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Ich, mein Rechtsanwalt und meine Rechtsschutzversicherung – Chaos vorprogrammiert? Wer ist zur Zahlung des Anwaltshonorars verpflichtet?

Es zeigt sich im anwaltlichen Alltag immer wieder, der durchschnittliche Mandant hat nur eine unklare Vorstellung von der Zusammenarbeit des Rechtsanwalts mit seiner Rechtsschutzversicherung. Liebe Leser, das soll kein Vorwurf sein. Wie sollten Sie es auch ohne Erfahrung wissen, wenn Sie nicht regelmäßig beim Rechtsanwalt vorstellig werden? Deshalb dieser Artikel, der Licht in das Dunkel bringen wird.

Wer und was ist Ihre Rechtsschutzversicherung?

Ihre Rechtsschutzversicherung ist weder Ihr „Freund“ noch Ihre „Krankenkasse“.
Warum erwähne ich das? Vielen Mandanten denken, ich habe eine Rechtsschutzversicherung und brauche nichts zahlen. Leider falsch!
Denn auch bei Versicherern gibt immer wieder Tendenzen, die eigenen finanziellen Interessen über die des Mandanten und Versicheungsnehmers zu stellen. Sie sehen nur einen Schaden.
Aber, warum Schaden? Weil der Schaden der Versicherung mindestens die Kosten Ihres Rechtsanwalts sind. Ihre Versicherung will also, nicht wie in der Werbung manchmal suggeriert wird, einem Freund in der Not helfen. Vielmehr haben Sie und Ihre Versicherung durch Ihren Gang zum Anwalt tatsächlich einen Schaden, nämlich mindestens die Rechtsanwaltskosten.
Dazu zählen zunächst die Kosten der außergerichtlichen Tätigkeit ihres Anwalts. Dies sind die Gebühren und Kosten, bevor eine Klage erhoben wird. Nun muss man wissen, dass die außergerichtlichen Gebühren flexibel sind. Deshalb wird dann gern von den Versicherungen „diskutiert“. Dies, obwohl der Rechtsanwalt das Recht hat, die Gebühren nach pflichtgemäßem Ermessen festzusetzen. Für die Mandanten entsteht dann natürlich der von dem Versicherer durchaus gewollte Eindruck, sein Rechtsanwalt wolle ihn bei den Gebühren „über’s Ohr hauen“.
Der andere Punkt ist, dass oftmals der Eindruck entsteht, Sie als Mandant des Rechtsanwalts hätten einen Anspruch auf direkte Abrechnung zwischen Anwalt und Ihrer Versicherung und der Rest ginge Sie nichts an. Das meine ich oben mit der Bezeichnung „Krankenkasse.“ So ist es aber nicht. Wenn der Rechtsanwalt sich bereit erklärt, mit Ihrer Rechtsschutzversicherung „abzurechnen“, dann sieht das rechtlich wie folgt aus:
– Die Rechtsschutzversicherung erhält keine eigene Rechnung, sondern die Kopie einer Rechnung, die sich an Sie richtet.
– Die Verpflichtung zum Ausgleich der Rechnung haben Sie. Natürlich erklärt sich Ihr Rechtsanwalt stillschweigend damit einverstanden, auf Ihre Zahlung vorläufig zu verzichten, wenn Ihre Rechtsschutzversicherung nach Übersendung der Rechnung für Sie bezahlt. Rechtlich werden Sie damit von Ihrer Rechtsschutzversicherung von der Zahlung freigehalten. Man kürzt den eigentlich vorgesehenen Weg ab. Damit Sie nicht zahlen müssen und dann von Ihrer Versicherung das Geld erstattet bekommen, zahlt Ihre Rechtsschutzversicherung direkt an den Anwalt. So passiert es häufig, aber eben nicht immer.

Bei Ihrem Arzt und der Krankenkasse ist dies rechtlich ganz anders. Sie schulden dem Arzt im Rahmen Ihrer gesetzlichen Krankenversicherung gar nichts. Der Arzt erhält sein Geld von der Kassenärtzlichen Vereinigung und diese das Geld von den Krankenkassen. Einen eigenen Zahlungsanspruch hat der Arzt nicht gegen Sie.

