Schlagwort: Schaden

Mietrecht – Darf der Vermieter einen vermeintlichen Schaden an der Wohnung durch Verrechnung mit der Kaution nach Verjährung ausgleichen?

Der Bundesgerichtshof (kurz BGH) hat kürzlich einen interessanten Fall entschieden (hier die Pressemitteilung des BGH). Es geht um den Ersatz von Schäden an der Wohnung, für den Mieter verantwortlich sein sollen. Nachfolgend meine kurze Stellungnahme und Bewertung zu dem Fall.

Um zu verstehen, wo die Problematik liegt, muss man § 548 Abs. 1 BGB kennen. Demnach verjähren Schäden an der Mietsache 6 Monate nach deren Rückgabe. Haben Sie also Ihre Wohnung am 31.12.2023 zurückgegeben, tritt die Verjährung am 01.07.2024 ein. Der Vermieter kann ab diesem Zeitpunkt dann nicht mehr durchsetzen, dass sie angeblich von Ihnen beschädigte Innentüren und deren Auswechselung bezahlen müssen.
Der Vermieter hatte im vorliegenden Fall nach Ablauf von 6 Monaten noch Geld für vermeintliche Schäden an der Wohnung verlangt und diese Schäden durch Aufrechnung mit der Kaution beglichen.
Exkurs: Um den Fall richtig zu verstehen, sollte man auch das Recht der Verjährung kennen. Natürlich kann der Vermieter am 02.07.2024 schriftlich die Erstattung der Kosten für die ausgewechselten Türen fordern. Die Verjährung ist zwar eingetreten, aber Sie müssen von dem Recht auch GEBRAUCH machen, also dem Vermieter mitteilen, dass Sie sich auf die Verjährung berufen. Nur wenn Sie das aktiv tun (also das RECHT ausüben) indem Sie dem Vermieter sagen, “ … ich berufe mich auf Verjährung…“, kann ein Gericht auch die Verjährung zu Ihren Gunsten berücksichtigen. Unaufgefordert darf das Gericht dies nicht tun.

Nun aber zurück zum Fall. Die Mieter hatten richtig gehandelt und sich auf Verjährung berufen. Die Vorinstanzen hatten den Mietern deshalb recht gegeben und verneint, dass der Vermieter die Kosten für die Reparatur einfach von der Kaution abziehen durfte; Juristen nennen das Aufrechnung. Der BGH war jedoch anderer Meinung. Es argumentierte u.a.: „Dabei hat das Berufungsgericht jedoch die beiderseitigen Interessen der Parteien eines Wohnraummietverhältnisses im Falle der Vereinbarung einer Barkaution nicht hinreichend berücksichtigt. Eine vom Mieter gestellte Barkaution dient gerade der Sicherung der Ansprüche des Vermieters; dieser soll sich nach Beendigung des Mietverhältnisses auf einfache Weise durch Aufrechnung gegen den Kautionsrückzahlungsanspruch befriedigen können.“ Anders ausgedrückt, der Vermieter soll es mit der Kaution „leicht haben“ und man interpretiert in eine meist nicht besonders umfassend ausgeführte Kautionsvereinbarung hinein: „Der Vermieter soll auch nach Eintritt der Verjährung gem. § 548 BGB noch Schäden mit der Kaution verrechnen dürfen.“

Die für alle spannende Frage ist aber, warum der BGH überhaupt so argumentieren kann? Das liegt an den meist knappen Ausführungen zur Kaution in den Mietverträgen. Dort heißt es zur Kaution vorwiegend, dass der Mieter sich zur Zahlung einer Kaution in Höhe von X Euro bereit erklärt. Wie und wann die Kaution dann bereitgestellt werden muss, steht im Gesetz, § 551 BGB, sofern es sich um Wohnraummiete handelt. Was Sie aber als Laie wissen müssen ist, dass die Kaution nicht „in Stein gemeißelt ist.“ Dass man überhaupt „Kaution zahlen“ muss, ist eine freie Vereinbarung zwischen Mieter und Vermieter, quasi wie ein eigener Vertrag innerhalb des Mietvertrags. Wenn man aber, wie in den meisten Standard-Formularmietverträgen, nur die Kaution an sich und deren Höhe dort vereinbart, bleibt für den „Rest“ Spielraum zur Interpretation! Diesen Spielraum hat der BGH genutzt. Er hat unterstellt, dass die Kaution den Vermieter auf einfache Art und Weise zu seinem Recht, also Geld verhelfen können soll. Das hätten Sie als Mieter wohl auch so gewollt, oder? Die Verjährung gem. § 548 BGB würde diese Leichtigkeit verhindern und schon ist die eigentlich vorgesehene Verjährung vom Tisch!

Meiner persönlichen Meinung nach, ist das eine sehr einfache und einseitige Sichtweise, denn meistens denken sich die Parteien beim Unterzeichnen von Standardmietverträgen nicht viel und wenn ja, machen sie sich sicher wenig Gedanken zur Kaution. Jedoch muss man das Urteil als solches kennen und seine Schlüsse daraus ziehen.

