfrist (seit dem Kauf) zeigen, was ja bei Ihrer Ankunft direkt nach dem Einkauf beim M-Markt der Fall wäre.
Wenn diese Voraussetzungen vorliegen, wird zulasten des Verkäufers vermutet, dass das Gerät schon bei Übergabe defekt war. Sie müssen folglich nicht mehr beweisen, dass sie sehr vorsichtig gefahren sind und das Gerät einwandfrei transportiert haben. Der Händler muss nun beweisen, dass das Gerät bei Übergabe in Ordnung war, die gesetzliche Vermutung also widerlegen. Kann oder tut der Händler das nicht, gilt die Vermutung und Sie haben Ihre Gewährleistungsrechte. Dann muss der Händler bspw. reparieren (Nacherfüllung) oder später die von Ihnen verlangte Minderung akzeptieren.

Der einfachste und sicherste Weg, seine Rechte als Verbraucher geltend zu machen, ist meiner Ansicht nach der Weg über den Händler/Verkäufer der Ware. Die Rechte sind sicher und  vor allem umfassender. Nur bei äußerst günstigen Bedingungen ist meiner Meinung nach die Garantie des  Herstellers der bessere Weg. Oder für den Fall, dass Ihr Händler nicht mehr existiert oder auffindbar ist, was ja durchaus bei vielen kleinen Online-Händlern vorkommen soll.

Deshalb mein letzter Tipp, wenn Sie bei einem kleinen Händler kaufen, möglicherweise sogar im Internet, sollten Sie immer darauf achten, dass Sie mit der Ware auch die Garantie­erklärung des Herstellers erhalten. Alle großen Hersteller geben solche Garantieerklärungen ab. Verwahren Sie diese zusammen mit Ihrem Kaufbeleg (ja, auch den benötigen Sie häufig für die Geltendmachung der Garantie!) gut und mindestens so lang, wie die Gewährleistung und/oder Garantie andauert. Dann sind Sie auf der sicheren Seite für den Fall, dass nach 18 Monaten Ihr Händler bereits den Geschäftsbetrieb wieder eingestellt hat oder verschwunden ist. Dann haben Sie sozusagen Ihr zweites Standbein, die Garantie des Herstellers. Also, auf jeden Fall besser als ein verschwundener Händler und nur noch theoretisch durchsetzbare Rechte.

Bleiben Sie mir gewogen und vertragen Sie sich 😉

Ihr Ralf Beckmann

Bundesgerichtshof – Die Vorfahrtsregel „rechts-vor-links“ findet auf öffentlichen Parkplätzen ohne ausdrückliche Vorfahrtsregelung keine Anwendung

Der Bundesgerichtshof hat durch seinen 6. Zivilsenat mit Urteil vom 22.11.2022 entschieden:

Zur Anwendung der StVO § 8 Abs. 1 Satz 1

„Die Vorfahrtsregel des § 8 Abs. 1 Satz 1 StVO („rechts vor links“) findet auf öffentlichen Parkplätzen ohne ausdrückliche Vorfahrtsregelung weder unmittelbar noch im Rahmen der Pflichten­kon­kreti­sierung nach § 1 Abs. 2 StVO Anwendung, soweit den dort vorhandenen Fahrspuren kein eindeutiger Straßencharakter zukommt.“ BGH, Urteil vom 22. November 2022 – VI ZR 344/21 -. Zuvor entschieden durch das Landgericht Lübeck und das Amtsgericht Lübeck.

Zunächst fragt man sich wohl als betroffener Autofahrer und Verkehrsteilnehmer, was überhaupt ein „öffentlicher Parkplatz“ ist, damit man das Urteil und den o.g. Tenor überhaupt richtig einordnen kann. Öffentlicher Parkplatz bedeutet lediglich, dass dieser frei für Kunden oder Interessierte zugänglich sein muss. Das war im zu entscheidenden Fall ein Parkplatz eines Baumarktes in Schleswig-Holstein, wo es zu einem Verkehrsunfall zwischen zwei PKW gekommen war.

Fahrspuren, denen kein Straßencharakter zukommt, sind laut BGH im vorliegenden Fall gegeben gewesen, weil sich die Parkbuchten hinsichtlich Pflasterung nicht von den sich teilweise kreuzenden Fahrspuren unterschieden hatten.

Auch gab es keine Beschilderung an „Kreuzungen“ oder an der Einfahrt, die eine bestimmte Regel, bspw. „rechts-vor-links“ festlegten.

