Von Gastautorin Rechtsanwältin Charleen Pfohl
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Welche rechtlichen Besonderheiten sind bei Wildunfällen zu beachten?

Nicht selten kommt es vor, dass wilde Tiere die Fahrbahn kreuzen. Neben möglichen Sachschäden, kann diese Situation lebensbedrohlich für Mensch und Tier sein. Zudem ist oft unklar, wer in einem solchen Fall den entstandenen Schaden ersetzen muss. Die uneinheitliche Rechtsprechung erschwert eine pauschale Beantwortung ebendieser Frage – ein Anwalt kann in dieser Situation behilflich sein.

Statistik zeigt: Wildunfälle machen fünf Prozent aller Verkehrsunfälle aus

Nach Angaben des Statistischen Bundesamtes trugen sich im Jahr 2019 rund 270.000 Wildunfälle auf deutschen Straßen zu. Insgesamt wurden dabei 2.500 Menschen verletzt und laut Deutschem Jagdverband (DJV) über eine Million Tiere getötet. Die häufigsten Kollisionen geschehen mit Rehen und Wildschweinen.

Was tue ich bei einem Wildunfall?

Im Fall der Kollision mit einem Tier sollte zunächst die Unfallstelle angemessen gesichert und die Polizei informiert werden. In einigen Bundesländern ist es zudem verpflichtend, einen Jäger zu kontaktieren, der dann eine sog. Wildschadenbescheinigung ausstellen kann. Diese ist besonders für die Versicherungen wichtig. Ist das Tier bereits verendet, sollte es von der Fahrbahn entfernt werden – allerdings nur unter Verwendung von Handschuhen, da ansonsten die Gefahr einer Infektion oder Übertragung von Krankheiten oder Parasiten besteht. Lebt das Tier noch, sollte von Rettungsversuchen abgesehen werden, denn das Tier könnte sich bedroht fühlen oder in Panik geraten und den hilfsbereiten Retter angreifen. Unabhängig von der Schwere des Unfalls darf ohne vorherige Anzeige der Unfallort nicht verlassen werden. Dies vermag als Wilderei eingestuft zu werden und kann strafrechtliche Konsequenzen nach sich ziehen. Für die Kosten der Tierkadaverbeseitigung müssen Autofahrer jedoch nicht aufkommen.

Wildunfall und Versicherung: Wer kommt für meinen Schaden auf?

Ein Schaden am Fahrzeug kann in der Regel über eine bestehende Teil- oder Vollkaskoversicherung reguliert werden. Bei der Teilkaskoversicherung werden solche Schäden ersetzt, welche durch einen Zusammenstoß des bewegten Fahrzeugs mit sog. Haarwild entstehen. Unter diesen Begriff fallen nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 Bundesjagdgesetz (BJagdG) beispielsweise Rehe, Hirsche, Füchse, Wildscheine, Pferde, Ziegen und Rinder. Unfälle mit Wildvögeln sowie Unfälle mit stehenden Fahrzeugen werden regelmäßig nur von einer Vollkaskoversicherung gedeckt.

Mit Ausweichmanöver zum Unfall – so agiert die Rechtsprechung

Die Rechtsprechung ist hier keineswegs einheitlich. In einem Fall des LG Stuttgarts wurde einem teilkaskoversicherten Fahrer ein Aufwendungsersatz zugesprochen. Der Kfz-Führer hatte ein totes Wildschwein auf der Fahrbahn gesichtet und ein Ausweichmanöver eingeleitet. Infolgedessen löste sich der Beifahrer-Airbag, welcher erneuert werden musste. Die Richter des Landgerichts sahen die spezifische Tiergefahr vorliegend als verwirklicht an, sodass es keinen Unterschied mache, ob das Tier tot auf der Fahrbahn liege oder sie kreuze (LG Stuttgart, Urteil vom 7.2.2007, Az.: 5 S 244/06).

Anders hingegen urteilten die Richter des Oberlandesgerichts München. Sie sprachen einem Fahrer seinen Aufwendungsersatzanspruch ab, da das Überfahren eines Tierkadavers nicht die spezifische Tiergefahr realisiere (OLG München, Urteil vom 15.1.1986, Az.: 10 U 4630/85). Eine bindende höchstrichterliche Rechtsprechung existiert noch nicht – in diesen Fällen kann jedoch ein fachlich versierter Rechtsanwalt bei der Geltendmachung eines möglichen Schadensersatz- bzw. Aufwendungsanspruchs helfen.

Abruptes Bremsen als Grund für Mitverschulden?

Kommt es infolge eines Wildwechsels zu einer starken Bremsung eines vorausfahrenden Fahrzeugs und daraufhin zu einem Auffahrunfall, so stellt sich die Frage nach einem Mitverschulden. Nach § 4 Straßenverkehrsordnung (StVO) ist starkes Bremsen nur bei Vorliegen eines zwingenden Grundes erlaubt. Ein solcher liegt nur dann vor, wenn es um die Abwehr einer plötzlichen ernstlichen Gefahr für Leib, Leben oder bedeutende Sachwerte geht. Handelt es sich bei dem Tier um ein Kleintier wie Eichhörnchen, Hase, Kaninchen, Igel oder Katze, so besteht eine solche Gefahr in der Regel nicht. Handelt es sich allerdings um größere Tiere, so muss der Fahrer einen bedeutenden Schaden an sich oder seinem Auto nicht riskieren. Insofern ist es ihm gestattet, einen starken Bremsvorgang einzuleiten. Allerdings ist zu beachten, dass der Fahrer des vorausfahrenden, plötzlich bremsenden Fahrzeugs in den meisten Fällen zu 25% für den Schaden des auffahrenden Hintermannes mithaftet.

Warum anwaltliche Beratung bei Wildunfällen unerlässlich ist

Wildunfälle sind geradezu alltäglich geworden. Die Rechtsprechung bleibt unregelmäßig, die anzuwendenden Normen sind abstrakt formuliert. Um bei der Abwicklung von Wildunfällen alles richtig zu machen und nicht auf den Schäden sitzen zu bleiben, sollte nach einem Wildunfall rechtlicher Rat eingeholt werden. Denn obwohl Wildunfälle regelmäßig von Teil- und Vollkaskoversicherungen abgedeckt sind, stellen sich Versicherungsgeber bei der Schadensregulierung oft quer. Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte für Verkehrsrecht unterstützen die Geschädigten dabei, ihre schadensrechtlichen Ansprüche sicher durchzusetzen.

Charleen Pfohl
Rechtsanwältin und Fachanwältin für Verkehrsrecht

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