Von Gastautorin Rechtsanwältin Jana Christina Hartmann

Die Haftung des Hundehalters beschäftigt die Gerichte immer wieder. Zumeist geht es dabei darum, dass ein Dritter von dem Hund gebissen wird. In der Folge versucht der Gebissene, beziehungsweise der entsprechende Krankenversicherer, Ansprüche gegen den Hundehalter geltend zu machen. Einen nicht so alltäglichen Fall hatte hingegen das OLG Celle zu entscheiden. Im Mittelpunkt des Falles stand dabei ein Hund, der sein eigenes Herrchen biss – nachdem der Hund von einem Auto überfahren worden war.

Sachverhalt
Die Klägerin ist im vorliegenden Fall die gesetzliche Krankenversicherung des Zeugen B, welcher bereits am 28.04.2017 von seinem Rauhaardackel gebissen wurde. Kurz vor dem Biss wurde der Hund durch ein Fahrzeug überfahren, welches vom Beklagten zu 1 geführt wurde. Das Fahrzeug des Beklagten zu 1, welcher auch der Halter des Fahrzeuges ist, ist bei der Beklagten zu 2 versichert.

Der Zeuge B ist Jagdpächter eines bestimmten Bereiches. Der Zeuge B und der Beklagte zu 1 verkehren schon seit einigen Jahren freundschaftlich miteinander; beide teilen ein Interesse für die Jagd. In der Vergangenheit jagte der Zeuge B als Gast im Jagdgebiet des Beklagten zu 1. Nachdem Letzterer nun jedoch keine Jagd mehr innehatte, während der Zeuge B Pächter einer Jagd wurde, durfte der Beklagte zu 1 bei Zeuge B häufiger als Jagdgast jagen. Hierbei half er dem Zeugen B auch bei gemeinschaftlichen Unternehmungen, wie beispielsweise dem Anlegen eines Pirschpfades oder der Errichtung von Jagdeinrichtungen.

Am 28.04.2017 brachte der Beklagte zu 1 Materialien für einen Hochsitz zum B; hierzu war er seitens B gebeten worden. Den Hochsitz beabsichtige B an einem vorher gemeinsam vereinbarten Ort im Wald bauen zu wollen. Infolgedessen befuhr der Beklagte zu 1 den Waldweg mit seinem Pick-up. Der Zeuge B befand sich zusammen mit seinem Rauhaardackel bereits an der vereinbarten Stelle. Der Hund lief an einer langen Leine. Zeuge B und der Angeklagte begannen mit den Arbeiten; sodann wollte der Beklagte zu 1 seinen Pick-up umsetzen. Als er anfuhr, übersah er den Hund des Zeugen B. Dieser wurde so vom rechten Vorderrad des Pick-ups, welcher der Beklagte zu 1 führte, überfahren. In der Folge hob der Zeuge B seinen leblos wirkenden Hund, der auf dem Boden lag, auf. Dieser biss den Zeugen dann unvermittelt tief in das linke Handgelenk. Die Verletzung entzündete sich in der Folge und eine Operation wurde erforderlich. Bis zum 17.09.2017 war der Zeuge B arbeitsunfähig. Die Heilbehandlungskosten beliefen sich auf 11.221,53 Euro. Zwischen dem 01.05.2017 und dem 09.06.2017 erhielt der Zeuge 2.195,65 Euro Entgeltfortzahlung. Der Krankenversicherer des Zeugen B übernahm die Kosten und versuchte diese sodann vom Beklagten zu 1 und der Beklagten zu 2, dem Kfz-Versicherer, zu regressieren. Mangels Erfolg wurde Klage erhoben. Das Landgericht Lüneburg lehnte die Klage jedoch ab. Grund hierfür sei die Haftungsprivilegierung gem. §§ 104 ff. SGB VII, da der Beklagte zu dem Zeugen B unter arbeitnehmerähnlichen Umständen geholfen habe, den Hochsitz zu bauen. Die Arbeit habe im Hinblick auf den geländegängigen Pick-up des Beklagten zu 1 auch wirtschaftlichen Wert. Gegen dieses Urteil wendet sich die Klägerin mit ihrer Berufung.

Entscheidung des OLG Celle
In der Sache hatte die Berufung größtenteils Erfolg; die Klägerin hat einen Anspruch auf Zahlung von Schadensersatz, §§ 7 Abs. 1, 17 Abs. 1, 4 StVG, § 115 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 VVG gegen die Beklagten als Gesamtschuldner, §§ 115 Abs. 1 S. 4 VVG, § 421 BGB.

Da die Klägerin gegenüber dem Zeugen B Versicherungsleistungen übernommen hat, d.h. die angefallenen Heilbehandlungskosten und die Entgeltfortzahlung leistete, sind die gesetzlichen Voraussetzungen des § 116 SGB X erfüllt.