Die Kontrahenten des Unfalles auf dem Baumarktparkplatz vertraten unterschiedliche Auffassungen, nämlich „rechts-vor-links“ sei anwendbar oder eben nicht. Wobei man aus der anwaltlichen Praxis feststellen muss, dass man im Streitfalle schon einmal die Anwendung von Regeln befürwortet, weil es einem gerade gut passt, während man bisher eine derartige Regel vehement verneint hat. Jedenfalls hatten die mit dem Verkehrsunfall befassten Gerichte, das Amts- und Landgericht Lübeck zunächst die Anwendung der „rechts-vor-links“ Regel für diesen Parkplatz verneint und der Bundesgerichtshof hat dies letztlich bestätigt. U.a. sagt der BGH: „Nach gängiger Rechtsprechung komme es insoweit auf die baulichen Besonderheiten des Einzelfalls an. Entscheidende Merkmale für das Vorliegen einer Straße seien etwa Markierungen auf der Fahrbahn, Bordsteine oder das Fehlen von Parkboxen entlang der Fahrbahn.“ Weiter der BGH: „Ein Parkplatz ist dagegen – als Ganzes betrachtet – keine Straße, sondern eine Verkehrsfläche, die – vorbehaltlich spezifischer Regelungen durch den Eigentümer oder Betreiber – grundsätzlich in jeder Richtung befahren werden darf. Parkflächenmarkierungen, die den Platz in Parkplätze und Fahrspuren aufteilen, ändern für sich genommen daran nichts, so dass durch solche Markierungen entstehenden Fahrbahnen – wie allein durch die tatsächliche Anordnung der geparkten Fahrzeuge gebildeten Gassen – kein Straßencharakter zukommt.“

Was folgt aus diesem Urteil für die Kraftfahrer, die nicht ständig ihren Rechtsanwalt dabeihaben? Sobald Sie sichtbar die Straße verlassen und auf Privatgrund oder zwar öffentlich zugängliche, aber eben nicht dem Straßenverkehr unmittelbar dienende Bereiche gelangen, sollte man mit Verkehrsregeln, bzw. deren Anwendung äußerst vorsichtig sein. Es gilt eben im Zweifel nicht links-vor-rechts und auch die neben dem Parkplatz auf der Straße zulässige Höchst­geschwindig­keit gilt hier keinesfalls. Vielmehr gilt hier das Gebot gegenseitiger Rücksichtnahme und eine nur teilweise Anwendung der StVO so, wie es die bauliche Anlage erfordert. Das kann im Zweifel niemand, der nicht ständig mit Verkehrsrecht befasst ist, verinnerlichen, verstehen und auch behalten. Deshalb: fahren sie langsam, wenn Schritttempo zu schnell ist, eben noch langsamer! Wenn Sie von rechts kommend auf einen anderen Parkplatznutzer in seinem PKW treffen, verständigen Sie sich bitte. Das Nachgeben, auch wenn man vermeintlich im Recht ist, ist schneller, preiswerter und stressärmer, als das Durchsetzen vermeintlicher Rechte, deren Anwendung erst noch von Gerichten geklärt werden müssen.

Also, ziehen Sie zurück, wenn ein Besserwisser meint, er müsse schneller vom Parkplatz kommen! Nur dann ist sicher, dass Sie nicht irgendwann auch den Bundesgerichtshof bemühen müssen, um dann bescheinigt zu bekommen, dass es doch nicht richtig war, weiterzufahren.

Bleiben Sie mir gewogen und vertragen Sie sich 😉

Ihr Ralf Beckmann

P.S. Beispielfoto mit besten Dank an John Matychuk auf Unsplash

Ungleiche Bezahlung für einen Rettungssanitäter als Teilzeitkraft oder Minijobber gegenüber den in Vollzeit tätigen Mitarbeitern? – Das Bundesarbeitsgericht sagt NEIN

Das Bundesarbeitsgericht teilt in einer Presseerklärung zu einem Urteil des 5. Senats vom 18.01.2023 mit:

„Geringfügig Beschäftigte, die in Bezug auf Umfang und Lage der Arbeitszeit keinen Weisungen des Arbeitgebers unterliegen, jedoch Wünsche anmelden können, denen dieser allerdings nicht nachkommen muss, dürfen bei gleicher Qualifikation für die identische Tätigkeit keine geringere Stundenvergütung erhalten als vollzeitbeschäftigte Arbeitnehmer, die durch den Arbeitgeber verbindlich zur Arbeit eingeteilt werden.“

Was heißt das für Sie als Arbeitnehmer und Verbraucher, der Sie vielleicht nur in Teilzeit oder als sog. Minijobber arbeiten genau?
Zunächst einmal gilt, dass Ihnen derselbe Lohn zusteht wie den Vollzeitbeschäftigten. Verdient ein Geselle, sagen wir ein Elektriker, im Handwerk 15,50 Euro Stundenlohn (brutto), steht Ihnen als Teilzeitmitarbeiter, sofern Sie ebenfalls Elektriker-Geselle und als solcher in Teilzeit angestellt sind, ebenfalls eine Vergütung von 15,50 Euro zu.
Verantwortlich für diese einfache Weisheit ist  § 4 Abs. 1 TzvBfG, also das Teilzeitbefristungsgesetz. Dort heißt es:

§ 4 TzBfG
Verbot der Diskriminierung
(1) Ein teilzeitbeschäftigter Arbeitnehmer darf wegen der Teilzeitarbeit nicht schlechter behandelt werden als ein vergleichbarer vollzeitbeschäftigter Arbeitnehmer, es sei denn, dass sachliche Gründe eine unterschiedliche Behandlung rechtfertigen. Einem teilzeitbeschäftigten Arbeitnehmer ist Arbeitsentgelt oder eine andere teilbare geldwerte Leistung mindestens in dem Umfang zu gewähren, der dem Anteil seiner Arbeitszeit an der Arbeitszeit eines vergleichbaren vollzeitbeschäftigten Arbeitnehmers entspricht. (Unterstreichung durch den Autor)

