Schlagwort: Rechtsschutzversicherung

Wir übernehmen die Kosten, die dem Verhältnis des Obsiegens und Unterliegens entsprechen – Was bedeutet das?

Vorbemerkung
Ja, es geht um die Rechtsschutzversicherung und diejenigen Kosten, die diese gem. den Versicherungsbedingungen im Falle eines Vergleichs übernehmen muss. Wie sich die Versicherung finanziell beteiligt und was sie dazu von Ihnen erwartet, wird beispielsweise mit der nachfolgenden Vertragsklausel erläutert:
„Bei einer gütlichen Einigung der Angelegenheit übernehmen wir die Kosten, die dem Verhältnis des von der Versicherungsnehmerin/dem Versicherungsnehmer angestrebten Ergebnisses zum erzielten Ergebnis entsprechen, es sei denn, dass eine hiervon abweichende Kostenverteilung gesetzlich vorgeschrieben ist.“

Aber was ist damit tatsächlich gemeint? Wer versteht das? Wahrscheinlich nicht viele Leser und deshalb gibt es nachfolgend die Aufklärung.

Was meinen die Klauseln im Vergleichsfall genau?
Am besten erklärt es sich mit einem Beispiel:
Angenommen, Sie fordern 1.000 Euro in einem Rechtsstreit. Das ist Ihre Forderung, die Hauptsache. Der Versicherer sagt dazu oben, es sei das angestrebte Ergebnis. Sie einigen sich mit dem Beklagten auf einen Betrag von 500 Euro, also genau die Hälfte, die der Beklagte an Sie zahlen soll. Das bedeutet, dass Sie zu 50 Prozent obsiegt/gewonnen haben und zu 50 Prozent unterlegen waren. In diesem Fall soll die Kostenvereinbarung so aussehen, dass beide Parteien von den gesamten Kosten des Rechtsstreits je 50% übernehmen. Weichen Sie von der vorgesehenen Quote nach unten hin ab, und Sie übernehmen 60% der Kosten, obwohl Sie 50% gewonnen haben, dann gibt es Probleme. Denn die Kostenregelung soll das prozentuale Verhältnis widerspiegeln, das Sie in Bezug auf die Hauptsache (Ihre ursprüngliche Forderung/angestrebtes Ergebnis) von 1.000 Euro vereinbart haben. Das erwartet Ihre Versicherung nicht nur, das steht so auch in den Versicherungsbedingungen und ist somit Teil Ihres Vertrags.

Aber warum erwartet Ihre Rechtsschutzversicherung, dass die Kostenquote der Hauptsache folgt?
Auch hierzu ein Beispiel:
Das Gericht schlägt vielleicht eine Zahlung des Beklagten von 300 Euro an Sie vor, wobei Sie ursprünglich mit der Klage 1.000 EUR gefordert haben. Dementsprechend würden Sie 70% verlieren und 30% gewinnen. Sie müssen oder dürfen dann also auch 70% der Kosten übernehmen, die Ihre Versicherung dann trägt. Soweit der Vorschlag des Gerichts.
Sie könnten jedoch die Situation, dass Sie nicht die Kosten tragen müssen, zu Ihrem Vorteil nutzen. Kommen Sie vielleicht auf die Idee, diese Ihnen persönlich zustehende Summe zu erhöhen, ohne dass die Gegenseite insgesamt mehr gem. dem Vergleich zahlen muss? Dem Beklagten kann es egal sein, ob er 300 EUR für die Hauptsache und 300 EUR für die Kosten zahlt, wenn es am Ende insgesamt 600 EUR sind. Oder er zahlt eben 400 oder 500 EUR an Sie und entsprechend weniger von den Kosten. Sie bieten deshalb dem Beklagten an, dass der an Sie zu zahlende Betrag von 300 Euro auf 500 Euro erhöht wird. Sie gewinnen zusätzliche 200 EUR. Diese 200 EUR müssen für den Beklagten im Gesamtergebnis ausgeglichen werden, damit er insgesamt nicht mehr als ursprünglich vorgeschlagen bezahlt. Sie bieten ihm deshalb an, dass Sie im Gegenzug nunmehr 80% der Kosten übernehmen. Das Verhältnis der Kosten entspricht jetzt nicht mehr dem Verhältnis des Obsiegens und Unterliegens. Dabei haben Sie natürlich im Hinterkopf, dass die Kosten nicht von Ihnen getragen werden müssen, sondern von Ihrer Rechtsschutzversicherung. Für Ihre Rechtsschutzversicherung, die den ursprünglichen Vorschlag 70/30 nicht kennt, sieht es nunmehr in der Hauptsache nach 50/50 aus, denn Sie bekommen ja 500 statt 300 EUR. Bei den Kosten verpflichten Sie sich dennoch (zulasten Ihrer Rechtsschutzversicherung) zur Übernahme von 80% der Kosten. Genau dieses Verhalten ist mit der Klausel umschrieben und ausgeschlossen.

Folglich sollten Sie deshalb immer mit der Kostenregelung das tun, was sie auch bei der Hauptsache getan haben. Sie geben zu 30% nach, gewinnen also 70%? Dann muss die Gegenseite 70% der Kosten tragen und sie 30%. Dann läuft alles rund mit ihrer Versicherung. Sie gewinnen zu 60%? Dann muss der Gegner 60% der Kosten tragen und Sie (Ihre Versicherung) nur 40%.

Ein letzter Hinweis
Aufgrund einiger Fragen und Hinweise zur Langversion meines Artikels; die hier in Rede stehende Kostenregelung bezieht sich auf die Gesamtkosten des Verfahrens, nicht nur vor Gericht, sondern eben auch, wenn Sie sich außergerichtlich (vor) einem Rechtsstreit geeinigt haben. Deshalb sollten Sie darauf achten, dass auch bei einem außergerichtlichen Vergleich eine entsprechende Kostenregelung vereinbart wird.