Deshalb gilt eben, Ihre Rechtsschutzversicherung ist nicht mit Ihrer Krankenkasse vergleichbar und zur Zahlung bleiben immer Sie verpflichtet, auch wenn der Rechtsanwalt sich (vorläufig) mit dem Ausgleich der Rechnung durch Ihre Rechtsschutzversicherung einverstanden erklärt. Zahlt Ihre Rechtsschutzversicherung jedoch nicht oder nur einen Teilbetrag, müssen Sie (zunächst) den Differenzbetrag zahlen. Tritt ein solcher Fall ein, habe ich den Mandannten immer gesagt, dass wir diesen STREIT mit der Rechtsschutzversicherung an das Ende verlagern. Denn ursprünglich sind Sie zum Rechtsanwalt gegangen, weil Sie von X noch Geld zu bekommen hatten und nicht, weil sie einen Streit mit Ihrer Versicherung führen wollten.

Exkurs: Worum geht es zumeist, wenn Ihre Rechtsschutzversicherung nicht die volle Rechnung des Anwalts bezahlt oder erstattet?

Ihre Rechtsschutzversicherung zahlt nicht die volle Rechnung des Rechtsanwalts? Dann geht es fast immer um eine Rechnung (oder Teilrechnung), die sich auf die außergerichtliche Tätigkeit des Rechtsanwalts bezieht. Denn dort kann der Rechtsanwalt nämlich nach seinem Ermessen die Gebühren zunächst selbst innerhalb bestimmter Grenzen festsetzen. Die Rechtsschutzversicherer tun aber stets so, als sei ihr Einwand „überhöht“ in Stein gemeißelt und die absolute Wahrheit.
Die Gebühren für die außergerichtliche Tätigkeit sind flexibel. So kann der Rechtsanwalt für die außergerichtliche Tätigkeit in Zivilsachen beispielsweise eine Geschäftsgebühr verlangen, die sich zwischen einer 1,3 und einer 2,5 Gebühr bewegt. Bei einem Streitwert von 10.000 EUR bewegen wir uns damit zwischen einem Betrag von 949,86 EUR bis 1.825,65 EUR (jeweils inkl. Umsatzsteuer) . Wie der Unterschied vom einen zum anderen Betrag vom Rechtsanwalt begründet werden kann oder muss, würde hier zu weit führen. Der Ausgangspunkt einer 1,3-Geschäftsgebühr und damit 949,86 EUR ist aber fast immer unproblematisch, weil 1,3 meistens die geringstmögliche Gebühr ist. Das zahlt die Versicherung dann fast immer ohne Diskussion. Aber, wenn der Rechtsanwalt (wir gehen jetzt einmal von einer objektiv richtigen Begründung aus) nun eine 1,8 Gebühr und damit 1.315,19 EUR (inkl. Umsatzsteuer) abrechnet, geht fast ausnahmslos „die Diskussion“ los. Der Rechtsanwalt kann beispielsweise einen Zuschlag und damit eine 1,5 Gebühr verlangen, wenn die Sache von besonderer Schwierigkeit oder großer Bedeutung für Sie war. Eine lange Zeitdauer oder ein besonders großer, überdurchschnittlicher Arbeitsaufwand sind ebenfalls Faktoren die ursprüngliche 1,3 Gebühr anzuheben. Was besonders schwierig ist, bestimmt zunächst der Rechtsanwalt und nicht der Mandant und auch nicht seine Rechtsschutzversicherung. Man muss dabei auch berücksichtigen, dass diese Diskussion meist am Anfang des