Autor: Ralf Beckmann (Seite 9 von 10)

Also doch, der Bundesgerichtshof entscheidet, dass in AGB verankerte Zahlungspflichten für die Reservierung einer Immobilie unwirksam sind

Wie die Pressestelle des Bundesgerichtshofs (auch kurz BGH) heute, am 20.04.2023 mitteilt (Nr. 070/2023 vom 20.04.2023), können Makler Reservierungsgebühren in Allgemeinen Geschäftsbedingungen nicht wirksam vereinbaren.

Was war passiert?
Die Kläger wollten über eine Immobilienmaklerin ein Einfamilienhaus erwerben. Die Kläger schlossen deshalb einen Maklervertrag mit der Immobilienmaklerin (Beklagte) und im Nachgang dazu noch einen Reservierungsvertrag. Darin verpflichtete sich die verklagte Maklerin, das Grundstück gegen Zahlung einer Reservierungsgebühr bis zu einem festgelegten Datum exklusiv für die Kläger zu reservieren. Die Kläger nahmen später vom Kauf Abstand und verlangen von der Maklerin die Rückzahlung der Reservierungsgebühr.

Das erstinstanzlich zuständige Amtsgericht hatte die Klage abgewiesen. Das Landgericht als Berufungsinstanz hatte die Berufung der Kläger mit der Begründung zurückgewiesen, dass der nachträglich geschlossene Reservierungsvertrag wirksam sei. Auch das Landgericht folgte damit letztlich nicht dem Antrag auf Rückzahlung der Provision.

Sicht des Bundesgerichtshofs
Der Bundesgerichtshof hat die Maklerin nun jedoch auf die Revision der Kläger zur Rückzahlung der Reservierungsgebühr verurteilt.
Der Reservierungsvertrag unterliegt nach Auffassung des BGH der AGB-rechtlichen Inhaltskontrolle, weil es sich bei dem Reservierungsvertrag nicht um eine eigenständige Vereinbarung, sondern um eine den Maklervertrag ergänzende Regelung handele (AGB = Allgemeine Geschäftsbedingungen). Dass der Reservierungsvertrag nachträglich durch ein gesondertes Schriftstück bzw. Vertragsdokument geschlossen wurde, sei unerheblich und stünde dem Ergänzungscharakter der Vereinbarung nicht entgegen.

Der BGH vertrat weiterhin die Auffassung, dass der sog. Reservierungsvertrag die Kunden der Maklerin unangemessen benachteilige und daher unwirksam sei. Die Unwirksamkeit ergäbe sich daraus, weil die Rückzahlung der Reservierungsgebühr ausnahmslos nicht vorgesehen war. Ferner ergäben sich aus dem Reservierungsvertrag für die Kunden keine nennenswerten Vorteile und der Immobilienmakler müsse zudem keine geldwerte Gegenleistung erbringen. Schlussendlich käme dem Reservierungsvertrag die Vereinbarung einer erfolgsunabhängigen Provision zugunsten der Immobilienmaklerin gleich. Das aber widerspräche dem Leitbild der gesetzlichen Regelung des Maklervertrags. Danach ist eine Provision nur geschuldet, wenn die Maklertätigkeit ursächlich zum Erfolg geführt hat.

Aus diesen Gründen hat der Bundesgerichtshof die Immobilienmaklerin letztinstanzlich zur Rückzahlung der Provision verurteilt.

Empfehlung
Sollten Sie als Kaufinteressent/in kürzlich mit einer Reservierungsgebühr belastet worden sein, sollten Sie auf jeden Fall prüfen lassen, beispielsweise durch eine prinzipiell preiswerte, sog. Erstberatung (max. Kosten beim RA € 226,10) prüfen lassen, ob das BGH-Urteil auch auf Ihre Reservierungsgebühr anwendbar ist. Sollte dies der Fall sein, dürften Sie beste Chancen haben, eine kürzlich bezahlte Reservierungsgebühr zurückzuerhalten.

Bleiben Sie mir gewogen und vertragen Sie sich 😉

Ihr Ralf Beckmann

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Was ist eigentlich die Betriebsgefahr? Und was bewirkt sie?

Spätestens wenn Sie mit Ihrem PKW einen Verkehrsunfall (VU) haben, werden Sie über diesen Begriff „stolpern“, die Betriebsgefahr. Bitte lassen Sie sich nicht von Menschen, die alles wissen und selbst schon mal einen VU hatten erklären, wie das einzuordnen ist. Lesen Sie es einfach hier nach.

Ergänzend gibt es auch noch einen weiteren Artikel von mir zu diesem Thema:
Betriebsgefahr – wann gilt sie und wann nicht?

Abstrakte Gefahr vs. Verschulden
Im deutschen Zivilrecht gibt es mehrere Haftungsmöglichkeiten. Wenn es sich nicht um einen Vertrag zwischen zwei Vertragspartnern handelt, kennen wir eigentlich nur die abstrakte Haftung als Gefährdungshaftung, der eine allgemeine Gefahr zugrunde liegt und die Haftung aus Verschulden. Dem Laien wird diese Unterscheidung herzlich egal sein, wenn sein Rechtsanwalt oder seine Rechtsanwältin anlässlich eines VU den vollen Schadenersatz für ihn durchsetzt. Um die Betriebsgefahr zu verstehen, muss man das aber etwas genauer betrachten.
Ein Beispiel für die Gefährdungshaftung ist die sog. Tiergefahr. § 833 BGB legt fest, dass der Halter des Tieres für Schäden haftet, die durch Verwirklichung der abstrakten Tiergefahr entstehen. Was viele nicht wissen ist, dass es dabei nicht auf ein „Verschulden“ des Halters ankommt. Sie kennen die allseits beliebten Flexi-Leinen? Sie haben die Leine arretiert und gehen links neben einem Fahrradweg. Der Hund zieht plötzlich nach rechts auf den Fahrradweg. Sie sind kräftig genug, um Ihren Hund sofort wieder auf den Fußweg zurückzuziehen. Ein entgegenkommender Fahrradfahrer meint, nicht mehr rechtzeitig vor dem auf dem Radweg stehenden Hund bremsen zu können, weicht aus und stürzt. Dabei verletzt er sich. Sie fühlen sich nicht schuldig am Unfall, denn objektiv haben sie den Hund so rechtzeitig wieder weggezogen, dass der Fahrradfahrer auch hätte weiterfahren können, ohne auszuweichen. Falsch! Auch wenn jetzt viele anders denken, Sie haften als Halter. Das Verhalten des Hundes ist eine von vielen Gefahren, die von ihm ausgehen, nämlich unkontrolliertes Loslaufen, in den Weg stellen, beißen usw. Der Fahrradfahrer wäre nicht gestürzt, wäre Ihr Hund nicht für kurze Zeit auf den Radweg gelaufen und hätte den Radfahrer zum Ausweichen veranlasst. Zu diesem Verhalten müssen Sie nichts beigetragen haben. Sie haften dennoch, weil es das Gesetz so will, wenn sich eine Tiergefahr verwirklicht hat.
Ähnlich ist es mit der Betriebsgefahr eines Fahrzeugs. Weil ein PKW grundsätzlich gefährlich ist, haften Sie mit dessen Betriebsgefahr, die zwischen 20 und 25 Prozent des eingetretenen Schadens (auch auf Ihrer Seite) liegt. Da gibt es zunächst einmal kein Entrinnen.

Betriebsgefahr – wann entfällt sie?
Meist wird in gerichtlichen Urteilen davon gesprochen, dass das Verschulden des Unfallverursachers sei derart groß ist und überwiege, dass die Betriebsgefahr des anderen Fahrzeugs dahinter zurücktrete. Mithin, sie haften überhaupt nicht und der Gegner zahlt Ihren Schaden zu 100 Prozent. Das hört sich reichlich „schwammig“ an und hilft Ihnen nicht weiter? Genau! Jungen Juristen, frisch aus der Uni in das echte Leben geworfen, geht es genauso.  Das ist einfach eine Standardformulierung, die sich für Richter gegen Angriffe in Berufungsverfahren bewährt hat. Wenn man dazu noch einen vernünftigen Bezug zu einer Tatsachenfeststellung in einem Verfahren …. Ja, jetzt wird es völlig unverständlich, ich weiß. ABER! Sie sollten sich vielleicht als Laie merken, dass die Betriebsgefahr absolut sicher nur in wenigen, denkbaren Situationen entfällt. Ein Beispiel: Sie stehen mit Ihrem Fahrzeug als Erster vor der roten Ampel und warten auf Grün. Plötzlich fährt ein unachtsamer Fahrer hinten auf Ihr Fahrzeug auf. Da können Sie noch so unbeholfen einen Unfallbericht an die Versicherung des auffahrenden Fahrzeugs schreiben. Mit vernünftigen Gründen wird man in einer solchen Situation nicht mehr einwenden können, dass die Betriebsgefahr Ihres Fahrzeugs zu berücksichtigen sei. Und wenn Sie von rechts kommend an einer Kreuzung gleichberechtigter Straßen von einem von links kommenden Fahrzeug in einen Unfall verwickelt werden? Hier ist höchste Vorsicht geboten. Warum?
Weil man immer einwenden kann, dass man sich trotz Vorfahrt-Regel die Vorfahrt nicht erzwingen darf, der sonstige Verkehr von Ihrer Position aus einsehbar gewesen sei usw. usf. Betroffene Laien sehen das als reine Schikane an, übersehen aber, dass Sie die Argumente vortragen müssen, warum die Betriebsgefahr ihres Fahrzeugs ausnahmsweise zurücktritt. Wenn man also von der gegnerischen Versicherung aufgefordert wird, seine Sicht der Dinge darzulegen, ist also bei der Wahl der Worte allerhöchste Vorsicht geboten. Ich empfehle daher eigentlich immer in derartigen Situationen einen mit der Unfallabwicklung erfahrenen Rechtsanwalt oder Rechtsanwältin einzuschalten. Und zwar bevor Sie unbedacht die Regel zementieren, dass Ihre Betriebsgefahr zählt! Vertrauen Sie mir, Sie merken es nicht, wenn Sie der Versicherung des Gegners die Argumente für den kommenden Rechtsstreit in die Hand geben!