Wichtig ist weiterhin zum Verständnis, dass Ihre Rechtsschutzversicherung Ihren Rechtsanwalt voll bezahlt, wenn Sie sich an die vorgesehene Kostenregelung halten. Es ist also nicht so, dass bei einer Kostenregelung 30/70 zu Ihren Gunsten Sie 30% der eigenen Rechtsanwaltskosten tragen müssen. Das obige Beispiel, bei dem man sich auf 50/50 einigte, zeigt es.
Ein 50/50-Vergleich vor Gericht bedeutet im Ergebnis, dass jeder seinen Rechtsanwalt selbst zahlt und die Gerichtskosten werden hälftig, also 50/50 geteilt. Ihre Versicherung zahlt demnach ihren Anwalt vollständig. Haben Sie 30% der Kosten übernommen, muss sich Ihre Rechtsschutzversicherung bei der Gegenseite im Rahmen der Kostenerstattung diese 30% erstatten lassen, nicht bei Ihnen. Für Sie bleibt es dabei, liebe Leser, dass Ihre Versicherung die Kosten Ihres Rechtsanwalts voll übernimmt.

Bleiben Sie informiert.


Ralf Beckmann

Das obige Beispiel-Foto stammt mit freundlicher Genehmigung von Sasun Bughdaryan auf Unsplash.

Ich, mein Rechtsanwalt und meine Rechtsschutzversicherung – Chaos vorprogrammiert? Wer ist zur Zahlung des Anwaltshonorars verpflichtet?

Es zeigt sich im anwaltlichen Alltag immer wieder, der durchschnittliche Mandant hat nur eine unklare Vorstellung von der Zusammenarbeit des Rechtsanwalts mit seiner Rechtsschutzversicherung. Liebe Leser, das soll kein Vorwurf sein. Wie sollten Sie es auch ohne Erfahrung wissen, wenn Sie nicht regelmäßig beim Rechtsanwalt vorstellig werden? Deshalb dieser Artikel, der Licht in das Dunkel bringen wird.

Wer und was ist Ihre Rechtsschutzversicherung?

Ihre Rechtsschutzversicherung ist weder Ihr „Freund“ noch Ihre „Krankenkasse“.
Warum erwähne ich das? Vielen Mandanten denken, ich habe eine Rechtsschutzversicherung und brauche nichts zahlen. Leider falsch!
Denn auch bei Versicherern gibt immer wieder Tendenzen, die eigenen finanziellen Interessen über die des Mandanten und Versicheungsnehmers zu stellen. Sie sehen nur einen Schaden.
Aber, warum Schaden? Weil der Schaden der Versicherung mindestens die Kosten Ihres Rechtsanwalts sind. Ihre Versicherung will also, nicht wie in der Werbung manchmal suggeriert wird, einem Freund in der Not helfen. Vielmehr haben Sie und Ihre Versicherung durch Ihren Gang zum Anwalt tatsächlich einen Schaden, nämlich mindestens die Rechtsanwaltskosten.
Dazu zählen zunächst die Kosten der außergerichtlichen Tätigkeit ihres Anwalts. Dies sind die Gebühren und Kosten, bevor eine Klage erhoben wird. Nun muss man wissen, dass die außergerichtlichen Gebühren flexibel sind. Deshalb wird dann gern von den Versicherungen „diskutiert“. Dies, obwohl der Rechtsanwalt das Recht hat, die Gebühren nach pflichtgemäßem Ermessen festzusetzen. Für die Mandanten entsteht dann natürlich der von dem Versicherer durchaus gewollte Eindruck, sein Rechtsanwalt wolle ihn bei den Gebühren „über’s Ohr hauen“.
Der andere Punkt ist, dass oftmals der Eindruck entsteht, Sie als Mandant des Rechtsanwalts hätten einen Anspruch auf direkte Abrechnung zwischen Anwalt und Ihrer Versicherung und der Rest ginge Sie nichts an. Das meine ich oben mit der Bezeichnung „Krankenkasse.“ So ist es aber nicht. Wenn der Rechtsanwalt sich bereit erklärt, mit Ihrer Rechtsschutzversicherung „abzurechnen“, dann sieht das rechtlich wie folgt aus:
– Die Rechtsschutzversicherung erhält keine eigene Rechnung, sondern die Kopie einer Rechnung, die sich an Sie richtet.
– Die Verpflichtung zum Ausgleich der Rechnung haben Sie. Natürlich erklärt sich Ihr Rechtsanwalt stillschweigend damit einverstanden, auf Ihre Zahlung vorläufig zu verzichten, wenn Ihre Rechtsschutzversicherung nach Übersendung der Rechnung für Sie bezahlt. Rechtlich werden Sie damit von Ihrer Rechtsschutzversicherung von der Zahlung freigehalten. Man kürzt den eigentlich vorgesehenen Weg ab. Damit Sie nicht zahlen müssen und dann von Ihrer Versicherung das Geld erstattet bekommen, zahlt Ihre Rechtsschutzversicherung direkt an den Anwalt. So passiert es häufig, aber eben nicht immer.

Bei Ihrem Arzt und der Krankenkasse ist dies rechtlich ganz anders. Sie schulden dem Arzt im Rahmen Ihrer gesetzlichen Krankenversicherung gar nichts. Der Arzt erhält sein Geld von der Kassenärtzlichen Vereinigung und diese das Geld von den Krankenkassen. Einen eigenen Zahlungsanspruch hat der Arzt nicht gegen Sie.

Deshalb gilt eben, Ihre Rechtsschutzversicherung ist nicht mit Ihrer Krankenkasse vergleichbar und zur Zahlung bleiben immer Sie verpflichtet, auch wenn der Rechtsanwalt sich (vorläufig) mit dem Ausgleich der Rechnung durch Ihre Rechtsschutzversicherung einverstanden erklärt. Zahlt Ihre Rechtsschutzversicherung jedoch nicht oder nur einen Teilbetrag, müssen Sie (zunächst) den Differenzbetrag zahlen. Tritt ein solcher Fall ein, habe ich den Mandannten immer gesagt, dass wir diesen STREIT mit der Rechtsschutzversicherung an das Ende verlagern. Denn ursprünglich sind Sie zum Rechtsanwalt gegangen, weil Sie von X noch Geld zu bekommen hatten und nicht, weil sie einen Streit mit Ihrer Versicherung führen wollten.