Mandats losgetreten wird. Das Mandat ist folglich noch nicht beendet und die Gebühren stehen noch nicht endgültig fest. Dann aber gilt (dies verschweigen die Schreiben der Rechtsschutzversicherung gern), dass der Rechtsanwalt einen angemessenen Vorschuss für die Sache verlangen kann (auch wenn noch nicht alle Gebühren verdient sind!). Wie hoch solch ein Vorschuss ausfällt, bestimmt in Grenzen auch der Rechtsanwalt selbst. Geht er also mit guten Gründen und seiner Erfahrung auf dem Rechtsgebiet davon aus, dass es schwierig und langwierig wird, kann er beispielsweise durchaus einen Vorschuss mit einer 1,6 Geschäftsgebühr verlangen. Stellt sich am Ende des Mandats heraus, es ging doch schnell und es war einfach, wird er in der Schlussrechnung eine 1,3 Gebühr ansetzen und muss einen Teil der Gebühr erstatten. Das ändert aber nichts an dem Umstand, dass der Rechtsanwalt zunächst berechtigt eine 1,6 Gebühr als Vorschuss verlangen durfte. Das möchten die meisten Versicherer nicht wirklich sehen.
Hinzu kommt die Unart der Versicherer, dass deren Mitarbeiter zumeist mit vorgefertigten Textbausteinen arbeiten und bei der Vorschussrechnung schnell und leichten Herzens sagen: „Das war oder wird doch gar nicht besonders schwierig.“ Und dann schauen Sie sich die dazugehörigen Schreiben der Versicherung an. Eine ausführliche oder auch nur exakte, kurze Begründung, warum es gerade nur ein durchschnittlicher Fall und damit nicht „besonders schwierig“ war, bleibt fast jeder Versicherer schuldig. Das ist ungefähr so, als würden sie jemandem ein schwieriges Problem aus der Wissenschaft erklären und dafür eine Vielzahl von Argumenten vorbringen und dann kommt als Antwort: „Glaube ich nicht …“ oder „Stimmt nicht …“. Was soll man da noch sagen?
Nun könnte der Rechtsanwalt es weiter bei Ihrer Versicherung versuchen, sich abmühen und vielleicht zweimal schreiben und es wird immer noch nicht bezahlt. Zu welchem Ergebnis führt diese Verweigerung und weitere Diskussionen? Sie, als Mandant verlieren vielleicht das Vertrauen in Ihren Rechtsanwalt und Ihr Anwalt im schlimmsten Fall die Lust für Sie zu kämpfen, denn stattdessen läuft er ja seinem Geld hinterher.
Folglich sollten der Rechtsanwalt und sein Mandant tunlichst den oben skizzierter Weg einschlagen. Den Streit um die richtige Gebührenberechnung im Verhältnis zur Rechtsschutzversicherung an das Ende der Tätigkeit verlegen. Zumal, das muss ich nochmals betonen, es Ihre Rechtsschutzversicherung ist, die für Sie bezahlen soll. Rechtlich macht es also keinen Unterschied, ob Sie die Bezahlung mit untauglichen „Argumenten“ verweigern oder Ihre Rechtsschutzversicherung. Diese argumentiert nämlich in Ihrem Namen falsch. Auch wenn Sie das eigentlich nicht wollen.
Als Mandant müssen Sie deshalb im Hinterkopf behalten:

Deshalb ist es sinnvoll den Streit mit der Rechtsschutzversicherung an das Ende der gesamten Tätigkeit zu verlagern. Erst kümmert sich mein Rechtsanwalt um das eigentliche Problem, nämlich Herrn X und dessen Schulden i.H.v. 10.000 EUR bei mir. Wenn mein Anwalt für diesen Betrag erfolgreich erstritten hat, kann ich mir immer noch überlegen, wie mit meiner Rechtsschutzversicherung und vielleicht einer Differenz von 500 EUR beim Honorar umzugehen ist. Das ist jedenfalls nach meiner Meinung und Erfahrung der Sache zuträglicher und auch wirtschaftlich vernünftiger.

Zwei, drei letzte Tipps

Wie geht es zwischen Ihnen, Ihrer Rechtsschutzversicherung und dem beauftragten Rechtsanwalt los? Meist gehen Sie zu einem Rechtsanwalt und erwähnen vielleicht am Ende des Gesprächs, dass sie eine Rechtsschutzversicherung haben. Das ist meiner Meinung nach ein Fehler. Denn die meisten Mandanten gehen davon aus, ich habe eine Rechtsschutzversicherung und muss nichts für den Rechtsanwalt bezahlen und er kümmert sich nebenher auch darum. Wenn Sie dann erst am Ende des Gesprächs Ihre Rechtsschutzversicherung erwähnen, war das Vorgespräch vielleicht „für die Katz“. Sie erfahren dann erst zum Schluss, dass sie vielleicht anteilig Kosten haben, die Sie nicht tragen können oder wollen. Gehen Sie auch in eine Bäckerei, bestellen verschiedene Brötchensorten und sagen dann zum Schluss, das ist mir zu teuer? Besser ist es, Sie gucken vorher auf die Preisschilder, oder?
Auch arbeiten viele Rechtsanwälte in bestimmten Rechtsgebieten nur mit einer sog. Honorarvereinbarung. Das ist ganz legal, führt aber fast immer dazu, dass die Rechtsschutzversicherung Ihnen nur anteilig Gebühren erstattet, weil eben Honorarvereinbarungen in der Rechtsschutzversicherung nicht mitversichert sind. Die Zeit hätten Sie sich und dem Rechtsanwalt also gut ersparen können.
Deshalb erwähnen Sie gleich Ihre Rechtsschutzversicherung am Anfang. Wenn Sie nicht schon selbst Deckung eingeholt haben, dazu gleich noch, dann sollten Sie zum Gespräch mindestens die ersten zwei Seiten Ihrer aktuellen Versicherungspolice mitbringen, aber wenigstens die letzte Beitragsrechnung. Dort sollte nämlich vermerkt sein, gegen welche Risiken sie überhaupt bei der Rechtsschutzversicherung versichert sind. Manche Rechtsschutzversicherungen nennen eine private Rechtsschutzversicherung „Familienversicherung.“ Dann ist aber schon zweifelhaft, ob Sie auch in arbeitsrechtlichen Angelegenheiten versichert sind oder nicht. Wenn Sie Rechtsschutz für verwaltungsrechtliche Angelegenheiten mitversichert haben, tritt die Versicherung oftmals erst für Gebühren und Kosten ab einer Klage ein, usw. usf. Auch sollte aus der Police oder Beitragsrechnung hervorgehen, ob Familienangehörige mitversichert sind. Was nützt es, wenn Sie eine Rechtsschutzversicherung haben, Ihre Frau ein Rechtsprobelm hat, aber nicht mitversichert ist?
Also, die Police mitbringen oder zumindest die letzte Beitragsrechnung.
Noch besser und für alle Beteiligten sicherer ist es, wenn Sie vor dem Besuch beim Rechtsanwalt selbst die Deckungszusage bei Ihrer Rechtsschutzversicherung einholen. Die meisten Versicherer haben eine telefonische Hotline. Rufen Sie dort an und halten die Versicherungsnummer und Papier und Stift bereit. Schildern Sie den Fall und in den meisten Fällen kann der Mitarbeiter der Hotline Ihnen sagen, ob und in welchem Umfang die Versicherung eintritt. Dann erhalten Sie die sog. Schadennummer, die Sie notieren müssen. Die Schadennummer und den Namen und Anschrift der Versicherungsgesellschaft nennen Sie dann Ihrem Rechtsanwalt. Dann weiß dieser gleich am Anfang des Gesprächs, dass alle Beteiligten kostenmäßig auf der sicheren Seite sind.

Wenn Sie eine Selbstbeteiligung (SB) mit Ihrer Rechtsschutzversicherung vereinbart haben, müssen Sie diese als Kosten einmalig tragen und sollten auch dies beim Rechtsanwalt gleich erwähnen. Warum ist die Betonung auf einmalig? Die Versicherung sieht Ihren Fall, egal ob alles außergerichtlich erledigt wird oder sie hinauf bis zum BGH klagen, als einen Versicherungsfall, einen Schadenn, an. Deshalb zahlen Sie für Ihren gesamten Fall auch nur einmalig die Selbstbeteiligung von 150, 200 oder 300 Euro, was auch immer Sie vereinbart haben.
Hier gitt es zu beachten. Sie haben 300 EUR SB bei Ihrer Rechtsschutzversicherung? Sie wollen einen unzuverlässigen Ebay-Verkäufer zur Auslieferung der Ware im Wert von 400,- EUR zwingen? Dann ist der zur Gebührenberechnung heranzuziehende Streitwert 400 EUR. Damit kann Ihr Rechtsanwalt bei einer 1,3 Gebühr für die außerger. Tätigkeit insgesamt 90,96 EUR (ja, richtig gelesen!) von Ihnen verlangen. Sie müssen also die Anwaltsgebühren so lang selbst tragen, bis die Grenze von 300 EUR überschritten wird. Nun kommen geringe Streitwerte deutlich öfter vor, als hohe Streitwerte. Andererseits, wenn Sie an einer Ware von 400 EUR Neuwert einen Mangel feststelle und gegen den Verkäufer klagen, kann auch bei einem so geringen Streitwert die Rechtsschutzversicherung äußerst segensreich sein. Denn häufig wird von Gerichten ein Gutachten zu dem behaupteten Mangel eingeholt. Dann fallen leicht Kosten von 1.500 EUR für das Gutahten an. Dann werden Sie sich trotz der 300 EUR SB über den Umstand freuen, dass sie genau jetzt eine Rechtsschutzversicherung haben und Ihre Rechtsschutzversicherung das Gutachten bezahlt, oder? Sie sollten also nicht vorschnell auf die Inanspruchnahme der Versicherung verzichten.