Der entscheidende Punkt ist also, dass keine sachlichen Gründe für eine unterschiedliche Behandlung zwischen Voll- und Teilzeitbeschäftigten sprechen. Hier sind die Arbeitgeber, die oftmals natürlich diesen juristischen Stolperstein im Arbeitsvertrag kennen, sehr kreativ. Im vom BAG behandelten Fall, handelte es sich um einen in Teilzeit beschäftigten Rettungssanitäter. Das erste Mal musste ich schlucken, weil sage und schreibe 12,00 Euro pro Stunde dafür, dass ein hoch qualifizierter Mitarbeiter/in mit dem Rettungswagen durch die Gegend rast, um Leben zu retten (wohl im Jahr 2021)? Wow, ich hätte ohne Blick in einen Tarifvertrag bei den ständig steigenden Krankenkassenbeiträgen eher auf 22,- statt auf 12,- Euro getippt. Aber das nur nebenher. Der später vom teilzeitbeschäftigten Rettungssanitäter verklagte Arbeitgeber führte als sachlichen Grund der Ungleichbehandlung an (seine hauptamtlichen Rettungssanitäter verdienten zum fraglichen Zeitpunkt 17,- Euro pro Stunde), dass der nebenamtliche Rettungssanitäter Wunschtermine für seinen Einsatz angeben könne und man als Arbeitgeber zudem freie Dienstschichten mitteilen würde. Zudem hätte man gegenüber den Vollzeit-Rettungssanitätern hier kein Weisungsrecht bestimmte Schichten übernehmen zu müssen und hätte darüber hinaus einen erhöhten Planungsaufwand die Schichten der Teilzeit-Rettungssanitäter zu koordinieren.

All das hat das Bundesarbeitsgericht im Ergebnis als nicht durchgreifend verworfen. Vielmehr seien die Gründe des beklagten Arbeitgebers keine sachlichen Gründe, die ein Ungleichbehandlung im Lohn rechtfertigen würden. Vielmehr sei bereits nicht erkennbar, dass ein erhöhter Planungsaufwand überhaupt vorliege. Wenn das der Fall sei, rechtfertige die unterschiedliche Planbarkeit ebenfalls keine Ungleichbehandlung, da die nebenamtlichen (teilzeitbeschäftigten) Rettungssanitäter eine unabdingbare Einsatzreserve darstellen würden. Ebenfalls sei zu berücksichtigen, dass die nebenamtlichen Rettungssanitäter sich nicht die Dienstschichten frei aussuchen können, sondern umgekehrt keinen arbeitsvertraglichen Anspruch auf Einsatz in den gewünschten (vorgeschlagenen) Schichten hätten. Allein das Recht des Arbeitgebers, bestimmte Mitarbeiter zum Übernehmen bestimmter Schichten anhalten zu können (Weisungsrecht), rechtfertige keinen höheren Lohn.

Man sieht, dass die Frage, ob im Arbeitsvertrag angeführten Gründe für eine Ungleichbehandlung, auch im Lohn, sehr kritisch betrachtet werden müssen. Zunächst einmal gilt der Grundsatz, dass eine Ungleichbehandlung zwischen Vollzeit- und Teilzeitmitarbeitern nicht statthaft ist. Dann ist es am Arbeitgeber, im Arbeitsvertrag sachliche Gründe dafür aufzuführen, warum eine Ungleichbehandlung ausnahmsweise gerechtfertigt ist. Sollte das Lohngefälle zwischen den Vollzeitbeschäftigten und Ihnen als Teilzeitmitarbeiter/in mehr als 2 – 3 Euro je Stunde betragen, würde ich meinen Arbeitsvertrag und die Möglichkeit für nachträgliche Lohnforderungen qualifiziert prüfen lassen. Ich wage hier einmal die Prognose, dass im Arbeitsvertrag vom Arbeitgeber angeführte Gründe mindesten in 50 % aller Fälle keinen Bestand haben werden.

Und um auch einem weit verbreiteten, weiteren Missverständnis vorzubeugen. Als sog. Minijobber ist man ebenfalls ein normaler, teilzeitbeschäftigter Arbeitnehmer mit allen Rechten und Pflichten. Als so ein Minijobber hat man ebenfalls Anspruch auf anteiligen bezahlten Urlaub, Lohnfortzahlung im Krankheitsfall und auch die hier angesprochene Ungleichbehandlung im Lohn ist nur gerechtfertigt, wenn es tatsächlich nachvollziehbare Gründe hierfür gibt. Bleiben Sie mir gewogen und vertragen Sie sich 😉

Ihr Ralf Beckmann

Darf der Amtsveterinär ohne meine Erlaubnis die Wohnung betreten? – Tipps und Erläuterungen für den Fall der Fälle

Heute möchte ich einmal vom üblichen Muster abweichen und Ihnen Tipps für den Fall geben, dass Sie unerwarteten Besuch vom Amtsveterinär bekommen.

