Die Computer-Bild meldet am 29.03.2023, dass ein Gelsenkirchener Supermarkt seine Kunden mittels Kameras und Gesichtserkennung überwachen würde.1) Die Kameras würden den potenziellen Supermarkt-Kunden an seinem Auto mittels Gesichtserkennung erfassen und sodann erneut beim Eintreten in den Supermarkt. Wer also einerseits parkt, anderseits dann nicht in den Supermarkt geht, soll anschließend ein Verwarnungsgeld von € 40, bekommen. Allerlei Einwände gegen diese Praxis werden vorgebracht, wie beispielsweise datenschutzrechtliche Gründe, unzureichende Überwachung und dabei passierende Fehler usw.

Screenshot Computer-Bild 29.03.2023


Was „stört“ den erfahrenen Praktiker, einen Rechtsanwalt, eigentlich zuerst an diesem Artikel? Weil der Eindruck erweckt wird, dass ein Supermarkt-Betreiber auf seinem Parkplatz, also einem reinen Privatgrund, berechtigt wäre, „Verwarnungsgelder“ auszusprechen. Quasi wie die Ordnungsbehörde mit ihren Politessen.  Diese absolut falsche Grundannahme wird noch dadurch verstärkt, dass der Autor die Höhe der „Strafe“ wohl als angemessen ansieht. Dabei übersieht er, dass kein Eigentümer eines Privatgrundstücks gegenüber irgendwelchen Störern eine „Strafe“ aussprechen kann. Ich meine, damit wird der interessierte Leser in die Irre geführt und auf die „falsche Fährte gelockt.“ Zumal es ja eigentlich um die Frage gehen soll, ob die Kameraüberwachung, verbunden mit einer intelligenten KI-Software und der Gesichtserfassung auf dem Parkplatz und vor dem Eingang des Supermarktes, rechtlich zulässig ist. Deshalb hat sich auch wohl die Computer-Bild des Themas angenommen, aber mit fehlendem Erkenntniswert für den Leser, zumindest aus meiner Sicht.

Also, zunächst einmal zur Frage der Überwachung, dem eigentlichen Thema der Computer-Bild. Wenn der Betreiber des Supermarktes und zugleich auch des Parkplatzes ausschließlich seinen privaten Parkplatz und Supermarkt überwacht, ist das zunächst rechtlich zulässig, sofern der Kunde am Eingang des Parkplatzes und des Supermarktes deutlich sichtbar auf die Kameraüberwachung hingewiesen wird. Denn dann hat der Kunde die Wahl. Darf ich per Kamera erfasst werden und habe damit kein Problem, dann fahre ich auf den Parkplatz und gehe in den Supermarkt. Passt mir das aus Gründen nicht, die niemand etwas angehen, zeige ich diesem Supermarkt einfach die „kalte Schulter“. Es gibt gerade in großen Städten nicht nur einen Supermarkt, oder?
Was die Verbindung von zwei Kameras mittels KI-Software zur Überprüfung des Einkaufs an der Zulässigkeit des Einsatzes der Kameras ändern soll, erschließt sich mir zumindest nicht sofort. Zumal, wenn die Software bspw. sicherstellt, dass nur die Daten eines Parkplatznutzers gespeichert werden, der nach dem Aussteigen aus dem Fahrzeug nicht anschließend auch zum Einkauf in den Supermarkt geht.
Warum der von der Computer-Bild zitierte Landtagsabgeordnete der SPD qualifiziert ist, die Frage des Einsatzes von KI-Software zu kritisieren, bleibt ebenfalls völlig offen. Ist er Jurist? Ist er nebenher Datenschutzbeauftragter? Also, der Erkenntniswert des Artikels ist in diesem Bereich eher zweifelhaft.

Völlig falsch läuft es dann im Artikel aus juristischer Sicht, wenn dort mögliche Fehler des KI-Systems kritisiert werden. Dabei wird stillschweigend unterstellt, dass derartige Probleme oder Fehler für den Kunden problematisch wären. Damit wird der Leser erneut auf eine falsche Fährte gelockt. Hier begibt sich die Computer-Bild auf das Feld der Juristerei, ohne die notwendige Sachkenntnis zu besitzen. Denn es entsteht der Eindruck, als hätte der Kunde nach Auffassung der Computer-Bild zu beweisen, dass er auch Einkaufen war, nachdem er auf den Parkplatz gefahren ist. Im Artikel wird eine Kundin zitiert, die meint, dass man schließlich seinen Kassenzettel nicht zwei Monate aufheben würde. Genau richtig! Diese Kundin meint aber damit, ebenso wie wohl die Computer-Bild, dass sie in Beweisnot sei. Also, dass Sie dem Supermarkt den Einkauf beweisen müsse. Dabei ist es genau andersherum. Die Kundin ist eben nicht in Beweisnot. Denn wenn der Supermarkt-Betreiber sein Verwarnungsgeld haben möchte, muss der Supermarkt beweisen, dass der Kunde unberechtigt seinen Parkplatz genutzt hat. Nicht der Kunde muss sich entlasten.