Exkurs: Worum geht es zumeist, wenn Ihre Rechtsschutzversicherung nicht die volle Rechnung des Anwalts bezahlt oder erstattet?

Ihre Rechtsschutzversicherung zahlt nicht die volle Rechnung des Rechtsanwalts? Dann geht es fast immer um eine Rechnung (oder Teilrechnung), die sich auf die außergerichtliche Tätigkeit des Rechtsanwalts bezieht. Denn dort kann der Rechtsanwalt nämlich nach seinem Ermessen die Gebühren zunächst selbst innerhalb bestimmter Grenzen festsetzen. Die Rechtsschutzversicherer tun aber stets so, als sei ihr Einwand „überhöht“ in Stein gemeißelt und die absolute Wahrheit.
Die Gebühren für die außergerichtliche Tätigkeit sind flexibel. So kann der Rechtsanwalt für die außergerichtliche Tätigkeit in Zivilsachen beispielsweise eine Geschäftsgebühr verlangen, die sich zwischen einer 1,3 und einer 2,5 Gebühr bewegt. Bei einem Streitwert von 10.000 EUR bewegen wir uns damit zwischen einem Betrag von 949,86 EUR bis 1.825,65 EUR (jeweils inkl. Umsatzsteuer) . Wie der Unterschied vom einen zum anderen Betrag vom Rechtsanwalt begründet werden kann oder muss, würde hier zu weit führen. Der Ausgangspunkt einer 1,3-Geschäftsgebühr und damit 949,86 EUR ist aber fast immer unproblematisch, weil 1,3 meistens die geringstmögliche Gebühr ist. Das zahlt die Versicherung dann fast immer ohne Diskussion. Aber, wenn der Rechtsanwalt (wir gehen jetzt einmal von einer objektiv richtigen Begründung aus) nun eine 1,8 Gebühr und damit 1.315,19 EUR (inkl. Umsatzsteuer) abrechnet, geht fast ausnahmslos „die Diskussion“ los. Der Rechtsanwalt kann beispielsweise einen Zuschlag und damit eine 1,5 Gebühr verlangen, wenn die Sache von besonderer Schwierigkeit oder großer Bedeutung für Sie war. Eine lange Zeitdauer oder ein besonders großer, überdurchschnittlicher Arbeitsaufwand sind ebenfalls Faktoren die ursprüngliche 1,3 Gebühr anzuheben. Was besonders schwierig ist, bestimmt zunächst der Rechtsanwalt und nicht der Mandant und auch nicht seine Rechtsschutzversicherung. Man muss dabei auch berücksichtigen, dass diese Diskussion meist am Anfang des Mandats losgetreten wird. Das Mandat ist folglich noch nicht beendet und die Gebühren stehen noch nicht endgültig fest. Dann aber gilt (dies verschweigen die Schreiben der Rechtsschutzversicherung gern), dass der Rechtsanwalt einen angemessenen Vorschuss für die Sache verlangen kann (auch wenn noch nicht alle Gebühren verdient sind!). Wie hoch solch ein Vorschuss ausfällt, bestimmt in Grenzen auch der Rechtsanwalt selbst. Geht er also mit guten Gründen und seiner Erfahrung auf dem Rechtsgebiet davon aus, dass es schwierig und langwierig wird, kann er beispielsweise durchaus einen Vorschuss mit einer 1,6 Geschäftsgebühr verlangen. Stellt sich am Ende des Mandats heraus, es ging doch schnell und es war einfach, wird er in der Schlussrechnung eine 1,3 Gebühr ansetzen und muss einen Teil der Gebühr erstatten. Das ändert aber nichts an dem Umstand, dass der Rechtsanwalt zunächst berechtigt eine 1,6 Gebühr als Vorschuss verlangen durfte. Das möchten die meisten Versicherer nicht wirklich sehen.
Hinzu kommt die Unart der Versicherer, dass deren Mitarbeiter zumeist mit vorgefertigten Textbausteinen arbeiten und bei der Vorschussrechnung schnell und leichten Herzens sagen: „Das war oder wird doch gar nicht besonders schwierig.“ Und dann schauen Sie sich die dazugehörigen Schreiben der Versicherung an. Eine ausführliche oder auch nur exakte, kurze Begründung, warum es gerade nur ein durchschnittlicher Fall und damit nicht „besonders schwierig“ war, bleibt fast jeder Versicherer schuldig. Das ist ungefähr so, als würden sie jemandem ein schwieriges Problem aus der Wissenschaft erklären und dafür eine Vielzahl von Argumenten vorbringen und dann kommt als Antwort: „Glaube ich nicht …“ oder „Stimmt nicht …“. Was soll man da noch sagen?
Nun könnte der Rechtsanwalt es weiter bei Ihrer Versicherung versuchen, sich abmühen und vielleicht zweimal schreiben und es wird immer noch nicht bezahlt. Zu welchem Ergebnis führt diese Verweigerung und weitere Diskussionen? Sie, als Mandant verlieren vielleicht das Vertrauen in Ihren Rechtsanwalt und Ihr Anwalt im schlimmsten Fall die Lust für Sie zu kämpfen, denn stattdessen läuft er ja seinem Geld hinterher.
Folglich sollten der Rechtsanwalt und sein Mandant tunlichst den oben skizzierter Weg einschlagen. Den Streit um die richtige Gebührenberechnung im Verhältnis zur Rechtsschutzversicherung an das Ende der Tätigkeit verlegen. Zumal, das muss ich nochmals betonen, es Ihre Rechtsschutzversicherung ist, die für Sie bezahlen soll. Rechtlich macht es also keinen Unterschied, ob Sie die Bezahlung mit untauglichen „Argumenten“ verweigern oder Ihre Rechtsschutzversicherung. Diese argumentiert nämlich in Ihrem Namen falsch. Auch wenn Sie das eigentlich nicht wollen.
Als Mandant müssen Sie deshalb im Hinterkopf behalten:

Deshalb ist es sinnvoll den Streit mit der Rechtsschutzversicherung an das Ende der gesamten Tätigkeit zu verlagern. Erst kümmert sich mein Rechtsanwalt um das eigentliche Problem, nämlich Herrn X und dessen Schulden i.H.v. 10.000 EUR bei mir. Wenn mein Anwalt für diesen Betrag erfolgreich erstritten hat, kann ich mir immer noch überlegen, wie mit meiner Rechtsschutzversicherung und vielleicht einer Differenz von 500 EUR beim Honorar umzugehen ist. Das ist jedenfalls nach meiner Meinung und Erfahrung der Sache zuträglicher und auch wirtschaftlich vernünftiger.