Fazit
Wenn Sie mit einem Kraftfahrzeug in einen Unfall verwickelt werden, haften Sie zumeist mit der Betriebsgefahr mit. Da Sie kurz nach dem Unfall und auch noch ein oder zwei Tage danach unter Schock stehen, sollten Sie vor allem vorsichtig sein, kostenauslösende Maßnahmen zu ergreifen, beispielsweise einen Ersatzwagen anmieten in der Erwartung, dass Ihr Schaden zu 100 Prozent von der gegnerischen Versicherung reguliert wird. Erst wenn Sie wieder richtig Luft bekommen, leiten Sie die notwendigen Schritte ein. Oder Sie gehen gleich zur Rechtsanwältin oder zum Rechtsanwalt Ihres Vertrauens, haben nur wenig Arbeit mit den lästigen Formalitäten und können sicher sein, dass man sich um die bestmögliche Regulierung Ihres Schadens bemüht.

Wenn Sie sich für meine Kategorie „Auto und Verkehr“ interessieren, schauen Sie vielleicht auch bei diesem Beitrag vorbei:
Verkehrsunfall und Sie trifft keine Schuld? Warum Sie bitte immer, ja immer eine Rechtsanwältin oder einen Rechtsanwalt bei einem Verkehrsunfall konsultieren sollten

Also, bleiben Sie mir gewogen und vertragen Sie sich! 😉

Ihr Ralf Beckmann

Beispielfoto „Gefahr“, mit Dank zur Verfügung gestellt von Markus Spiske auf Unsplash
https://unsplash.com/de/fotos/Cf5kL7vcF6U

Verkehrsunfall und Sie trifft keine Schuld? – Warum Sie bitte immer, ja immer eine Rechtsanwältin oder einen Rechtsanwalt bei einem Verkehrsunfall konsultieren sollten

Durch einen Kollegen wurde ich auf einen Beitrag des NDR zum Thema „Prüfbericht: Wie Versicherungen Schäden klein rechnen“ aufmerksam. Sie finden diesen interessanten und vor allem informativen Bericht hoffentlich noch lange in der NDR-Mediathek mit dem nachfolgenden Link:

https://www.ardmediathek.de/video/Y3JpZDovL25kci5kZS80ZmRiZDJkOC0xNTJlLTQyNmEtOTQyYy1iMWZiM2Q0ZmY1YzI

Dort heißt es einleitend zu dem TV-Bericht:

Auffällig oft stufen sogenannte Prüfdienstleister einen Versicherungsschaden viel geringer ein als unabhängige vereidigte Gutachter. Holger H. hatte einen Unfall mit dem Motorrad. Ein Autofahrer hatte ihm die Vorfahrt genommen. H. ließ einen Gutachter für das Kfz-Wesen sein kaputtes Motorrad untersuchen. Der Gutachter bezifferte den Schaden auf fast 7000 Euro. Der von der Versicherung in Auftrag gegebene Prüfbericht kam gerade mal auf die Hälfte: 3500 Euro. Teils gehen Versicherungen noch weiter: Sie lassen die Schadenssummen durch künstliche Intelligenz allein mittels Algorithmen bestimmen.1)


Ein alter Hut

Für einen Rechtsanwalt oder eine Rechtsanwältin ist das eigentlich ein „alter Hut“. Das machen Versicherer schon so lang, wie ich als Jurist denken kann! Aber warum können Sie das machen? Weil die Beteiligten Unfallopfer es mit sich machen lassen. So einfach ist das! Eines machen sich die Versicherer dabei meines Erachtens zunutze. In Deutschland haben viele Menschen bestimmten Institutionen gegenüber einfach zu viel Vertrauen. Für diese Menschen ist es einfach undenkbar, dass eine Versicherung „nur an sich denkt“. Sie haben das aus anwaltlicher Sicht freundliche, positive Vorurteil, dass sich derartige Institutionen, wie auch bspw. Ihre Bank zu 99,9 Prozent an Recht und Gesetz halten. Sie Ärmsten, sie kennen wirklich nicht Ihre Bank oder Ihre Versicherung!


Ablauf einer Unfallregulierung
Wie läuft so eine Unfallregulierung überhaupt ab? Stellen wir uns vor, Sie gehen tatsächlich nach einem Verkehrsunfall mit Ihrem Fahrzeug zu einem Rechtsanwalt oder einer Rechtsanwältin. Zunächst wird man sich von Ihnen den Sachverhalt genau schildern lassen, die Daten der Beteiligten aufnehmen usw. usf. In dem eigentlich ersten juristischen Schritt wird dann mit Ihnen geklärt, ob Sie tatsächlich 100 Prozent Ihres Schadens geltend machen können. Denn viele Fahrzeugführer wissen nicht, dass die sog. Betriebsgefahr stets wie ein Damoklesschwert über Ihnen schwebt. Die Betriebsgefahr besagt mit einfachen Worten, dass Sie allein wegen der Gefährlichkeit Ihres Fahrzeugs mit 20 bis 25 Prozent mithaften, auch wenn Sie im klassischen Sinne keine Schuld an dem Unfallgeschehen trifft! Es ist dann anwaltliche Kunst, den Sachverhalt so zu präsentieren oder Dinge des Sachverhalts zu ermitteln, dass diese Betriebsgefahr ausnahmsweise vollständig zurücktritt. Also, den vollen Schaden ersetzt zu bekommen, ist bei Verkehrsunfällen mit einem Fahrzeug gar nicht so einfach!

Erster Schritt ist also, Rechtslage und tatsächlichen Art und Umfang der Haftung der Gegenseite klären und eigene Mithaftung gegebenenfalls ausschließen.

Allein für diesen enorm wichtigen Punkt sollte man nach einem Verkehrsunfall, für den man sich nicht oder nicht allein verantwortlich fühlt, immer einen Rechtsanwalt oder eine Rechtsanwältin aufsuchen.

Wenn die Frage der Haftung oder einer etwaigen Mithaftung geklärt ist, kommen im zweiten Schritt die Klärung einzelner Schadenpositionen. Dieser Bereich zielt dorthin, worüber auch der oben erwähnte TV-Beitrag des NDR berichtet. An dieser Stelle zu diesem Teilbereich nur so viel. Allein das Anmieten eines Ersatzwagens führt immer wieder zu Streit mit der gegnerischen Versicherung. Es wird argumentiert, der Ersatz-PKW nur hätte 5 statt 9 Tagen angemietet werden dürfen. Und schon sind wieder 300 Euro Ihres Schadenersatzes weg! Oder der Einwand, dass man den Ersatzwagen viel zu teuer angemietet hat, kommt ebenfalls regelmäßig und wieder hat die gegnerische Versicherung ein Argument Ihnen 500 Euro bei der Schlusszahlung abzuziehen.
Deshalb, auch bei Klärung einzelner Schadenpositionen, ist der Experte und nicht Halbwissen gefragt.

Zweiter Schritt ist folglich, alle infrage kommenden Schadenpositionen zu klären.


Zuletzt möchte ich Ihnen noch verdeutlichen, dass sich die Kosten für die Einschaltung eines Rechtsanwalts oder einer Rechtsanwältin in vernünftigem Rahmen halten lassen.
Die Kosten berechnen sich nach dem sog. Gegenstands- oder Streitwert. Dieser wiederum ergibt sich aus der Forderung des Mandanten, also Ihrer Forderung. Wenn Sie also die Auffassung vertreten, dass Sie keine Schuld an dem Verkehrsunfall (VU) trifft, die Gegenseite zu 100 Prozent haftet und Sie davon ausgehen, dass Ihr gesamter Schaden 10.000 Euro beträgt, ist dies der Streitwert. Ergibt sich beispielsweise nach der Beratung mit Ihrem Rechtsanwalt oder Rechtsanwältin, dass Sie Schadenpositionen vergessen oder gar nicht erkannt haben und wollen auch diese geltend machen, erhöht sich der Streitwert um diese Positionen. Maßgeblich ist nämlich nicht nur, mit welcher Vorstellung des Schadens sie zu einem Kollegen am Anfang gehen, sondern was am Ende oder zwischenzeitlich maximal von Ihnen gefordert wird. Sagen wir, sie haben Schmerzensgeld für sich vergessen und auch nicht an Nutzungsausfall für Ihr beschädigtes Fahrzeug gedacht, zusammen 2.500 Euro. Dann beträgt der Streitwert inzwischen 12.500 Euro.

Bei diesem Streitwert beträgt die meist angewendete 1,3 Geschäftsgebühr eines Rechtsanwalts € 865,80 zuzüglich € 20,- Postgebührenpauschale zuzüglich Umsatzsteuer = € 1.054,10.  Ein dicker Brocken werden vielleicht viele sagen. ABER!

Bei Verkehrsunfällen können Sie wegen der komplizierten Materie, außer die Sache ist, wie fast nie, glasklar, praktisch immer einen großen Teil ihrer Anwaltskosten erstattet verlangen. Sie erhalten also in den allermeisten Fällen auch ohne eine Rechtsschutzversicherung oder Verzug der Gegenseite einen großen, erheblichen Teil Ihrer Rechtsanwaltskosten erstattet.

Damit dies deutlicher wird, ein Beispiel:
Wie oben bereits erwähnt, fordern Sie im Rahmen der vollen Haftung der Gegenseite von der Versicherung Ihres Unfallgegners € 12.500,-.
Die Frage, ob die Betriebsgefahr hier ausnahmsweise zurücktritt, ist strittig und Ihr Rechtsanwalt einigt sich für Sie mit der gegnerischen Versicherung darauf, dass diese 85 Prozent aller berechtigten Schadenspositionen erstattet. Diese Einigung löst neben der Geschäftsgebühr auch eine 1,5 Einigungsgebühr aus.

Damit schulden Sie Ihrem Rechtsanwalt für die komplette Unfallabwicklung nun ca. 2.250 Euro. Bitte weiterlesen, denn das sind am Ende nicht Ihre Kosten!

