Das Bundesarbeitsgericht teilt in einer Presseerklärung zu einem Urteil des 5. Senats vom 18.01.2023 mit:
„Geringfügig Beschäftigte, die in Bezug auf Umfang und Lage der Arbeitszeit keinen Weisungen des Arbeitgebers unterliegen, jedoch Wünsche anmelden können, denen dieser allerdings nicht nachkommen muss, dürfen bei gleicher Qualifikation für die identische Tätigkeit keine geringere Stundenvergütung erhalten als vollzeitbeschäftigte Arbeitnehmer, die durch den Arbeitgeber verbindlich zur Arbeit eingeteilt werden.“
Was heißt das für Sie als Arbeitnehmer und Verbraucher, der Sie vielleicht nur in Teilzeit oder als sog. Minijobber arbeiten genau?
Zunächst einmal gilt, dass Ihnen derselbe Lohn zusteht wie den Vollzeitbeschäftigten. Verdient ein Geselle, sagen wir ein Elektriker, im Handwerk 15,50 Euro Stundenlohn (brutto), steht Ihnen als Teilzeitmitarbeiter, sofern Sie ebenfalls Elektriker-Geselle und als solcher in Teilzeit angestellt sind, ebenfalls eine Vergütung von 15,50 Euro zu.
Verantwortlich für diese einfache Weisheit ist § 4 Abs. 1 TzvBfG, also das Teilzeitbefristungsgesetz. Dort heißt es:
§ 4 TzBfG
Verbot der Diskriminierung
(1) Ein teilzeitbeschäftigter Arbeitnehmer darf wegen der Teilzeitarbeit nicht schlechter behandelt werden als ein vergleichbarer vollzeitbeschäftigter Arbeitnehmer, es sei denn, dass sachliche Gründe eine unterschiedliche Behandlung rechtfertigen. Einem teilzeitbeschäftigten Arbeitnehmer ist Arbeitsentgelt oder eine andere teilbare geldwerte Leistung mindestens in dem Umfang zu gewähren, der dem Anteil seiner Arbeitszeit an der Arbeitszeit eines vergleichbaren vollzeitbeschäftigten Arbeitnehmers entspricht. (Unterstreichung durch den Autor)
Der entscheidende Punkt ist also, dass keine sachlichen Gründe für eine unterschiedliche Behandlung zwischen Voll- und Teilzeitbeschäftigten sprechen. Hier sind die Arbeitgeber, die oftmals natürlich diesen juristischen Stolperstein im Arbeitsvertrag kennen, sehr kreativ. Im vom BAG behandelten Fall, handelte es sich um einen in Teilzeit beschäftigten Rettungssanitäter. Das erste Mal musste ich schlucken, weil sage und schreibe 12,00 Euro pro Stunde dafür, dass ein hoch qualifizierter Mitarbeiter/in mit dem Rettungswagen durch die Gegend rast, um Leben zu retten (wohl im Jahr 2021)? Wow, ich hätte ohne Blick in einen Tarifvertrag bei den ständig steigenden Krankenkassenbeiträgen eher auf 22,- statt auf 12,- Euro getippt. Aber das nur nebenher. Der später vom teilzeitbeschäftigten Rettungssanitäter verklagte Arbeitgeber führte als sachlichen Grund der Ungleichbehandlung an (seine hauptamtlichen Rettungssanitäter verdienten zum fraglichen Zeitpunkt 17,- Euro pro Stunde), dass der nebenamtliche Rettungssanitäter Wunschtermine für seinen Einsatz angeben könne und man als Arbeitgeber zudem freie Dienstschichten mitteilen würde. Zudem hätte man gegenüber den Vollzeit-Rettungssanitätern hier kein Weisungsrecht bestimmte Schichten übernehmen zu müssen und hätte darüber hinaus einen erhöhten Planungsaufwand die Schichten der Teilzeit-Rettungssanitäter zu koordinieren.
All das hat das Bundesarbeitsgericht im Ergebnis als nicht durchgreifend verworfen. Vielmehr seien die Gründe des beklagten Arbeitgebers keine sachlichen Gründe, die ein Ungleichbehandlung im Lohn rechtfertigen würden. Vielmehr sei bereits nicht erkennbar, dass ein erhöhter Planungsaufwand überhaupt vorliege. Wenn das der Fall sei, rechtfertige die unterschiedliche Planbarkeit ebenfalls keine Ungleichbehandlung, da die nebenamtlichen (teilzeitbeschäftigten) Rettungssanitäter eine unabdingbare Einsatzreserve darstellen würden. Ebenfalls sei zu berücksichtigen, dass die nebenamtlichen Rettungssanitäter sich nicht die Dienstschichten frei aussuchen können, sondern umgekehrt keinen arbeitsvertraglichen Anspruch auf Einsatz in den gewünschten (vorgeschlagenen) Schichten hätten. Allein das Recht des Arbeitgebers, bestimmte Mitarbeiter zum Übernehmen bestimmter Schichten anhalten zu können (Weisungsrecht), rechtfertige keinen höheren Lohn.
Man sieht, dass die Frage, ob im Arbeitsvertrag angeführten Gründe für eine Ungleichbehandlung, auch im Lohn, sehr kritisch betrachtet werden müssen. Zunächst einmal gilt der Grundsatz, dass eine Ungleichbehandlung zwischen Vollzeit- und Teilzeitmitarbeitern nicht statthaft ist. Dann ist es am Arbeitgeber, im Arbeitsvertrag sachliche Gründe dafür aufzuführen, warum eine Ungleichbehandlung ausnahmsweise gerechtfertigt ist. Sollte das Lohngefälle zwischen den Vollzeitbeschäftigten und Ihnen als Teilzeitmitarbeiter/in mehr als 2 – 3 Euro je Stunde betragen, würde ich meinen Arbeitsvertrag und die Möglichkeit für nachträgliche Lohnforderungen qualifiziert prüfen lassen. Ich wage hier einmal die Prognose, dass im Arbeitsvertrag vom Arbeitgeber angeführte Gründe mindesten in 50 % aller Fälle keinen Bestand haben werden.
Und um auch einem weit verbreiteten, weiteren Missverständnis vorzubeugen. Als sog. Minijobber ist man ebenfalls ein normaler, teilzeitbeschäftigter Arbeitnehmer mit allen Rechten und Pflichten. Als so ein Minijobber hat man ebenfalls Anspruch auf anteiligen bezahlten Urlaub, Lohnfortzahlung im Krankheitsfall und auch die hier angesprochene Ungleichbehandlung im Lohn ist nur gerechtfertigt, wenn es tatsächlich nachvollziehbare Gründe hierfür gibt. Bleiben Sie mir gewogen und vertragen Sie sich 😉
Ihr Ralf Beckmann