Also, holen Sie die Deckungsanfrage am besten vor dem Gang zum Anwalt selbst ein und beachten Sie Ihre Selbstbeteiligung, über die Sie auch Ihren Rechtsanwalt informieren müssen.

Nochmals zum Schluss. Wenn es mit der Versicherung im „Getriebe knirscht“, zunächst den Fall klären, Differenzen beim Honorar selbst eim Anwalt bezahlen und zum Schluss sehen, was noch mit der Versicherung zu klären ist. So wird’s gemacht!

Es grüßt Sie herzlich

Ralf Beckmann

Sie verstehen die Rechnung Ihres Rechtsanwalts nicht? – Hier kommen Hilfe und Tipps!

Viele potenzielle Mandanten trauen sich nicht, anwaltlichen Rat einzuholen, weil sie panische Angst vor einer hohen Rechnung haben. Wobei „hoch“ natürlich gemessen an Einkommen und sonstigen Umständen relativ ist.

Der nachfolgende Beitrag soll Ihnen helfen, Ihr Problem mit den Kosten des Rechtsanwalts besser einschätzen zu können. Muss ich mich also darauf gefasst machen, „mein ganzes Geld“ abzugeben oder komme ich noch relativ preiswert davon? Hier erfahren Sie es!

Aber eines muss klar sein. Auch noch so gute Artikel über das Gebührenrecht können Sie nicht in 10 Minuten zum Experten machen. Der nachfolgende Artikel kann und soll Ihnen nur helfen, ein erstes Gefühl für die Materie zu bekommen.
Es ist ebenso unmöglich, dass Sie mit 10 Minuten Lektüre Meister des Gebührenrechts werden, wie Sie nicht mit einem Volkshochschul-Nähkurs zum Herzchirurgen mutieren. So viel Ehrlichkeit muss sein.

Was hat Einfluss auf meine Rechtsanwaltsrechnung?

1. Die reine Beratung
Stellen Sie sich vor, Sie haben eine konkrete Frage zu Ihrem Mietverhältnis. Bis wann muss der Vermieter die Nebenkosten von 2021 abrechnen? Eine derart kurze Frage ist prädestiniert für die sog. Erstberatung. Hierbei handelt es sich um eine einmalige Beratung zu einem bestimmten, von Ihnen genannten Problem. Findet die Beratung in der Kanzlei eines Rechtsanwalts statt, gilt genau das, was der Name sagt! Erstberatung = einmalige Beratung! Rufen Sie nach dem Termin nochmals beim Rechtsanwalt an und stellen ergänzende oder weitere Fragen, ist es keine Erstberatung mehr und es kann die Fragen insgesamt verteuern.
Tipp: Nehmen Sie zur Erstberatung alle für Sie wichtigen Unterlagen, die das Problem betreffen, mit. Machen Sie sich eine Liste mit Stichpunkten über die Tatsachen, die sich nicht aus Ihren Unterlagen ergeben und erläutern Sie auch diese Tatsachen beim Rechtsanwalt. Formulieren Sie gezielte Fragen schon vorab und notieren Sie sich die Antworten.
Wollen Sie eine schriftliche Zusammenfassung ist das keine Erstberatung, sondern bestenfalls ein Gutachten zur Einschätzung der Rechtslage und das kann teuerer sein.
Also, eine zweite Chance gibt es bei der Erstberatung nicht.

Warum ist das so? Die Kosten der Erstberatung sind durch den Gesetzgeber begrenzt. Für Verbraucher darf die Gebühr gem. § 34 RVG für das erste Beratungsgespräch nicht höher als 190 Euro zuzüglich Mehrwertsteuer sein. Soll ein Gutachten zur Einschätzung der Rechtslage erstellt werden, dürfen maximal 250 Euro zuzüglich Mehrwertsteuer in Rechnung gestellt werden.