Zwei, drei letzte Tipps

Wie geht es zwischen Ihnen, Ihrer Rechtsschutzversicherung und dem beauftragten Rechtsanwalt los? Meist gehen Sie zu einem Rechtsanwalt und erwähnen vielleicht am Ende des Gesprächs, dass sie eine Rechtsschutzversicherung haben. Das ist meiner Meinung nach ein Fehler. Denn die meisten Mandanten gehen davon aus, ich habe eine Rechtsschutzversicherung und muss nichts für den Rechtsanwalt bezahlen und er kümmert sich nebenher auch darum. Wenn Sie dann erst am Ende des Gesprächs Ihre Rechtsschutzversicherung erwähnen, war das Vorgespräch vielleicht „für die Katz“. Sie erfahren dann erst zum Schluss, dass sie vielleicht anteilig Kosten haben, die Sie nicht tragen können oder wollen. Gehen Sie auch in eine Bäckerei, bestellen verschiedene Brötchensorten und sagen dann zum Schluss, das ist mir zu teuer? Besser ist es, Sie gucken vorher auf die Preisschilder, oder?
Auch arbeiten viele Rechtsanwälte in bestimmten Rechtsgebieten nur mit einer sog. Honorarvereinbarung. Das ist ganz legal, führt aber fast immer dazu, dass die Rechtsschutzversicherung Ihnen nur anteilig Gebühren erstattet, weil eben Honorarvereinbarungen in der Rechtsschutzversicherung nicht mitversichert sind. Die Zeit hätten Sie sich und dem Rechtsanwalt also gut ersparen können.
Deshalb erwähnen Sie gleich Ihre Rechtsschutzversicherung am Anfang. Wenn Sie nicht schon selbst Deckung eingeholt haben, dazu gleich noch, dann sollten Sie zum Gespräch mindestens die ersten zwei Seiten Ihrer aktuellen Versicherungspolice mitbringen, aber wenigstens die letzte Beitragsrechnung. Dort sollte nämlich vermerkt sein, gegen welche Risiken sie überhaupt bei der Rechtsschutzversicherung versichert sind. Manche Rechtsschutzversicherungen nennen eine private Rechtsschutzversicherung „Familienversicherung.“ Dann ist aber schon zweifelhaft, ob Sie auch in arbeitsrechtlichen Angelegenheiten versichert sind oder nicht. Wenn Sie Rechtsschutz für verwaltungsrechtliche Angelegenheiten mitversichert haben, tritt die Versicherung oftmals erst für Gebühren und Kosten ab einer Klage ein, usw. usf. Auch sollte aus der Police oder Beitragsrechnung hervorgehen, ob Familienangehörige mitversichert sind. Was nützt es, wenn Sie eine Rechtsschutzversicherung haben, Ihre Frau ein Rechtsprobelm hat, aber nicht mitversichert ist?
Also, die Police mitbringen oder zumindest die letzte Beitragsrechnung.
Noch besser und für alle Beteiligten sicherer ist es, wenn Sie vor dem Besuch beim Rechtsanwalt selbst die Deckungszusage bei Ihrer Rechtsschutzversicherung einholen. Die meisten Versicherer haben eine telefonische Hotline. Rufen Sie dort an und halten die Versicherungsnummer und Papier und Stift bereit. Schildern Sie den Fall und in den meisten Fällen kann der Mitarbeiter der Hotline Ihnen sagen, ob und in welchem Umfang die Versicherung eintritt. Dann erhalten Sie die sog. Schadennummer, die Sie notieren müssen. Die Schadennummer und den Namen und Anschrift der Versicherungsgesellschaft nennen Sie dann Ihrem Rechtsanwalt. Dann weiß dieser gleich am Anfang des Gesprächs, dass alle Beteiligten kostenmäßig auf der sicheren Seite sind.

Wenn Sie eine Selbstbeteiligung (SB) mit Ihrer Rechtsschutzversicherung vereinbart haben, müssen Sie diese als Kosten einmalig tragen und sollten auch dies beim Rechtsanwalt gleich erwähnen. Warum ist die Betonung auf einmalig? Die Versicherung sieht Ihren Fall, egal ob alles außergerichtlich erledigt wird oder sie hinauf bis zum BGH klagen, als einen Versicherungsfall, einen Schadenn, an. Deshalb zahlen Sie für Ihren gesamten Fall auch nur einmalig die Selbstbeteiligung von 150, 200 oder 300 Euro, was auch immer Sie vereinbart haben.
Hier gitt es zu beachten. Sie haben 300 EUR SB bei Ihrer Rechtsschutzversicherung? Sie wollen einen unzuverlässigen Ebay-Verkäufer zur Auslieferung der Ware im Wert von 400,- EUR zwingen? Dann ist der zur Gebührenberechnung heranzuziehende Streitwert 400 EUR. Damit kann Ihr Rechtsanwalt bei einer 1,3 Gebühr für die außerger. Tätigkeit insgesamt 90,96 EUR (ja, richtig gelesen!) von Ihnen verlangen. Sie müssen also die Anwaltsgebühren so lang selbst tragen, bis die Grenze von 300 EUR überschritten wird. Nun kommen geringe Streitwerte deutlich öfter vor, als hohe Streitwerte. Andererseits, wenn Sie an einer Ware von 400 EUR Neuwert einen Mangel feststelle und gegen den Verkäufer klagen, kann auch bei einem so geringen Streitwert die Rechtsschutzversicherung äußerst segensreich sein. Denn häufig wird von Gerichten ein Gutachten zu dem behaupteten Mangel eingeholt. Dann fallen leicht Kosten von 1.500 EUR für das Gutahten an. Dann werden Sie sich trotz der 300 EUR SB über den Umstand freuen, dass sie genau jetzt eine Rechtsschutzversicherung haben und Ihre Rechtsschutzversicherung das Gutachten bezahlt, oder? Sie sollten also nicht vorschnell auf die Inanspruchnahme der Versicherung verzichten.