Der Unfall hat sich auch bei Betrieb des Beklagtenfahrzeuges ereignet. Grundsätzlich muss der Schaden im Rahmen eines Anspruchs aus § 7 Abs. 1 StVG bei Betrieb des Kfz entstanden sein. Das ist dann gegeben, wenn sich die von dem Kraftfahrzeug ausgehenden Gefahren ausgewirkt haben, d.h. bei der insoweit gebotenen wertenden Betrachtung das Schadensgeschehen durch das Kfz (mit)geprägt worden ist. Für die Zurechnung der Betriebsgefahr bedeutet dies die Erforderlichkeit, dass der Unfall in einem nahen örtlichen und zeitlichen Zusammenhang mit einem bestimmten Betriebsvorgang oder einer bestimmten Betriebseinrichtung des Kfz besteht. Vorliegend stehe der Unfall aufgrund des nahen örtlichen und zeitlichen Zusammenhangs mit dem Betrieb des Kfz in Zusammenhang. Unmittelbar nachdem der Hund überrollt worden ist, kam es zu dem Biss. Dabei habe sich der Zeuge B und damit auch die Klägerin keinen eigenen Gefahrenkreis zuzurechnen. Der Zeuge B habe bereits aus tierschutzrechtlichen Belangen nach seinem eigenen Tier schauen müssen. Weitere Mitursächlichkeiten am Biss des Tieres seien gerade nicht erkennbar – der Hund wirkte zunächst nicht mehr am Leben, sodass man nicht mit einer Abwehrhaltung des Hundes habe rechnen müssen. Es sei nicht ersichtlich und nachgewiesen, dass der Rauhaardackel eine besondere Aggressivität an den Tag lege. Das Überfahren sei auch die Ursache des Bisses gewesen. Der Ursachenzusammenhang sei auch i.S.v. § 286 ZPO ausreichend gewiss.

Ein unabwendbares Ereignis i.S.v. § 17 Abs. 3 StVG habe zudem nicht vorgelegen. Tatsachen hierzu wurden seitens der Beklagten bereits nicht vorgetragen, welche eine andere Beurteilung ermöglichen. So hätte sich insbesondere ein Idealfahrer vor dem Anfahren versichert, dass der Hund nicht direkt am Kfz ist – das dies erfolgt sei, war nicht nachgewiesen.

Zu berücksichtigen ist jedoch, dass der Zeuge B Halter des Hundes ist. Mithin unterfällt er, und damit auch die Klägerin, einer Gefährdungshaftung (§ 833 S. 1 BGB), sodass die entsprechende Tiergefahr anspruchsmindernd zu berücksichtigen ist. Im Rahmen der durchzuführenden Haftungsabwägung hängt die Verpflichtung zum Ersatz von verschiedenen Umständen ab, insbesondere wie weit der Schaden von dem einen oder anderen Teil verursacht worden ist.

Vorliegend sei nach Ansicht des OLG Celle jedoch weder ein Verschulden des Zeugen B noch des Beklagten zu 1 festgestellt worden. Mithin komme es lediglich darauf an, inwieweit sich die jeweiligen tatbestandspezifischen Gefahren – Betriebsgefahr des Kfz und Tiergefahr des Hundes – sich im Kausalverlauf realisiert haben.

Darüber hinaus können sich die Beklagten nach Ansicht des OLG Celle nicht auf die §§ 104 ff. SGB X berufen. Der Grund hierfür läge darin, dass der Beklagte zu 1 nicht betrieblich für den Zeugen B tätig geworden sei. Zudem sei er auch nicht wie ein Beschäftigter, § 2 Abs. 2 S. 1 SGB VII tätig geworden; die Tätigkeit des Beklagten zu 1 sei nicht unter arbeitnehmerähnlichen Umständen erbracht worden. Hierbei sei insbesondere auf die lange Freundschaft zu rekurrieren gewesen. Es handle sich insgesamt um eine bloße (unversicherte) Gefälligkeitshandlung, deren Handlungstendenz durch die Sonderbeziehung zwischen dem Zeugen B und der Beklagten zu 1 geprägt sei.

Sodann seien die beiderseitigen Gefährdungshaftungen abzuwägen gewesen. Dabei sei zu berücksichtigen gewesen, dass der Beklagte zu 1 mit seinem Fahrzeug die erste Ursache für den Fall gesetzt habe und die gesamte Situation prägte, sodass es zu einem deutlichen Haftungsübergewicht der Beklagten komme. Das Gericht setzte so die Beteiligung des Zeugen B aufgrund der Tiergefahr mit einer Höhe von 25 Prozent an. Gerade verletzte Tiere bergen eine erhöhte Verletzungsgefahr gegenüber Dritten in sich, da die Tiere sich dann in einer Art „Verteidigungsmodus“ befinden würden – unabhängig davon, woher die vorherige Verletzung stamme. Insgesamt hat die Klägerin damit einen Anspruch auf Zahlung von 75 Prozent. § 840 Abs. 3 BGB sei vorliegend nicht einschlägig.

Das Urteil des OLG Celle überzeugt im Wesentlichen. Wünschenswert wäre es gewesen, zu erörtern, ob der Mitverschuldensgrad nicht eher darin zu verorten sei, dass der Zeuge seinen Hund an der Leine herumliefen ließ, obgleich erkennbar war, dass der Beklagte zu 1 mit seinem Auto losfahren werde. Mithin hierdurch also ein Gefahrenkreis geschaffen werde, da Tiere, wenn diese an der Leine sind, wohl niemals vollständig gehorchen und er somit mitursächlich für die Situation gewesen ist. So vermag es schwerlich zu überzeugen, dem Halter ein Mitverschulden dafür anzurechnen, dass er – wonach er sogar gesetzlich verpflichtet ist – nach seinem Hund schaute (er sich sich also gesetzestreu verhielt) und aufgrund der Gesamtsituation objektiv nicht unmittelbar mit einer Abwehrreaktion rechnen musste.

Jana Christina Hartmann

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Der Artikel von Frau Hartmann erschien zuerst als Rechtstipp auf ANWALT.DE unter:

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