Andererseits geht es genau darum im Kern. Der Supermarkt-Betreiber möchte vermeiden, dass sein Parkplatz von Menschen benutzt wird, die gar nicht zum Einkaufen zu ihm kommen.

Gegen dieses Ansinnen ist auch zunächst einmal nichts einzuwenden. Aber rechtlich ist das eben nicht so einfach, wie gedacht. Und schon gar nicht, wie es sich der Autor in der Computer-Bild denkt.

Betrachten wir einmal, was rechtlich wirklich abläuft. Sie sind unmittelbar davor, auf den Parkplatz zu fahren und sehen ein Schild „Achtung, unser Parkplatz wird zur Parkplatzüberwachung durch Videoaufzeichnungen kontrolliert.“ Sie haben damit kein Problem und fahren auf den Parkplatz. Dann haben sie dem Angebot des Supermarktes, fahren sie nur auf den Parkplatz, wenn Sie mit der Video-Überwachung einverstanden sind, zugestimmt. Ebenso läuft es beim Betreten des Supermarktes ab, wenn ich vor der Tür erneute per Video erfasst werden. ABER! Diese Regelung durch Hinweisschilder und konkludent zu erteilendes Einverständnis stellen meiner Ansicht nach zugleich auch Allgemeine Geschäftsbedingungen dar. Dann kann der Supermarkt-Betreiber die Beweislast dafür, dass sie seinen Parkplatz unberechtigt genutzt haben, nicht so einfach auf sie abwälzen. Davon ist auf den Hinweisschildern zudem nicht die Rede! Wenn doch, wäre es eine unwirksame Überraschungsklausel. Vielmehr ist es so, dass der Supermarkt-Betreiber beweisen muss, dass sie seinen Parkplatz unberechtigt genutzt haben, also Parken ohne Einkauf.
Dieser Beweis wird schwer zu führen sein. Wie will der Supermarkt-Betreiber im Falle eines Rechtsstreits beweisen muss, dass seine eingesetzte KI-Software zum Abgleich zwischen Parkplatz und Eingang zu 100 Prozent fehlerfrei arbeitet. Zumindest der oder die Richter/in muss im Verfahren davon überzeugt werden, dass die KI-Software im konkreten Fall absolut richtig gearbeitet hat. ABer nicht einmal der Daumenscanner auf Ihrem Smartphone schafft bei jedem Entsperrversuch 100 Prozent richtige Ergebnisse.
Dann stellt sich auch die Frage, wie viel Zeit die Software dem Kunden gibt, um vom Parkplatz in den Supermarkt zu gehen? 5 Minuten, 10 Minuten? Was ist, wenn sie überraschend einen Freund oder Bekannten nach dem Einparken auf dem Parkplatz treffen und dann 40 Minuten quatschen, weil sie sich schon 6 Monate nicht mehr gesehen haben? Soll das etwa verboten sein? Wo steht das bitte in den AGB? Also, Fragen, die der Supermarkt-Betreiber in einem Prozess klären und erklären muss, nicht der Kunde!
Wie soll es bei einem angeblichen Verstoß weitergehen? Läuft ein Mitarbeiter zu dem Fahrzeug des Parksünders, nachdem ein Kunde auf den Parkplatz fuhr und dann nicht binnen 10 Minuten von der Eingangskamera erfasst wurde? Steckt er dann ein Knöllchen, also eine Zahlungsaufforderung hinter die Windschutzscheibe? Praktisch kann es wohl nur so laufen, dass der Supermarkt-Betreiber in derartigen Fällen eine Halterabfrage bei der Zulassungsstelle macht und dann dem Halter des Fahrzeugs sein Schreiben mit der Forderung nach Zahlung eines „Verwarnungsgelds“ übersendet.

Hier kommt dann allerdings die nächste Hürde. Der Halter haftet bislang nicht dafür, dass der oder die Fahrerin angeblich unberechtigt einen privaten Parkplatz genutzt hat. Verantwortlich ist in unserem Rechtssystem bislang zumindest der Fahrer. Allerdings muss man einschränkend darauf hinweisen, dass der Bundesgerichtshof (kurz: BGH) hier wohl einen Schwenk zugunsten der privaten Parkplatzbetreiber vollzieht und nun dem Halter die sog. sekundäre Darlegungslast aufbürdet. Dies hier zu erläutern, würde den Rahmen sprengen. Dies bedeutet jedenfalls, dass man als Halter nicht mehr einfach sagen kann „ich weiß von nichts.“ und die Sache ist erledigt.

Als Halter, das ist daher künftig wohl besser zu zahlen? Oder vielleicht doch nicht? Nicht vergessen, nur wenn nur es noch um die Frage geht, wer zahlen muss, dann greift eventuell die neue Regel des BGH!

