Heute möchte ich einmal vom üblichen Muster abweichen und Ihnen Tipps für den Fall geben, dass Sie unerwarteten Besuch vom Amtsveterinär bekommen.

Der unangekündigte Besuch des Amtsveterinärs bei einem privaten Tierhalter ist keineswegs ein höchst seltener Einzelfall. Vielmehr ist es so, dass diese Besuche sehr häufig stattfinden und die Betroffenen sich einem derartigen Besuch zwangsweise ausgesetzt sehen. Ich nutze hier das Wort ausgesetzt bewusst, weil die Ansprache und das Auftreten der für das Veterinäramt tätigen Tiermediziner oftmals mit ländlich-rustikal gegenüber den Betroffenen umschrieben werden kann oder muss.

Warum ist dieser Besuch für die betroffenen Tierfreunde so schlimm? Jeder hat in einem Krimi bereits gesehen, kein Eindringen in die Wohnung ohne Durchsuchungsbeschluss; egal ob deutscher oder amerikanischer Krimi. Und dann steht plötzlich ein Amtsveterinär vor der Tür, sagt, er will hinein, um die Wellensittiche zu begutachten. Man überlegt und der Amtsveterinär droht für den Fall, dass man nicht freiwillig mitspielt, mit der Amtshilfe durch die Polizei. Also, Verbrechensaufklärung und der Polizeibeamte von der Kripo braucht einen richterlichen Durchsuchungsbeschluss und der Amtsveterinär verschafft sich gegen meinen Willen Zutritt, um nach meinem Wellensittich, Kaninchen oder meiner Katze zu sehen? Das kann doch wohl nicht wahr sein, oder?

Leider ist es doch wahr.

Das Tierschutzgesetz bietet dem Amtsveterinär verschiedene Rechtsgrundlagen, um die Wohnung eines Tierhalters zu betreten. Denn eigentlich handelt es sich bei der Wohnung um einen grundgesetzlich geschützten Bereich, der nur in besonderen Fällen verletzt werden darf. Auch wenn Sie sich privat fühlen, aber bspw. eine Hundezucht betreiben, kann der Amtsveterinär gem. § 16 Abs. 3 Nr. 1 TierSchG Grundstücke, Geschäftsräume oder Wirtschaftsgebäude betreten, besichtigen und zur Dokumentation Bildaufzeichnungen (nicht von Personen) anfertigen oder eben auch Ihre Wohnung betreten, selbst wenn Sie nur zwei Wellensittiche halten! In dringenden Fällen der Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung kann gem. § 16 Abs. 3, Nr. 2a und 2b TierSchG betreten und auch durchsucht werden.

Das Betreten der Wohnung beschränkt sich m.E. aber immer nur auf die Räume, die offensichtlich der Haltung des Tieres dienen. Haben Sie bspw. in einer Voliere im Wohnzimmer zwei Wellensittiche und lassen diese auch dort frei fliegen, besteht m.E. kein Grund und keine Rechtsgrundlage auch ihr Schlafzimmer zu betreten. Dass der Amtsveterinär vom Wohnungseingang zum Wohnzimmer nicht „fliegen“ kann und deshalb notwendigerweise durch den Wohnungsflur gehen muss, um in das zur Haltung der Wellensittiche genutzte Wohnzimmer zu gelangen, versteht sich von selbst. Keineswegs ist der Amtsveterinär jedoch berechtigt, hinter Schränken zu suchen, Schubladen im Schrank zu öffnen, etc. pp. Das wäre bereits ein Durchsuchen, für das wiederum besondere Gründe und Anforderungen notwendig sind.

Wir müssen also zwischen dem Betreten und dem Durchsuchen unterscheiden. Wenn Sie von einer derartigen Maßnahme betroffen sind, kommt für Sie erschwerend hinzu, dass man nur spärliche bis gar keine Informationen erhält, warum diese „Kontrolle“ konkret stattfindet. Es ist einem deshalb quasi unmöglich, irgendetwas zur eigenen Verteidigung vorzubringen. Deshalb mein Rat: versuchen Sie es erst gar nicht. Atmen Sie tief durch, versuchen Sie möglichst sachlich und neutral zu bleiben und antworten Sie nur auf Fragen mit direktem Bezug zu Ihrem Tier und nur, wenn Sie tatsächlich gefragt werden. Eigene, vorgreifende, zur Verteidigung vorgebrachte Tatsachen bringen Sie zumeist mehr in Schwierigkeiten, als dass sie Ihnen helfen würden. Hier komme ich zurück, auf das oben erwähnte, oftmals rustikale Auftreten. Halten Sie sich vor Augen, für den Amtsveterinär oder die Amtsveterinärin sind Sie ein potenzieller Tierquäler oder befinden sich zumindest in einer Vorstufe davon! Meiner langjährigen Erfahrung nach glauben die beteiligten Amtsveterinäre zunächst einmal noch so kuriosen und hanebüchenen Anzeigen von Nachbarn!