Also, holen Sie die Deckungsanfrage am besten vor dem Gang zum Anwalt selbst ein und beachten Sie Ihre Selbstbeteiligung, über die Sie auch Ihren Rechtsanwalt informieren müssen.

Nochmals zum Schluss. Wenn es mit der Versicherung im „Getriebe knirscht“, zunächst den Fall klären, Differenzen beim Honorar selbst eim Anwalt bezahlen und zum Schluss sehen, was noch mit der Versicherung zu klären ist. So wird’s gemacht!

Es grüßt Sie herzlich

Ralf Beckmann

Ihre Rechtsschutzversicherung – Kostenlose anwaltliche Erstberatung trotz Selbstbehalt und Alternativen durch Beratung der Rechtsschutzversicherung

Dieser Artikel soll einen Aspekt der Rechtsschutzversicherung beleuchten, den viele Ratsuchende, aber auch Rechtsanwälte oftmals übersehen. Die anwaltliche Erstberatung und deren Kosten.

Dazu muss man zunächst wissen, was ist eigentlich eine Erstberatung? Darunter versteht man, dass Sie einmalig einen Rechtsanwalt oder Rechtsanwältin aufsuchen, Ihr Problem schildern und der Rechtsanwalt Ihnen mündlich einen Rat erteilt oder Ihre Fragen beantwortet.
Eine Erstberatung bietet sich vor allem dann an, wenn Sie noch unsicher sind, ob Sie überhaupt rechtlich etwas gegen den oder die Gegner/in unternehmen wollen oder können. Der anwaltliche Rat gibt Ihnen eine Einschätzung, wie es tatsächlich um die Rechtslage bestellt ist und wie gegebenenfalls Ihre Erfolgsaussichten sind.
Ein derartiges Erstberatungsgespräch, das gegebenenfalls auch per Telefonat oder Videochat geführt werden kann, kostet maximal € 226,10 (inkl. Umsatzsteuer), sofern Sie als Verbraucher dieses Gespräch führen. Die exakten Kosten sollten Sie am besten vor oder bei Beginn des Gesprächs erfragen.

Eine nachträgliche, schriftliche Ausformulierung gibt es nach einer oben geschilderten Erstberatung nicht. Es gibt auch keinen zweiten Termin oder telefonischen Nachfrage. Wenn Sie es lieber schriftlich mögen, müssen Sie den/die Rechtsanwalt/Rechtsanwältin gleich um ein Gutachten bitten. Die Kosten dafür liegen bei max. 250 EUR /netto = 297,50 inkl. Umsatzsteuer, wenn Sie Verbraucher sind; § 34 Abs. 1 RVG.

Was hat dies aber alles mit Ihrer Rechtsschutzversicherung zu tun? Sie sind versichert, beispielsweise mit einem Familienrechtsschutz, haben aber eine sog. Selbstbeteiligung (manchmal auch Selbstbehalt genannt) von 150, 200 oder gar 350 EUR (je Rechtsschutzfall) vereinbart? Dann kann man natürlich auf die Idee kommen, dass sich die Erstberatung beim Rechtsanwalt „nicht lohnt“, weil man ehedem alles oder einen großen Teil der Kosten selbst entrichten muss.

Deshalb kommt hier Hilfe für Sie! Einige Rechtsschutzversicherer bieten an, diese Kosten vollständig zu übernehmen! Sie müssen also keine Zuzahlung zur Gebührenrechnung Ihres Rechtsanwalts leisten, obwohl Sie einen „Selbstbehalt je Rechtsschutzfall“ von 250 Euro vereinbart haben. Allerdings gibt es häufig die „Einschränkung“, dass diese Kosten nur dann übernommen werden, wenn die Sache mit der Erstberatung erledigt wird.
Was bedeutet dies für Sie?
Sie haben Streit mit einem Ex-Freund. Dieser will die ihm überlassenen 2.500 Euro nicht zurückzahlen, die Sie ihm in einem Anfall von Mitleid geliehen haben. Sie erkundigen sich bei einer Rechtsanwältin nach der Rechtslage. Diese erteilt den Rat im Rahmen der Erstberatung, dass Sie einen Anspruch auf Rückzahlung des Darlehens haben. Leider haben sie das Geld aber ohne Zeugen und ohne einen schriftlichen Darlehensvertrag verliehen. Deshalb werden Sie voraussichtlich in einem Prozess in Beweisnot geraten. Sie verzichten daher auf eine Klage gegen den Ex-Freund. Dann ist die Sache mit der Erstberatung erledigt; Ihre Rechtsschutzversicherung übernimmt gegebenenfalls die Kosten vollständig und das war es.
Die andere Möglichkeit ist, dass Sie trotz der Beweisschwierigkeiten Ihren Anwalt im Rahmen der Beratung beauftragen, für Sie gegen den Ex-Freund tätig zu werden. Dann ist die Sache nicht erledigt und die Versicherung zahlt nicht für die Erstberatung, sofern die Einschränkung „Erledigung der Sache durch die Beratung“ besteht. Das ist aber nicht wirklich von Nachteil für Sie. Denn die Gebühren für die Erstberatung sind auf die weiteren Gebühren für die Tätigkeit des Rechtsanwalts anzurechnen, § 34 Abs. 2 RVG.
(Mögliche Ausnahme: Der Rechtsanwalt hat mit Ihnen im Rahmen einer schriftlichen Honorarvereinbarung den Ausschluss des § 34 Abs. 2 RVG vereinbart). Im Normalfall zahlen Sie dann also rechnerisch nichts für die Erstberatung, sofern Sie nach der Beratung einen Auftrag erteilen. Dann aber ist es aber wirtschaftlich nicht anders, als hätten Sie den Rechtsanwalt gleich mit der Tätigkeit gegen den zahlungsunwilligen Darlehensnehmer beauftragt. Der mit Ihrer Rechtsschutzversicherung vereinbarte Selbstbehalt wird einmalig angerechnet. Die vorhergehende Erstberatung war „kostenlos.“