Sie einigen sich aber auch zur Höhe darauf, dass die Versicherung insgesamt 11.500 Euro an Sie zahlt. Viele gegnerische Versicherer zahlen dann aufgrund ständiger Übung auf Basis dieser Zahlung eine pauschale 1,8 Geschäftsgebühr als Erstattung (mehr ist u.U. auch möglich) für Ihre RA-Kosten. Bei einem Streitwert von 11.500 Euro und einer angenommenen 1,8 Gebühr erstattet die Versicherung dann 1.450,37 Euro Ihrer Rechtsanwaltskosten. Für Sie verbleiben damit eigene Kosten i.H.v.  799,63 Euro. Für manchen Mitbürger immer noch viel Geld. Aber Sie sollten bei dem Beispiel auch bedenken, dass Sie anfangs Schadenpositionen vergessen und nur 10.000 Euro Schaden gesehen hatten. Nun bekommen Sie effektiv 10.700,37 Euro (11.500 abzüglich 799,63 Euro restl. Anwaltskosten). Sie wollen wegen dieser Kosten von 799,63 Euro nicht zum Rechtsanwalt gehen, obwohl sie 700 Euro mehr bekommen, als anfangs von Ihnen gedacht? Okay, aber ohne Ihren Rechtsanwalt oder Ihre Rechtsanwältin hätte Ihnen die Versicherung bestimmt 25 Prozent Betriebsgefahr abgezogen (und nicht wie hier im Beispiel 15%). Und ausgehend von ihrer ersten Forderung i.H.v. 10.000 Euro hätten Sie dann ohne Rechtsanwalt oder Rechtsanwältin „nur“ 7.500 Euro erstattet bekommen. Zudem dürften Sie Ihrer Werkstatt bei vollständiger Reparatur noch 2.500 Euro aus eigener Tasche überweisen. Und dann kommt noch der Bericht des NDR ins Spiel. Welche Positionen Ihres Gutachters hätte man einfach gekürzt oder gestrichen, sodass Ihr errechneter Schaden vor Abzug Ihres 25-Prozent-Anteils erst einmal auf 7.000 Euro eingekürzt worden wäre? Wer sich jetzt immer noch den ganzen Papierkram inkl. erheblichen Zeitaufwand selbst antun möchte, bitte sehr. Ich schätze, dass dann ca. 80 bis 90 Prozent dieser „Selbstabwickler“ Geld in erheblichem Umfang verlieren.
Das Resümee ist jedenfalls, dass Sie am Ende, ohne selbst arbeiten zu müssen, mehr Geld erhalten, als wenn Sie den Unfall allein abgewickelt hätten. Dies auch bei Berücksichtigung der verbleibenden Rechtsanwaltskosten.

Also, bleiben Sie mir trotz aller Offenheit in diesem Bericht gewogen und vertragen Sie sich! 😉


Ihr Ralf Beckmann

1) Hier noch einmal der Link zum Beitrag des NDR:
https://www.ardmediathek.de/video/Y3JpZDovL25kci5kZS80ZmRiZDJkOC0xNTJlLTQyNmEtOTQyYy1iMWZiM2Q0ZmY1YzI

2) Beispielfoto mit Dank an Foto von Clark Van Der Beken auf Unsplash
https://unsplash.com/de/fotos/CSkriQWeTVs

Supermarkt überwacht Falschparker mit Gesichtserkennung und KI-Software! Wo ist der Fehler?

Die Computer-Bild meldet am 29.03.2023, dass ein Gelsenkirchener Supermarkt seine Kunden mittels Kameras und Gesichtserkennung überwachen würde.1) Die Kameras würden den potenziellen Supermarkt-Kunden an seinem Auto mittels Gesichtserkennung erfassen und sodann erneut beim Eintreten in den Supermarkt. Wer also einerseits parkt, anderseits dann nicht in den Supermarkt geht, soll anschließend ein Verwarnungsgeld von € 40, bekommen. Allerlei Einwände gegen diese Praxis werden vorgebracht, wie beispielsweise datenschutzrechtliche Gründe, unzureichende Überwachung und dabei passierende Fehler usw.

Screenshot Computer-Bild 29.03.2023


Was „stört“ den erfahrenen Praktiker, einen Rechtsanwalt, eigentlich zuerst an diesem Artikel? Weil der Eindruck erweckt wird, dass ein Supermarkt-Betreiber auf seinem Parkplatz, also einem reinen Privatgrund, berechtigt wäre, „Verwarnungsgelder“ auszusprechen. Quasi wie die Ordnungsbehörde mit ihren Politessen.  Diese absolut falsche Grundannahme wird noch dadurch verstärkt, dass der Autor die Höhe der „Strafe“ wohl als angemessen ansieht. Dabei übersieht er, dass kein Eigentümer eines Privatgrundstücks gegenüber irgendwelchen Störern eine „Strafe“ aussprechen kann. Ich meine, damit wird der interessierte Leser in die Irre geführt und auf die „falsche Fährte gelockt.“ Zumal es ja eigentlich um die Frage gehen soll, ob die Kameraüberwachung, verbunden mit einer intelligenten KI-Software und der Gesichtserfassung auf dem Parkplatz und vor dem Eingang des Supermarktes, rechtlich zulässig ist. Deshalb hat sich auch wohl die Computer-Bild des Themas angenommen, aber mit fehlendem Erkenntniswert für den Leser, zumindest aus meiner Sicht.

Also, zunächst einmal zur Frage der Überwachung, dem eigentlichen Thema der Computer-Bild. Wenn der Betreiber des Supermarktes und zugleich auch des Parkplatzes ausschließlich seinen privaten Parkplatz und Supermarkt überwacht, ist das zunächst rechtlich zulässig, sofern der Kunde am Eingang des Parkplatzes und des Supermarktes deutlich sichtbar auf die Kameraüberwachung hingewiesen wird. Denn dann hat der Kunde die Wahl. Darf ich per Kamera erfasst werden und habe damit kein Problem, dann fahre ich auf den Parkplatz und gehe in den Supermarkt. Passt mir das aus Gründen nicht, die niemand etwas angehen, zeige ich diesem Supermarkt einfach die „kalte Schulter“. Es gibt gerade in großen Städten nicht nur einen Supermarkt, oder?
Was die Verbindung von zwei Kameras mittels KI-Software zur Überprüfung des Einkaufs an der Zulässigkeit des Einsatzes der Kameras ändern soll, erschließt sich mir zumindest nicht sofort. Zumal, wenn die Software bspw. sicherstellt, dass nur die Daten eines Parkplatznutzers gespeichert werden, der nach dem Aussteigen aus dem Fahrzeug nicht anschließend auch zum Einkauf in den Supermarkt geht.
Warum der von der Computer-Bild zitierte Landtagsabgeordnete der SPD qualifiziert ist, die Frage des Einsatzes von KI-Software zu kritisieren, bleibt ebenfalls völlig offen. Ist er Jurist? Ist er nebenher Datenschutzbeauftragter? Also, der Erkenntniswert des Artikels ist in diesem Bereich eher zweifelhaft.

Völlig falsch läuft es dann im Artikel aus juristischer Sicht, wenn dort mögliche Fehler des KI-Systems kritisiert werden. Dabei wird stillschweigend unterstellt, dass derartige Probleme oder Fehler für den Kunden problematisch wären. Damit wird der Leser erneut auf eine falsche Fährte gelockt. Hier begibt sich die Computer-Bild auf das Feld der Juristerei, ohne die notwendige Sachkenntnis zu besitzen. Denn es entsteht der Eindruck, als hätte der Kunde nach Auffassung der Computer-Bild zu beweisen, dass er auch Einkaufen war, nachdem er auf den Parkplatz gefahren ist. Im Artikel wird eine Kundin zitiert, die meint, dass man schließlich seinen Kassenzettel nicht zwei Monate aufheben würde. Genau richtig! Diese Kundin meint aber damit, ebenso wie wohl die Computer-Bild, dass sie in Beweisnot sei. Also, dass Sie dem Supermarkt den Einkauf beweisen müsse. Dabei ist es genau andersherum. Die Kundin ist eben nicht in Beweisnot. Denn wenn der Supermarkt-Betreiber sein Verwarnungsgeld haben möchte, muss der Supermarkt beweisen, dass der Kunde unberechtigt seinen Parkplatz genutzt hat. Nicht der Kunde muss sich entlasten.

Andererseits geht es genau darum im Kern. Der Supermarkt-Betreiber möchte vermeiden, dass sein Parkplatz von Menschen benutzt wird, die gar nicht zum Einkaufen zu ihm kommen.

Gegen dieses Ansinnen ist auch zunächst einmal nichts einzuwenden. Aber rechtlich ist das eben nicht so einfach, wie gedacht. Und schon gar nicht, wie es sich der Autor in der Computer-Bild denkt.

Betrachten wir einmal, was rechtlich wirklich abläuft. Sie sind unmittelbar davor, auf den Parkplatz zu fahren und sehen ein Schild „Achtung, unser Parkplatz wird zur Parkplatzüberwachung durch Videoaufzeichnungen kontrolliert.“ Sie haben damit kein Problem und fahren auf den Parkplatz. Dann haben sie dem Angebot des Supermarktes, fahren sie nur auf den Parkplatz, wenn Sie mit der Video-Überwachung einverstanden sind, zugestimmt. Ebenso läuft es beim Betreten des Supermarktes ab, wenn ich vor der Tür erneute per Video erfasst werden. ABER! Diese Regelung durch Hinweisschilder und konkludent zu erteilendes Einverständnis stellen meiner Ansicht nach zugleich auch Allgemeine Geschäftsbedingungen dar. Dann kann der Supermarkt-Betreiber die Beweislast dafür, dass sie seinen Parkplatz unberechtigt genutzt haben, nicht so einfach auf sie abwälzen. Davon ist auf den Hinweisschildern zudem nicht die Rede! Wenn doch, wäre es eine unwirksame Überraschungsklausel. Vielmehr ist es so, dass der Supermarkt-Betreiber beweisen muss, dass sie seinen Parkplatz unberechtigt genutzt haben, also Parken ohne Einkauf.
Dieser Beweis wird schwer zu führen sein. Wie will der Supermarkt-Betreiber im Falle eines Rechtsstreits beweisen muss, dass seine eingesetzte KI-Software zum Abgleich zwischen Parkplatz und Eingang zu 100 Prozent fehlerfrei arbeitet. Zumindest der oder die Richter/in muss im Verfahren davon überzeugt werden, dass die KI-Software im konkreten Fall absolut richtig gearbeitet hat. ABer nicht einmal der Daumenscanner auf Ihrem Smartphone schafft bei jedem Entsperrversuch 100 Prozent richtige Ergebnisse.
Dann stellt sich auch die Frage, wie viel Zeit die Software dem Kunden gibt, um vom Parkplatz in den Supermarkt zu gehen? 5 Minuten, 10 Minuten? Was ist, wenn sie überraschend einen Freund oder Bekannten nach dem Einparken auf dem Parkplatz treffen und dann 40 Minuten quatschen, weil sie sich schon 6 Monate nicht mehr gesehen haben? Soll das etwa verboten sein? Wo steht das bitte in den AGB? Also, Fragen, die der Supermarkt-Betreiber in einem Prozess klären und erklären muss, nicht der Kunde!
Wie soll es bei einem angeblichen Verstoß weitergehen? Läuft ein Mitarbeiter zu dem Fahrzeug des Parksünders, nachdem ein Kunde auf den Parkplatz fuhr und dann nicht binnen 10 Minuten von der Eingangskamera erfasst wurde? Steckt er dann ein Knöllchen, also eine Zahlungsaufforderung hinter die Windschutzscheibe? Praktisch kann es wohl nur so laufen, dass der Supermarkt-Betreiber in derartigen Fällen eine Halterabfrage bei der Zulassungsstelle macht und dann dem Halter des Fahrzeugs sein Schreiben mit der Forderung nach Zahlung eines „Verwarnungsgelds“ übersendet.