Der unangekündigte Besuch des Amtsveterinärs bei einem privaten Tierhalter ist keineswegs ein ungewöhnlicher Einzelfall. Vielmehr ist es so, dass diese Besuche in hoher Zahl stattfinden und die Betroffenen sich einem derartigen Besuch zwangsweise ausgesetzt sehen. Ich nutze hier das Wort ausgesetzt bewusst, weil die Ansprache und das Auftreten der für das Veterinäramt tätigen Tiermediziner oftmals mit ländlich-rustikal gegenüber den Betroffenen umschrieben werden kann oder muss.

Warum ist dieser Besuch für die betroffenen Tierfreunde so schlimm? Jeder hat in einem Krimi bereits gesehen, kein Eindringen in die Wohnung ohne Durchsuchungsbeschluss; egal ob deutscher oder amerikanischer Krimi. Und dann steht plötzlich ein Amtsveterinär vor der Tür, sagt, er will hinein, um die Wellensittiche zu begutachten. Man überlegt und der Amtsveterinär droht für den Fall, dass man nicht freiwillig mitspielt, mit der Amtshilfe durch die Polizei. Also, Verbrechensaufklärung und der Polizeibeamte von der Kripo braucht einen richterlichen Durchsuchungsbeschluss und der Amtsveterinär verschafft sich gegen meinen Willen Zutritt, um nach meinem Wellensittich, Kaninchen oder meiner Katze zu sehen? Das kann doch wohl nicht wahr sein, oder?

Es ist jedoch wahr.

Das Tierschutzgesetz bietet dem Amtsveterinär verschiedene Rechtsgrundlagen, um die Wohnung eines Tierhalters zu betreten. Denn eigentlich handelt es sich bei der Wohnung um einen grundgesetzlich geschützten Bereich, der nur in besonderen Fällen verletzt werden darf. Auch wenn Sie sich privat fühlen, aber bspw. eine Hundezucht betreiben, kann der Amtsveterinär gem. § 16 Abs. 3 Nr. 1 TierSchG Grundstücke, Geschäftsräume oder Wirtschaftsgebäude betreten, besichtigen und zur Dokumentation Bildaufzeichnungen (nicht von Personen) anfertigen oder eben auch Ihre Wohnung betreten, selbst wenn Sie nur zwei Wellensittiche halten! In dringenden Fällen der Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung kann gem. § 16 Abs. 3, Nr. 2a und 2b TierSchG betreten und auch durchsucht werden.

Das Betreten der Wohnung beschränkt sich m.E. aber immer nur auf die Räume, die offensichtlich der Haltung des Tieres dienen. Haben Sie bspw. in einer Voliere im Wohnzimmer zwei Wellensittiche und lassen diese auch dort frei fliegen, besteht m.E. kein Grund und keine Rechtsgrundlage auch ihr Schlafzimmer zu betreten. Dass der Amtsveterinär vom Wohnungseingang zum Wohnzimmer nicht „fliegen“ kann und deshalb notwendigerweise durch den Wohnungsflur gehen muss, um in das zur Haltung der Wellensittiche genutzte Wohnzimmer zu gelangen, versteht sich von selbst. Keineswegs ist der Amtsveterinär jedoch berechtigt, hinter Schränken zu suchen, Schubladen im Schrank zu öffnen, etc. pp. Das wäre bereits ein Durchsuchen, für das wiederum besondere Gründe und Anforderungen notwendig sind.

Wir müssen also zwischen dem Betreten und dem Durchsuchen unterscheiden. Wenn Sie von einer derartigen Maßnahme betroffen sind, kommt für Sie erschwerend hinzu, dass man nur spärliche bis gar keine Informationen erhält, warum diese „Kontrolle“ konkret stattfindet. Es ist einem deshalb quasi unmöglich, irgendetwas zur eigenen Verteidigung vorzubringen. Deshalb mein Rat: versuchen Sie es erst gar nicht. Atmen Sie tief durch, versuchen Sie möglichst sachlich und neutral zu bleiben und antworten Sie nur auf Fragen mit direktem Bezug zu Ihrem Tier und nur, wenn Sie tatsächlich gefragt werden. Eigene, vorgreifende, zur Verteidigung vorgebrachte Tatsachen bringen Sie zumeist mehr in Schwierigkeiten, als dass sie Ihnen helfen würden. Hier komme ich zurück, auf das oben erwähnte, oftmals rustikale Auftreten. Halten Sie sich vor Augen, für den Amtsveterinär oder die Amtsveterinärin sind Sie ein potenzieller Tierquäler oder befinden sich zumindest in einer Vorstufe davon! Meiner langjährigen Erfahrung nach glauben die beteiligten Amtsveterinäre zunächst einmal noch so kuriosen und hanebüchenen Anzeigen von Nachbarn!