An dem Umstand, dass der Supermarkt-Betreiber den Zusammenhang oder besser fehlenden Zusammenhang zwischen Parken und Einkauf wird beweisen müssen, ändert sich auch durch die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs jedenfalls nichts. Flattert Ihnen, wie ein Kritiker im Artikel zitiert wird, erst zwei Monate später ein Schreiben mit der Zahlungsaufforderung ins Haus, ist Ihnen nicht zumutbar, noch einen Kassenzettel zu Ihrer Entlastung vorweisen zu müssen.

An dem Beispiel des Falles, den der Bundesgerichtshof entschieden hat, wird auch deutlich, wie leicht sich Laien anhand eines Falles zu einer falschen Beurteilung in Ihrem eigenen Fall hinreißen lassen. Ich will das am Fall des BGH verdeutlichen. Dort ging es um einen privaten Parkplatz vor einem Krankenhaus. Der Krankenhausbetreiber hat den Parkplatz den Besuchern des Krankenhauses für zwei Stunden bei Nutzung einer Parkscheibe zur Verfügung gestellt. Wer keine Parkscheibe auslegt oder die Parkzeit überschreitet, muss ein erhöhtes Parkentgelt von 30 Euro zahlen. Wenn man alle anderen Aspekte des Falles hier einmal außer Acht lässt, ging es am Ende nur um die Frage, ob der Halter einfach sagen kann, ich war es nicht oder ich weiß nicht mehr, wer gefahren ist. Der BGH verweist hier auf die Wahrheitspflicht im Zivilprozess (ja, die gibt es, wenn sie auch häufig nicht beachtet wird 😉!) und die Tatsache, dass es sich um ein Massengeschäft handeln würde. Deshalb sei es dem Halter zumutbar und er sogar verpflichtet, andere, mögliche Fahrer zu benennen! Im Hinterkopf muss man aber haben. Es geht hier also nicht um die Frage, ob man den Parkplatz nur nutzen darf, wenn man auch in das Krankenhaus als Besucher geht! Im Gegensatz zu unserem Ausgangsfall verlangt der Krankenhausbetreiber hier ja keinen Nachweis darüber, dass man nach dem Aussteigen auch tatsächlich in das Krankenhaus gegangen ist. Das unterstellt er den Nutzern einfach. Es ging beim BGH also letztlich nur darum, dem Parkplatzbetreiber zu helfen, in seiner Not einen Verantwortlichen zu finden. Das ist durchaus nachvollziehbar. In unserem Fall geht es dagegen vorrangig darum, dass der Supermarkt nun möglicherweise Monate nach dem Einkauf einen Nachweis für den Zusammenhang zwischen Parken und Einkauf verlangt. Deshalb ist das BGH-Urteil hier für uns eigentlich nur nebensächlich. Der Supermarkt-Betreiber muss nach wie vor diesen fehlenden Zusammenhang beweisen. Erst, wenn er diesen Beweis führen kann (was ich aus den o.g. Gründen bezweifele) geht es um die Frage, ob auch der Halter oder nur der/die Fahrer/in verantwortlich ist.

Ich denke, der Artikel in der Computer-Bild hat zusammen mit meiner heutigen Kommentierung einen Nutzen. Zusammen zeigen beide Artikel auf, dass die Bewertung juristischer Sachverhalte sehr schwierig sein kann. Ferner wird deutlich, dass man sich nicht von vermeintlich einschlägigen Urteilen ins Bockshorn jagen lassen sollte. Einschlägig ist ein Urteil nämlich nur, wenn die Sachverhalte und die Kernprobleme tatsächlich identisch oder zumindest vergleichbar sind. Ich hoffe, ich konnte hier aufzeigen, dass dies nicht so einfach zu beurteilen ist.
Deshalb sind Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte da. Sie im konkreten Fall zu beraten und dann zu unterstützen. Und dann wären wir auch schon wieder bei der allseits beliebten Rechtsschutzversicherung. Natürlich macht es wirtschaftlich ohne Rechtsschutzversicherung keinen Sinn, sich anwaltlich, sagen wir für 130 Euro darüber beraten zu lassen, ob man dem Supermarkt-Betreiber nun 40 Euro zahlen soll oder muss. Wirtschaftlich haben Sie an der Stelle sofort verloren! Mit Ihrer Rechtsschutzversicherung im Rücken können Sie oftmals auch derartig wirtschaftlich sinnlose Fälle ausfechten 😉!

 Bleiben Sie mir gewogen und vertragen Sie sich 😉

Ihr Ralf Beckmann

1.) Computer-Bild 29.03.2023 –
https://www.computerbild.de/artikel/cb-News-Internet-Datenschutz-Supermarkt-ueberwacht-Parkende-per-Gesichtserkennung-35520649.html

2.) Beispielfoto am Anfang des Artikels mit Dank an Vlad Kutepov auf Unsplash
https://unsplash.com/de/fotos/tBcwA9QiOMA