Hier kommt dann allerdings die nächste Hürde. Der Halter haftet bislang nicht dafür, dass der oder die Fahrerin angeblich unberechtigt einen privaten Parkplatz genutzt hat. Verantwortlich ist in unserem Rechtssystem bislang zumindest der Fahrer. Allerdings muss man einschränkend darauf hinweisen, dass der Bundesgerichtshof (kurz: BGH) hier wohl einen Schwenk zugunsten der privaten Parkplatzbetreiber vollzieht und nun dem Halter die sog. sekundäre Darlegungslast aufbürdet. Dies hier zu erläutern, würde den Rahmen sprengen. Dies bedeutet jedenfalls, dass man als Halter nicht mehr einfach sagen kann „ich weiß von nichts.“ und die Sache ist erledigt.

Als Halter, das ist daher künftig wohl besser zu zahlen? Oder vielleicht doch nicht? Nicht vergessen, nur wenn nur es noch um die Frage geht, wer zahlen muss, dann greift eventuell die neue Regel des BGH!

An dem Umstand, dass der Supermarkt-Betreiber den Zusammenhang oder besser fehlenden Zusammenhang zwischen Parken und Einkauf wird beweisen müssen, ändert sich auch durch die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs jedenfalls nichts. Flattert Ihnen, wie ein Kritiker im Artikel zitiert wird, erst zwei Monate später ein Schreiben mit der Zahlungsaufforderung ins Haus, ist Ihnen nicht zumutbar, noch einen Kassenzettel zu Ihrer Entlastung vorweisen zu müssen.

An dem Beispiel des Falles, den der Bundesgerichtshof entschieden hat, wird auch deutlich, wie leicht sich Laien anhand eines Falles zu einer falschen Beurteilung in Ihrem eigenen Fall hinreißen lassen. Ich will das am Fall des BGH verdeutlichen. Dort ging es um einen privaten Parkplatz vor einem Krankenhaus. Der Krankenhausbetreiber hat den Parkplatz den Besuchern des Krankenhauses für zwei Stunden bei Nutzung einer Parkscheibe zur Verfügung gestellt. Wer keine Parkscheibe auslegt oder die Parkzeit überschreitet, muss ein erhöhtes Parkentgelt von 30 Euro zahlen. Wenn man alle anderen Aspekte des Falles hier einmal außer Acht lässt, ging es am Ende nur um die Frage, ob der Halter einfach sagen kann, ich war es nicht oder ich weiß nicht mehr, wer gefahren ist. Der BGH verweist hier auf die Wahrheitspflicht im Zivilprozess (ja, die gibt es, wenn sie auch häufig nicht beachtet wird 😉!) und die Tatsache, dass es sich um ein Massengeschäft handeln würde. Deshalb sei es dem Halter zumutbar und er sogar verpflichtet, andere, mögliche Fahrer zu benennen! Im Hinterkopf muss man aber haben. Es geht hier also nicht um die Frage, ob man den Parkplatz nur nutzen darf, wenn man auch in das Krankenhaus als Besucher geht! Im Gegensatz zu unserem Ausgangsfall verlangt der Krankenhausbetreiber hier ja keinen Nachweis darüber, dass man nach dem Aussteigen auch tatsächlich in das Krankenhaus gegangen ist. Das unterstellt er den Nutzern einfach. Es ging beim BGH also letztlich nur darum, dem Parkplatzbetreiber zu helfen, in seiner Not einen Verantwortlichen zu finden. Das ist durchaus nachvollziehbar. In unserem Fall geht es dagegen vorrangig darum, dass der Supermarkt nun möglicherweise Monate nach dem Einkauf einen Nachweis für den Zusammenhang zwischen Parken und Einkauf verlangt. Deshalb ist das BGH-Urteil hier für uns eigentlich nur nebensächlich. Der Supermarkt-Betreiber muss nach wie vor diesen fehlenden Zusammenhang beweisen. Erst, wenn er diesen Beweis führen kann (was ich aus den o.g. Gründen bezweifele) geht es um die Frage, ob auch der Halter oder nur der/die Fahrer/in verantwortlich ist.

Ich denke, der Artikel in der Computer-Bild hat zusammen mit meiner heutigen Kommentierung einen Nutzen. Zusammen zeigen beide Artikel auf, dass die Bewertung juristischer Sachverhalte sehr schwierig sein kann. Ferner wird deutlich, dass man sich nicht von vermeintlich einschlägigen Urteilen ins Bockshorn jagen lassen sollte. Einschlägig ist ein Urteil nämlich nur, wenn die Sachverhalte und die Kernprobleme tatsächlich identisch oder zumindest vergleichbar sind. Ich hoffe, ich konnte hier aufzeigen, dass dies nicht so einfach zu beurteilen ist.
Deshalb sind Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte da. Sie im konkreten Fall zu beraten und dann zu unterstützen. Und dann wären wir auch schon wieder bei der allseits beliebten Rechtsschutzversicherung. Natürlich macht es wirtschaftlich ohne Rechtsschutzversicherung keinen Sinn, sich anwaltlich, sagen wir für 130 Euro darüber beraten zu lassen, ob man dem Supermarkt-Betreiber nun 40 Euro zahlen soll oder muss. Wirtschaftlich haben Sie an der Stelle sofort verloren! Mit Ihrer Rechtsschutzversicherung im Rücken können Sie oftmals auch derartig wirtschaftlich sinnlose Fälle ausfechten 😉!

 Bleiben Sie mir gewogen und vertragen Sie sich 😉

Ihr Ralf Beckmann

1.) Computer-Bild 29.03.2023 –
https://www.computerbild.de/artikel/cb-News-Internet-Datenschutz-Supermarkt-ueberwacht-Parkende-per-Gesichtserkennung-35520649.html

2.) Beispielfoto am Anfang des Artikels mit Dank an Vlad Kutepov auf Unsplash
https://unsplash.com/de/fotos/tBcwA9QiOMA

Wann habe ich ein Wegerecht? – Streit am Gartenzaun – Ein Fall des Landgerichts Frankenthal mit einer Exkursion zum Umgang mit der eigenen Rechtsschutzversicherung

Das Landgericht hat in diesem Monat einen für Privatpersonen interessanten Fall durch ein inzwischen rechtskräftiges Urteil abgeschlossen.1) Warum ist der Fall interessant? Weil es einmal wieder um das von Rechtsanwälten heißgeliebte Nachbarrecht geht. Heißgeliebt deshalb, weil bei Nachbarstreitigkeiten regelmäßig die erworbene Fähigkeit zur Beruhigung der Mandanten angewandt werden muss. Die Emotionen kochen meist hoch.

Teil 1: Der Fall

Worum ging es im Fall des Landgerichts Frankenthal? Ein Ehepaar, Nachbarn der verklagten Eheleute, wollte die Errichtung eines Grenzzaunes nicht hinnehmen und macht ein sog. Notwegerecht geltend. Das Landgericht teilt dazu mit, dass das Notwegerecht verneint worden sei. Zwar haben die klagenden Eheleute über einige Zeit hinweg das Grundstück des beklagten Ehepaares nutzen dürfen, um mit Fahrrädern, Motorrädern oder auch der Mülltonne von der Straße zum eigenen Grundstück zu gelangen. Dieser „Zugang“ war den klagenden Eheleuten nun durch den Zaun versperrt.
Entscheidend für die Ablehnung des Notwegerechts war, dass die klagenden Eheleute auch auf einem anderen Weg, wenn auch beschwerlicher und umständlicher, zu Ihrem Grundstück gelangen konnten und weiterhin können. Die Tatsache, dass die Kläger jetzt bspw. ein Fahrrad über zwei Stufen hinweg tragen und durch den Hausflur gehen müssen, um zum Innenhof zu gelangen, wo das Fahrrad abgestellt wird, sei unerheblich. Das Notwegerecht frage eben nicht danach, ob andere Wege beschwerlicher seien, sondern andere Wege müssen fehlen.
Auch der Umstand, dass der Kläger gehbehindert ist, hat das Landgericht nicht als Ausnahme für die Bejahung des Notwegerechts gewertet. Auf dem umständlichen und beschwerlichen Weg zu seinem Haus oder Grundstück kann schließlich ein behindertengerechter Weg angelegt werden.
Also, keine Ausnahmen, weil das Notwegerecht eben nur besteht, wenn ein Grundstück eine Insellage aufweise, also nur bzw. ausschließlich über ein angrenzendes Grundstück erreichbar sei. Da das Grundstück der Kläger auch eine direkte Anbindung an die öffentliche Straße besitzt, wurde die Klage abgewiesen.