Glauben Sie deshalb nicht, dass die Sache mit einem „einmaligen Besuch“ ausgestanden ist oder Sie ein derartiges Ergebnis durch Auskünfte während der Kontrolle erreichen können. Meiner Erfahrung nach gelingt dies vielleicht zwei bis fünf von hundert betroffenen Tierhaltern. Kein Amtsveterinär scrollt bspw. durch das in Hamburg geführte Hunderegister, sucht sich einen Hundehalter heraus und sieht einfach mal freundlich nach den Rechten. Es liegt zu 99 % immer die Anzeige eines Nachbarn oder bspw. auch des eigenen Tierarztes vor! Sie wissen nicht, was diese Personen gegen Sie und Ihre Tierhaltung vorgebracht haben. Sie dürfen aber davon ausgehen, dass der Amtsveterinär diese negativen, gegen Ihre Tierhaltung sprechenden Tatsachen zumindest für sehr wahrscheinlich hält. Nur in krassen Ausnahmefällen wird man eine Anzeige „die Frau Meier behandelt ihren Hund nicht gut“  als nachbarlichen Racheakt abtun. Es kann also schon wenig ausreichen, um den Amtsveterinär auf den Plan zu rufen. 

Was dahintersteckt, wer sie mit welchen Argumenten angezeigt hat und wie man sich dann am effektivsten verteidigt, wird zumeist nur ein im Tierrecht erfahrener Rechtsanwalt herausfinden und beurteilen können.  Es gibt viele rechtliche Situationen im Alltag, die man mit Vernunft und einigen qualifizierten Auskünften zur Not auch selbst halbwegs in den Griff bekommt. Die strafrechtliche Verteidigung und die Verteidigung gegen unbekannte Angriffe von Nachbarn gegen die eigene Tierhaltung gehören definitiv nicht dazu. Holen Sie sich deshalb qualifizierten Hilfe. Selbst der Sohn oder die Tochter, die bereits im 6. Semester Jura studieren, werden hier nicht effektiv helfen können, zumal noch erschwerend hinzukommt, dass die Beteiligung von Tieren immer Emotionen beim Halter und seinen Familienangehörigen auslösen, die den klaren Blick für eine effektive und Erfolg versprechende Herangehensweise deutlich trüben.

Zusammenfassend noch einmal, der Amtsveterinär kann ihre Wohnung auch gegen Ihren Willen betreten. Dies setzt natürlich voraus, dass Sie ein Tier in Ihrer Wohnung halten. Wenn ein solcher Fall bei Ihnen eintritt, bewahren Sie Ruhe. Beantworten Sie nur Fragen, die auch wirklich gestellt werden. Die Beantwortung von Fragen, die nicht unmittelbar die Haltung des Tieres betreffen, sollten Sie ablehnen. Generell ist ein guter Weg, Vergesslichkeit an den Tag zu legen und zu bitten, dass man ein Protokoll führt, dieses auch zu beantwortende Fragen aufführt und sie dann bereit sind, Fragen schriftlich zu beantworten. Denn das Tierschutzgesetz legt Ihnen die Pflicht als Tierhalter auf, mitzuwirken und zu antworten. Nicht festgelegt ist aber, Fragen, deren Beantwortung nicht zwingend sofort erfolgen muss, auch sofort zu beantworten. Wenn bspw. Ihrem Hund vom Amtsveterinär ein guter Allgemeinzustand attestiert wird und dieser dennoch nach der  Art und Umfang der Fütterung fragt, würde  ich versuchen zu vereinbaren, dass Sie binnen Wochenfrist eine Futterliste vorlegen werden.

Ich wünsche Ihnen trotz des nicht so erfreulichen Themas eine schöne Zeit mit Ihrem Haustier!

Bleiben Sie mir gewogen und vertragen Sie sich 😉

Ihr Ralf Beckmann

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Volles Schmerzensgeld bei einem Hundebiss? Ist das richtig, obwohl das Opfer den Hund zuvor gestreichelt oder umarmt hat?

Das Landgericht Frankenthal hat im Dezember 2022 ein Urteil seiner 9. Zivilkammer zum Fall einer Beißattacke durch einen bekannten Hund veröffentlicht; hier. Es handelt sich um das Urteil des Landgerichts Frankenthal vom 04.11.2022, Az. 9 O 42/21.

Was war passiert? Nach der Pressemitteilung des Landgerichts war eine Frau zu Besuch bei einer Freundin. Anwesend war auch der Bruder der Freundin mit seinem Rottweiler Rüden. Das spätere Opfer soll den Hund schon gut gekannt haben und mit ihm vertraut gewesen sein. Aggressives Verhalten seitens des Hundes gegenüber dem Opfer soll es zuvor nicht gegeben haben. Sie habe vielmehr zuvor mit ihm mehrfach gespielt und gekuschelt. Am Unfalltag habe sie sich dann zu dem Hund heruntergebeugt und ihn am Kopf gestreichelt. Der Rottweiler habe  das Opfer dann unvermittelt in das linke Ohr gebissen und verletzt.

Das Landgericht sah in diesem Verhalten, nämlich Herunterbeugen und Streicheln, jedenfalls dann kein Mitverschulden begründendes Verhalten, wenn man den Hund  über geraume Zeit kennen würde und der Hund bisher kein aggressives Verhalten gezeigt habe.
Aus diesem Grund hat das Landgericht einen Mitverschuldenseinwand des Beklagten verworfen und der Klägerin den vollen Schadenersatz zugesprochen.