Glauben Sie deshalb nicht, dass die Sache mit einem „einmaligen Besuch“ ausgestanden ist oder Sie ein derartiges Ergebnis durch Auskünfte während der Kontrolle erreichen können. Meiner Erfahrung nach gelingt dies vielleicht zwei bis fünf von hundert betroffenen Tierhaltern. Kein Amtsveterinär scrollt bspw. durch das in Hamburg geführte Hunderegister, sucht sich einen Hundehalter heraus und sieht einfach mal freundlich nach den Rechten. Es liegt zu 99 % immer die Anzeige eines Nachbarn oder bspw. auch des eigenen Tierarztes vor! Sie wissen nicht, was diese Personen gegen Sie und Ihre Tierhaltung vorgebracht haben. Sie dürfen aber davon ausgehen, dass der Amtsveterinär diese negativen, gegen Ihre Tierhaltung sprechenden Tatsachen zumindest für sehr wahrscheinlich hält. Nur in krassen Ausnahmefällen wird man eine Anzeige „die Frau Meier behandelt ihren Hund nicht gut“  als nachbarlichen Racheakt abtun. Es kann also schon wenig ausreichen, um den Amtsveterinär auf den Plan zu rufen. 

Was dahinter steckt, wer sie mit welchen Argumenten angezeigt hat und wie man sich dann am effektivsten verteidigt, wird zumeist nur ein im Tierrecht erfahrener Rechtsanwalt herausfinden und beurteilen können.  Es gibt viele rechtliche Situationen im Alltag, die man mit Vernunft und einigen qualifizierten Auskünften zur Not auch selbst halbwegs in den Griff bekommt. Die strafrechtliche Verteidigung und die Verteidigung gegen unbekannte Angriffe von Nachbarn gegen die eigene Tierhaltung gehören definitiv nicht dazu. Holen Sie sich deshalb qualifizierten Hilfe. Selbst der Sohn oder die Tochter, die bereits im 6. Semester Jura studieren, werden hier nicht effektiv helfen können, zumal noch erschwerend hinzukommt, dass die Beteiligung von Tieren immer Emotionen beim Halter und seinen Familienangehörigen auslösen, die den klaren Blick für eine effektive und erfolgversprechende Herangehensweise deutlich trüben.

Zusammenfassend nochmal, der Amtsveterinär kann ihre Wohnung auch gegen Ihren Willen betreten. Dies setzt natürlich voraus, dass Sie ein Tier in Ihrer Wohnung halten. Wenn ein solcher Fall bei Ihnen eintritt, bewahren Sie Ruhe. Beantworten Sie nur Fragen, die auch wirklich gestellt werden. Die Beantwortung von Fragen, die nicht unmittelbar die Haltung des Tieres betreffen, sollten Sie ablehnen. Generell ist ein guter Weg, Vergesslichkeit an den Tag zu legen und zu bitten, dass man ein Protokoll führt, dieses auch zu beantwortende Fragen aufführt und sie dann bereit sind, Fragen schriftlich zu beantworten. Denn das Tierschutzgesetz legt Ihnen die Pflicht als Tierhalter auf, mitzuwirken und zu antworten. Nicht festgelegt ist aber, Fragen, deren Beantwortung nicht zwingend sofort erfolgen muss, auch sofort zu beantworten. Wenn bspw. Ihrem Hund vom Amtsveterinär ein guter Allgemeinzustand attestiert wird und dieser dennoch nach der  Art und Umfang der Fütterung fragt, würde  ich versuchen zu vereinbaren, dass Sie binnen Wochenfrist eine Futterliste vorlegen werden.

Ich wünsche Ihnen trotz des nicht so erfreulichen Themas eine schöne Zeit mit Ihrem Haustier!

Bleiben Sie mir gewogen und vertragen Sie sich 😉

Ihr Ralf Beckmann