Spenden und wieso darüber als Jurist schreiben?

Spätestens kurz vor Weihnachten gehen sie wieder los, die großen Spendensammlungen, „Ein Herz für Kinder“, „Die Hörer helfen Kindern Weihnachtssammlung“ von Radio Hamburg, usw. Wobei ich gleich am Anfang anmerken möchte. Die Tatsache, dass jemand mit Spendenaufrufen helfen möchte, etwas organisiert, Herzblut in eine wichtige Sache steckt, finde ich hervorragend. Ganz gleich, ob dies jemand privat veranstaltet oder mit einem Verein. Aber es gibt eben auch Spitzbuben und die können die Bereitschaft zum Spenden ausnützen. Deshalb sollten Sie wissen, wie die Guten von den Schlechten zu unterscheiden sind, oder? Wobei ich mich hauptsächlich auf private Sammlungen via Internet konzentrieren möchte.
Aber wie komme ich überhaupt zu dem Thema? Erstmalig habe ich mich gewundert, als mir eine Mandantin vor Jahren davon erzählte, wie leicht sie ohne große Organisation über 30.000 EUR an Spenden sammeln konnte, nur auf einen Aufruf in den sozialen Medien hin.
Da dachte ich mir, so leicht geht das ohne jeglichen Nachweis für die Ernsthaftigkeit und Seriosität meines Anliegens? Und um es gleich vorwegzunehmen. Ja, so leicht geht das. Neulich wandte dann ein Bekannter von mir ein, dass das Sammeln von Spenden doch sicher kontrolliert würde. Er war sicher davon ausgegangen, dass es irgendeine Behörde gibt, die das Einsammeln von Spenden überwacht. Das hatte ich gefühlt nun schon einhundert Mal in den letzten Jahren gehört. Und da war jetzt endgültig der Wille da, die Frage von Spenden in einem Blogbeitrag juristisch zu beleuchten.


Ist Spendensammeln im weitesten Sinn wirklich kontrollfrei?

Soweit mir bekannt ist, gibt es lediglich in drei Bundesländern ein sog. Sammlungsgesetz. Nämlich in Thüringen, Rheinland-Pfalz und im Saarland. Wichtig zu wissen ist jedoch, es geht mehr oder weniger bei diesen Gesetzen immer um Haus- oder Straßensammlungen. Also, wenn beispielsweise jemand mit den berühmten Sammelbüchsen in der Fußgängerzone oder vor Ihrer Haustür steht. Nicht weiter erfasst sind die übrigen Bundesländer und vor allem die von mir hier besonders beobachteten privaten Sammlungen via Internet. Diese Spendenaktionen wenden sich bundesweit, ja sogar weltweit an jegliche Interessenten. Wer folglich glaubt, dass von Privaten veranstaltete Sammlungen in Deutschland erlaubnispflichtig sind oder von irgendeiner deutschen Behörde automatisch kontrolliert würden, der irrt schlichtweg. Sie dürfen also prinzipiell sammeln, wofür auch immer. Und dagegen ist zunächst auch nichts einzuwenden.

Sonderfall der Spendenaufrufe durch das Internet durch Private

Wie ich eingangs erwähnte, ist das Sammeln von Spenden im Internet besonders leicht und prinzipiell nicht verboten. Man schreibt seinen 2.000 FB-Freunden einfach:

Oder man richtet eine Kampagne bei einer Spendenplattform ein und wirbt anschließend in sozialen Medien dafür. Auf diesen Spendenplattformen heißt es beispielsweise zur Vorgehensweise:

Und schon kann man sammeln, wofür auch immer. Eine echte Kontrolle, dass der Initiator das Geld zweckentsprechend verwendet, gibt es nicht. Auch irgendeine „Spendenbehörde“ kontrolliert hier nicht. Die Kontrolle müssen SIE ausüben, dazu jedoch noch weiter unten im Beitrag.

Der juristische Hintergrund von privaten Spendenaufrufen

Interessant an jedem Spendenaufruf ist der Spendenzweck und das Spendenziel. Da sind die o.g. Hinweise der Internetspendenplattform schon sehr nützlich. „Erzähle deine Geschichte“ kann man mit Spendenzweck, aber auch mit Spendenziel gleichsetzen. Einen solchen Zweck sollten Sie nämlich bei jeder Spende bzw. jedem Aufruf zu einer Spende erkennen können.