Teil 2: Hintergründe für eine von Anfang an schwierige Klage

Warum dann aber überhaupt klagen? Der die Kläger vertretende Rechtsanwalt oder die Rechtsanwältin hätte das Ergebnis doch kommen sehen müssen, oder?
Erstens sollte man nicht die Macht der Sturheit der eigenen Mandanten unterschätzen. Es ist heute einfach so, dass eine Vielzahl von Menschen vorgegebene Regeln des Staates, die sie selbst nicht so ganz verstehen, einfach nicht akzeptieren will. Nach dem Motto: „Für mich muss es doch eine Ausnahme geben.“ Oder: „Das kann doch nicht richtig sein. Das müssen wir überprüfen!“ Mit  derartigem Schwung und einem klagefreudigen Rechtsanwalt schafft man es dann eben doch zum Gericht und zum ungeliebten, aber absehbaren Ergebnis.
Ein zweiter Faktor ist die vorhandene Rechtsschutzversicherung. Der Glaube, auch unter Rechtsanwälten, ist groß, dass die Rechtsschutzversicherung das Recht habe, den Fall vorab durchzuprüfen und ein mit hoher Wahrscheinlichkeit negatives Ergebnis könne dann zur Ablehnung des Falles führen. Nein, so ist es eben nicht! Die Rechtsschutzversicherung darf  zunächst lediglich prüfen, ob der Fall zum versicherten Risiko gehört. Was heißt das? Natürlich kann ich nicht die Übernahme der Kosten von meiner Versicherung verlangen, wenn ich ausdrücklich nur den Bereich „Verkehrsrecht“ versichert habe, aber wie hier meine Nachbarn wegen der Beseitigung eines Zaunes verklagen will. Im zweiten Schritt wird dann geprüft, ob die Inanspruchnahme nicht mutwillig ist. Mutwillig sind nur absolut unsinnige, von völliger und sicherer Erfolglosigkeit gekrönte, Fälle. Beispielsweise tippe ich in das örtliche Telefonbuch auf einen beliebigen Namen und bezichtige diese Person der Sachbeschädigung an meinem Fahrzeug, welches letzte Woche auf dem Supermarkt-Parkplatz eine Parkdelle bekommen hat. Auf diese Art eine Person in einen Prozess hineinziehen, das ist mutwillig. Aber die Aussicht, dass meine Klage nur äußerst geringe Erfolgschancen hat, das ist Alltagsgeschäft für Ihre Rechtsschutzversicherung und nicht mutwillig. Ein anderes, vielleicht nicht so krasses Beispiel, das ich früher gern bei Mandanten erzählt habe, ist: Sie leihen Ihrem Kumpel oder Ihrer Freundin einen Geldbetrag, sagen wir 500 Euro. Weil man befreundet ist, wird das Darlehen (so nennt man das als Jurist) eben nicht schriftlich fixiert und auch die Aushändigung des Geldes wird nicht quittiert. Man hat außer dem Wort seiner Freundin oder seines Freundes statt Geld nun nur salbungsvolle Wort „in der Hand.“ Es kommt, wie es kommen muss. Trotz mehrfacher Mahnung und mehreren Ermahnungen erfolgt keine Rückzahlung. Ihr Rechtsanwalt oder Ihre Rechtsanwältin schreibt Ihren Freund/Freundin an und siehe da, die Antwort lautet: „Ich habe nie ein Darlehen erhalten!“ Da niemand die Übergabe des Geldes beobachtet hat, stehen Sie völlig ohne Beweismittel da. Die Erfahrung sagt, dass bei einem derartigen Verhalten auch in einem Prozess der Freund/die Freundin einfach weiter behaupten wird, dass er/sie kein Geld erhalten habe. Sie werden den Prozess aller Erfahrung nach mit einer Wahrscheinlichkeit von 99 Prozent verlieren. ABER! Nun kommt Ihre Rechtsschutzversicherung. Diese muss (nicht darf!) Ihren Sachvortrag, also die Behauptung „ich habe Geld verliehen“ bis zum Beweis des Gegenteils als wahr und richtig hinnehmen. Ist das aber so, kann Ihre Rechtsschutzversicherung eben nicht argumentieren, dass Sie im Prozess vermutlich in Beweisnot sein werden! Klar, zu 99 Prozent wird das so sein. Aber das eine Prozent zählt eben und man hat schon „Pferde vor der Apotheke ….“ Sie wissen schon! Was also einzig zählt, ist die Wahrheit, Ihre Wahrheit und die Rechtsschutzversicherung muss in dem Beispielfall die sog. Deckungszusage gegenüber Ihrem Rechtsanwalt erteilen. Ich habe dazu früher immer gesagt: Dazu ist die Rechtsschutzversicherung da. Nämlich, die unsicheren Prozesse sorgenfrei führen zu können. Wissen Sie mit absoluter Sicherheit, dass Sie ihren Fall gewinnen, dann muss der Gegner Ihnen alle Kosten inkl. der Kosten für Ihren Rechtsanwalt erstatten. Wozu brauchen Sie bei dieser Gewissheit noch eine Rechtsschutzversicherung? Absolut sichere Fälle sind aber eher die Ausnahme in vielen Rechtsbereichen und deshalb macht die Rechtsschutzversicherung vielleicht für Sie Sinn.

Bleiben Sie mir gewogen und vertragen Sie sich 😉

Ihr Ralf Beckmann

  1. Pressemeldung des Landgerichts Frankenthal vom 27.03.2023 https://lgft.justiz.rlp.de/de/startseite/detail/news/News/detail/entscheidung-des-monats-maerz-2023-2/
  2. Wer mehr über Richter und Ihre Denk- und Arbeitsweise erfahren möchte, dem empfehle ich:


Beispielfoto mit Dank an Annie Spratt auf Unsplash

https://unsplash.com/de/fotos/lDZo3_Cmj0M

Sozialadäquater Lärm – Hinnehmen oder gleich alle verklagen?

Das Amtsgericht in Singen hat vor ca. einem Jahr ein durchaus interessantes und für Verbraucher und Mieter erhellendes Urteil gefällt1). Und zwar zum sog. sozialadäquaten Lärm in Mietwohnungen.

Worum ging es? Die Bewohnerin einer Erdgeschosswohnung fühlte sich durch Lärm einer  Mieterin der über ihrer Wohnung liegenden Wohnung nachhaltig gestört und klagte auf Unterlassung jeglicher Ruhestörung. Sie führte an, dass das ohnehin hellhörige Mietshaus keine Trittschalldämmung habe. Immer um 7 Uhr würde die über ihr wohnende Mieterin durch die Wohnung laufen, um zu lüften. Das Öffnen und Schließen der Fenster verliefe nicht geräuschlos. Zudem hätte die Mieterin die unangenehme Eigenschaft, stets um 12 Uhr mittags zum Staubsauger zu greifen.

Das Amtsgericht Singen wertete derartige Geräuschimmissionen eher als Bagatelle und verwies darauf, dass derartige Geräusche sozialadäquat seien. Schließlich würde jeder Mieter von Zeit zu Zeit saugen oder durch die Wohnung gehen, Fenster öffnen und schließen etc.
Meiner Ansicht nach sind derartige Tätigkeiten, aber auch das Lärmen von Kindern, Blockflöte üben der Tochter und das Üben am Schlagzeug durch den Sohn, sofern ab und zu und nicht täglich 5 Stunden geübt wird, alles übliche und somit sozialadäquate Verhaltensweisen, die hinzunehmen sind.
Kritisch wird es meiner Meinung nach erst, wenn der Beruf in die Wohnung hineingetragen wird und dies mit Lärm verbunden ist. Berufsmusiker und tägliches Üben von 5 Stunden und mehr am Klavier, der Posaune oder dem Cello? Ich denke, das ist nicht mehr im Bereich des üblichen Verhaltens von Durchschnittsnutzern einer Mietwohnung anzusiedeln und deshalb dürften „gepeinigte“ Mitbewohner im Haus hier erfolgreich Unterlassung verlangen können. Aber derartige Dinge sind eben die Ausnahme und nicht die Regel.

Zurück zum Fall und dem für Mieter sehr interessanten Hinweis, dass auch eine Hausordnung das Staubsaugen oder eben gewöhnliche Tätigkeiten des Alltags nicht unterbinden könne. Ich meine, hier zielt das Gericht darauf ab, dass derartige Hausordnungen nicht nur einmalig gegenüber einem Mieter Verwendung finden sollen und deshalb auch zugleich Allgemeine Geschäftsbedingungen (AGB) sind, die einer besonderen Kontrolle unterliegen. Allein deshalb wird in der Einschränkung üblicher Tätigkeiten (Ausnahme mag hier die Nachtruhe ab 22:00 Uhr sein) eine unangemessene Benachteiligung des Mieters liegen und damit derartige Klauseln unwirksam machen.

Um es auf den Punkt zu bringen: wenn ein anderer Hausbewohner wissend auf die Klausel in der Hausordnung verweist: „Staubsaugen und ähnliche Tätigkeiten sind nur zwischen 08:00 und 12:00 und 15:00 und 18:00 Uhr erlaubt.“, kann man diese Klausel wohl getrost vergessen. Wenn Sie ein auf Ruhe bedachter Richter allerdings doch verurteilt ruhig zu sein und auf die Hausordnung verweist, übernehme ich keine Haftung. Vielmehr sollten Sie prüfen, ob Sie und Ihr Rechtsanwalt die richtigen Argumente vorgebracht oder dem Richter/der Richterin ausreichend charmant Ihre Argumente vorgetragen haben. Wie heißt es so schön: „Vor Gericht und auf hoher See, entscheiden die … und danach kommt nur noch der liebe Gott.“ Denn Ausrutscher, sei es im Urteil, der Rechtsprechung, dem speziellen Richter oder Richterin kann es immer geben.

Aber, das Amtsgericht Singen sagte eben sehr schön: „Es könne nicht erwartet werden, dass sich Menschen in ihren Wohnungen nach Ende der Nachtruhe schleichend fortbewegen und mucksmäuschenstill verhalten.“ Ich meine, wer damit nicht klarkommt, sollte sich vor Abschluss eines Mietvertrages vergewissern, dass die Wohnungen im Haus sehr gut isoliert sind und nur extrem laute Geräusche überhaupt durchdringen. Ansonsten sollte man bedenken, dass nicht nur die anderen Hausbewohner Geräusche verursachen, sondern man selbst auch!

 Bleiben Sie mir gewogen und vertragen Sie sich.

Ihr Ralf Beckmann

1.) Amtsgericht Singen, Urteil vom 29.04.2022 – 1 C 235/21

2.) Beispielfoto mit Dank an Leohoho auf Unsplash
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Leseraufruf zum Maklerrecht – Umgang mit Maklern und Erfahrungen in Theorie und Praxis zur neuen Verpflichtung zur Courtageteilung bei Immobilienverkäufen

Seit geraumer Zeit befasse ich mich bereits mit Fragen zum Maklerrecht. Vorrangig geht es natürlich – wie so oft  im Leben – um das liebe Geld, also die Courtage oder Maklerprovision.

Seit 2020 ist es nun so, dass die Anbieter/Verkäufer von Häusern oder auch Eigentumswohnungen zwar weiterhin – aus welchen Gründen auch immer – einen Makler einschalten. Der Jurist würde hier sagen, sie sind Besteller. Aber die große Neuerung ist, dass nach dem Willen des Gesetzgebers Schluss damit sein soll, dass der oder die Käufer oder Käuferin die Zeche allein zahlt. Vielmehr soll der Besteller, also der Verkäufer oder die Verkäuferin mindestens 50 % der vereinbarten Maklercourtage selbst zahlen. Und damit fängt das Dilemma auch schon an. Die Informationen sind oftmals irreführend und gehen an der Lebenswirklichkeit und den Tricksereien erfahrener Makler und Verkäufer vorbei! So meint das Maklerportal „Aroundhome“ in einem ihrer Beiträge1), dass der Besteller höchstens 50 % der Provision/Courtage oder die Hälfte auf den Käufer oder die Käuferin abwälzen dürfe. Da kann man als Jurist einerseits noch mitgehen. Wobei Abwälzen ist eben etwas anderes, als eine Pflicht zur Übernahme anteiliger Provision.