Umgekehrt heißt dies nicht, dass die Beratung € 226,10 kosten muss. Denn in § 34 RVG ist auch festgelegt, dass gem. Bürgerlichem Gesetzbuch abgerechnet werden muss, sofern nicht eine Vereinbarung über das Honorar getroffen wurde. Nähere Erläuterungen zum BGB und den dortigen Vorschriften würden hier zu weit führen. Aber, aus dem Hinweis auf „soweit keine Vereinbarung getroffen wurde“ können Sie als potenzieller Mandant natürlich für sich entnehmen, dass das Honorar für ein Beratungsgespräch von sagen wir 15 Minuten zuvor ausgehandelt werden kann und sollte. Also, fragen Sie nach den Vorstellungen des Rechtsanwalts für die von Ihnen kalkulierten 15 Minuten und machen eventuell einen Gegenvorschlag.
Tipp: Bleiben Sie aber bitte fair! Selbst wenn sich die kurze Frage in 15 Minuten klären lässt, seien Sie nicht so vermessen und erwarten, dass Ihr Rechtsanwalt dafür nur 10 Euro (inkl. Umsatzsteuer) nimmt, dann auch noch eine Rechnung schreibt  und  der sofort in bar bezahlte Betrag darauf quittiert wird. € 10,- können Sie sicher als Trinkgeld in die Kaffeekasse des Sekretariats werfen, aber nicht einem Rechtsanwalt als Honorar für eine noch so kurze Auskunft anbieten!

Wir merken uns: Die reine Erstberatung ist vom Honorar her übersichtlich und das Honorar kann oder sollte sogar zwischen Mandant und Rechtsanwalt vor der Beratung ausgehandelt werden. Dieses ist begrenzt auf € 226,10 brutto.

2. Die außergerichtliche Tätigkeit
Hier ist der Rechtsanwalt in der Sache konkret für Sie tätig, sei es durch Beratung im Hintergrund oder auch offen gegenüber einem Anspruchsgegner. Es gibt in bestimmten Angelegenheiten sog. Rahmengebühren, wie im Sozialrecht oder auch Strafrecht. Diese Bereiche hier abzuhandeln, würde zu weit führen und den Umfang eines Buches annehmen. Deshalb konzentrieren wir uns hier auf die üblichen Konstellationen des Zivilrechts; beispielsweise Fragen zum Mietrecht, Kaufrecht oder Eigentumsfragen, die allesamt mit Gegenstandswerten verbunden werden.

Für die außergerichtliche Tätigkeit (der Rechtsanwalt ist zunächst noch nicht vor Gericht für Sie tätig) fällt immer eine sog. Geschäftsgebühr an, deren Höhe variabel ist. Auch hier würden Einzelheiten Bücher füllen. Als Mandant sollten Sie aber davon ausgehen, dass eine derartige Gebühr mit dem Faktor 1,3 berechnet wird. Was der Faktor 1,3 der Höhe nach bedeutet, ist vom sog. Streit- oder Gegenstandswert abhängig.

Beispiele: Sie verkaufen auf einem einschlägigen Internetportal ein gebrauchtes Fahrrad für 130 Euro. Der Käufer macht 2 Wochen später Gewährleistungsrechte (Mängel) geltend, obwohl sie in der Anzeige gebraucht wie gesehen ohne Garantie und Gewährleistung geschrieben hatten. Sie kümmern sich nicht darum und eine Woche später haben Sie ein anwaltliches Schreiben auf dem Tisch, mit dem der Anwalt des Käufers den Rücktritt vom Vertrag erklärt. Wenn auch Sie sich dann ebenfalls einen Rechtsanwalt nehmen, wird dieser mit dem Gegenstandswert von € 130 seine Gebühren berechnen. Nach diesem Wert bemessen sich dann alle infrage kommenden Gebühren des Rechtsanwalts. Konkret beträgt die 1,3 Geschäftsgebühr bei diesem Gegenstandswert € 63,70 ohne Umsatzsteuer und der Postgebührenpauschale.
Im Verhältnis zu dem Kaufpreis ein hoher Betrag. Absolut für den Rechtsanwalt und den tatsächlichen Aufwand, nämlich sich im Gespräch Ihre Version der Dinge anhören, Akte anlegen, dem Gegner schreiben, Sie über das erst Ergebnis informieren usw., ein geringer Betrag.
Tipp-Hinweis: Die Gebühren steigen degressiv nach dem Streitwert. D.h. im Verhältnis zum Streitwert werden sie nach und nach immer günstiger. Deshalb ist es bei geringen Beträgen oftmals sinnlos, sich zu streiten. Nehmen wir das Beispiel Fahrrad für 130 Euro. Für Sie beträgt der Gesamtaufwand inkl. Umsatzsteuer und Postgebührenpauschale € 90,96 an Rechtsanwaltsgebühren. Für Ihren Gegner aber auch! Insgesamt sind die Kosten für beide Anwälte schon deutlich höher, als der Kaufpreis des Fahrrads. Andererseits sind diese Gebühren so niedrig, dass viele Kollegen sich scheuen, die Wahrheit zu sagen, nämlich „dafür arbeite ich nicht!“. Dann hat man eben keine Zeit, es ist nicht mein Spezialgebiet oder man ist einfach überlastet von so vielen Mandaten, dass man Ihren interessanten Fall einfach nicht annehmen kann! Deshalb sollten Sie gerade bei kleinen Beträgen aufpassen, dass Sie alles richtig machen und nicht in die unangenehme Situation kommen, einen Rechtsanwalt zu benötigen. Es könnte nämlich schwer für Sie werden.