Was ist das Ziel?
Wenn jemand im obigen Beispiel erzählt, dass er „Klaus“ kennt, er über Jahre krank ist und nun finanzielle Unterstützung benötigt, weil er kein Krankengeld mehr bekommt und die Medikamente teuer sind, ist darin ein Spendenziel enthalten. Nämlich, „Klaus“ über die finanziellen Hürden der teuren Medikamente hinwegzuhelfen. Natürlich wäre das Ziel einfacher auszumachen, wenn man schreiben würde, dass man insgesamt 30.000 Euro sammelt, damit „Klaus“ die nächsten 10 Jahre Ruhe vor den Kosten der Medikamente hat. Hier ist das Ziel aber unbestimmt, nämlich helfen, solange „Klaus“ krank ist und er gegebenenfalls das teure Medikament braucht. Darin, in den ungenauen Beschreibungen des Ziels oder des Zwecks, liegt aber auch zugleich die Gefahr von Missbrauch bei Sammlungen. Was ist ein teures Medikament? An einer solchen Aussage kann man nichts festmachen. Je unbestimmter und allgemeiner die Formulierung von Ziel oder auch Zweck, umso höher die Gefahr von Missverständnissen zwischen Spender und Initiator.

Und der Zweck?
Der eigentliche Zweck meines Beispiels ist die Finanzierung der Medikamente. „Klaus“ benötigt „teure“ Medikamente und hat kein Geld dafür, weil er kein Krankengeld mehr erhält. Ein anderes Beispiel mit gerade aktuellem Bezug wäre „BILD hilft: Ein Herz für Kinder.“ Auch das ist sicher ein toller Zweck, und ich will auf keinen Fall hier den Eindruck erwecken, BILD sei in diesem Punkt unseriös. Aber was Not von Kindern ist, wo Hilfe nötig ist, definiert jeder anders. Der eine sagt beispielsweise, Not läge vor oder Hilfe sei nötig, wenn ein Kind nicht jeden Tag so essen kann, dass es satt wird. Der andere sieht Not bereits, wenn ein zehnjähriges Kind in Deutschland kein Smartphone hat, weil die Eltern es sich nicht leisten können.

Lernen kann man aus Zweck und Ziel, dass diese bei sammelnden Privatpersonen klar und deutlich erkennbar sein sollten. Je deutlicher diese formuliert werden, desto höher ist m.E. die Wahrscheinlichkeit, dass seriös mit Ihrem Geld umgegangen wird. Die Ausnahme sind Sammelaufrufe, wie die von BILD oder vielen Radiosendern zu Weihnachten. Entscheidend an der Seriosität im Aufruf von „Bild“ ist bei solchen Sammelaufrufen aus juristischer Sicht, dass Ihnen nichts vorgegaukelt wird und keine falschen Erwartungen geweckt werden. Wir leiten an Kinderhilfsorganisationen weiter, heißt es bei BILD oder auch zahlreichen Radiosendern. Das ist okay und juristisch schon gar nicht zu beanstanden. Juristisch geben Sie damit der BILD einfach einen Freibrief, die Spende an irgendeine weltweite Kinderhilfsorganisation weiterzuleiten. Welche, bleibt BILD überlassen. Praktisch kann man deshalb nur raten, wer für einen Spendenaufruf der zahlreichen Radiosender oder BILD spendet, überlässt die Auswahl anderen. Wenn man das nicht möchte, sollte man sich selbst eine passende Hilfsorganisation mit dem passenden Zweck suchen.