Welche Versicherer eine derartige, manchmal auch eingeschränkte Leistung für eine Erstberatung oder sonstige Beratungen bieten, liste ich am Ende des Artikels auf. Die dortigen Hinweise sind bestmöglich bei den Versicherern recherchiert. Die Liste der dort genannten Versicherer wird fortlaufend erweitert. Dennoch kann ich naturgemäß keine Gewähr für die Vollständig- und Richtigkeit übernehmen. Hinweisen möchte ich auch noch darauf, dass dies keine verdeckte Werbung ist. Ich erhalte von den genannten Versicherern weder eine Provision, noch sonstige Vergünstigungen. Auch bedeutet die fehlende Auflistung Ihres Versicherers nicht, dass er keine kostenlose Erstberatung oder ähnliche Leistungen anbietet. Man hat sich nur nicht bei mir gemeldet.

So, nun soll es losgehen:

  1. DMB Rechtsschutz – Internet: http://www.dmb-rechtsschutz.de

    Verzicht auf Selbstbeteiligung, wenn Rechtsschutzfall durch Erstberatung erledigt ist
    Bei einigen Produkten verzichtet die DMB auf die Anrechnung einer vertraglich vereinbarten Selbstbeteiligung, wenn der Rechtsschutzfall durch eine Erstberatung erledigt worden ist. Dann werden die Kosten bis zu 250 Euro zzgl. Mehrwertsteuer übernommen.
    Dies gilt für folgende Produkte: EXPERT, PRESTIGE, YOLIG, Schnell & Sicher sowie für die Online-Produkte SECUROplus und SECUROpremium. Dies gilt nicht bei den Produkten Standard sowie bei dem Online-Produkt SECURO.
    Zusätzlich gibt es die DMB RECHT-Hotline. Diese Serviceleistung bietet die einfache und schnelle Rechtsberatung am Telefon durch unabhängige Rechtsanwälte, sofort und ohne weitere Kosten, in allen Rechtsgebieten und bei allen rechtlichen Fragen. Ohne Anrechnung einer Selbstbeteiligung und ohne Anrechnung als Schadenfall. Die DMB RECHT-Hotline können alle Versicherungsnehmer und alle mitversicherten Personen nutzen.

  2. ÖRAG Rechtsschutz – Internet: Rechtsschutzversicherung (oerag.de)

    „Die ÖRAG Rechtsschutzversicherungs-Aktiengesellschaft ist der gemeinsame Partner für Rechtsschutzversicherungen der Gruppe öffentlicher Versicherer und der Sparkassen-Finanzgruppe. Den Vertrieb der Produkte übernehmen die Vertriebspartner der Versicherungsunternehmen und die Sparkassen.“

    Die ÖRAG verfährt bei Rechtsschutzfällen im Zusammenhang mit einer anwaltlichen Erstberatung laut Auskunft der Pressestelle wie folgt:
    „Die ÖRAG verzichtet auf die vereinbarte Selbstbeteiligung bei Rechtsschutzfällen, die mit einer Beratung oder Mediation erledigt sind (§
    5 III b) ARB). Diese Regelung gilt seit Tarif 2004 für alle Produkte.“

  3. wird fortlaufend erweitert …

Das obige Beispiel-Foto stammt mit freundlicher Genehmigung von Sasun Bughdaryan auf Unsplash.

Rechtsschutzversicherung – Was bedeutet: Wir übernehmen die Kosten, die dem Verhältnis des Obsiegens und Unterliegens entsprechen?

Vorbemerkung
Wenn man den Versicherungen Glauben schenken darf, ist die Rechtsschutzversicherung ein äußerst nützliches Produkt, ja ein wahrer Segen. Allerdings gibt es immer Einschränkungen und einige Dinge sind zu beachten. Das bedeutet nicht, dass eine Rechtsschutzversicherung nicht hilfreich ist, meiner Meinung nach ganz im Gegenteil. Man sollte jedoch wissen, was man kauft. Aus diesem Grund habe ich die neue Kategorie „Rechtsschutz“ erstellt. Hier erkläre ich, was Ihnen eine Rechtsschutzversicherung bietet, worauf Sie achten sollten und was Sie für Ihr Geld erwarten können.

Die kurioseste und manchmal für Juristen sogar unverständlichste Klausel einer jeden Rechtsschutzversicherung
Stellen Sie sich vor, Sie befinden sich in einem Rechtsstreit und Ihr Anwalt gibt Ihnen ein Schreiben Ihrer Rechtsschutzversicherung zur Kenntnis, in dem Ihnen und dem Anwalt die sogenannte Deckungszusage erteilt wird. Dort steht häufig: „Bei einer gütlichen Einigung der Angelegenheit übernehmen wir die Kosten, die dem Verhältnis des von der Versicherungsnehmerin/dem Versicherungsnehmer angestrebten Ergebnisses zum erzielten Ergebnis entsprechen, es sei denn, dass eine hiervon abweichende Kostenverteilung gesetzlich vorgeschrieben ist.“

Sie fragen sich berechtigt, was Ihnen damit eigentlich mitgeteilt werden soll.
Ich sage es mal so: Ihre Rechtsschutzversicherung möchte nicht die ganze Zeche zahlen, obwohl sie nur einen Bruchteil bekommen.