Und was kann man tun? Sehr einfach, von seinem Recht auf Parteivereinbarung im Zivilrecht Gebrauch machen. Niemand kann Ihnen nämlich verbieten, bei dem Passus „Kaution“ dazuzuschreiben, dass § 548 BGB gilt und eine Verrechnung vermeintlicher Schadenersatzansprüche mit der Kaution nach Eintritt der Verjährung ausgeschlossen ist. Das dürfen Sie jederzeit tun und wenn Sie und der Vermieter den Vertrag so unterzeichnen, gilt dies. Dann hat das Urteil des BGH in Ihrem Fall keine Gültigkeit, da Sie dem BGH zulässig den Interpretationsspielraum genommen haben.

Bei all dem vergessen aber viele, dass die Frage, ob der Anspruch auf Ersatz der Schäden berechtigt ist, erst einmal vorrangig geklärt werden muss. Deshalb hat der BGH im vorliegenden Fall zurückverwiesen. Denn diese Frage war noch nicht geklärt und musste auch nicht durch die Vorinstanzen geklärt werden. Denn für diese galt zunächst der Grundsatz der Prozessökonomie. Weil die Mieter sich wirksam auf Verjährung berufen konnten (ihrer Auffassung nach), musste durch die Vorinstanzen nicht geklärt werden, ob der Anspruch des Vermieters auf Ersatz von Schäden überhaupt berechtigt war. Denn derartige Ansprüche sind oftmals zwischen den Parteien streitig, weil der Übergang von normaler Abnutzung zu einem ersatzpflichtigen Schaden eben fließend ist. Stellen Sie sich vor, eine komplette Küche ist Teil der gemieteten Wohnung. Sie wohnen dort 10 Jahre. Und nach 10 Jahren soll der Herd wie neu aussehen? Da ist der Streit, ob dieser mit eingebrannten Fettspritzern dekorierte Herd normal genutzt oder „beschädigt“ wurde, schon vorprogrammiert, oder? Deshalb ist immer zuerst zu klären, habe ich einen Schaden verursacht oder ist der Schaden einfach die normale Abnutzung? Dann stellt sich die Frage, ob der (berechtigte) Anspruch auf Schadenersatz wegen Verjährung zurückgewiesen werden kann.

Bleiben Sie mir gewogen!

Ralf Beckmann

Vielen Dank für das Beispielfoto an Markus Spiske auf Unsplash.com
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Volles Schmerzensgeld bei einem Hundebiss? Ist das richtig, obwohl das Opfer den Hund zuvor gestreichelt oder umarmt hat?

Das Landgericht Frankenthal hat im Dezember 2022 ein Urteil seiner 9. Zivilkammer dazu veröffentlicht.

Was war passiert? Nach der Pressemitteilung des Landgerichts war eine Frau zu Besuch bei einer Freundin. Anwesend war auch der Bruder der Freundin mit seinem Rottweiler Rüden. Das spätere Opfer soll den Hund schon gut gekannt haben und mit ihm vertraut gewesen sein. Aggressives Verhalten seitens des Hundes gegenüber dem Opfer soll es zuvor nicht gegeben haben. Sie habe vielmehr zuvor mit ihm mehrfach gespielt und gekuschelt. Am Unfalltag habe sie sich dann zu dem Hund heruntergebeugt und ihn am Kopf gestreichelt. Der Rottweiler habe  das Opfer dann unvermittelt in das linke Ohr gebissen und verletzt.

Das Landgericht sah in diesem Verhalten, nämlich Herunterbeugen und Streicheln, jedenfalls dann kein Mitverschulden begründendes Verhalten, wenn man den Hund  über geraume Zeit kennen würde und der Hund bisher kein aggressives Verhalten gezeigt habe.
Aus diesem Grund hat das Landgericht einen Mitverschuldenseinwand des Beklagten verworfen und der Klägerin den vollen Schadenersatz zugesprochen.