Dieses Urteil halte ich im Ergebnis für falsch. Die Beteiligung von Tieren führt m.E. oftmals dazu, tierisches Verhalten mit menschlichen Maßstäben zu bewerten, was wiederum zu falschen juristischen Ergebnissen führt.
Aber warum ist das Urteil nun meiner Meinung nach falsch? Richtig ist die nüchterne Feststellung des Landgerichts, dass ein Hundehalter (Tierhalter ganz allgemein natürlich auch), sofern sein Hund einen Schaden verursacht und dieser kausal auf sein tierisches Verhalten zurückzuführen ist, ohne Verschulden haftet; vorausgesetzt, es handelt sich um eine Hobbyhaltung und die Tiere dienen nicht dem Lebensunterhalt, wie bspw. Kühe beim Bauern.
Was bedeutet ohne Verschulden? Einwände des Laien wie, mein Hund war doch angeleint, er hat das zuvor niemals gemacht, ich musste damit also nicht rechnen, sind unerheblich, zählen also nicht. Es ist ganz einfach, der Hund hat gebissen, das Beißen gehört zum Verhalten des Hundes, durch den Biss wurde jemand verletzt, also haftet der Halter in vollem Umfang für den eingetretenen Schaden. ABER! Die Anwendung des § 254 BGB, nämlich ein anzurechnendes Mitverschulden, ist auch bei der Tierhalterhaftung möglich! Das wichtigste Element beim Mitverschulden ist der sog. Verursachungsbeitrag. Der oder die Geschädigte muss einen eigenen Beitrag zum Eintritt des Schadens geleistet haben. Dies kann durch aktives Tun oder auch durch Unterlassen geschehen sein. Wenn ich mich im Verkehrsunfallrecht befinde, kann bspw. die Nichteinhaltung des Sicherheitsabstandes zum Vordermann oder das fehlende Anschnallen eine Unterlassung sein, die zu einem Mitverschulden führt. Hier sehe ich diesen Beitrag der Geschädigten durch das Unterlassen des notwendigen Sicherheitsabstandes zum Hund. Jeder, mit Hunden etwas vertraute Mensch weiß, dass auch der friedlichste Hund plötzlich und unerwartet beißen kann. Will ich das bestmöglich vermeiden, halte ich eben Abstand. Hier hat die betroffene Frau nicht nur keinen Abstand gehalten, sondern den Hund auch noch umarmt und gestreichelt. Mehr Nähe geht nicht und eben auch nicht mehr Gefahr. Auch ohne die Einschaltung eines Sachverständigen für Hundeverhalten drängt sich jedermann die Überlegung auf, dass der Biss am linken Ohr nicht passiert wäre, wenn das spätere Opfer den Hund nicht umarmt und gestreichelt hätte. Allein die extreme Nähe hat den konkreten Biss am Ohr möglich gemacht. Ob diese Nähe überhaupt den Biss als solchen ausgelöst hat, ist fast unerheblich. Denn selbst wenn der bei einem Abstand der Geschädigten von einem Meter dennoch Anstalten zum Beißen gemacht hätte, wäre der Verlauf eben ein völlig anderer gewesen. Diese Überlegungen wischt das Landgericht nun aber mit der, so meine ich, unerheblichen Überlegung zur Seite, dass das Opfer den Hund kannte und umgekehrt der Hund das Opfer und der Hund zuvor niemals Aggressivität gezeigt habe. Das Landgericht verkennt dabei aber, dass es eben zum unberechenbaren, tierischen Verhalten gehört, eben nicht immer wie gewohnt zu agieren oder zu reagieren. Dass der Hund, der im juristischen Sinne keinen eigenen Willen hat, zeigt, dass es für ihn ohne Belang ist, dass er das Opfer kannte, belegt die Unberechenbarkeit tierischen Verhaltens. Der bedauernswerte Roy von Siegfried & Roy konnte davon bezüglich eines von ihm großgezogenen Tigers ein leidvolles Lied singen. Dass das Opfer den Hund kannte und daher sein Verhalten für die Situation falsch einschätzte, ist menschlich nachvollziehbar, aber juristisch hätte das Opfer eben die Unberechenbarkeit tierischen Verhaltens beachten müssen, gerade weil sie den Hund besser kannte. Nur wer von Hunden und dem Hund konkret absolut keine Ahnung hat, kann sich m.E. darauf berufen, mit einem Angriff nicht gerechnet zu haben. Wer ein bisschen von Hunden und konkret von dem Hund versteht, eben nicht! Der muss schlicht vorsichtig sein. Tut er es nicht, was menschlich nachvollziehbar ist, haben wir eben das Mitverschulden.

Es kommt daher bei der Beurteilung des Mitverschuldens allein darauf an, dass das aktive Suchen der Nähe zum Hund bis zur Umarmung ein Verursachungsbeitrag der Geschädigten war, der den Biss und Schaden erst möglich gemacht hat. Dies hätte das Landgericht m.E. berücksichtigen müssen.

Was lernen wir daraus? Auch wer sich mit vermeintlich harmlosen Haustieren umgibt, sollte wissen, dass es eine hundertprozentige Sicherheit für ein aggressionsloses Verhalten in jeder Situation nicht gibt.  Wer als Hundehalter oder auch Opfer von Bissen oder Verletzungen betroffen ist, sollte sich besonders qualifizierten, juristischen Rat suchen. Das Urteil zeigt, die Situation ist extrem kompliziert. Zu den üblichen juristischen Fragen kommen immer Beurteilungsfragen zum tierischen Verhalten hinzu. Guter Rat tut deshalb doppelt Not.