Gerade haben wir von dem 130-Euro-Fahrrad gesprochen. Stellen Sie sich nun vor, es handelt sich bei dem gebrauchten Rad nun um eine absolut hochwertige Rennmaschine aus Carbon, Neupreis 12.000 Euro, die sie nun ebenfalls gebraucht und ohne Gewährleistung für € 6.000 verkaufen. Alles ist ansonsten identisch. Dann beträgt die 1,3 Geschäftsgebühr € 507,-, also nichtmals 10% des Kaufpreises. Im Verhältnis zum Wert „lohnt“ es sich jetzt zu kämpfen, wenngleich die Gebühr absolut für Sie mehr als deutlich gestiegen ist.

Tipp: Aus den unterschiedlichen Gebührenhöhen können wir auch die „Ungerechtigkeit“ des gesetzlichen Gebührensystems erkennen.  Sie werden die Umstände des Verkaufs, die Vertragsunterlagen usw. nicht zwangsläufig kürzer gestalten, schneller und kürzer erzählen, nur weil es sich um einen 500-Euro-Verkauf oder um einen 5.000-Euro-Verkauf handelt. Der Rechtsanwalt verdient einfach mehr, weil hinten eine Null mehr dranhängt oder eben weniger, weil eine Null fehlt. Der zeitliche Aufwand ist deshalb nicht automatisch unterschiedlich hoch. Deshalb sind Sie auch ein gerngesehener Mandant, wenn Sie Ihren Autounfall mit dem 30.000-Euro-Schaden komplett beim Rechtsanwalt abwickeln lassen (was häufig wegen der Erstattungspflicht des Unfallgegners nichts kostet!), anstatt erst selbst oder durch Ihre Werkstatt daran herumzudoktern und dann den fehlenden Restbetrag von 1.200 Euro durch einen Rechtsanwalt einzufordern. Der Verkehrsanwalt muss sich dennoch den ganzen Fall ansehen, alle Schadenpositionen prüfen um dann den gegnerischen Versicherer die restlichen € 1.200 abzuringen. Will sagen, der zeitliche Aufwand für den Rechtsanwalt, der nur den Restbetrag einfordert ist fast genau so hoch, wie für den Rechtsanwalt, der von Anfang an den Unfall abwickelt. ABER! Das Honorar unterscheidet sich gewaltig!

Wenn sich der Wert der Sache, um die Sie sich streiten (müssen), nicht unmittelbar ergibt, Kaufpreis oder Wert der Sache am Markt (beispielsweise für einen Goldring), dann gibt es durch die Gerichte festgelegte Anhaltspunkte, was etwas in Geld für die Gebührenberechnung „wert“ ist. Beispielsweise der Streit darum, ob Ihr Hund gefährlich ist oder nicht, wird  regelmäßig von den Verwaltungsgerichten mit einem „Streitwert“ von 5.000 Euro bemessen. Der Streitwert für die Kündigung einer Wohnung wird nicht nach dem Marktwert der Wohnung, sondern zumeist mit 12 Nettokaltmieten bemessen. Es gibt unzählige andere Beispiele, deren Aufzählung hier zu weit führen würde. Manchmal kann man es einfach mittels Google herausfinden oder Sie fragen Ihren Rechtsanwalt.