Schauen wir uns bspw. in dem oben erwähnten Beitrag von Aroundhome1) an, was diese zu der Höhe der Provision im Falle von Immobilienverkäufen sagen und aufzeigen. Die Provisionssätze sollen je nach Ort und Bundesland zwischen 4 und 7 Prozent betragen. Das wird anschaulich dargestellt. Doch erst einmal ist es so, dass der Makler in der Praxis Ihnen einen Vertrag vorlegen und einen bestimmten Provisionssatz verlangen wird. Ob das dann auch ortsüblich ist, steht auf einem anderen Blatt. Es wird auch behauptet, dass bei einer sog. Mischprovision, beide Parteien einen Anteil der Provision zahlen. Aber, dass dann beide Parteien einen Maklervertrag mit dem Makler schließen würden und müssen (?) und sich eben daraus die Provision ableitet? Spätestens an dieser Stelle schrillen bei mir als erfahrenem Rechtsanwalt alle Alarmglocken! Beide Parteien schließen einen Maklervertrag mit dem Makler? Ja, das ist wohl aus Unwissenheit der Makler so üblich! Die Makler will damit wohl zuallererst erreichen, dass er auch einen Anspruch auf Bezahlung beim Käufer durchsetzen kann. Das ist ja zunächst ein berechtigtes Interesse. Aber! Auch Aroundhome und eben viele Makler haben offensichtlich nicht an § 654 BGB gedacht. Demnach verliert der Makler seinen Anspruch auf Provision und den Ersatz von Aufwendungen, wenn er dem Vertragsinhalt zuwider auch für den anderen Teil tätig geworden ist. Logisch, oder? Wie soll das auch gehen? Wenn Sie verkaufen wollen, möchten Sie den festgelegten Preis möglichst ohne Abstriche durchsetzen. Das muss der Makler im Zweifel für Sie bestmöglich aushandeln. Damit das gelingt, muss der Makler die Immobilie gut anpreisen und nachteilige Dinge, sofern er zu deren Offenlegung nicht verpflichtet ist, unter den Tisch fallen lassen und die Vorteile eher überbetonen. Natürlich ist diese Tätigkeit, das wird noch unten näher erläutert, nicht die eines Nachweis-, sondern eines Vermittlungsmaklers. Der Kaufinteressent wird berechtigt darauf bestehen, dass der Makler sein Interesse an einem möglichst günstigen Einkauf und auch ansonsten bestmöglichen Konditionen wahrnimmt. Natürlich kann er das nur verlangen, wenn auch hier der Makler als Vermittlungsmakler und nicht als bloßer Nachweismakler tätig ist. Das sind dann eben widerstreitende Interessen, die der Makler gar nicht pflichtgemäß wahrnehmen kann! Und dann soll es ausreichen, dass der Makler dem Verkäufer in seinem Maklervertrag mitteilt, ich bin auch für den Verkäufer tätig? Ein derartiger, kurzer Hinweis soll ausreichen und dann sicherstellen, dass der Makler auch wirklich bestmöglich für den Kaufinteressenten handelt? Die Idee ist meiner Meinung nach geradezu grotesk. Denn in Praxis läuft es doch so. Der Makler kann Immobilien nur anbieten und eine Courtage erwirtschaften, wenn er den Verkäufer bei Laune hält. Dieser hat das Objekt der Begierde und nicht die Kaufinteressenten. Verliert er den Verkäufer, verliert er alles. Verliert der Makler dagegen einen Kaufinteressenten, na und? Es gibt vielleicht noch 100 andere Interessenten. Wessen Interessen wird der Makler daher wohl in der Praxis vertreten? Und dieses daraus erwachsende, überwiegende Interesse dem Verkäufer zu dienen, soll durch einen kurzen Hinweis, möglicherweise als AGB einzustufen, „ich bin auch für den/die Verkäufer tätig“, den Anforderungen von § 654 BGB genügen, um den Provisionsanspruch zu erhalten? Natürlich werden sich dann am Ende des Tages so manche Makler gegenüber dem Kaufinteressenten/Käufer darauf hinausreden wollen, dass sie ihnen gegenüber nur Nachweismakler waren. Aber gibt der vorgelegte Maklervertrag das auch her? Wird oftmals nicht ein völlig anderer Eindruck erweckt?

Sie sehen, vieles hängt zusammen mit der Art der Maklertätigkeit, nämlich ob der Makler auch für den Kaufinteressenten als Nachweis- oder sog. Vermittlungsmakler tätig wird.2)

Aus all diesen Überlegungen ist erkennbar, dass die Abgrenzung und sichere Bejahung der Verwirkung des Maklerlohns gem. § 654 BGB auch für erfahrene Juristen enorm schwierig sind. Es ist immer eine Frage des Einzelfalles. Aber man sollte auf jeden Fall als Kaufinteressent im Auge behalten, dass der Makler nicht vertragswidrig doppelt tätig wird. Im obigen Beispiel bin ich wie selbstverständlich davon ausgegangen, dass der Makler auf beiden Seiten als Vermittlungsmakler tätig ist. Dort ist die Sache, wie angesprochen, äußerst problematisch. Sie sollten daher Ihren Vertrag genau prüfen und dokumentieren, was der Makler eigentlich für zumeist 50 % einer Gesamtcourtage für sie tun will und vor allem, was er dafür tun muss!

Deshalb meine erste Frage an diejenigen meiner Leser, die gekauft haben: Welche Erfahrungen haben Sie gemacht mit der Vorlage eines Maklervertrags, um von Ihnen die Zahlung einer (anteiligen) Provision zu verlangen? Haben Sie einen derartigen Vertrag im Nachgang anwaltlich prüfen lassen oder sind sogar gerichtlich gegen die angebliche Zahlungsverpflichtung vorgegangen? Wenn ja, mit welchem Ergebnis? Hat man Ihnen einen Vertrag als Nachweismakler vorgelegt und wurde das so bezeichnet, oder wurde die Bezeichnung der Maklertätigkeit vielleicht offengelassen und man sprach ganz allgemein von einer Maklertätigkeit?

Eine andere Problematik mit dem neuen Maklerrecht ergibt sich ebenfalls aus dem Umstand, dass die Käufer höchstens 50 % der Gesamtcourtage zahlen müssen. Bislang war es in der Praxis so, dass Verkäufer den Makler als Vermittlungsmakler bestellt hatte, aber mit ihm die Vereinbarung getroffen hatte, dass er seine Provision/Courtage beim Käufer geltend machen müsse. Das steckt meiner Meinung nach derartig tief in den Köpfen der Beteiligten drin, dass viele, wenn nicht gar der überwiegende Teil der Verkäufer alles, ja wirklich alles unternimmt, um von einer eigenen Zahlungsverpflichtung herunterzukommen.
Deshalb sind jetzt viele Möglichkeiten denkbar, wie Makler und Verkäufer im kollusiven Zusammenwirken den Kaufinteressenten ausbremsen und das auch in vielen Fällen tun. Zunächst einmal ist denkbar, dass der Makler und Verkäufer eine zweite Absprache treffen, „Du (Verkäufer) musst mir gar nicht die behauptete Provision bezahlen. Ich begnüge mich mit den 3,7 % des Käufers!“ Ich meine, dem kann man noch relativ leicht dadurch begegnen, wenn man die Auffassung vertritt, dass die Zahlungspflicht des Käufers für seinen Anteil an der Provision erst dann fällig wird, wenn auch der Verkäufer nachweislich seine Pflicht zur Zahlung der Provision erfüllt hat. Man hat also ein Zurückbehaltungsrecht gegenüber dem Makler seine Provision erst dann zu bezahlen, wenn Makler nachweist, dass auch der Verkäufer seinen Anteil nicht nur in Rechnung gestellt bekommen hat, sondern diesen auch tatsächlich und nachweislich bezahlt hat.
Aber was, wenn der Makler dem Verkäufer nach Überweisung der Courtage durch den Käufer seinen Anteil einfach wieder erstattet? Rechtlich und in der Buchhaltung bekommt man dies dadurch in den Griff, dass der Verkäufer zugleich Tippgeber für die Immobilie war und deshalb eine Entlohnung erhält, oder dessen Ehefrau oder Sohn oder Tochter usw. Geben Sie sich doch mal als potenzieller Verkäufer aus und deuten bei jedem Makler, der Ihnen behilflich sein will an, sie würden nicht gern die vollen 50 % Courtage als Verkäufer zahlen wollen. Was der Makler Ihnen da anbieten könne! Sie werden staunen! Da bin ich mir sicher.

Zu dieser Frage nun meine zweite Frage an die Leser: Haben Sie erfolgreich gegenüber Ihrem Makler als Käufer eingewandt, dass zunächst der Nachweis der Zahlung durch den Verkäufer zu erbringen sei? Wurde ein derartiger Einwand ggfls. von Ihnen auch gerichtlich geltend gemacht und waren sie damit erfolgreich, oder sind Sie gescheitert?

Ich wäre Ihnen dankbar, wenn Sie zur Beantwortung der einen oder anderen Frage mir eine E-Mail zukommen lassen würden. Schreiben Sie an:
ra-beckmann@t-online.de
Ich sichere Ihnen absolute Vertraulichkeit zu. Wenn Sie im Zweifel sind, mir aber dennoch eine Nachricht zukommen lassen möchten, senden Sie Ihre Nachricht gern anonym und fügen Sie Dokumente wie Schriftwechsel oder gerichtliche Urteile gern mit geschwärztem Namen und Adresse zu. Mein Interesse gilt vorrangig der Beantwortung der Fragen und dem Umstand, ob eine Tendenz in der praktischen Handhabung des erneuerten Maklerrechts erkennbar ist.
Aber auch ansonsten bin ich an Ihren Erfahrungen im Umgang mit Immobilienmaklern interessiert. Schreiben Sie mir!