Gleichwohl wünsche ich den vielen glücklichen und unfallfreien Hundehaltern weiterhin eine gute Zeit mit Ihren Hunden.

Bleiben Sie mir gewogen und vertragen Sie sich.

Ihr Ralf Beckmann

P.S. Hier noch der Link zu der Pressemitteilung des Landgerichts Frankenthal für diejenigen, die gern noch selbst nachlesen möchten.

Führerscheinentzug für Parkverstoß? Ja, geht denn das?

Im Oktober 2022 hat das Verwaltungsgericht Berlin entschieden, dass 159 Parkverstöße in einem Jahr ausreichen, um die Fahrerlaubnis zu entziehen.

Was war passiert? Insgesamt hatte der Betroffene 174 Verkehrsordnungswidrigkeitsverfahren gegen sich laufen, 159 Parkverstöße und 15 Geschwindigkeitsüberschreitungen. Die Verstöße wurden mit drei auf den Betroffenen zugelassenen Fahrzeugen begangen.

Er wandte ein, dass er nicht wisse, wer mit den drei Fahrzeugen jeweils gefahren sei und die Vorwürfe jeweils akzeptiert zu haben, um der Verkehrsbehörde keine Arbeit zu machen. Zudem sei er beruflich auf eine Fahrerlaubnis angewiesen.

Die Behörde hatte ihn angehört, die Argumente verworfen und ihm die Fahrerlaubnis ohne vorherige Anordnung einer Fahrtenbuchauflage entzogen. Das Verwaltungsgericht Berlin hat diese Entscheidung mit ihrem Urteil vom 28.10.2022 – Az. VG 4 K 456/21 – bestätigt.

Richtig Parken – 159 Parkverstöße führen zum Entzug der Fahrerlaubnis – Führerschein

Zu Recht? Wie ich meine, ja. Denn das Gericht führt zutreffend aus, dass zwar unbedeutende Bagatellverstöße an sich nicht ausreichen, um eine Fahrerlaubnis zu entziehen. Die Menge der Verstöße innerhalb eines Jahres sei aber so erheblich, dass sich darin charakterliche Mängel zeigten, die den Betroffenen als ungeeigneten Verkehrsteilnehmer auswiesen. Dies gelte auch, wenn er teilweise die Verstöße gar nicht selbst begangen habe. Denn wer zulässt, dass Dritte mit seinem Fahrzeug wiederholt Verstöße begingen und dies nicht unterbinde, zeige ebenso charakterliche Mängel.

Ich lehne mich hier einmal weit aus dem Fenster und sage, richtig so! Gerade wer viel beruflich mit dem Fahrzeug unterwegs ist, sollte besonders umsichtig und versiert fahren. Und seien wir einmal ehrlich. Wer beispielsweise 50.000 km pro Jahr beruflich mit dem PKW fährt, kann natürlich einmal, zweimal oder auch fünfmal Pech haben, bei einer relativ unbedeutenden Geschwindigkeitsübertretung oder einem Parkverstoß ertappt zu werden. Aber bitte, 174 Verstöße in einem Jahr? Das ist kein Pech, sondern ein deutliches Anzeichen für Vorsatz! Ein PKW-Fahrer fährt fahrlässig zu schnell, wenn er vergessen hat, den Tacho zu beobachten. Wer aber bewusst zu schnell fährt, und sich sagt, lieber 70 als die erlaubten 50 km/h, um schneller zum nächsten Termin zu kommen oder eben bewusst im eingeschränkten Halteverbot parkt, weil er lieber 10 oder 20 Euro bezahlt, als 10 Minuten vom nächsten Parkhaus aus zum Termin zu gehen, der begeht die Verstöße mit Vorsatz und dieser bedingte Vorsatz zeigt dann eben auch die charakterlichen Mängel auf. Denn seine persönlichen Belange, direkt vor dem Haus des Kunden parken, obwohl dort das Parken nicht erlaubt ist, sind ihm offensichtlich wichtiger. Oder kann man das auch anders sehen?

Und was lernen wir daraus? Okay, wer viel unterwegs ist, der kann „Pech“ haben und sammelt 10 „Knöllchen“ im  Jahr. Aber ab 20 Knöllchen, so mein Rat, sollte man an seinem Verhalten arbeiten und nur noch unter dem Radar fliegen. Auch das regelmäßige Wiederholen von 10 bis 15 OWiG-Verfahren pro Jahr kann eine Gefahr für die Fahrerlaubnis darstellen. Das alles hat nichts mit persönlichem Geschmack zu tun, sondern ist gängige Praxis in den deutschen Behörden.

