Vorbemerkungen
Viele Verbraucher haben Verträge mit großen Anbietern. Ein Handy-Vertrag, Strom- oder Gaslieferung oder eben auch einen der Streamingdienste. Gut, weil man bestimmte Leistungen standardisiert einkaufen kann. Aber über Vertragsbedingungen mit dem Anbieter verhandeln? Ändern sie bitte Nr. 71 ihrer AGB? Das ist aussichtslos. Deshalb ist es durchaus wichtig und lobenswert, wenn Vereine oder andere Organisationen für uns alle in die Bresche springen. Heute berichte ich deshalb über ein gegen einen Streaminganbieter erstrittenes Urteil und die Auswirkungen für uns als Verbraucher.

Pressemitteilung des VZBZ vom 30.06.2023 und die Auswirkungen für Sie als Verbraucher
Der Bundesverband der Verbraucherzentralen aus Berlin teilt in einer Pressemitteilung vom 30.06.2023 mit, dass er einen gerichtlichen Erfolg gegen den Streaminganbieter DAZN erzielt habe. Wer Interesse an den weiteren Informationen hat, kann gern im hinterlegten Link zur Pressemitteilung nachlesen.

Sehr interessant finde ich für Verbraucher aber den Teil, der sich mit der Preisanpassungsklausel des Streaminganbieters beschäftigt. Dazu teilt der VZBZ mit (Zitat):

„Preisanpassungsklausel unwirksam

Die von DAZN verwendete Preisanpassungsklausel sah vor, dass der Anbieter den Preis auch an sich verändernde Marktbedingungen anpassen konnte. Das Landgericht München I bewertete die Klausel als intransparent. Für Verbraucher:innen sei nicht ersichtlich, an welchem Markt sich die Klausel orientiere. Auch würden die Kundeninteressen nicht berücksichtigt, da die Klausel keine Verpflichtung vorsähe, Preise bei Kostenreduzierungen von DAZN zu senken. Preisänderungsklauseln, die zwar das Recht des Klauselverwenders zur Preiserhöhung vorsehen, nicht jedoch die Pflicht zur Preissenkung bei Kostenreduzierung, seien unwirksam. Daran ändere sich auch nichts durch ein eingeräumtes monatliches Kündigungsrecht, so das Landgericht.“

Das Landgericht hat demnach zwei Dinge an der Preisanpassungsklausel moniert: erstens die fehlende Eingrenzung zu den dort genannten Marktbedingungen. Es fehlte also die klare Vorgabe, auf welchen Markt sich „verändernde Marktbedingungen“ beziehen sollten. Beispielsweise auf den Markt aller Streaminganbieter? Dann wäre klar, wenn X erhöht, darf auch Y erhöhen. Oder der Markt der Filmrechteverkäufer? Wenn diese Preise für die Nutzung von Filmen und Serien erhöhen, darf auch DAZN erhöhen. Ohne Bezug auf einen oder mehrere konkrete Märkte, konnte sich DAZN daher bislang irgendein beliebiges Kriterium heraussuchen. Eine derart offene Klausel lehnte das Landgericht ab.

Zweitens gefiel dem Landgericht nicht, dass die Preisanpassungsklausel nur einseitig eine Möglichkeit zur Preiserhöhung für DAZN vorsah. Ganz nach dem Honecker-Motto: „Vorwärts immer, rückwärts nimmer.“ Dabei müsste nach dem Urteil des Landgerichts eine faire Klausel auch die Pflicht zu einer Preisveränderung nach unten vorsehen. Wer einseitig mehr will, muss auch konkretisieren, dass der Kunde unter bestimmten Bedingungen weniger zahlen muss.