Ich erkläre es anhand eines Beispiels:
Angenommen, Sie fordern 1.000 Euro in einem Rechtsstreit. Sie einigen sich vor Gericht mit dem Beklagten auf einen Betrag von 500 Euro, also genau die Hälfte. Das bedeutet, dass Sie zu 50% obsiegt haben und zu 50% unterlegen waren. In diesem Fall sollte die Kostenvereinbarung so getroffen werden, dass beide Parteien die gesamten Kosten des Rechtsstreits inklusive des Vergleichs zu je 50% tragen. Dies entspricht in der Regel der Praxis bei Vergleichsverhandlungen. Ihre Rechtsschutzversicherung erwartet daher von Ihnen, dass Sie sich in Bezug auf die Kosten entsprechend verhalten. Die Kostenregelung soll das prozentuale Verhältnis widerspiegeln, das Sie in Bezug auf die Hauptsache (Ihre ursprüngliche Forderung von 1.000 Euro) vereinbart haben. Wenn Sie 1.000 Euro fordern und gemäß Vergleich 300 Euro erhalten, beträgt Ihr Verhältnis von Obsiegen und Unterliegen 30/70. In diesem Fall müssen Sie 70% der Kosten tragen und im Vergleich vereinbaren. Bekommen Sie 700 von den ursprünglich geforderten 1.000 Euro, ist Ihre Quote 70/30 und sie sollten auch nur 30% der Kosten tragen.  Wenn Sie das dann so im Vergleich vereinbaren, wird Ihre Rechtsschutzversicherung auch die so vereinbarten Kosten bezahlen.

Aber warum will Ihre Rechtsschutzversicherung, dass die Kosten der Hauptsache folgen?
Vorweg: der Ausdruck „dass die Kosten der Hauptsache folgen“ ist nur eine andere Ausdrucksweise für „Die Kosten des Vergleichs müssen dem Verhältnis des Obsiegens und Unterliegens entsprechen.“

Auch hierzu ein Beispiel:
Sie könnten die folgende Situation zu Ihrem Vorteil genutzt haben. Die Richterin schlägt in der Güteverhandlung vor, dass Sie von den eingeklagten 1.000 Euro nur 300 Euro erhalten sollen. Dementsprechend verlieren Sie zu 70% und gewinnen zu 30%. Nun kommen Sie auf die Idee, diese Ihnen persönlich zustehende Summe zu erhöhen, ohne dass die Gegenseite insgesamt mehr zahlen muss. Sie erhöhen deshalb den an Sie zu zahlenden Betrag von 300 Euro auf 500 Euro und vereinbaren gleichzeitig, dass Ihre zusätzlichen 200 Euro durch einen erhöhten Anteil an den Kosten ausgeglichen werden. Sie bieten der Gegenseite folglich an, dass Sie statt 300 nunmehr 500 Euro erhalten. Dafür übernehmen Sie jedoch 80% der Kosten, statt wie üblich 50%. Das Verhältnis der Kosten entspricht jetzt nicht mehr dem Verhältnis von Obsiegen und Unterliegen. Dabei haben Sie natürlich im Hinterkopf, dass die Kosten nicht von Ihnen getragen werden müssen, sondern von Ihrer Rechtsschutzversicherung. Das könnte ziemlich clever sein, oder?

Mit der oben genannten Klausel hindert Ihre Rechtsschutzversicherung Sie jedoch daran, mehr zulasten Ihrer Versicherung zu gewinnen, was wiederum dazu führt, dass Ihre Versicherung mehr Kosten tragen müsste.

Sie können folglich jeden denkbaren Vergleich schließen, ohne Ihre Rechtsschutzversicherung „um Erlaubnis fragen zu müssen.“ Die Kostenregelung muss dabei nur dem Verhältnis des Obsiegens und Unterliegens folgen oder entsprechen.

Bleiben Sie informiert.


Ralf Beckmann

Das obige Beispiel-Foto stammt mit freundlicher Genehmigung von Sasun Bughdaryan auf Unsplash.

Wann habe ich ein Wegerecht? – Streit am Gartenzaun – Ein Fall des Landgerichts Frankenthal mit einer Exkursion zum Umgang mit der eigenen Rechtsschutzversicherung

Das Landgericht hat in diesem Monat einen für Privatpersonen interessanten Fall durch ein inzwischen rechtskräftiges Urteil abgeschlossen.1) Warum ist der Fall interessant? Weil es einmal wieder um das von Rechtsanwälten heißgeliebte Nachbarrecht geht. Heißgeliebt deshalb, weil bei Nachbarstreitigkeiten regelmäßig die erworbene Fähigkeit zur Beruhigung der Mandanten angewandt werden muss. Die Emotionen kochen meist hoch.

Teil 1: Der Fall

Worum ging es im Fall des Landgerichts Frankenthal? Ein Ehepaar, Nachbarn der verklagten Eheleute, wollte die Errichtung eines Grenzzaunes nicht hinnehmen und macht ein sog. Notwegerecht geltend. Das Landgericht teilt dazu mit, dass das Notwegerecht verneint worden sei. Zwar haben die klagenden Eheleute über einige Zeit hinweg das Grundstück des beklagten Ehepaares nutzen dürfen, um mit Fahrrädern, Motorrädern oder auch der Mülltonne von der Straße zum eigenen Grundstück zu gelangen. Dieser „Zugang“ war den klagenden Eheleuten nun durch den Zaun versperrt.
Entscheidend für die Ablehnung des Notwegerechts war, dass die klagenden Eheleute auch auf einem anderen Weg, wenn auch beschwerlicher und umständlicher, zu Ihrem Grundstück gelangen konnten und weiterhin können. Die Tatsache, dass die Kläger jetzt bspw. ein Fahrrad über zwei Stufen hinweg tragen und durch den Hausflur gehen müssen, um zum Innenhof zu gelangen, wo das Fahrrad abgestellt wird, sei unerheblich. Das Notwegerecht frage eben nicht danach, ob andere Wege beschwerlicher seien, sondern andere Wege müssen fehlen.
Auch der Umstand, dass der Kläger gehbehindert ist, hat das Landgericht nicht als Ausnahme für die Bejahung des Notwegerechts gewertet. Auf dem umständlichen und beschwerlichen Weg zu seinem Haus oder Grundstück kann schließlich ein behindertengerechter Weg angelegt werden.
Also, keine Ausnahmen, weil das Notwegerecht eben nur besteht, wenn ein Grundstück eine Insellage aufweise, also nur bzw. ausschließlich über ein angrenzendes Grundstück erreichbar sei. Da das Grundstück der Kläger auch eine direkte Anbindung an die öffentliche Straße besitzt, wurde die Klage abgewiesen.