Bleiben Sie mir gewogen und vertragen Sie sich 😉

Ihr Ralf Beckmann

Skandal oder völlig normal? Darf ich wirklich keine Ukraine-Flüchtlinge aufnehmen? Gericht verbietet die Aufnahme von Flüchtlingen

Vor einigen Tagen ging ein Urteil des Amtsgerichts München u.a. bei der tz viral. Die Schlagzeile lautete:

„München: Vermieter wollte keine Ukraine-Flüchtlinge gestatten – weitreichendes Urteil jetzt gefällt“

Was denken Sie, sollten Gerichte verbieten dürfen, dass man Flüchtlinge aufnimmt? Selbst, wenn man mit der gegenwärtigen Flüchtlingspolitik nicht einverstanden ist, so werden viele denken, warum sollte ein Gericht mir vorschreiben dürfen, was ich in meiner Wohnung tue und was nicht? Aber ganz so einfach ist das deutsche Recht nicht.

Die Schlagzeile ist ein typisches Beispiel dafür, wie schwierig es ist, juristische Sachverhalte, also das Recht, dem „Verbraucher“ zu vermitteln. Worum geht es hier also tatsächlich? Schlicht um die sog. Untervermietung. Eine Möglichkeit, welche das Bürgerliche Gesetzbuch dem Mieter als Recht einräumt, um dem Mieter Gestaltungsmöglichkeiten für die Nutzung seiner Wohnung zu geben.

Zunächst einmal muss man sich bei aller Empörung in Erinnerung rufen, dass es im hier behandelten Fall darum geht, dass ein Mieter einer Wohnung oder eines Hauses helfend tätig werden wollte. Wie schon von vielen Professoren im ersten Semester empfohlen wird, ein Blick in das Gesetz erleichtert die Rechtsfindung! Also, sofern der Mietvertrag keine abweichende Regelung trifft, gilt § 540 BGB. D.h., dass der Mieter die Sache (Wohnung oder Haus) gem. § 540 Abs. 1, Satz 1 BGB einem Dritten nur überlassen darf, wenn der Vermieter die Erlaubnis erteilt hat.

Wir können deshalb vermuten, dass der Mieter in dem vorliegenden Fall des juristisch gesehen einige Fehler begangen hat. Der Mieter hatte offensichtlich nicht die Erlaubnis des Vermieters eingeholt. Dann hat er nicht abgewartet, bis der Vermieter sich zur Bitte um Erlaubniserteilung geäußert hatte, wenn er denn gefragt hätte. Der Mieter hat also nicht beachtet, dass, selbst wenn man objektiv ein berechtigtes Interesse hat, die Gebrauchsüberlassung an Dritte vor dem Beginn dem Vermieter angezeigt und die Erlaubniserteilung abgewartet werden muss. Ausnahmen sind hier nur in besonderen Fällen denkbar, wozu sicher nicht nach Auffassung des Amtsgerichts ein politisch motiviertes Helfen gehört.

Ein verbreiteter Irrglaube ist es, einen längeren Besuch eines Verwandten mit der Gebrauchsüberlassung und Untervermietung gleichzusetzen. Nach dem Motto, ich muss den Besuch meines Onkels aus Amerika auch nicht als Besuch anzeigen, folglich muss ich auch die Aufnahme von Flüchtlingen nicht anzeigen. Diesem Irrtum verfällt man umso eher, je länger der Onkel aus Amerika zu Besuch da ist, sagen wir einmal, zwei Monate. Wobei eben der Unterschied von nicht anzeigepflichtigem Besuch zu einer kostenlosen Gebrauchsüberlassung, der Onkel muss ja nicht zahlen, fließend ist. Einer der entscheidenden Unterschiede zwischen einem Besucher und Untermieter ist, dass der Onkel aus Amerika u.a. weiterhin eine eigene Wohnung/Haus in Amerika hat, während der/die Flüchtlinge die Wohnung oder einen Teil davon auf unabsehbare Zeit dauerhaft als ersten Wohnsitz nutzen werden.

Unerheblich ist auch die politische Motivation der Nutzung. Natürlich ist es menschlich ehrenvoll, anderen in Not zu helfen. Aber in unserer Rechtsordnung kann man eben nicht seine politischen Motive in den Vordergrund stellen, wenn man damit die Rechte Dritter, also die des Vermieters, stillschweigend ausklammert. Um es platt auszudrücken ist es nicht in Ordnung, die eigene politische Meinung in das Mietverhältnis mit hineinzutragen und zu denken, das eigene politische Streben sei derart schützenswert, dass andere wie selbstverständlich zustimmen oder beiseite treten müssen. Das ist hier des Pudels Kern. Auch dass die Flüchtlinge nicht für das Zimmer im Dachgeschoss bezahlen müssen, ist unerheblich. Denn § 540 BGB schränkt das Recht sowohl für die Untervermietung, als auch für die Gebrauchsüberlassung, also die kostenlose Überlassung, ein.

Um auf das Urteil zurückzukommen, jetzt ist das Kind eben bereits  in den Brunnen gefallen und man muss abwarten, ob auch das Landgericht als Berufungsinstanz die politisch ehrenwerten Gründe ebenfalls nicht gelten lässt oder sie als besonderes Interesse der Mieter anerkennt. Ich habe da aus Erfahrung meine Zweifel und gehe eher davon aus, dass das Urteil bestätigt werden wird.

Bleiben Sie mir gewogen und vertragen Sie sich 😉

Ihr Ralf Beckmann

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