Genau die Auffassung des Landgerichts, nämlich, dass auch eine Möglichkeit für eine Preisreduzierung vorgesehen sein muss, ist für uns alle von enormer Bedeutung
Warum ist das so? Wir alle haben diverse Verträge mit großen Anbietern, beispielsweise einen Handy-Vertrag, einen Vertrag für die Stromlieferung, für die Gaslieferung, für Streaming usw. usf. Ich persönlich bin mit einem Nahwärmeversorger vertraglich gebunden. Und alle diese Anbieter haben eines gemeinsam. Sie behalten sich in ihren AGB, also Allgemeinen Geschäftsbedingungen, die Preisanpassung vor. Etwas anderes ist mir jedenfalls noch nicht begegnet. Mein vorletzter Stromanbieter hat mit großem Tamtam und salbungsvollen Worten die Unverfrorenheit besessen, eine Preisanpassung um mehr als 100% ab dem 2. Jahr anzukündigen. Dies, obwohl der Vertrag fest auf zwei Jahre geschlossen war! Der Ukraine-Krieg, unerwartete internationale Preisveränderungen usw. usf.?

Deshalb sollte man bei einer angekündigten Preiserhöhung sorgsam lesen, auf welche Klausel zur Preiserhöhung sich der Anbieter stützt und dann kontrollieren, ob die Klausel nicht eine Einbahnstraße (zur Erhöhung) für den Anbieter darstellt. Jedenfalls sollte man für den Fall, dass das so wie bei DAZN der Fall ist, der Preiserhöhung widersprechen und den erhöhten Betrag ausdrücklich unter Vorbehalt der Rückforderung bezahlen.

Warum nicht kündigen oder einfach nur den alten Betrag bezahlen?
Natürlich könnte man beispielsweise bei einer fest vereinbarten Laufzeit den Vertrag außerordentlich kündigen, wenn der Anbieter bereits nach der Hälfte der Vertragslaufzeit einen höheren Preis unter Berufung auf seine Preisanpassungsklausel fordert. Aber das ist nicht immer hilfreich. Wer zu DAZN geht oder zu SKY, tut dies in aller Regel nicht, weil Sky oder sonst wer so toll ist. Vielmehr sucht man den Anbieter zumeist aus, weil genau der eine mir genehme Mischung von Serien, Sport oder Filmen bietet. Oder ich gehe zu ihm, weil genau dieser Anbieter allein die Serie X im Angebot hat. Kündigt man, ist die Serie, die man sehen wollte, eben futsch! Die meisten Anbieter haben eben für bestimmte Serien, Filme oder Dokus ein Quasi-Monopol. Mit der Kündigung schneide ich mir also in das eigene Fleisch; autsch!

Bliebe die Option, einfach nach einem Widerspruch weiterhin 13,60 Euro statt 18,20 Euro zu zahlen. Nach meiner Einschätzung wird das aber bei vielen Anbietern entweder Kündigungen gegen Sie nach sich ziehen. Oder man hetzt ihnen ein Inkassobüro auf den Hals. Auch nichts wie Ärger für 20 oder 30 Euro pro Jahr Mehrbeitrag.

Deshalb mein Tipp: Legen Sie beweiskräftig Widerspruch gegen die Erhöhung ein und kündigen in dem Schreiben oder der Mail an, dass ab dem Zeitpunkt der Erhöhung der Mehrbeitrag von sagen wir 3,60/Monat ausdrücklich unter Vorbehalt der Rückforderung und ohne Anerkennung einer Rechtspflicht gezahlt wird.

Denn eines wird sicher kommen. Ich gehe davon aus, dass DAZN, die bereits Berufung eingelegt haben, die Sache zur Not bis zum Bundesgerichtshof durchfechten werden. Es kann also durchaus zwei oder drei Jahre dauern, bis klar ist, ob die Preisanpassungsklausel berechtigt als unwirksam vom Landgericht angesehen wurde.  Durch meinen Tipp sind sie halbwegs auf der sicheren Seite für den Fall, dass die Sache am Ende Bestand hat. Dann können Sie die zu viel gezahlten Beiträge zurückfordern oder mit neuen Beiträgen verrechnen.

Bleiben Sie mir gewogen und vertragen Sie sich 😉

Ihr Ralf Beckmann

Beispiel-Foto ist ein Screenshot vom 30.06.2023 des VZBZ und seiner Pressemitteilung zum Verfahren gegen DAZN