3. Die gerichtliche Tätigkeit
Gehen wir davon aus, dass der Streit um das gebrauchte 6.000-Euro-Fahrrad nun vor Gericht geht. Für die gesamte gerichtliche Tätigkeit kommt jetzt zur o.g. Geschäftsgebühr eine Verfahrensgebühr mit dem Faktor 1,3 hinzu. Wenn der Streitwert weiterhin € 6.000 beträgt, wären dies € 507 zuzüglich Umsatzsteuer. Allerdings reduziert sich dann die Geschäftsgebühr auf die Hälfte, sofern Sie weiterhin mit Anwalt A kämpfen. Haben Sie nach der außergerichtlichen Tätigkeit „die Pferde gewechselt“, bleibt es bei Anwalt A bei der vollen Geschäftsgebühr und Anwalt B, jetzt für Sie vor Gericht tätig, bekommt ebenfalls die volle Verfahrensgebühr. Sobald der Rechtsanwalt auch einen Termin vor Gericht für Sie wahrnimmt, entsteht noch eine 1,2 Terminsgebühr. Dies beträgt bei einem Streitwert von € 6.000 dann € 468,- zuzüglich Umsatzsteuer.


Mein Resümee
Die oben unter 1.) bis  3.) dargestellten Umstände nennen wir Verfahrensabschnitte. Für jeden Verfahrensabschnitt fallen erneut Gebühren an, unabhängig davon, ob gegebenenfalls vorherige Gebühren zu reduzieren sind.

Da die Gebühren „im Prinzip feststehen“, sobald Sie eine Kollegin oder einen Kollegen beauftragen, muss kein Rechtsanwalt Ihnen vorher ungefragt sagen, was es kosten wird. Also, Sie müssen schon fragen und diese Frage sollten Sie auch stellen. Wer an dieser Stelle als Rechtsanwalt „herumeiert“, der ist m.E. ein „schlechter“ Rechtsanwalt; Ausnahmen mag es geben. Denn unabhängig davon, wie hoch Gebühren auch immer sein mögen. Wollen Sie für das Geld, das Sie investieren, einen „schlechten“ Anwalt oder eine „schlechte“ Anwältin? Sicher nicht, oder?
Einer meiner Lieblingsfilme ist „Spiel mir das Lied vom Tod.“ Der Bösewicht Frank merkt dort süffisant an: „Ich soll also einem Mann mit Hosenträgern trauen, einem Mann, der noch nicht mal seinen eigenen Hosen vertraut…“
Auf das Anwaltshonorar übertragen bedeutet dies: „Wer als Rechtsanwalt seine eigene Sache nicht richtig vertreten kann und die eigene Sache ist nun einmal vorrangig das Honorar, der soll dann Ihre Sache sehr gut vertreten, Biss haben und durchsetzungsstark sein? Nein, ein guter Anwalt wird ohne Zögern und ohne Zweifel sein Honorar aussprechen und fordern, sei es noch so hoch!“ Der gute Anwalt und die gute Anwältin wissen ja, dass Sie im Gegenzug eine sehr gute Gegenleistung bekommen!

Deshalb ist meine Meinung: Wer ungefragt Rabatt anbietet, wird nur selten ein guter Rechtsanwalt oder eine gute Rechtsanwältin sein!

Und wenn Sie eine Vorstellung davon haben, wie hoch Ihr Streitwert ist, um wie viel Sie also kämpfen wollen oder müssen, der kann sich auch über die außergerichtlichen und gerichtlichen Kosten schnell bei diversen Gebührenrechnern im Internet einen Überblick verschaffen.
Mein bevorzugter Gebührenrechner ist der von ANWALT.DE. Hier geht es zum Gebührenrechner auf ANWALT.DE. Wenn Sie meinen Artikel aufmerksam gelesen haben, können Sie den Rechner bedienen und werden für jeden Streitwert die ungefähr anfallenden Rechtsanwaltskosten ermitteln können.

Zum Schluss noch eine Bitte. Wenn Sie sich am Ende des  Artikels ärgern, weil eine spezielle Frage offengeblieben ist, Sie etwas nicht richtig verstanden haben o.ä., dann schreiben Sie mir! Das anwaltliche Gebührenrecht ist trocken und außerdem sehr komplex. Es ist wirklich nicht leicht, dies allgemeinverständlich für Menschen, die keinerlei Vorkenntnisse haben, zu erläutern. Ob mir das gelungen ist, erfahre ich frühestens durch Ihre Rückmeldung. Deshalb bin ich gern bereit Anregungen entgegenzunehmen und meinen Artikel von Zeit zu Zeit anzupassen und zu verbessern. Helfen Sie mir, damit ich Ihnen helfen kann!

Vertragen Sie sich und bleiben Sie mir gewogen!

Ihr
Ralf Beckmann

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