Teil 2: Hintergründe für eine von Anfang an schwierige Klage

Warum dann aber überhaupt klagen? Der die Kläger vertretende Rechtsanwalt oder die Rechtsanwältin hätte das Ergebnis doch kommen sehen müssen, oder?
Erstens sollte man nicht die Macht der Sturheit der eigenen Mandanten unterschätzen. Es ist heute einfach so, dass eine Vielzahl von Menschen vorgegebene Regeln des Staates, die sie selbst nicht so ganz verstehen, einfach nicht akzeptieren will. Nach dem Motto: „Für mich muss es doch eine Ausnahme geben.“ Oder: „Das kann doch nicht richtig sein. Das müssen wir überprüfen!“ Mit  derartigem Schwung und einem klagefreudigen Rechtsanwalt schafft man es dann eben doch zum Gericht und zum ungeliebten, aber absehbaren Ergebnis.
Ein zweiter Faktor ist die vorhandene Rechtsschutzversicherung. Der Glaube, auch unter Rechtsanwälten, ist groß, dass die Rechtsschutzversicherung das Recht habe, den Fall vorab durchzuprüfen und ein mit hoher Wahrscheinlichkeit negatives Ergebnis könne dann zur Ablehnung des Falles führen. Nein, so ist es eben nicht! Die Rechtsschutzversicherung darf  zunächst lediglich prüfen, ob der Fall zum versicherten Risiko gehört. Was heißt das? Natürlich kann ich nicht die Übernahme der Kosten von meiner Versicherung verlangen, wenn ich ausdrücklich nur den Bereich „Verkehrsrecht“ versichert habe, aber wie hier meine Nachbarn wegen der Beseitigung eines Zaunes verklagen will. Im zweiten Schritt wird dann geprüft, ob die Inanspruchnahme nicht mutwillig ist. Mutwillig sind nur absolut unsinnige, von völliger und sicherer Erfolglosigkeit gekrönte, Fälle. Beispielsweise tippe ich in das örtliche Telefonbuch auf einen beliebigen Namen und bezichtige diese Person der Sachbeschädigung an meinem Fahrzeug, welches letzte Woche auf dem Supermarkt-Parkplatz eine Parkdelle bekommen hat. Auf diese Art eine Person in einen Prozess hineinziehen, das ist mutwillig. Aber die Aussicht, dass meine Klage nur äußerst geringe Erfolgschancen hat, das ist Alltagsgeschäft für Ihre Rechtsschutzversicherung und nicht mutwillig. Ein anderes, vielleicht nicht so krasses Beispiel, das ich früher gern bei Mandanten erzählt habe, ist: Sie leihen Ihrem Kumpel oder Ihrer Freundin einen Geldbetrag, sagen wir 500 Euro. Weil man befreundet ist, wird das Darlehen (so nennt man das als Jurist) eben nicht schriftlich fixiert und auch die Aushändigung des Geldes wird nicht quittiert. Man hat außer dem Wort seiner Freundin oder seines Freundes statt Geld nun nur salbungsvolle Wort „in der Hand.“ Es kommt, wie es kommen muss. Trotz mehrfacher Mahnung und mehreren Ermahnungen erfolgt keine Rückzahlung. Ihr Rechtsanwalt oder Ihre Rechtsanwältin schreibt Ihren Freund/Freundin an und siehe da, die Antwort lautet: „Ich habe nie ein Darlehen erhalten!“ Da niemand die Übergabe des Geldes beobachtet hat, stehen Sie völlig ohne Beweismittel da. Die Erfahrung sagt, dass bei einem derartigen Verhalten auch in einem Prozess der Freund/die Freundin einfach weiter behaupten wird, dass er/sie kein Geld erhalten habe. Sie werden den Prozess aller Erfahrung nach mit einer Wahrscheinlichkeit von 99 Prozent verlieren. ABER! Nun kommt Ihre Rechtsschutzversicherung. Diese muss (nicht darf!) Ihren Sachvortrag, also die Behauptung „ich habe Geld verliehen“ bis zum Beweis des Gegenteils als wahr und richtig hinnehmen. Ist das aber so, kann Ihre Rechtsschutzversicherung eben nicht argumentieren, dass Sie im Prozess vermutlich in Beweisnot sein werden! Klar, zu 99 Prozent wird das so sein. Aber das eine Prozent zählt eben und man hat schon „Pferde vor der Apotheke ….“ Sie wissen schon! Was also einzig zählt, ist die Wahrheit, Ihre Wahrheit und die Rechtsschutzversicherung muss in dem Beispielfall die sog. Deckungszusage gegenüber Ihrem Rechtsanwalt erteilen. Ich habe dazu früher immer gesagt: Dazu ist die Rechtsschutzversicherung da. Nämlich, die unsicheren Prozesse sorgenfrei führen zu können. Wissen Sie mit absoluter Sicherheit, dass Sie ihren Fall gewinnen, dann muss der Gegner Ihnen alle Kosten inkl. der Kosten für Ihren Rechtsanwalt erstatten. Wozu brauchen Sie bei dieser Gewissheit noch eine Rechtsschutzversicherung? Absolut sichere Fälle sind aber eher die Ausnahme in vielen Rechtsbereichen und deshalb macht die Rechtsschutzversicherung vielleicht für Sie Sinn.

Bleiben Sie mir gewogen und vertragen Sie sich 😉

Ihr Ralf Beckmann

  1. Pressemeldung des Landgerichts Frankenthal vom 27.03.2023 https://lgft.justiz.rlp.de/de/startseite/detail/news/News/detail/entscheidung-des-monats-maerz-2023-2/
  2. Wer mehr über Richter und Ihre Denk- und Arbeitsweise erfahren möchte, dem empfehle ich:


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