Bleiben Sie mir gewogen und vertragen Sie sich 😉

Ihr Ralf Beckmann

FN 1)
https://www.aroundhome.de/immobilienverkauf/maklerprovision/?utm_source=google&utm_medium=sea_non_brand&prid=566&meco=de&utm_id=ga_167-833-1765_10591390211_102725076897_449794683096&vendor_id=ga&account_id=167-833-1765&ad_mt=b&ad_mo=&ad_pm=&ad_pos=&campaign_id=10591390211&adgroup_id=102725076897&ad_id=449794683096&click_id=CjwKCAiA1eKBBhBZEiwAX3gql7jZS-zslslZC9EeA0XGsPt8hdppnd-xoVvYWHTQ8RP5lCxScrogpRoCYvsQAvD_BwE&ad_kw=&ad_nw=g&ad_dev=c&ad_devmod=&utm_campaign=10591390211&utm_term=&utm_content=449794683096&gclid=CjwKCAiA1eKBBhBZEiwAX3gql7jZS-zslslZC9EeA0XGsPt8hdppnd-xoVvYWHTQ8RP5lCxScrogpRoCYvsQAvD_BwE

FN 2)
https://openjur.de/u/125911.html

Beispielfoto mit freundlicher Unterstützung von https://unsplash.com/de/fotos/05XcCfTOzN4


Gibt es eine Sperrfrist für den Arbeitnehmer bei einer Eigenkündigung? Ja, vielleicht oder etwa auf jeden Fall? Soll man überhaupt selbst kündigen? Worauf sollte man wirklich achten? Theorie und Praxis …

Vor einigen Tagen las ich in einer großen Zeitung einen Artikel über die Möglichkeiten einer Eigenkündigung des Jobs. Das hörte sich alles sehr nett an, wenn einem empfohlen wird, dass man im Falle des sog. Bossing’s (also der Chef = Boss mobbt sie), lieber nachgeben und eine Eigenkündigung des Arbeitsverhältnisses aussprechen sollte; seiner Gesundheit zuliebe.

Wenn man so etwas als praktisch erfahrener Jurist liest, wird man unwillkürlich daran erinnert, dass selbst Richter manchmal nicht in der Lage sind, Ihre Prozesse erfolgreich zu führen. Warum? Weil Ihnen einfach das praktische Verständnis und die in Jahren erworbene anwaltliche „Trickkiste“ fehlt! Erst recht gilt dies bei Juristen, die gerade frisch von der Uni kommen oder eben auch Journalisten, die sich zuarbeiten lassen und so ein gefährliches Halbwissen oder unvollständige juristische Informationen verbreiten.

Einmal ehrlich, gehen Sie als Frau zum Friseur, wenn sich kahle Stellen in Ihrer Haarpracht im Alter von Mitte 20 zeigen (sog. Kreisrunder Haarausfall) und bitten ihn um Rat, oder fühlen Sie sich besser bei einer Hautärztin oder einem Hautarzt aufgehoben? Okay, Sie haben gewonnen. Wenn Sie den Friseur gewählt haben, lesen Sie nicht weiter und vertrauen Sie Journalisten …. 😉 Ansonsten, sollten Sie die eine oder andere praktische Überlegung bei Ihrem Problem mit ins Kalkül ziehen.

Natürlich kann man kündigen, wenn und wem man will! ABER! Wenn man keine finanziellen Nachteile möchte oder sich diese vielleicht gar nicht leisten kann, sollte man zuerst einmal tief durchatmen und dann wirklich alle Möglichkeiten in Betracht ziehen.
Beispielsweise wird empfohlen eine Eigenkündigung in Erwägung zu ziehen, wenn man dauerhaft unglücklich sei oder von Kollegen oder auch dem Chef gemobbt würde oder ständig im Stress sei. Ich meine, man sollte in solchen Situationen vor einer nachteiligen Eigenkündigung zunächst einmal ärztlich abklären lassen, ob die körperlichen Einschränkungen, die das Mobbing bspw. mitgebracht haben, nicht bereits einen echten Krankheitswert haben und deshalb eine Arbeitsunfähigkeit bestätigen? Entschuldigen Sie bitte, liebe Journalisten, aber warum sollte man denjenigen, der einem Krankheit beschert, noch mit einer Eigenkündigung „belohnen“?

Auch eine zur Rechtfertigung thematisierte Umgehung einer Sperrfrist ist wenig hilfreich als echter, sinnvoller Rat an Betroffene. Natürlich kann man auch einen Kollegen aus dem Arbeitsrecht indirekt zitieren und erläutern, dass man die übliche Sperre des Arbeitslosengeldes von 12 Wochen umgehen könne, wenn man vielleicht einen Aufhebungsvertrag aus einem wichtigen Grund schließen würde. Wichtige Gründe seien bspw. Mobbing am Arbeitsplatz, die Pflege von Angehörigen oder die Vergütung weit unter dem lokalen Branchenniveau. Entschuldigung! Solche Ratschläge sollten m.E. eine Schadenersatzpflicht gegenüber dem Leser auslösen. Warum? Weil man als Rechtsanwalt von der ungünstigsten Möglichkeit ausgehen und sich und seinen Mandanten darauf vorbereiten muss. Außerdem scheint niemand bislang etwas von der Kraft des Faktischen gehört zu haben. Welcher Arbeitgeber bescheinigt im Aufhebungsvertrag Mobbing durch Kollegen des ausscheidenden Mitarbeiters? Wer bestätigt denn bitte, die Vergütung unter dem Branchenniveau?

Und selbst wenn das der Arbeitgeber es so bescheinigt. Wer sagt bitte, dass das Arbeitsamt nicht dennoch eine Sperrfrist verhängt? Merke, eine Aufhebungsvereinbarung birgt im Hinblick auf das Arbeitsamt immer Gefahren, nämlich die Gefahr des Verlustes von Geld! Warum sollte das Arbeitsamt die Sperrfrist trotz sorgfältiger Vorbereitung eines Aufhebungsvertrags verhängen? Antwort: weil es das kann! Dann werden naive Juristen ohne Praxisbezug einwenden, dass das Gericht A und  das Gericht B in ständiger Rechtsprechung aber bestätigt haben, dass nachgewiesene Mobbingfälle zu einem Aufhebungsvertrag berechtigten und das Verhängen einer Sperrzeit rechtswidrig war! Und ich wende dagegen ein, dass ein solcher Jurist die Dinge eben einzelfallbezogen und ohne Praxiserfahrung denkt! Denken wir mal wie Boris Palmer, der Oberbürgermeister von Tübingen, der vor einigen Tagen eingeräumt hat, dass er aus Mangel an Personal allen Antragstellern (Migranten) ohne weitere Prüfung einfach eine Duldung für 3 Jahre hat aussprechen lassen. Dies, weil er für eine Prüfung der Fälle als Bürgermeister schlicht kein Personal habe. Aha, das ist ja mal eine praktische Lösung, oder? Und wenn es sich das Arbeitsamt einfach macht und sagt, egal was auch immer vorgebracht wird, wir verhängen erst einmal eine Sperrzeit! Was dann? Das Arbeitsamt  ist nicht so offenherzig wie Boris Palmer überhaupt etwas zuzugeben, aber stellen wir uns mal folgende Denkweise des Leiters des örtlichen Arbeitsamtes vor: „Wir, das Arbeitsamt haben einfach nicht genug Personal und das vorhandene Personal kann den schmalen Grat zwischen richtig und falsch bei der Sperrzeit nicht korrekt juristisch ausloten. Deshalb bekommen alle eine Sperrzeit. Wenn uns dann Gerichte, sagen wir in 10 Prozent der Fälle bestätigen, dass war falsch, dann zahlen wir eben nach.“ Alles gut, denkt der Laie. Aber ich sage, nebenbei rechnet der Leiter des Amtes natürlich auch noch wie folgt: von den 50 Prozent der Antragsteller, bei denen die Sperrzeit unberechtigt verhängt wurde, klagen ehedem nur 10 Prozent. D.h. 90 Prozent nehmen fluchend die „falsche“ Entscheidung hin. Von den 10 Prozent, die eine Klage einreichen, haben nur 50 Prozent einen Anwalt. Die Kosten, die durch das Verfahren entstehen, sind also über alle Fälle hinweg überschaubar. Sie ahnen es bereits. Am Ende „rechnet“ sich das pauschale Verhängen der Sperrzeit also durchaus für Vater Staat  bzw. die Bundesagentur für Arbeit. Sie glauben, das gibt es nicht? Alles schon in Variationen selbst erlebt, in meiner Tätigkeit als Rechtsanwalt. Sie sollten vielmehr glauben, dass auch Vater Staat und seine Bediensteten immer mal wieder so einige Dinge unternimmt, um sich vor Schaden (Zahlungen an lästige Bittsteller) zu bewahren.

Deshalb mein Rat: wenn Sie schon eine Eigenkündigung nicht völlig ausschließen, sollten Sie zunächst herausfinden, ob der Arbeitgeber nicht vielleicht Ihnen kündigen möchte. Warum mobbt der Boss sonst eigentlich, außer um Sie loszuwerden? Warum sollten Sie ihrem Boss oder Arbeitgeber mit finanziellen Nachteilen zuvorkommen und eine Sperrzeit in Kauf  nehmen, wenn ihr Arbeitgeber nicht vielleicht auch schon die schriftliche Kündigung in der Schublade hat? Es gibt immer Mittel und Wege, ein offenes Wort  zu sprechen.
Auf jeden Fall sollten Sie aber mit einkalkulieren, dass Sie zunächst einmal eine Sperrzeit bekommen! Völlig egal, ob diese berechtigt oder unberechtigt ist. Wenn Sie von diesem worst case, also dem schlechtest denkbaren Ausgang der Sache ausgehen und dann trotzdem finanziell und emotional klarkommen, können Sie Ihre Maßnahme ergreifen. Denn dann gewinnen Sie auf jeden Fall. Kommt die Sperrfrist (wenn auch unberechtigt), recht behalten. Kommt sie nicht, umso besser! Also, wenn Sie sich eine Sperrfrist weder leisten können, noch wollen, dann lassen Sie das mit der Eigenkündigung! Mit einer klaren Strategie in diesem Sinne lebt es sich dann auch leichter und es lässt sich auch leichter kämpfen. Wenn Sie die Sperrfrist überrascht, obwohl Ihnen Ihr beratender Rechtsanwalt zunächst gesagt hat, sie sind auf der sichereren Seite, wenn …, und sie einfach keine finanziellen Reserven haben, um die 12 Wochen zu überstehen, dann werden Sie im obigen Sinne vielleicht auch auf die Klage gegen die Verhängung der Sperrzeit verzichten, also alles was sich das Arbeitsamt erhofft …. 😉 Sind Sie dagegen auch für den ungünstigsten Fall gerüstet und werden nicht überrascht, holen Sie sich Ihr Geld mit der Klage zurück. Dann haben Sie und Ihr Rechtsanwalt vielleicht schon eine Vereinbarung getroffen oder sie haben einen kompetenten Kollegen/Kollegin gefunden, der die Sache auch mit Prozesskostenhilfe für Sie durchzieht, usw. usf.

