Das Amtsgericht Starnberg hat laut Pressemitteilung vom 27.02.2023 über einen besonders kuriosen Fall von Mietminderung entschieden.1) Im schönen Andechs, ja dort, wo das prima Bier herkommt, wohnt eine Familie im Erdgeschoss eines Hauses als Mieter. Im Dach hatten sich Fledermäuse einquartiert! Die Mieter fühlten sich durch Exkremente und auch Urin der possierlichen Tiere belästigt, da der über ihrer Wohnung befindliche Balkon nur einen Teil der Hinterlassenschaften der Tiere abhielt. Alles andere fiel wohl auf Ihre Terrasse.
Warum hat es also nicht mit der begehrten Mietminderung geklappt und auch die gewünschte Verurteilung zur Säuberung der Terrasse wurde nicht zugesprochen?
Als erfahrener Praktiker sage ich mal so. Es gibt Argumente, die sind so durchdringend, dass man nichts dagegen sagen kann. Richter flüchten sich in schwierigen Situationen gern in Allgemeinplätze, die man schlicht akzeptieren muss. In ländlichen Regionen ist das normal, ist eines dieser standardisierten Argumente, einfach nicht widerlegt werden können. Laut Amtsgericht Starnberg muss man gewisse Beeinträchtigungen durch Tiere hinnehmen. Der Hahn des Nachbarn kräht? Die Glocken der Kirche läuten? Alles Brauchtum, ortsüblich und Teil der ländlichen Kultur. Deshalb muss es hingenommen werden. Nicht, dass wir uns falsch verstehen, ich bin sehr für Tierschutz, aber wer einmal einen Marder zu Gast in seinem Haus hatte, der wird nur geringes Verständnis dafür aufbringen, dass die possierlichen Tiere ausgerechnet bei Ihnen der Fortpflanzung und der täglichen Ruhepause frönen wollen.
Also, warum nicht handfeste Argumente liefern, die das Amtsgericht Starnberg in seiner Urteilsbegründung offensichtlich auch hatte? Ein altes Anwaltsmotto lautet: „Frisch behauptet, ist halb gewonnen.“ So muss man den Vortrag der klagenden Familie wohl einschätzen als sie vortrugen, dass täglich bis zu 50 Fledermausköttel in den Monaten April bis Oktober auf der Terrasse lagen. Diese Behauptung konnte jedoch im Ergebnis nicht nachgewiesen werden. Dabei hatte das Gericht extra noch eine Fledermausexpertin als Sachverständige bestellt, die allerdings zu dem Ergebnis kam, dass im Dach des Hauses keine Wochenstube der Fledermauspopulation eingerichtet war und auch die Anzahl der Tiere eher gering war. Ich denke mal, dass die Behauptung von 50 Fledermauskötteln dermaßen übertrieben war, dass man mit der Belästigung „Fledermausköttel auf der Terrasse“ schon keinen Stein im Brett mehr beim Gericht hatte.
Da gilt eine andere Regel, die ich als Anwalt gelernt habe. Wenn man übertreibt, dann bitte so, dass man nicht widerlegt wird. Und man sollte nicht seine ganze Klage auf diese Übertreibungen stützen. Denn, als die Frage des Umfangs der Belästigung nicht das gewünschte Ergebnis brachte, wurde eine mögliche Gesundheitsgefährdung der minderjährigen Kinder der Mieter vorgetragen. Aber auch dieses Argument schmetterte das Gericht völlig zu Recht ab, denn welche Gefährdung genau eintreten sollte, wurde auch nicht vorgetragen. Also, einfach mal Gesundheitsgefährdung rufen, ohne konkreten Vortrag zu bringen, worin sich diese Gefährdung zeigen soll, ist wenig aussichtsreich. Da muss man wirklich mehr bieten.
Merke: Die Argumente des Gerichts sind immer gut. Die eigenen Argumente sollten wirklich gut sein!
Was kann man nun aus diesem kuriosen Fall lernen? Wenn man eine Mietminderung durchsetzen will, sollte man sich genau überlegen, ob die Belästigung bzw. der Mangel tatsächlich eine Minderung rechtfertigt. Natürlich kann das der Laie schwer überblicken. Aber ein wichtiger Anhaltspunkt ist die Frage, ob der Mangel den Kern des Mietverhältnisses, nämlich die Wohnung schlechthin betrifft. Feuchtigkeit an den Wänden, der Putz fällt von der Decke, die Stromleitungen sind überlastet. Alle diese Dinge berühren mit Sicherheit den Kern des Mietverhältnisses und wenn man nicht gerade schon beim Einzug gesagt hat, super, dass der Putz von der Decke rieselt, dann ist man dem Grunde nach mit einem Mangel und einer Mietminderung auf der richtigen Seite. Es kommt dann nur noch auf die richtige Höhe der Minderung an.
Wenn Dinge jedoch von außen auf die Wohnung einwirken, die der Vermieter gar nicht beeinflussen kann, wie der Nachbar baut ein neues Haus (Baulärm und Staub), die Fledermäuse sind los oder auf dem mitgemieteten Stellplatz treibt sich immer wieder ein Marder herum, der das Fahrzeug beschädigt, dann sollte man etwas vorsichtiger vorgehen. All diese Beeinträchtigungen können Mängel sein und zu einer Minderung berechtigten, aber es gibt auch genug Richterinnen und Richter, die das völlig anders sehen. Vor allem, wenn diese Beeinträchtigungen ein Teil des ländlichen Lebens sind. Das ist, wenn man als Richter abweisen will, ein einfach nicht zu widerlegendes Argument. 😉
Aber auch hier kommt wieder ein altes Anwaltsmotto von mir zum Tragen. Wenn Sie eine Rechtsschutzversicherung unterhalten und sie diese wahrheitsgemäß unterrichten, dann ist die bloße Möglichkeit, dass es sich um einen Mangel handelt, völlig ausreichend. Die Rechtsschutzversicherung muss Ihnen eine Deckungszusage geben. Dann können Sie auch die ein- oder zehnprozentige Chance auf einen Sieg vor Gericht munter ergreifen. Sie haben ja kein Kostenrisiko mehr!
Man sollte aber bedenken, dass ein Mietverhältnis schnell ruiniert werden kann. Haben Sie von einer größeren Wohnungsbaugesellschaft gemietet und probieren aus, ob der Mangeleinwand funktioniert, wird das in den meisten Fällen niemand gegen Sie persönlich aufbringen. Mieten Sie dagegen von einem Privatvermieter, der zwei oder fünf Wohnungen vermietet, sollten Sie schon behutsamer vorgehen. Einem solchen Vermieter können Sie nicht vermitteln, dass das alles nicht persönlich gemeint war und jetzt eben das Gericht gegen Sie entschieden hat. Und nun trifft man sich wieder im Sommer zum gemeinsamen Grillen im Garten? Da hängt vielmehr der Haussegen oftmals dauerhaft schief. Das sollten Sie berücksichtigen.
Bleiben Sie mir gewogen und vertragen Sie sich 😉
Ihr Ralf Beckmann