Dieses Urteil halte ich im Ergebnis für falsch. Die Beteiligung von Tieren führt m.E. oftmals dazu, tierisches Verhalten mit menschlichen Maßstäben zu bewerten, was wiederum zu falschen juristischen Ergebnissen führt.
Aber warum ist das Urteil nun meiner Meinung nach falsch? Richtig ist die nüchterne Feststellung des Landgerichts, dass ein Hundehalter (Tierhalter ganz allgemein natürlich auch), sofern sein Hund einen Schaden verursacht und dieser kausal auf sein tierisches Verhalten zurückzuführen ist, ohne Verschulden haftet; vorausgesetzt, es handelt sich um eine Hobbyhaltung und die Tiere dienen nicht dem Lebensunterhalt, wie bspw. Kühe beim Bauern.
Was bedeutet ohne Verschulden? Einwände des Laien wie, mein Hund war doch angeleint, er hat das zuvor niemals gemacht, ich musste damit also nicht rechnen, sind unerheblich, zählen also nicht. Es ist ganz einfach, der Hund hat gebissen, das Beißen gehört zum Verhalten des Hundes, durch den Biss wurde jemand verletzt, also haftet der Halter in vollem Umfang für den eingetretenen Schaden. ABER! Die Anwendung des § 254 BGB, nämlich ein anzurechnendes Mitverschulden, ist auch bei der Tierhalterhaftung möglich! Das wichtigste Element beim Mitverschulden ist der sog. Verursachungsbeitrag. Der oder die Geschädigte muss einen eigenen Beitrag zum Eintritt des Schadens geleistet haben. Dies kann durch aktives Tun oder auch durch Unterlassen geschehen sein. Wenn ich mich im Verkehrsunfallrecht befinde, kann bspw. die Nichteinhaltung des Sicherheitsabstandes zum Vordermann oder das fehlende Anschnallen eine Unterlassung sein, die zu einem Mitverschulden führt. Hier sehe ich diesen Beitrag der Geschädigten durch das Unterlassen des notwendigen Sicherheitsabstandes zum Hund. Jeder, mit Hunden etwas vertraute Mensch weiß, dass auch der friedlichste Hund plötzlich und unerwartet beißen kann. Will ich das bestmöglich vermeiden, halte ich eben Abstand. Hier hat die betroffene Frau nicht nur keinen Abstand gehalten, sondern den Hund auch noch umarmt und gestreichelt. Mehr Nähe geht nicht und eben auch nicht mehr Gefahr. Auch ohne die Einschaltung eines Sachverständigen für Hundeverhalten drängt sich jedermann die Überlegung auf, dass der Biss am linken Ohr nicht passiert wäre, wenn das spätere Opfer den Hund nicht umarmt und gestreichelt hätte. Allein die extreme Nähe hat den konkreten Biss am Ohr möglich gemacht. Ob diese Nähe überhaupt den Biss als solchen ausgelöst hat, ist fast unerheblich. Denn selbst wenn der bei einem Abstand der Geschädigten von einem Meter dennoch Anstalten zum Beißen gemacht hätte, wäre der Verlauf eben ein völlig anderer gewesen. Diese Überlegungen wischt das Landgericht nun aber mit der, so meine ich, unerheblichen Überlegung zur Seite, dass das Opfer den Hund kannte und umgekehrt der Hund das Opfer und der Hund zuvor niemals Aggressivität gezeigt habe. Das Landgericht verkennt dabei aber, dass es eben zum unberechenbaren, tierischen Verhalten gehört, eben nicht immer wie gewohnt zu agieren oder zu reagieren. Dass der Hund, der im juristischen Sinne keinen eigenen Willen hat, zeigt, dass es für ihn ohne Belang ist, dass er das Opfer kannte, belegt die Unberechenbarkeit tierischen Verhaltens. Der bedauernswerte Roy von Siegfried & Roy konnte davon bezüglich eines von ihm großgezogenen Tigers ein leidvolles Lied singen. Dass das Opfer den Hund kannte und daher sein Verhalten für die Situation falsch einschätzte, ist menschlich nachvollziehbar, aber juristisch hätte das Opfer eben die Unberechenbarkeit tierischen Verhaltens beachten müssen, gerade weil sie den Hund besser kannte. Nur wer von Hunden und dem Hund konkret absolut keine Ahnung hat, kann sich m.E. darauf berufen, mit einem Angriff nicht gerechnet zu haben. Wer ein bisschen von Hunden und konkret von dem Hund versteht, eben nicht! Der muss schlicht vorsichtig sein. Tut er es nicht, was menschlich nachvollziehbar ist, haben wir eben das Mitverschulden.

Es kommt daher bei der Beurteilung des Mitverschuldens allein darauf an, dass das aktive Suchen der Nähe zum Hund bis zur Umarmung ein Verursachungsbeitrag der Geschädigten war, der den Biss und Schaden erst möglich gemacht hat. Dies hätte das Landgericht  berücksichtigen müssen.

Was lernen wir daraus? Auch wer sich mit vermeintlich harmlosen Haustieren umgibt, sollte wissen, dass es eine hundertprozentige Sicherheit für ein aggressionsloses Verhalten in jeder Situation nicht gibt.  Wer als Hundehalter oder auch Opfer von Bissen oder Verletzungen betroffen ist, sollte sich besonders qualifizierten, juristischen Rat suchen. Das Urteil zeigt, die Situation ist extrem kompliziert. Zu den üblichen juristischen Fragen kommen immer Beurteilungsfragen zum tierischen Verhalten hinzu. Guter Rat tut deshalb doppelt Not!

Gleichwohl wünsche ich den vielen glücklichen und unfallfreien Hundehaltern weiterhin eine gute Zeit mit Ihren Hunden.

Bleiben Sie mir gewogen und vertragen Sie sich 😉

Ihr Ralf Beckmann

P.S. Hier noch der Link zu der Pressemitteilung des Landgerichts Frankenthal für diejenigen, die gern noch selbst nachlesen möchten.

https://lgft.justiz.rlp.de/de/startseite/detail/news/News/detail/entscheidung-des-monats-dezember-2022/

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