Will nur sagen, bereiten Sie sich mit Ihrem Rechtsanwalt oder  auch allein mit praktischen Lebensstrategien auf einen Kampf gegen Arbeitgeber und Behörde vor und nicht mit theoretischen Ratschlägen, ja, aber die Gerichte sagen doch …. Glauben Sie nicht, dass immer mit noch so guten juristischen Argumenten die Behörde A oder B oder der Arbeitgeber C oder D einknickt, auch wenn Sie tatsächlich mit Ihren Argumenten richtig liegen! Wenn Sie etwas von der Behörde wollen und die sagt NEIN, dann ist das so, bis ein Gericht die Behörde verdonnert! Ich als Rechtsanwalt habe außergerichtlich vorrangig deshalb geschrieben, um bestimmte Rechte meines Mandanten zu wahren, diese zu begründen (bspw. Verzug der Gegenseite) usw. Und nicht, weil ich davon ausging, dass ein kampferprobter Arbeitgeber oder eine sture Behörde sich noch vom Gegenteil „überzeugen“ lässt. Das tun Sie in aller Regel nämlich nicht, weil es so einfach ist nein zu sagen und nicht immer zwingend einer Begründung bedarf.

Bleiben Sie mir gewogen und vertragen Sie sich 😉

Ihr Ralf Beckmann

P.S. Obiges Beispielfoto für einen tollen Arbeitsplatz: Toa Heftiba auf unsplash.com Vielen Dank!

Die Fledermäuse sind los – Mietmangel oder ganz normal?

Das Amtsgericht Starnberg hat laut Pressemitteilung vom 27.02.2023 über einen besonders kuriosen Fall von Mietminderung entschieden.1) Im schönen Andechs, ja dort, wo das prima Bier herkommt, wohnt eine Familie im Erdgeschoss eines Hauses als Mieter. Im Dach hatten  sich Fledermäuse einquartiert! Die Mieter fühlten sich durch Exkremente und auch Urin der possierlichen Tiere belästigt, da der über ihrer Wohnung befindliche Balkon nur einen Teil der Hinterlassenschaften der Tiere abhielt. Alles andere fiel wohl auf Ihre Terrasse.

Warum hat es also nicht mit der begehrten Mietminderung geklappt und auch die gewünschte Verurteilung zur Säuberung der Terrasse wurde nicht zugesprochen?

Als erfahrener Praktiker sage ich mal so. Es gibt Argumente, die sind so durchdringend, dass man nichts dagegen sagen kann. Richter flüchten sich in schwierigen Situationen gern in Allgemeinplätze, die man schlicht akzeptieren muss. In ländlichen Regionen ist das normal, ist eines dieser standardisierten Argumente, einfach nicht widerlegt werden können. Laut Amtsgericht Starnberg muss man gewisse Beeinträchtigungen durch Tiere hinnehmen. Der Hahn des Nachbarn kräht?  Die Glocken der Kirche läuten? Alles Brauchtum, ortsüblich und Teil der ländlichen Kultur. Deshalb muss es hingenommen werden. Nicht, dass wir uns falsch verstehen, ich bin sehr für Tierschutz, aber wer einmal einen Marder zu Gast in seinem Haus hatte, der wird nur geringes Verständnis dafür aufbringen, dass die possierlichen Tiere ausgerechnet bei Ihnen der Fortpflanzung und der täglichen Ruhepause frönen wollen.

Also, warum nicht handfeste Argumente liefern, die das Amtsgericht Starnberg in seiner Urteilsbegründung offensichtlich auch hatte? Ein altes Anwaltsmotto lautet: „Frisch behauptet, ist halb gewonnen.“ So muss man den Vortrag der klagenden Familie wohl einschätzen als sie vortrugen, dass täglich bis zu 50 Fledermausköttel in den Monaten April bis Oktober auf der Terrasse lagen. Diese Behauptung konnte jedoch im Ergebnis nicht nachgewiesen werden. Dabei hatte das Gericht extra noch eine Fledermausexpertin als Sachverständige bestellt, die allerdings zu dem Ergebnis kam, dass im Dach des Hauses keine Wochenstube der Fledermauspopulation eingerichtet war und auch die Anzahl der Tiere eher gering war. Ich denke mal, dass die Behauptung von 50 Fledermauskötteln dermaßen übertrieben war, dass man mit der Belästigung „Fledermausköttel auf der Terrasse“ schon keinen Stein im Brett mehr beim Gericht hatte.

Da gilt eine andere Regel, die ich als Anwalt gelernt habe. Wenn man übertreibt, dann bitte so, dass man nicht widerlegt wird. Und man sollte nicht seine ganze Klage auf diese Übertreibungen stützen. Denn, als die Frage des Umfangs der Belästigung nicht das gewünschte Ergebnis brachte, wurde eine mögliche Gesundheitsgefährdung der minderjährigen Kinder der Mieter vorgetragen. Aber auch dieses Argument schmetterte das Gericht völlig zu Recht ab, denn welche Gefährdung genau eintreten sollte, wurde auch nicht vorgetragen. Also, einfach mal Gesundheitsgefährdung rufen, ohne konkreten Vortrag zu bringen, worin sich diese Gefährdung zeigen soll, ist wenig aussichtsreich. Da muss man wirklich mehr bieten.

Merke: Die Argumente des Gerichts sind immer gut. Die eigenen Argumente sollten wirklich gut sein!

Was kann man nun aus diesem kuriosen Fall lernen? Wenn man eine Mietminderung durchsetzen will, sollte man sich genau überlegen, ob die Belästigung  bzw. der Mangel tatsächlich eine Minderung rechtfertigt. Natürlich kann das der Laie schwer überblicken. Aber ein wichtiger Anhaltspunkt ist die Frage, ob der Mangel den Kern des Mietverhältnisses, nämlich die Wohnung schlechthin betrifft. Feuchtigkeit an den Wänden, der Putz fällt von der Decke, die Stromleitungen sind überlastet. Alle diese Dinge berühren mit Sicherheit den Kern des Mietverhältnisses und wenn man nicht gerade schon beim Einzug gesagt hat, super, dass der Putz von der Decke rieselt, dann ist man dem Grunde nach mit einem Mangel und einer Mietminderung auf der richtigen Seite. Es kommt dann nur noch auf die richtige Höhe der Minderung an.

Wenn Dinge jedoch von außen auf die Wohnung einwirken, die der Vermieter gar nicht beeinflussen kann, wie der Nachbar baut ein neues Haus (Baulärm und Staub), die Fledermäuse sind los oder auf dem mitgemieteten Stellplatz treibt sich immer wieder ein Marder herum, der das Fahrzeug beschädigt, dann sollte man etwas vorsichtiger vorgehen. All diese Beeinträchtigungen können Mängel sein und zu einer Minderung berechtigten, aber es gibt auch genug Richterinnen und Richter, die das völlig anders sehen. Vor allem, wenn diese Beeinträchtigungen ein Teil des ländlichen Lebens sind. Das ist, wenn man als Richter abweisen will, ein einfach nicht zu widerlegendes Argument. 😉

Aber auch hier kommt wieder ein altes Anwaltsmotto von mir zum Tragen. Wenn Sie eine Rechtsschutzversicherung unterhalten und sie diese wahrheitsgemäß unterrichten, dann ist die bloße Möglichkeit, dass es sich um einen Mangel handelt, völlig ausreichend. Die Rechtsschutzversicherung muss Ihnen eine Deckungszusage geben. Dann können Sie auch die ein- oder zehnprozentige Chance auf einen Sieg vor Gericht munter ergreifen. Sie haben ja kein Kostenrisiko mehr!
Man sollte aber bedenken, dass ein Mietverhältnis schnell ruiniert werden kann. Haben Sie von einer größeren Wohnungsbaugesellschaft gemietet und probieren aus, ob der Mangeleinwand funktioniert, wird das in den meisten Fällen niemand gegen Sie persönlich aufbringen. Mieten Sie dagegen von einem Privatvermieter, der zwei oder fünf Wohnungen vermietet, sollten Sie schon behutsamer vorgehen. Einem solchen Vermieter können Sie nicht vermitteln, dass das alles nicht persönlich gemeint war und jetzt eben das Gericht gegen Sie entschieden hat. Und nun trifft man sich wieder im Sommer zum gemeinsamen Grillen im Garten? Da hängt vielmehr der Haussegen oftmals dauerhaft schief. Das sollten Sie berücksichtigen.

Bleiben Sie mir gewogen und vertragen Sie sich 😉

Ihr Ralf Beckmann

  1. https://www.justiz.bayern.de/gerichte-und-behoerden/amtsgerichte/starnberg/presse/2023/6.php
  2. Foto von René Riegal – https://unsplash.com/de/fotos/qAts81pZrbg

Zwei Hunde gleichzeitig halten? Geht das? – Grenzen der Hundehaltung

Heute einmal ausnahmsweise ein Artikel, wohl eher Kommentar, in eigener Sache. Ich habe heute im Merkur einen Artikel über eine Landwirtin gelesen, die eine große Anzahl von Katzen und Hunden auf ihrem Hof verwahrlosen ließ.
Also, wie viele Hunde kann man artgerecht und gut halten?

Ja, natürlich kann man zwei Hunde, auch relativ große Hunde, gleichzeitig halten. ABER! Man sollte sich keinen Illusionen hingeben. Arbeit und viel Arbeit sind nötig, um die Hunde artgerecht zu halten. Dazu ist meiner Ansicht nach auch ein Umfeld, wo die lieben Tiere zwischendurch schnell ihre Erleichterung finden und untereinander herumtoben können, wenn man mal nicht so viel Zeit hat, notwendig. Das Stichwort heißt also, ein großer Garten ist für die Haltung mehrerer Hunde unerlässlich.

Man sollte meiner Meinung nach auch den finanziellen Aspekt nicht vergessen. Gerade in meinem beruflichen Umfeld als Rechtsanwalt, der viele Tierhalter vertreten hat, kam es immer wieder vor, dass sich Mandanten einfach zu viel zugemutet haben. Zwei- oder dreimal Versicherung, mehrfache Futterkosten und auch Tierärzte arbeiten nicht kostenlos. Das kann Normalverdiener, mit wenig freiem Einkommen, schon sehr belasten, wenn plötzlich zwei Hunde für die Impfung vorgesehen sind und dann auch noch eine Krankheit bei einem Hund behandelt werden muss. Damit es für die Hunde wirklich optimal ist, sollte man all das berücksichtigen und im Zweifel lieber einen Hund weniger, als einen zu viel anschaffen. Nur eine große „Affenliebe“ allein reicht eben nicht aus.

Bleiben Sie mir gewogen und vertragen Sie sich 😉

Ihr Ralf Beckmann

P.S. Im Video können sie meine zwei Racker sehen, die uns beim Aufwachsen unserer Kinder immer treu begleitet haben.

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