Das Amtsgericht in Singen hat vor ca. einem Jahr ein durchaus interessantes und für Verbraucher und Mieter erhellendes Urteil gefällt1). Und zwar zum sog. sozialadäquaten Lärm in Mietwohnungen.

Worum ging es? Die Bewohnerin einer Erdgeschosswohnung fühlte sich durch Lärm einer  Mieterin der über ihrer Wohnung liegenden Wohnung nachhaltig gestört und klagte auf Unterlassung jeglicher Ruhestörung. Sie führte an, dass das ohnehin hellhörige Mietshaus keine Trittschalldämmung habe. Immer um 7 Uhr würde die über ihr wohnende Mieterin durch die Wohnung laufen, um zu lüften. Das Öffnen und Schließen der Fenster verliefe nicht geräuschlos. Zudem hätte die Mieterin die unangenehme Eigenschaft, stets um 12 Uhr mittags zum Staubsauger zu greifen.

Das Amtsgericht Singen wertete derartige Geräuschimmissionen eher als Bagatelle und verwies darauf, dass derartige Geräusche sozialadäquat seien. Schließlich würde jeder Mieter von Zeit zu Zeit saugen oder durch die Wohnung gehen, Fenster öffnen und schließen etc.
Meiner Ansicht nach sind derartige Tätigkeiten, aber auch das Lärmen von Kindern, Blockflöte üben der Tochter und das Üben am Schlagzeug durch den Sohn, sofern ab und zu und nicht täglich 5 Stunden geübt wird, alles übliche und somit sozialadäquate Verhaltensweisen, die hinzunehmen sind.
Kritisch wird es meiner Meinung nach erst, wenn der Beruf in die Wohnung hineingetragen wird und dies mit Lärm verbunden ist. Berufsmusiker und tägliches Üben von 5 Stunden und mehr am Klavier, der Posaune oder dem Cello? Ich denke, das ist nicht mehr im Bereich des üblichen Verhaltens von Durchschnittsnutzern einer Mietwohnung anzusiedeln und deshalb dürften „gepeinigte“ Mitbewohner im Haus hier erfolgreich Unterlassung verlangen können. Aber derartige Dinge sind eben die Ausnahme und nicht die Regel.

Zurück zum Fall und dem für Mieter sehr interessanten Hinweis, dass auch eine Hausordnung das Staubsaugen oder eben gewöhnliche Tätigkeiten des Alltags nicht unterbinden könne. Ich meine, hier zielt das Gericht darauf ab, dass derartige Hausordnungen nicht nur einmalig gegenüber einem Mieter Verwendung finden sollen und deshalb auch zugleich Allgemeine Geschäftsbedingungen (AGB) sind, die einer besonderen Kontrolle unterliegen. Allein deshalb wird in der Einschränkung üblicher Tätigkeiten (Ausnahme mag hier die Nachtruhe ab 22:00 Uhr sein) eine unangemessene Benachteiligung des Mieters liegen und damit derartige Klauseln unwirksam machen.

Um es auf den Punkt zu bringen: wenn ein anderer Hausbewohner wissend auf die Klausel in der Hausordnung verweist: „Staubsaugen und ähnliche Tätigkeiten sind nur zwischen 08:00 und 12:00 und 15:00 und 18:00 Uhr erlaubt.“, kann man diese Klausel wohl getrost vergessen. Wenn Sie ein auf Ruhe bedachter Richter allerdings doch verurteilt ruhig zu sein und auf die Hausordnung verweist, übernehme ich keine Haftung. Vielmehr sollten Sie prüfen, ob Sie und Ihr Rechtsanwalt die richtigen Argumente vorgebracht oder dem Richter/der Richterin ausreichend charmant Ihre Argumente vorgetragen haben. Wie heißt es so schön: „Vor Gericht und auf hoher See, entscheiden die … und danach kommt nur noch der liebe Gott.“ Denn Ausrutscher, sei es im Urteil, der Rechtsprechung, dem speziellen Richter oder Richterin kann es immer geben.

Aber, das Amtsgericht Singen sagte eben sehr schön: „Es könne nicht erwartet werden, dass sich Menschen in ihren Wohnungen nach Ende der Nachtruhe schleichend fortbewegen und mucksmäuschenstill verhalten.“ Ich meine, wer damit nicht klarkommt, sollte sich vor Abschluss eines Mietvertrages vergewissern, dass die Wohnungen im Haus sehr gut isoliert sind und nur extrem laute Geräusche überhaupt durchdringen. Ansonsten sollte man bedenken, dass nicht nur die anderen Hausbewohner Geräusche verursachen, sondern man selbst auch!

 Bleiben Sie mir gewogen und vertragen Sie sich.

Ihr Ralf Beckmann

1.) Amtsgericht Singen, Urteil vom 29.04.2022 – 1 C 235/21

2.) Beispielfoto mit Dank an Leohoho auf Unsplash
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