Was ist aber mit dem privaten Aufruf zu Spenden für „Klaus“? „Marius“ als Initiator ruft zu Spenden auf, den kenne ich, der ist vertrauenswürdig und wenn der sagt, dem „Klaus“ muss geholfen werden, dann ist das so und ich spende 10 oder 20 Euro. So läuft es bei den meisten Lesern, oder? Was glauben Sie nach diesem Aufruf? Ist „Klaus“ arm oder reich? Seien Sie bitte ehrlich. Die meisten von Ihnen werden gedacht haben, er sei arm, oder? Tatsächlich habe ich aber im obigen Beispiel lediglich erzählt, dass „Klaus“ kein Krankengeld mehr erhält. Sagt das etwas über seinen Status, arm oder reich aus? Natürlich nicht! Was wäre, wenn ich Ihnen sage, dass „Klaus“ ca. 90 Millionen Euro auf der hohen Kante hat, weil er vor Jahren im Eurojackpot gewonnen hat? Es ist immer noch richtig, dass er krank ist, kein Krankengeld mehr bekommt und teure Medikamente kaufen muss. Er könnte die Medikamente aber aus seinem Vermögen lebenslang bezahlen. Fühlen Sie sich dann hinters Licht geführt? Es gibt nun einmal sehr spitzfindige Aufrufe, die bei Ihnen möglicherweise falsche Erwartungen auslösen. Ob der Staatsanwalt hier einschreiten würde, da habe ich meine Zweifel. Es ist m.E. juristisch maximal grenzwertig, so vorzugehen. Es ist zunächst auch unerheblich, ob ein Staatsanwalt in diesem Vorgehen einen Betrug erblickt. Ihr Geld ist erst einmal weg und Sie haben mindestens für einen Zweck gespendet, der nicht vollständig so war, wie es Ihrer Vorstellung entsprach. Ich will Ihnen mit dem Beispiel nur verdeutlichen, lesen Sie genau, was Ihnen als Zweck und Ziel präsentiert wird und nicht, was Sie da gegebenenfalls vom Spendensammler beabsichtigt, hineininterpretieren können.

Und wann ist die Grenze überschritten?

Ich komme zurück auf mein Beispiel mit „Klaus“ und seiner Krankheit. Stellen Sie sich vor, „Klaus“ gibt es gar nicht. Auch keine Krankheit und keine teuren Medikamente. Das ist dann natürlich schlicht und einfach Betrug und strafrechtlich zu ahnden. Nun kommt die Kontrollfunktion. Sie, nicht irgendeine Behörde, müssen kontrollieren und tätig werden. Wie soll ein Staatsanwalt tätig werden bzw. ermitteln, wenn er beispielsweise nie erfährt, dass „Klaus“ gar nicht existiert? Ruft „Marius“ also zu Spenden für „Klaus“ auf, müssen Sie als Spender zunächst nach einiger Zeit nachfragen. Juristisch verlangen Sie damit Rechenschaft für Ihre Spende. Da ist Marius Ihnen gegenüber auskunftspflichtig. Sie könnten im Beispiel von „Marius“ diesen bitten, dass er eine Bestätigung von „Klaus“ schickt oder veröffentlicht, in der er sich für inzwischen 1.000 Euro an Spenden bedankt, also damit dokumentiert, dass wenigstens 1.000 Euro bei „Klaus“ angekommen sind. Lehnt „Marius“ dies ab oder meldet sich nicht, bitten Sie erneut um geeignete Nachweise für die uneingeschränkte Weiterleitung Ihrer Spende und setzen eine Frist. Jede gemeinnützige Organisation mit seriösem Hintergrund tut das, was ich Ihnen gerade beschrieben habe, auch. Sie veröffentlicht ihren Rechenschaftsbericht. Also, warum sollte „Marius“ nicht auch dazu verpflichtet sein? Kommt man dann Ihrer Bitte erneut nicht nach, ist es Zeit, die Staatsanwaltschaft mit einer Anzeige über den Vorgang zu informieren. Natürlich kann alles trotzdem in bester Ordnung sein. Aber das ist eben die Kontrolle, von der alle annehmen, irgendeine Behörde würde sie automatisch ausführen. Wir müssen erkennen, wir alle sind der Kontrolleur und nicht irgendeine Behörde. Und Kontrolle ist nötig und nichts Unehrenhaftes.

Bleiben Sie mir gewogen und spenden Sie weiterhin gern für einen guten Zweck! Ich werde es tun, auch wenn ich weiß, dass es das eine oder andere schwarze Schaf gibt.

Und zum Schluss: ich persönlich helfe gern u.a. Sternenbrücke, einem Kinderhospiz in Hamburg.

Ihr Ralf Beckmann